Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1919. október (66. évfolyam, 184-210. szám)

1919-10-01 / 184. szám

leines liberalen bürgeÄchen Blocks für unbedingt notwen­dig erachte. Die vielen Parteien, so sagte Väzsonyi, inachm die Gesundung des politischen Lebens unmöglich, dcni Parteiwahnsinn, der in unseren Tagen die Oeffcntlichkeit ergriffen hat, müsse ein Ende bereitet werden. Der Block fei keine endgültige Ge st altun g, nur eine Basis für Verhandlungen mit der Regie­­giUNg. Das neue runlänische Ministerium. . Die Regierungskrise in Rumänien hat eine Lösung ge­­ifundö::. Zum Nachfolger Bratianus hat König Ferdinand den iGeneral Vaitoianu ernannt. Tas neue Kabinett stellt eine Militärregie rung dar. Vaitoianu hat das Präsidium und Ministerium des Innern übernommen. Ge­neral Naseanu übernahm das Kriegsministcrium. Gene­­stalLuPeâcu: Kultus und Unterricht, General Popovici: Handel und Industrie. Tas Ministerium des Aeußern übcr­­-nahm der gewesene Gesandte in London Ntisu, der auf der -Friedenskonferenz neben Bratianu und Alexander Vajda als iKriedensdelegierter Rumäniens fungierte. Älldr Wahrscheiii­­jlichkeit nach wird die neue Regierung in der äußeren Politik -diejenige Bratianus weiter verfolgen. Die RerhMdlirrrgen der Regierung mit der Iuderrschaft. Budapest, 30. Septeinber. In der jüngsten Zeit haben zwischen der Regierung, und Einigen führenden PersönlichkLilen der ungarischen Judenschaft 'BesprecMngLN stattgefunden über die Art imd Weise, wie die ^Angehörigen des jüdischen Glaubensbekenntnisses, in deren -Reihen die seit einiger Zeit betriebene antisemitische Propa­­aanda begreifliche Beunruhigung erregt hatte, am wirksamsten ! beschwichtigt werdeit könnten. Auf Initiative Tesider Polönyich her sich dieser Lache annahm, erklärte sich der Ministerpräsi­­'bent bereit, mit führenden Persönlichkeiten aus derr Kreisen der ungarischeii Juden in Fühlung zu treten. Pesti Hirlap, wem wir diese Mitteilung entnehmen, veröffentlicht heute ^inehrere Einzelheiten über Verlauf uild Ergebnis der bezüg­lichen Besprechungen, die das Oberhaupt der Regierung mit den Herren Franz Székely, Baron Adolf Kohner und Dr. Alexander Lederer geführt hat. Da nach unseren Informationen die Darstellungen des Pesti Hirlap in manchen Punkten ungenau sind, haben wir -Ms in dieser Sache an den Präsidenten der Pcster Israeliti­schen Relichonsgemeinde Herrn Franz Szökelh gewendet, her uns die folgenden Aufklärungen erteilte: I — Schon vor Wochenfrist, als die Tageblätter noch nicht «rschienen, wurde in Flugschrifteir und der Eintagspresse die Beschuldigung erhoben, daß ich vom Ministerpräsidenten Friedrich die Ernennung eines jüdischen Ministers gefordert !und dafür die materielle Unterstützung des gegenwärtigen Re­­igimes — man sprach von einem jüdischerseits zu gewährenden Darlehen von 900 Millionen — zugesagt hätte. Ich habe schon -damals die kategorische Erklärung abgegeben, daß sowohl die leine wie die andere Behauptung eine tendenziöse Ausstreuung iist, die jeder tatsächlichen GrunÄage entbehrt. i Da nun heute trotzdem ein Tageblatt mit allen Zeichen -her Wohlinformiertheit an hervorragender Stelle die angeb­lichen „Details" unserer Besprechungen mit dem Minister- Präsidenten bringt, erkläre ich vor allem auf das entschiedenste, daß es weder mir noch den beiden anderen zum Ministerpräsi­­-denten gebetenen Herren eingefallen ist, der Regierung Vor­schriften über die zu befolgende Politik zu machen oder gar Persönliche Forderungen in Verbindung mit einer etwaigen jRekonstruktion des Kabinetts zu erhebem ' Der Herr Ministerpräsident ließ Herrn Baron Adolf Kohner, .Herrn -Dr. Alexander Lederer und mich zu sich Pftten, um uns zu befragen, wie die in jüdischen Kreisen Le­­chwrkbare Nervosität zu beschwichtigen wäre. Wir hielten vor allem die Wi^erherstellung des gesetzlichen Rechtâzusiandes -sowohl in Budapest wie in der Provinz für notwendig, baten ium Vorkchrungen, damit die an Angehörigen unserer Konfession igeübten Missetaten zuverlässig verchudert werden und forder­­sten die Bestrafung all jener Militär- und Zivilpersonen ohne Ansehen deS Ranges und der Stellung, die an den Greueltawn aktiven Anteil genömttien. Wir forderten ferner die Wiederherstellung der Ordnung und der Lehrfreiheit mr den Universitäten und Mittelschulen, damit die jüdischen .Hörer und Schüler, ohne Tätlichkeiten aus­gesetzt zu sein, sich einschreiben lassen, Vorträge besuchen und Prüfungen ablegen können. Wir erklärten lveiter, der Hauptgrulid der Beunr.ihigung der jüdischen Bevölkerung liege in der Tatsache, daß aus der als Grundlage einer eventuell später zu organisierenden Brachialgewalt dienenden Evidenthnltung die jüdisckyen Offi­ziere fast ausnahmslos auSgeschaltet wurden, wodurch eines­teils diesen sowohl in Friedens-, wie anch in Kriegszeiten stets bewährten Ofsizieren das Stigina der Unverläßlichkeit aicfgedrückt, andererseits aber in der jüdischen Bevölkerung dse selbstverständliche Befürchtung eMeckt wird, daß diese Brachialgewalt antisemitische Tendenzen zu unterstützen be­rufen sein würde. Wir stellten hierauf die Forderung, daß die sich nieldendeu jüdischen Offiziere ihrem Range entsprechend evident gehalten und nötigenfalls in die Brachialgewalt ein­geteilt werden. Die Erfüllung dieser drei Forderungen- wurde vom Herrn Ministerpräsidenten ohne weiteres zugesagt. Schließlich haben wir den Wunsch ausg^prochen, daß jene Sektion im Kultusministerium, -die sich mit den Angelegen- ! heilen des jüdischen Glaubensbekeimtnisses befaßt, einem OLerbeamten jüdischer Kwnfession unterstellt werde, der für die speziellen jüdischen Verhältnisse naturgemäß mehr Verständnis besttzt als der sonst objektivste andersgläubige Sektionsleiter, In diesem Belange ergibt sich aber noch die Notwendigkeit einer freundschaftlichen VerständiMng mit unseren GlaubenLbrüdern von der Orthodoxie. Pesti Hirlap meldet in seinem Bericht, wr-r hätten auch die Besetzung eines Minl-sterpostens mit einem un­serer Glaubensgenossen gewünscht. Das ist falsch. Wir haben selbstredend unseren gesetzlich verbrieften prinzipielleir Standpunkt betont, daß die Zugehörigkeit zur israelitischen Konfession niemals ein Hindernis sein darf fürchie Erlanchrng selbst der höchsten staatlichen Stellung, erklärten jedoch, daß wir derzeit die Ernennung einG AngehhrMN unsererFkonses­­sion zum Minister keinesfalls MützschW,''Fgeschweigtz denn fordern. Für Leit Fall -der Einsetzuidines Staatsrates oder Fi­nanzrates haben wir allerdings gefordert,^daß-âgehörige ilwr israelitischen Konfession diesechKörperschchten''in,'entsprechender - Zahl zugezogen werden. . . Schließlich will ich noch chesonders hervorheben, daß ich in Gesellschaft der Herren Barop Adolf Kohner und Dr. Alex­ander Lederer nur ein einziges Mal zum .Herrn Mi­nisterpräsidenten berufen wurde, daß also ein in dem ange­zogenen Artikel ertoähnter zweiter Besuch zwecks „Abgabe gegenseitiger verbindlicher Erklärungen zur Einhaltung de-r zustande gekonnneiren Vereinbarungen" überhaupt nicht statt­gesunden Mt. Dies war auch der Natur der Sache genräß gänz­lich überflüssig, da der Herr Mnisterpräsident die von uns geänßerien Wünsche, wie bereits erwähnt, sofort billigend zur Kenntnis genommen und -deren, unverzügliche Erfüllung zuf gesagt hat, wir aber keine wie iurnwr geartete Verpflichtung, . fei es materieller oder sonst welcher Art, übernomm-enHabWji' was von uns auch gar nicht gefordert'iWrde. - - —.— ' ü, Mefl'en SLrrrdr rß der rrrrgarrsche Sslschervismrrs? Budapest, 30. ^September. tvirkung der bolschewistischen Agitation in zwei Lager gespalten hat. Wie alle persönlichen Werte, die innerhalb der alten Partei zur Geltung gelangt waren, gegen den Bolschewismus, wie aber alle Führer und Nichtführer, die mehr anstrcbten, als sie bis dahin erreicht hatten, fiir die neue Richtung eintraten. Es sind dies zumeist schon allbekannte Einzelheiten, aus denen sich das von persönlichen Motiven geleitete sündhafte Streben einer Reihe früherer Sozialdeniokraten bereits ini öffentlichen Be-^ wußtsein festgelegt hat. Während dieser Teil der DarstellMgen Kemènys mehr durch seine Plastik wirkt, fesselt der andere Teil seiner Broschüre, der jenen Vorfällen gewidmet ist, deren ! Rollenträger die bnrgerlicheii Führer des nach der -Herbstrevolution inaugurierten Systems waren, viel-^ fach auch durch die Neuheit seiner Daten.­­So ist es ^ttcht mrinteressant, daß Kriegsminister Bartha, umf die Lage des einer undisziplinierten Wehrmacht' ausgelieferten , Kabinetts zu sanieren, zur ParalysierMg der Budapester So- - zialistenarmoe auf den: Lande eine zweite wohldisziplinierte! Brachialgctvalt organisieren wollte, die die Eignüng gehabt > hätte, das Gleichgewicht der Klassen auch innerhalb der be- j Ivasfneten Macht zu wahren. Graf Károlyi war es, der sei- ! neu bolschetvistksch angchanchten Freunden dert Aenst geleistet ! hat, Bartha im Mimsterrat als urrgarischen BoulanPr dar­­zustellen und zu stürzen. Sehr bemerkenswöwt ist dre Dar- > ! stelluug der Nacht zum 9. Januar. Anl Vorabend wurde im ! Ministerrar !mch langer Debatte die Verhaftung -der Konr» munisten beschlossen. Oberstadthauptmann-Stellvertreter! Schreib e-i-' sollte Len Polizeiakt aussühre^, das damals noch verläßliche Jägerregiment Nr. 1, das von Oberst Emeinch F eh.èr bsfechigt wurde, war zur lllnterstützung d« Aktion beordert. Oherst Fchèr verfügte denn auch alles, tvaS zur SichevMg des Vorganges notweMg war. Als er jedoch um 4 Uhr ansragte, ob die Verhaftungen vollzogen find, mußte ihnr Schreiber ärgerlich berichten, daß „die He'-­­ren Minister sich wieder feige benommen" und in der letzten Stunde noch Rückzug geblasen haben. Höchst lehr­­reich, vielleicht auch für die Zukunft, sind die Gegensätze, die > sich ül der Beurteilung der Bodenreform ergaben und dereng Zusammenhang mit den bolschewistischen Wülylereien- recht klar, aus der Darstellung Kemènys hervorgehen. Wahrhaftig dra­­matisch aber wird das Schriftchen in jenen Teilen, die die > ErefAnisse des 20. und 21. März, also die unmitttelbare Vor­geschichte des Ueberganges zur Proletarierdiktatur behandeln./ Hie man die noch sHvankenden Arbeiter mit der falschen Vor- j spiegelung betäubte, ein Bolschewistenheer voir 200.000 Mann -siche vor Lemberg. Wie man für den 23. Dèärz die Befreiung' der verhafteten Kommunistenführer und eine Beschießung der Hauptstadt vorbereitete. Wie Gras Károlyi sich der bekannten Vix-Note als Vorwandes zur Uebergabe der Macht an den' Bolschewismus bediente. Wie Graf Stefan Bethlen von Oberst i Vix die Versicherung erhielt, daß der Vollzug der Note sistiert, und Budapest zum Schutz gegen den Bolschewismus von, Ententetruppen besetzt werden wird. Wie Graf Károlyi dafür i folgte, daß er von dieser Wendung keine Kenntnis erhalte.' Wie der Älorphinist Kunfi, von Josef Pogány, Oskars G e llèrt, Ludwig Magyar, Paul Köri und Bèla Rei- i Nitz bgraten, schon die Rollen des Bolschewistendramas ver­­-teilte, während er noch im Kabinett Berinkey eine führende Rolle ! spielte. Wie Paul Kèri dem Präsidenten der Republik die! Mrktmde vorlegte, in der dieser seinen Verzicht ankündigt und - --begründet. Wie Károlyi andersgesinnten Naheste^nden! -gegenüber den Mann spielte, der hintergangen wurde und - nicht weiß, was er tat. Wie im Gegensätze dazu der frühere. Minister Mezössi aus einer Unterredung mit Károlyi den Eindruck mitbrachte, als ob Károlyi auf den Bolschewismus­­hinarbeite. Und wie sich Károlyi schon in den ersten März-' tagen vor einem der ehemaligen Vizepräsidenten der Unab­­hängigkeitspartei folgendermaßen geäußert habe: „Die Entente hat mich im Stiche gelassen. Aber ich werde mich rächen. Ich mache in Ungarn einen solchen Bolschewismus,, daß davon ganz Europa an den Bettelstab gerät..." Alles dies ergibt in Kemènys markiger Darstellung ein grelles Bild dest schweren politischen Sündhaftigkeit jenes Mannes, der mit dem Putsch des 31. Oktober die Schicksale Ungarns' in seine hiezu so wenig berufenen Aände nahm. Was uns^ diese aus dein Wulst der Ereignige zusammengeschmiedete Schrift berichtet, gibt wieder einmal dem Grafen Stefan Tißa recht, derf'cine an ihn gestellte Frage, warum denn' durch die arrsgestorbenen Gassen der Brigittemau, vorbei > an finsteren Bauplätzen, dann an Pflasterern, die beim Schein offener Gasolinflammen hämmerten und dem-^ späten Wanderer Zoten zuriefen. Schmal graute die Mor«' gendämwemng eben herauf, als er die Donaubrücke er«! reichte. Die Bäume des weiten Floridsdorfer Jnunda- ' tionâstreifens traten aus den Nebeln hervor. Aus der breiten Pragersttaßc gingen Eisenbahner und Zollbeamte gesenkten Hauptes und schweigsam zum Dienste. In der- Allee pfiffen tausend Spatzen die Reveille. Scharf und hellgrün schnitten sich die eckigen Konturm des wein­belaubten Leopoldberges in das rotgeränderte, Llaßblaue Firinaulent, das fem, am Klosterneuburger Horizont,­­zerrissen in Hellen Flammm aufloderte. Ein graues .Haus, mit Erker und Mansarden, mit Vorgartm und Bretter­zaun stand vor ihm. Er war am Ziele. Leise, wie Su­chende pflegen, pochte er an die kleine verwitterte Gartentür. Tänzelnd laufende Schritte schürften über den Kies, des Gartenpfades. Dann öffnete ein junges Mädchen die' Pfotte. „Man hat mich hiehergewiesen," stotterte der Graur. - „Ein Weib soll hier sein. Eine, die, wie man sagt, die Müdigkeit heilen kann." , „Sie sind recht," sagte-die Kleine, indem sie die r kastanienbraunen, schwerseidm fallenden Locken in den/ Iveich gebogenen, herrlichen Nacken warf. Dabei geriet sie. aus dem Schatten des Baumes. Ein breiter, goldener' Strahl der Morgensonne fiel kosend auf die zarte, kühle, pfttsichfarbene Haut des Antlitzes, in dem zwei mandel­förmige, schwarze Augen ftei von aller Schwermut und jeder Düsterkeit, verständig, hell glänzend, heiter und lebendig Luslugten. Schnell schritt sie voraus, im wunder­baren Spiele des herbkräftigen und doch in jedem Stück vollendet geformten Gliederbaues, den nur ein brauner Kittel anschmiegend umhüllte, von der runden Schulter Lis zu den schmalm Knöcheln der nackten Beine von einem Rhythmus bewegt, immer schwebend, immer wie im ftöh- - lichcn Tanze. Zwischen roten Rosenstöcken und gelben - Lilien führte sie den Gast zu einem breit ausladend ' astAn^ üppjig 'blüheiiden KirscheMaum. Sie ft' Feuilletoll. Die Here von LcdLesee. — Ein GroßstadtmLrchen. — Bon Joscf Straffer. — — — Mit dein Danke für alles Unvergeßliche, das .Sie, vorn Frühling bis zum anbrechenden Herbst, hineintrugen in die sorgenvoll-m Tage des Wener Exils, Minge ich Ihnen, liebe Freundin, diese Geschichte. Eie stverden eüenneri: sie ist nicht ganz erfunden. rk An dem feuchtkühlen Apvilabend —- die blassen Far­ben des ftostigen Vorfrühlings lagen über dem Kärntner­sring — an diesem Abend -also, da ich S>ie, Liebe, von ras­­'selnden Wagen und rennenden Dtenschen umwogt, zum ersten Male an der kleinen Insel vor der Opernuhr traf, !scchen Sie dort einen seltsamen, gealterten Maim. Bürger­lich und dennoch ftemdauig gekleidet, schien er einheimisch und doch ftemd, Zeitgenosse und doch altmodisch, gegen­wärtig und doch wieder abwesend. Ter bedeutende, 'knochige Kopf laa, wie Lebendiges auf Totem, auf einer Wleppend schlaffm, eckigen Gestalt. Die schwarzen Augen blickten groß, dunkel, gedämpft stechend aus ihreni blutig­geäderten Weiß, aus dem tizianisch mit Feuern unter­­ynaltcn Antlitz ins Leere. Der Eigentümliche hatte — so cheit vorn beginnt dieses Märchen — eine mächtige Reise hinter sich. Von den dürren Aeckern des Landes Gad fichrte ihn früh vor den Tagen Les Nazareners der Weg des erwerbenden Kolonisten nach Babylon und Alex­andrien. Meere und Jahrhunderte überquerend, kam er bann in römisches Land und über pannoiüsche Castren nach der grünen Moldau, wo er im heiligen Jahre Tau­send ein Weib nahm. Den Stanun dieses Weibes aber hatte ein Weltensturm aus mongolischem Hochland Lort­­lsin verpflanzt. Länder und Geschlechter wandelten sich um -sthn wie sein Kleid und-seine Sitten. Die rotglühenden Sonnen der Urheimat verblatzte:i in ihm im grauen iStaube auf der e-wigen Landstraße der Jcchchunderte, und i hie verglommenen Muten wärmten nur mehr heimlich als Der Journalist Franz KMeny veröffentlicht unter obiqem Titel eine Broschüre, in der, er bestrebt ist, ausführlich nach­­zuweisen, wie und durch wessen Hände Ungarn dem Bolsche­wismus hingeopsert worden ist. Was Kemény uns bietet, ist natürlich keine pragmatische Vorgeschichte der Ausrufung der Proletarierdiktatur, sondern vielmehr ein Kaleidoskop anein­andergereihter Bilder, die sich jedoch zu einer plastischen Ge­samtansicht der Ereignisse des März 1919 zusammcnfügen. Ta werden uns vor allem nacheinander die -Vorgänge gezeigt, die sich seit der Ankunft Bela Kuns aus'Rustland in der un­garischen Sozialistenpartei abgespielt haben. Wie sich der alte Generalstab des ungarischen Sozialisnuis untep der Ein­verschleiert dämmernde Sehw'ucht seine Brust. Hindäm­mernd stand -er auch an jenem Aprilabcnd im Wiener Trubel. Den Blick nach innen gekehrt, seufzte er still, dachte er wohl an jene großen Rosen Irans, die blattweise sterben und so sich unsichtbar auflösen im Nichts. Da kamen Sie, und ein Lächeln kräuselte, wie eine leichte Brise die rastende See, schmal seine Lippen. Undeutlich hauchte er ein Wort. Dann blieb er mit halbgeschlossenen Lidern unbeweglich. Von St. Stefan hallte dröhnend die zehnte Abendstunde. Tie frühe Sperrzeit der Restaurants und Cafes machte im Nu die Straße leer. Der Verspätete richtete seine Schritte hinüber, erst unbestinimt zögernd, dann zur Herrengasse, die im Weißen MonMcht dalag, wie die prunkende Gruft- verblichener .Herrlichkeit. Am Minoritenplatz hielt er unter den Arkaden der spanischen Mönchskirche vor einer -Tür, über der auf weißer Tafel die Bezeichnung „SuArlstÄ" stand. Ein kühler Wind fegte durch das steinerne Spitzengewebe der Gotik. Silbernes Licht fl-oß drüben über die Mar-morgestalt Rudolf Alts. Es schien, als rührte sich der Crayon in der steinernen .Hand des im Denkmal verewigten Wiener Meisters. Der Fremde starrte, an einen Pfeiler der Kirchenwand gelehnt, auf das Bildwerk. Wieder hauchte er verträunit sinige Worte. Deutlicher klangen sic nun in die Nacht: „Früh­zeit... Kraft..." „Jugend, schöne Jugend?" hüstelte cs plötzlich weh­mütig ironisch zu seinen Füßen und ein schwarzer Knäuel rührte sich am Boden: Eine alte Zeitungshändlerin, die, einen Stoß Zeitungen iin Schoß, auf den Fliesen vor der Sakristei lag. „Jugend, schöne -Jugend?" wiederholte sie halb aufgerichtet: „Da weiß ich Ihnen Rat. Aber nicht hier. Nicht in der Stadt. Draußen. Ja. Jawohl. Im Freien. An der großen Donau. Dort wohnt eine. Ein Weib. Die kann Ihnen schon helfen. Wo? Hinter Florids­dorf. In der O'Briensttaße. Das letzte Haus vor der Allee. Mit der Eiuunddreißiger können's hinfahren. Um fünf Uhr früh geht die erste. Heut' ist hie Blaue schon fort." Er wartete nicht. Triebmäßig schreitend, rnachte er sich auf den Weg, hinunter zum hellerlenchteten Kai, den d§r Kanal wie eine iHvarze Atlasschleife durchsHnM . s » 1. Oictobsr !9l9

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