Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1919. szeptember (66. évfolyam, 182-182. szám)

1919-09-28 / 182. szám

VLSrLL L.L0H) _______________________» Z »_____________________ StimmeStefanTlßas den StandpuE ein, daß ei« diplomatischer Erfolg wertlos wäre, uè daher solche weitgehende Forderungen an Serbien gestellt werden müssen, die eine Ablehnung voraussehen ließen, damit eine radikale Lösung im Wege des militärischen Eingreifens an­­gebahntwürde. Stefan Tißa war aber nicht der Mann, sich der­­aMges bieten zu lassen. Auch nach gefaßtem Beschluffe noch ergriff er wieder das Wort, um darauf zu bestehen, „daß keine unannehmbaren Forde­rungen gestellt werden dürfen, da wir sonst eine unmögliche rechtliche Grundlage für e i n e K r i e gs e r k l ä r u n g haben würden". Und um KU zeigen, daß er von diesem Standpunkt keineswegs zurückzuweichen gedenke, fügte er hinzu, daß er genötigt wäre, aus einer Nichtberücksichtigung seines Stand­punktes die Konsequenzen zu ziehen. Zwölf Tage nach dieser Beratung trat der gemein­same Ministerrat am 19. Juli wieder zusammen. Hier forderte Graf Stefan Tißa, der Ministerrat habe ein­stimmig auszusprechen, daß mit der Mion gegeir Ser­bien keineEroüerungspläne fürdie Mon­archie verknüpft sein dürfen und die letztere bis auf aus militärischen Gründen gebotene Grenzberichtigungen kein Stück von Serbien füruns annektieren wolle. Um den ganzen Ernst dieser Forderung klarzu­legen, erklärte Tißa ausdrücklich, daß erdieZu st im­mun g der ungarisch en Regierungzurga n-, zen Äck t ion von der Fassung eines solchen einstim - m i g â^eschlusses abhängig machen müsse. ü^«)arte Entschlossenheit und die unbeugsame T8Al»N^aft, die Stefan Tißas staatsmännisches Weseir remiz^chnen, spiegeln sich in dieser Stellungnahme. Wie kleinlich nimmt sich neben ihm Berchtold aus, der noch immer glaubte, sich der harten Faust Tißas entwinden zu können. Den Mut, die Forderung Tißas einfach abzu­lehnen, brachte Berchtold selbstverständlich nicht auf, aber er erklärte, sich dem Standpunkte des ungarischen Ministerpräsidenten „nur mit einer gewissen Reserve" anschlicßen zu können. Keine Annexionen? Für jetzt immerhin, da Graf Tißa durchaus darauf be­steht. Aber wer weiß, was für Verhältnisse am Ende des Krieges vorhandelt sein werden und ob es dann noch möglich sein wird, auf Ännerionen zu verzichten, ohne auch einer Besserung unserer Verhältnisie an unserer Grenze zu entsagen? Aberinals sauste Tißas Hammer durch die Luft. Offen erklärte der Führer der ungarischen Politik, er könne die Reserven des Grafen Berchtold nicht gelten lassen und müsse auf der e insti in m i g en An­nahme seines Standpunktes beste''en. Wieder muß man die Sehergabe Tißas den-undern, wenn man die Begründung liest, lnit der er die Wiederholung seiner Forderung begleitete. Er erstiärte, «r sei persönlich überzeugt, daß Rußlaird sich â. ourranos zur Wehr setzelt müßte, wenil wir auf der voll - ständigen Vernichtung Serbiens be­stehen würden: auch glaube er, daß,eines unserer stärksten Atouts, um unsere internationale Lage zu verbessern, darin be st eh en würde, daß wir inöglichst bald den Mächten erklären, keine Ge­biete annektieren zu wollen. Stefan Tißa setzte seinen Willen durch, der von ihm geforderte Beschluß wurde einstimmig gefaßt. Wie wurde er aber durchgeführt? In einer gleichzeitig mit dain Not­buch mit Ermächtigung des Wiener Staarsamtes für Aeußeres veröffentlichten Schrift „Das Wiener Kabinett und die Entstehung des Weltkrieges" sind weitere Urkun­den über die Vorgänge zwischen dem zweiten gemeinsamen Ministerrat und dem Kriegsausbruch quellcnkritisch ver-öffentlicht. Aus dieser Schrift erfährt man, daß in Petersburg der Minister des Aeußern Sasonow am 24. Juli dem deutschen Botschafter Grafen Pourtalès von der Absicht Oesterreich-Ungarns sprach, „Serbien zu verschlinge n". Fünf Tage nach dem zweiten gemein­samen Ministerrat hatte also Rußland noch keine Kennt­­.niZ davon, daß in Wien der einstimmige Beschluß gefaßt worden war, auf jede Annexion serbischer Gebiete zu ver­zichten. Vielleicht hätte das Zarenreich zu der ganzen Frage eine wesentlich verschiedene Stellung genommen, wenn das Petersburger Kabinett um diesen Beschluß ge­wußt hätte. In gl^eicher Weise wurde in London Sir Edward Grey, dem vor einem Weltkrieg und seinen furcht­baren Folgen graute, in bezug aus diesen Beschluß des gemeinsamen Ministerrates im unklaren gelassen. Und auch in Rom ersuhr man diese Tatsache erst zu einer Zeit, als die Verstimmung gegen das Draufgängertum Oester­reich-Ungarns schon zu tiefe Wurzeln geschlagen hatte, um die interventionistischen Wühlereien noch unwirksam machen zu könpen. Stefan Tißa hatte geraten, an Serbien harte, aber nicht unerfüllbare Bedingungen zu stellen, sich mit einem diplomatischen Erfolg zu begnügen, sich vor einem über­­raschendeit Angriff auf Serbien „Luns erisr xuro" zu hüten und, wenn es unbedingt zur bewaffneten Aus­einandersetzung mit Serbien kommen müsse, den Mächten unser territoriales Desinteressement so bald als mMich mitzuterleu. In den Sitzungen des gemeinsamen Minister­­rates hatten sechs Personen Sitz und Stimme. Tißa führte z allein den Kampf gegen den ruchlosen Wahnsinn der Kriegspolitik, ein Mann gegen fünf. Die Monarchie, der diese Kriegspolitik das Grab scharrfelte, war im Ausgl^s­­ge^etze Franz Deäks auf dem Prinzip des DualismuK«â vollen Patität ausgebaut. Hier zeigt sich, wie verhänMs­­voll es nicht für Ungarn allein, sondern auch für Oesterreich und für die ganze Menschheit wurde, daß Dualismus und Parität dank der beschränkten Kurzsichtigkeit der österreichischen Politik bis zu­letzt eine unerfüllte Verheißung blieben. Hätte es in den denkwürdigen Julitagen 1914 in der gemeinsamen Re­gierung nicht fünf Oesterreicher urrd einen Ungarn, son­dern drei Ungarn und drei Oesterreich er gegeben, wie anders wären die Beschlüsse ausgefallen und in welch anderem Geiste wären die Beschlüsse durchgeführt worden. Aber deir österreichischen Politikern von 1867 bis zum Zusammenbruche schwebte in rmheilvoll verstockter Verblendung stets das gesamtstaatliche Ideal vor Augen,, der staatsrechtliche Ausgleich war ihnen ein unbequemes Hindernis, das sie Jahrzehnte hindurch beständig zu um­gehen suchten und dessen schließliche Forträuniung das letzte Ziel ihrer geheimen Wünsche war. Vielleicht würde ein wirklich und ehrlich durchgeführter Dualismus Ocster­­reim-Ungarn gerettet, die Welt vor dem schrecklichen Un­glück des Weltkrieges bewahrt haben. Stefan Tißa allein konnte nicht durchdringen. Er hat es jedenfalls ehrlich ge­meint, und der Titanenkampf, den er für seine recht­schaffenen Absichtell führte, sichert ihin ein ehrendes An­denken in der Geschichte der ganzen Menschheit. In jenen Tagest ist Graf Stefan Tißa der Träger der ungarischen Politik gewesen. Durch die Wiener Ver­öffentlichungen ist festgestellt, welcher Teil von der Schuld an: Weltkriege auf Ungarn entfällt. Nach der Gruft von Geßt aber wenden sich trauervoll die Blicke aller ungari­schen Augen. Dem toten Stefan Tißa haben die Rechts­nachfolger seiner österreichischen Widerparts die glän­zendste Genugtuung erteilt. Tas Wiener Rotbuch ist ein Jmmortellenkranz, den die Republik Teutschösterreich auf den Sarg Stefan Tißas legt. Aus dem Bahrgericht der Wcltgescknchte geht die Gestalt dieses glühenden ungari­schen Patrioteii und großen Staatsmannes gerechtfertigt und lichtumflossen hervor. Femlletou. Lagebuchblätter aus der Sowjetzett. Von Max Viola. Vier Uionate völliger Untätigkeit. Ich sitze am Schreibtisch und weiß nichts zu beginnen. Die gewohnte Tätigkeit ist unterbunden, als ob sie nie dagewesen wäre, und man faulenzt... Die Klubs sind geschlossen, die Kaffeehäuser ebenfalls. Man betritt die Straße nicht, wenn es nicht unbedingt notivendig. Auf Schritt und Tritt hört man nichts als Schauergeschichten, daß einen darob das Fieber schüttelt und die Stirn sich mit kaltem Schweiß bedeckt. Jeder Bekannte weiß eine andere furcht­bare Neuigkeit, eine übertrifft an Schaurigkeit die an­dere, und hat einmal einer etwas Tröftliches zu berich­ten, so ist es nicht lvahr. In ihrer Ratlosigkeit erfinden die Menschen Anekdoten. Wissen Sie schon? Haben Sie schon gehört?: „Bèla Kun erhält das Großkreuz des St.-Stefan-Ordens zu den Brillanten?" „Auf die Er­klärung Llenlenceaus, Ungarn habe zehn Milliarden Kriegsentschädigung zu zahlen, telegraphierte Kuir: „In Ln'dnung. Senden Sie das erforderliche Druckpapier." Warum die Menschen jetzt Witze drechseln? Allerdings sagt Goethe:' „Hinter dem wannen Ofen lasten sich die schönsten Frühlingsgedichte schreiben." Die Leute sprechen nur noch vom Essen; die Frauen Und die Kinder, Jünglinge und Greise, Akademiker, Hökerinnen, Llurialrichter, Droschkenkutscher, Künstler und Kaufleute. Man ist vor Hunger schlottrig geworden, die Kleider hängen einem armselig vom Leibe. AuL die übrigen Vorgänge sind nicht erftculich. Abgesehen davon, daß man sich leicht Unannehmlichkeiten zuzieht: einen Rippenstoß von einem Roten, Grobheiteil von einer ' .Proletarierirr. Behorchung durch Spione, herrscht auch ein i^chtbarW Lärm. M Autos« die. Len rechtmäßigen Bè­sitzcrn fortgenoi^nncn wilrdcn, rasen mit ihren roten Jn­­sasseir ohne Rücksicht auf Menschenleben kreuz und quer und grunzen, heulen, bellen, wiehern, pfeifen, ächzen einem in dm -Ohren, daß das Trommelfell Platzen will;^ die Zcitungsverkäufer grölen, das; mair glaubt, die Kehle müsse ihnen zerreißen; die Kinder balgen sich entfesselt auf dem Bürgersteig und brüllen, schreien, quieken. Die ohnedies abgespannten Nerven, die längst gestörte Seelen­ruhe, die llnterernährung, die Unsicherheit, die tstach­­richten über neue Gewalttaten erzeugen ein latentes Fie­ber. Man eilt lieber in seine Wohnung zurück und bleibt Lag und lNacht daheiin. Da neue Bücher nicht erscheinen, liest umn die alten, längst gelesenen. Endlich ist mmi auch damit ztl Ende. Die Zeitungen? Sic lverden auf Schoko­ladepackpapier gedruckt und sind unlesbar, auch glaubt kein Mensch, lvas darin enthalten ist. Schreiben? Wozu? Alan kann nicht Feuilletons Ivie Winterhoscn auf Vorrat anfertigen. Vielleicht Gedichte? Ach, alles ist so ungereinU! So erscheint der Mittag. Meine Wirtschafterin kann kein Fett bckoimncn, folglich gelangt die «Uos-pièeo, der .Hirse­brei, in Wasser gekocht auf den-Tisch. Jüngst eimmst wurde geschwelgt. Ich erhielt ein Bulterbrot und ein Ei. In „lveißcm"' Geld kanc mich dieses Menü ggnau auf zweiunddreißig t^lronen zu stehen. Eilt Butterbrot ulid eilt Ei zweivmddrcißig Kronen. Dafür habe ich einst in Wien bei Sacher diniert und eine Flasche franzüsischeir Champagner dazu getrunken. Zuweilen bringt die Haus­hälterin etwas Schmackhaftes. Auf meine Frage, woher? erwidert sie, das wäre meiir Winterrock. Eine Flasche Tee­­ertrakt, der ist für ein Paar Hosenträger, und drei Zi­garetten, die sind für zwei Krawatten eingetauscht worden. Ich esse sonach Winterröcke, trinke Hosenträger und rauche L'krawatten. In meinem Magen sieht es auch darnach aus. Ich möchte nicht in Damengesellschaft, denn er rumort ftets. Auch wenn ich mich einmal in dreiâ^ochen satt­gegessen. Es ist, als ob er sagen wiirde: Du meinst, ich wäre satt, weil du niich heute vollgestopft? Oho! Ich will alles ersetzt, was du mir seit vier Monaten entzogen. ______ ___ SoiuitLL, 28. Ssptemd«» WW! Mittisterprasrderrl Friedrich »der die ittnerpolitische Kage. Budapest, 27. Eeptemb«. In einer Unterredung, sie er einem Vertreter des- Pester Lloyd gewährte, Äußerte sich Ministerpräsident» Stefan Friedrich über die lUnerpolitische Lage wie folgt — Ich wage der Hoffnung Ausdruck zu geben, daß der Prozeß unserer inneren Konsolidierung in verheißungsvoller- Weise in die Wege geleitet ist und unser so schwer geprüftes Land nunmehr ruhigeren Tagen entgegengeht. Mein Streben ist, den zerrüttenden Tendenzen, die sich bisher l)emmungslos geltend gemacht haben, jegliche Betätigungsmöglichkeit zu ent­winden, die Wiederkehr zur produktiven Arbeit auf der ganzen Linie mit allen Mitteln, die der Regierung zur Verfügung stehen, zu ermuntern und zu fördern, die Disziplin im öffent­­lichen Dienst in ihre Rechte wieder eimusetzen und all dieseni­­gen zur Mitarbeit an diesem EtablierungAverke heranzu­ziehen, die gleich uns von der Ueberzeugung durchdrungen lind, daß nur eine Zusammenfassung 'aller aufbauenden Kräfte dieses unglückliche, vom Kriege und der Bolschewistenherrschaft so furchtbar schwer heincge­­suchte Land mit neuer Lebenskraft ausstatten, es aus dem Ver­­derben retten und ihm eine Zukunft der ruhigen Entwicklung sichern kann. — Das Wiederaufleben der bürgerlichen Presse wird, wie ich gern hoffe, diesen Gesundungsprozeß beschleunigen. Die öffentliche Meinung kommt damit wieder zu Worte, und ich müßte an dem Selbsterhaltungstriebe der ungarischen Nation verzweifeln, tvenn ich nicht den Mut auf­­l brächte, zu hoffen, daß unter dem Drucke der öffentlichen Mei­­nung sich das Einigungswsrk reibungslos vollziehen wird, das den ZusaNlmechschluß aller poliischen Fak­toren, die auf der Gruicdlage des nationalen! Gedankens, der bürgerlichen Gesellschafts­ordnung und der demokratischen Freiheit stehen, zur Vorbedingung hat. Auch wenn sich alle diefs Energien zusammenfinden, werden wir noch einen schweren Stand haben. Denn die Aufgân der Wiederaufrichtung sind sehr schwierig, und die Wunden, die uns der Krieg und der Bolschewismus geschlagen, werden noch lange nicht verharscht seinpaber wenn alle, die guten Willens sind, sich zu gemeinsamer Arbeit zufammenfinden, so werden mit Gottes Hilfe die ungeheuren Schwierigkeiten sich übeilvindeu lassen. Im Zu­stande der Kräftezerfplitterung, der ohnmächiigen Gelähmtheit. gegenüber den zerrüttenden Kräften, die zwar besiegt, aber noch lange nicht endgültig entwaffnet find, wäre die Nation unfähig, sich aus ihrem gegenwärtigen Elend je wieder zu erheben. Ein Zusammenwirken des christlichsozialen Blocks mit deir übrigen Eleucenten, die sich zur Freiheit cnw D«Mokratis irnd zmn nationalen Gedanken bekennen, kann, wie ich hoffe, mit vollem Erfolg crrcgestrebt werden; gilt es doch in erster Reihe, mit Einsetzung aller Kräfte, die uns gegeben sind,^ aus dem katastrophalen Zusammenbruche zu retten, tvas sich über­haupt noch irgend retten laßt. El)e diese Aufgabe gelöst ist,^ sollten die Gegensätze, die ztvischen den Anhängem der bürger­­lichen Gesellschaftsordnung und des natioiralen Gedankens etrva noch aus alter Zeit vorhanden sind, nicht hervortreten dürfen. Ungestüme Partei kämpfe, wie sie in unserenr öffent­lichen Leben ehedenc üblich waren, l)aben jetzt umso weniger Berechtigung, als die alten Parteigebilpe durch die revoju. tionären Erschüttenmgen, die das Land seit denc Kriegsende durchgemacht hat, über den Haufen geworfen worden sind und die Bahn jetzt endlich frei ist für neue Parteigestaltungen, die sich den Lebensbedürfnissen des neuen Ungarn, wie es auS dem Friedensschluß hervorgehen wird, anzupassen haben werden. — Aus dem bisher Gesagten ergibt sich von selbst, daß die Regierung mit ehrlichstem Willen und aller Energie, bestrebt^ist, die -auf Entfesselung eines kon»' fessionellen Binnrnkrieges abzielenden Be­strebungen durch ein schonungsloses Eintreten der Behörden Au vereiteln. Ein dicsfälliger Erlaß des Ministers des Innern an sämtliche Verwaltungsbehörden weist diese an, den antisemitischen Verhetzungen und den Ausschreitungen des sogenannten „weißen Terrors" bei deren ersten Regungeri mit allen Kräften entgegenzutreten und die an Getvalttätig.^ keilen Schuldigen zwecks Aburteilung den zuständigen Gcrichtsstellcir zu übergeben. Die gleichm Verfügungen hat Alles. Es ist ein fortwährender Hader. Ich stehe auf sehr schlechtem Fuß mit ihm. Heute habe ich keine Zigarette. Ich hatte auch gesterir, habe schon seit acht Tagelc keine. Die letzte drehte ich mir aus den Taltakkrümchen, die in meiner Schreibtischlade ver­streut lagen. Da ich jedoch dort nicht nur meinen Tabak, sondern auch den Vorrat von zehn Deka Kristallzucker und an sonstigen Kostbarkeiten verschlossen hielt, sind in diese Zigarette neben dem Tabak auch Zucker-, Keksreste und etwas Siegellack geraten. Ich stehe am Fenster und blicke auf die turbulelste Straße. Zehnmal, fünfzigmal im Tage. Was kann ich andcrcks beginnen? Gegenüber liegt die übliche Zins­­kasernc: fünfzig Fenster, vier Gassenladen. Die sind her­metisch geschlossen, schon seit Monaten, Abermals zurück zum Schreibtisch, hierauf abermals zum Fenster. Wie alle die langen Tage her. Fünfzig Fenster und an ksinem­­etwas Jntcressalltès, etwas Erfreitlick-es. Jene drei Eck­fenster nut dein Balkan bieten es am allerwenigstm. Die Jnliaber dieser Wohnung, Mann uikd Frau, sind von roten Soldaten, die man dort einquartiert hatte, ermordet wordcu, und zwar in Anlvcsenhcit ihres einzigen Sohnes.^ Die Fron I)atte die Külinheit gehabt, von einem der Roten die Bettdecke ihres Dienstmädchens zurückzufoc­­dern. Darallf erhielt sie vier Kugeln in den Kopf und ihr Gatte drei. Blir grarrt, lveun mein Blick diese Fenster streift. An einem andereir Fenster eine schöne Frau, und trotz den Widrigkeiten der Zeit> soigniert. Sie besitzt, wie ich allcnählich feststellen konnte, ein blaues Neglige mit zlvanzighellergroßen weißen Tupfen, dann eines aus grünem Samt, das früher vielleicht ein Kostüm gewesen, ist, eines aus RohleiiUvand und ein weißliches. Diese Frau ist mir ein Lichtpunkt in dem Grau der Erschei­nungen. Wie lebt sie? Wie erträgt sie das Schwere? Sie hat keine Kinder. Ihr Mann ist blond und mager, ergo sekkant. Ich möchte ihr gern sagen, sie soll ihre Kämme verschließen, derm wenn sre nicht daheim ist, setzt sich ihr^ Dienstmädchen, ein ganz junges Ding, an ihren im SKl^É

Next