Pester Lloyd - esti kiadás, 1930. április (77. évfolyam, 74-97. szám)
1930-04-01 / 74. szám
PESTER LJLOYD o a ® Dienstag, 1. April 1930 Stimmung teilgenommen, so wäre die Niederlage nicht erfolgt. Die nächste Frage ist, welche Entwicklung die Krise nehmen wird. Im Sinne der irischen Verfassung Avird der Ministerpräsident durch das Parlament gelwählt, 'und diese Wahlprozedur wird Mittwoch stattßhden. Als zweitgrößte Partei werden De (Valeras Republikaner, die sogenannte Fianna Fail- JPartei, ihren Führer zur Ministerpräsidentschaft kandidieren, doch haben sie kaum Siegeschancen, da sie selbst zusammen mit den Sozialisten den übrigen zwei Parteien (der Regierungspartei und den Independenten) gegenüber in der Minderheit sind. Ebensowenig kann es den Sozialisten gelingen, im Falle der Niederlage De Valeras ihren eigenen Kandidaten O’Connell durchzi^setzen. So bleibt der Regierungspartei, die den Namen Cumann na nGaedheal führt, nichts anderes übrig, als ihren Kandidaten, der selbstverständlich nur Cosgrave sein kann, vorzuschlagen und mit Hilfe der Independenten von neuem in Amt und Würden einzusetzen. Es gibt nur eine einzige politische Persönlichkeit, die an einen anderen Ausgang der Krise, nämlich an einen Systemwechsel glaubt, und zwar De Valera selbst, der sich allerdings weit von seiner Heimat, in Amerika, aufhält, wohin er vor einiger Zeit gereist ist, um die zur Gründung eines teils in englischer, teils in irischer Sprache erscheinenden republikanischen Tageblattes nötigen Fonds zu beschaffen. Er erklärte, daß der Zeitpunkt seiner Heimreise noch unsicher sei, daß er aber bereits „seine Bagage packe“. Im weiteren äußerte er seine Bereitschaft, im Falle seiner Wahl eine republikanische Regierung zu bilden, und zwar auf Grund seines bekannten Programms, das außer der Forderung der politischen und wirtschaftlichen Selbständigkeit Irlands auch die Wiederbelebung der irischen Sprache in sich begreift. Die Abstimmung am Mittwoch dürfte indes zeigen, daß die Niederlage vom Freitag keine definitive war, und die den intransigenten Republikanern entgegengesetzten Elemente nach wie vor die Mehrheit des Parlaments bilden. Autonomie der Slowakei und Autonomistenblock. (Von unserem Prager Korrespondenten.) Prag, 31. März. vcwm Der slowakische Landesausschuß hielt vor einigen Tagen eine Sitzung ab. Der Wirtschaftsreferent erklärte, daß von den 278 Millionen Kronen des ganzen Budgets 130 Millionen unbedingt zur Ausgabe gelangen. Er führte aus, daß alle Beträge gedeckt sind, aber man müßte eine Ersparnis von 10 Millionen aufbringen um ä jour zu sein. Das heißt, daß der Lande saus schuß der Slowakei Erspurungsmaßnahmen in Kraft treten lassen muß, obwohl die Beträge, die ihm für die Wohlfahrteinrichtungen der Slowakei zur Verfügung stehen, im Verhältnis zu jenen Beträgen, die in die historischen Ländern investiert Werden, gering zu nennen sind. Dies sei als kleines Symptom vermerkt. Der Landesausschuß der Slowakei ist zentralistisch orientiert, und der Zentralismus hat sich in der letzten Zeit allzu stark hervorgewagl und einen Angriff unternommen, die sich gegen die Möglichkeit eines Blocks der Urbevölkerung der Slowakei und Karpathorußlands richtet. Der Angriff war gut vorbereitet und begann eigentlich in jenem Zeitpunkte, als Hlinka aus der Regierung ausschied, in die Opposition ging, Pergier und Gajda als Hospitanten annahm und dem Chefredakteur des Prágai Magyar Hírlap erklärte, daß er über eine Verständigung der Ungarn und der Slowaken im Sinne einer Blockbestrebung der Urbevölkerung zu verhandeln geneigt sei. Dieser Block erschien dem Zentralismus als eine ernste Gefahr, obwohl er es keineswegs gewesen wäre, denn es ging doch und geht heute auch schließlich nur um gerechte kulturelle und wirtschaftliche Forderungen. Immerhin kam es so v'eit, daß der Narodny Dennik die schärfsten Angriffe gegen das Zentralorgan der Ungarn der Tschecho-Slowakei, gegen Prágai Magyar Hírlap, unternahm. Beschuldigungen wurden laut, die derartig zielweisend waren, daß es sich erübrigt, auf sie näher einzugehen. Der Chefredakteur des Prágai Magyar Hirlap, Ladislaus Uzurdnyi, antwortete einigemal und endlich in einem ausführlichen Artikel, in dem er mit offener Rücksichtslosigkeit alle vermeintlichen Schwächen aufdeckte, um mit den diversen Gerüchten aufzuräumen. Die Auslegung seiner Sätze von der anderen Seite entsprach nicht gerade allen Regeln der Ritterlichkeit und obwohl es sich um Dinge handelte, die, sollten sie nicht vage Beschuldigung bleiben, bewiesen ■werden müßten, ging und geht der Kampf in dunkler Verhüllung der Worte und Sätze weiter. Zwei Blätter führen ihn für den Zentralismus, der in der Sloawakei endlich reinen Tisch machen und mit den autonomistischen Bestrebungen gründlich aufräumen will. In diesem Kampfe geht es nämlich einzig und allein um den Gedanken der Autonomie und da dieser die immerhin konkrete Form eines Blocks der Urbevölkerung angenommen hat, so geht es gegen diesen Block und gegen die Träger seines Gedankens. Dabei unterläuft den Gegnern verschiedenes, was bereits auf das Konto einer unfreiwilligen Komik zu setzen ist und diese Komik ist die Folge einer überspitzten Politik. Jetzt nämlich, wo der Autouomistenblock Wirklichkeit zu werden beginnt, hat sich in Verkennung der Lage der Zentralismus auf die Hinterfüße gestellt und seine Psychose äußert sich in einer Gegnerschaft alles dessen, was in der Republik Ungartum heißt. Prag will nicht einsehen, daß zur Konsolidierung der Slowakei eine Verständigung der ungarischen Parteien mit der Slowakischen Volkspartei unbedingt benötigt wird. Seit in Pozsony die ungarische christlichsoziale Landespartei, die Nationalpartei und die Partei der Zipser Deutschen einen gemeinsamen Klub gegründet haben, seit mit den Slowaken Fühlung genommen wurde, hat sich der Kampf um die Oberherrschaft fühlbar verstärkt. Man geht sogar so weit, den Gedanken des Autonomistenblocks dadurch kompromittieren zu wollen, daß man seine Verfechter mit „ausländischen Monarchisten“ als mit den Feinden der Republik in Zusammenhang bringt. Wieder sind es die beiden kleinen slowakischen Blätter, Verfechter des Zentralismus in der Slowakei, die zum Angriff blasen. Sie behaupten, der Block verfolge nicht etwa Wirtschaftszielc, sondern es handle sich um irredentistischc. Machenschaften, deren ausgesprochenes Ziel cs sei, die Einheit des Staates zu sprengen. Das Blatt behauptet, daß seit dem Ausscheiden Tukas aus der aktiven Politik gewisse Elemente sich mit jenen ausländischen monarchistischen Kreisen in Verbindung gesetzt haben, die feindliche Propaganda gegen die Tschecho-Slowakei betreiben. In diesem phantastischen Artikel marschieren sowohl die Namen alter Wiener Generale wie auch diejenigen verschiedener Emigranten auf und der Artikel erweitert sich zu einer politischen Groteske, deren Struktur und Aufbau geradezu überdimensional ist. Es wird behauptet, daß die Wiener Monarchisten bestrebt seien, die Hlinkaleute zu kapern und was die ungarischen Christlichsozialen anbelangt, so sind sie sich ihrer ganz sicher. „Es scheint — setzt das Blatt fort —, daß der Gedanke eines Blocks der Urbevölkerung das besondere Interesse ausländischer katholischer Kreise ist.“ Die Bildung der tschecho-slowakischen katholischen Einheitsfront, die als reaktionärer Block hingestellt wird, begann angeblich nach den Neuwahlen und hat den Zweck, gegen die Demokratie anzukämpfen und einen monarchistischen Block vorzubereiten. Die Slowakische Volkspartei, wird hervorgehoben, hat vorläufig mehr Verstand bewiesen, als die Feinde der Demokratie angenommen hatten und die Partei hat sich nicht dazu hergegeben, unter dem Deckmantel einer Verteidigung des Katholizismus gegen die Demokratie aufzutreten. Die ausländische katholische Hierarchie und die Monarchisten haben vorläufig einsehen müssen, daß ihre Bestrebungen zu keinem Resultat führen. Národni Osvobozeni ist sogar in der Lage, anzugeben, daß die Zusammenkunft monarchistischer Emigranten und slowakischer Politiker in Pardubitz stattfand, und daß dér nicht genannte Politiker Hlinka sei. Es erübrigt sich, diese Phantasien zu widerlegen und wichtig ist nur festzustellen, daß der Gedanke des Autonomistenblocks der Slowakei aus dem Inland hervorwuchs und einen lediglich inner politischen Zweck verfolgt: die Konsolidierung der Slowakei zum Nutzen der Bevölkerung des Landes. Paul Neubauer. Vom Tage» Die Pariser Verhandlungen. Aus Paris wird dem U. T.-K.-B. gemeldet: Im Verlaufe jener vorbereitenden Besprechungen, die Louclxeur mit den Hauptdelegierten der an der Ostreparationskonferenz vertretenen Länder führt, dürfte die Begegnung Loucheurs mit dem Ministerpräsidenten Grafen Stefan Bethlen erst morgen erfolgen. Gesetzentwurf über die Vereinfachung des Justizverfahrens. Justizminister Dr. Tibor Zsitvag hat heute dem Abgeordnetenhaus seinen Entwurf über die Vereinfachung des Justizverfahrens vorgelegt. Wie das U. T.-K.-B. hiezu bemerkt, ist das Hauptziel dieses Gesetzentwurfes, die Herabsetzung des Personalstandes im Gerichtswesen und dadurch mittelbar der Lasten des Staatshaushaltes vorzubereiten. Trotz der bisherigen Verfügungen im Interesse der Vereinfachung des Verfahrens haben sich die Arbeiten der Gerichte in letzterer. Zeit fortwährend vermehrt. Der Gesetzentwurf soll die Gerichte entlasten, ohne dem Niveau der Justiz zu schaden. Die Urteile werden von nun an nicht mehr im Namen des ungarischen Staates, sondern der Heiligen ungarischen Krone gefällt werden. Den Mißbräuchen mit den Armutszeugnissen soll ein Riegel vorgeschoben werden und das Überwuchern der Vorbereilungsschriften im Interesse der Mündlichkeit tunlichst verhindert werden. Die Begründung der Urteile soll abgekürzt werden. In Angelegenheiten von geringerer materieller Bedeutung werden die Rechtsmittel ausgeschlossen und die Parteien daran verhindert, im mündlichen Verfahren neuere tatsächliche Behauptungen und Beweise vorzubringen. Um die Rücksendung der Angelegenheiten an das Appellationsforum zu beschränken, gestattet der Entwurf dem Revisionssenat die Feststellung des Tatbestandes in größerem Maße. Forderungen unter 1000 Pengő sollen nicht durch Klageschriften, sondern durch Zahlungsaufträge geltend gemacht werden. Durch diese Maßnahme will man die Kosten vermindern und die Zahl der Massentage herabsetzen. In bezug auf die Scheidungsprozesse strebt der Entwurf danach, die Zahl der Scheidungen zu vermindern und unbegründeten Scheidungsprozessen Schwierigkeiten in den Weg zu legen. Auch auf dem Gebiete der gerichtlichen Pfändungen werden überflüssige richterliche Verfügungen ausgesthaltet und die grundbücherliche Sicherstellung minderer Forderungen untersagt. Zum Zwecke der Vereinfachung der Kriminalgerichtsbarkeit werden einesteils die nicht unbedingt notwendigen richterlichen Funktionen vermindert und die Rechtsmittel herabgesetzt. Auf diesem Wege soll die Kriminalgerichtsbarkeit sich auf die wesentlichen Angelegenheiten konzentrieren und dadurch das Verfahren beschleunigt und billiger gemacht werden. Zu diesem Zwecke soll die Privatklage in gewissen Angelegenheiten mit der obligatorischen Vertretung durch Advokaten, sowie mit der Bezahlung von Taxen verbunden werden. Der Entwurf gestattet dem öffentlichen Ankläger, unter den Anklagepunkten eine. Auswahl zu treffen und gewisse Anklagen fallen zu lassen, wenn der Angeklagte wegen eines anderen Deliktes ohnehin zur Genüge bestraft werden kann. Die Einwendungen gegen die Anklageschrift w'erden beim Verfahren vor dem Gerichtshof abgeschafft. In dem Verfahren vor dem Strafbezirksgericht ist gegen das zweitrichterliche Urteil keine Nichtigkeitsbeschwerde mehr zulässig. Die Vereinfachung der Urteilstexte wird aucli im Verfahren vor dem Bezirksgericht eingeführt, sowie das abgekürzte Verfahren, das bisher bei Inflagrantifällen vorgeschrieben war. Das Vorbereitungsverfahren wird auf der ganzen Linie auf das Mindestmaß herabgesetzt. Das- System der Lokaltermine außerhalb des Sitzes des Gerichtes, sowie die Einführung der Strafmandate soll eine bedeutende Erleichterung schaffen. Der Entwurf berührt auch das materielle Recht, indem er dem Richter gestattet, das Verfahren bei unbedeutenden Angelegenheiten einzustellen, wenn auch ein Delikt vorliegt. Die bedingungsweise Suspendierung der Strafe wird erweitert und gewisse Angelegenheiten minderer Bedeutung werden aus der Kompetenz des Gerichtshofes den Bezirksgerichten zugewiesen. Rechenschaftsbericht. Reiehstaesabgeordneter Temesvári/ hat gestern in Körösturcsa seinen Rechenschaftsbericht erstattet. Er befaßte sich unter anderem auch mit der außenpolitischen Lage und betonte, es sei von dem Erfolg der Pariser Verhandlungen zu erwarten, daß sich auch die westlichen Geldmärkte der Aufnahme langfristiger Anleihen an Ungarn erschließen werden. Die Krise auf dem Gebiete der Verwertung der landwirtschaftlichen Produkte sei keine speziell ungarische Erscheinung, denn sie bestehe fast überall. Verschärft werde sie in Ungarn noch durch dia Spekulationen auf dem Getreideterminmarkt. Abgeordneter Temesväry schloß seine mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Ausführungen mit der Versicherung, daß die Regierung entschlossen sei, auch auf diesem Gebiete die radikalsten Maßnahmen zu treffen. Die neuen Herren. Momentaufnahmen der Minister des Brüning-Kabinetts Von RENÉ KRAUS (Berlin). Brüning. Auffallend unauffällig ist er. Schmal von Figur und Antlitz, schmal das Lächeln, das ständig die Lippen umspielt. Vielleicht ist es auch kein Lächeln, vielleicht sind es nur zw'ei messerscharfe Falten, es ist kaum zu unterscheiden. Schwarz gekleidet. Kein Sterblicher noch hat den Dr. Heinrich Brüning anders gesehen, als in seiner schwarzen Redingote. Auch im Hochsommer nicht. Übri« gens ist es sehr die Frage, ob es überhaupt einen Hochsommer gibt. Für diesen Mann gewiß nicht. Schreibtisch, Beratungsaal, halbdunkle Ecken, so geht es das ganze Jahr. Ein Besessener des politischen Spiels, für den es keinen Urlaub von der Weltgeschichte gibt. Keine Primadonna. Der Ausdruck: Neue Sachlichkeit, wäre er nicht schon ein bißchen vorgestrig, für Dr. Brüning hätte er neu geprägt werden müssen. Die Zeit der politischen Stabstrompeter ist vorbei. Kein Zufall, daß der neue Kanzler allgemein gefürchtet ist wegen seiner leisen Stimme. Ihretwegen hat die Partei ihn niemals als Redner herausgestellt, auch dann nicht, als er schon längsä die Führung in seinen schmalen, blassen Händen hielt. Denn man muß höllisch aufpassen, wenn dieser Dr. Brüning spricht. Sein zartes, beinahe brüchiges Organ kann sich kaum durchsetzen in der Kakophonie des Parlaments. Dennoch trägt es ein bißchen weiter, als alle Fanfarenklänge der Parteiprimadonnen. Man muß wirklich aufpassen. Denn es ist so 'die Art des neuen Kanzlers, einen zweistündigen, ebenso vieldeutigen wie formvollendeten Vortrag zu halten, allein, allein um irgendwo einen kleinen Relativsatz anzubringen und dieser Relativsatz enthält dann, hört man ihn recht, die Entscheidung. Deutschland wird sich nun gewöhnen müssen, auf Relativsätze achtzugeben. Schiele. Brüning macht’s mit leiser Geschmeidigkeit, und Schiele beinahe mit polternder Kraft. Martin heißt er, und einer, der Martin heißt, forcht sich nit. Er ist dazu geboren, ein deutscher Held zu sein. Deutsche Helden haben es nicht gar leicht auf dem glatten parlamentarischen Parkett. Rote Teppiche in Wandelhallen und Ministersalons dämpfen den Tritt. Martin Schiele ist aber nicht gewohnt, seinen Tritt dämpfen zu lassen. Er ist vielmehr gewohnt, mit der ganzen donnernden Festigkeit aufzutreten, die die Kraft des bodenständigen und in achthundert Ortsgruppen organisierten Landvolkes verleiht. Er liebt eine deutliche deutsche Sprache. Subjekt, Prädikat, Punktum. Das Subjekt heißt gewöhnlich: der deutsche Bauer, das Prädikat: wird nicht dulden. Relativsätze sind vollkommen überflüssig. So war es wenigstens bis vor einiger Zeit. Seit kurzem, scheint es, ist eine gewisse Wandlung in Schieies Wesen und Wirken zu beobachten.. Er ist stiller geworden. Verhalten. Fühlt sich in seiner martialischen Würde gewiß immer noch als der Fremde von Distinktion, der geborene Ehrenpräsident der Festveranstaltungen von deutschen Rittergutsbesitzern. Ein Außenseiter in dem hohen Haus, das er nun regieren soll. Schwatzbude wird er es wohl nicht mehr nennen. Denn er hat Schweigen gelernt. Die anderen können reden. Und das ist sehr viel weniger. Bredt. Reden können sie alle. Aber altgriechisch reden, fließend wie hochdeutsch kann nur dieser. Der Wanderer zwischen den Welten: Universitätsprofessor und vielfacher Doktor Johann Viktor Bredt, in Hellas wurzelnd oder zumindest unter den Kirchenvätern, konservativem Vorkriegspreußen entsprossen, dem Zuge einer Zeit folgend, die Schankstättengesetz und Gewerbeabgabe sehr viel mehr Bedeutung beimißt, als allen hellenischen Klassikern und lateinischen Kirchenvätern zusammen. So geriet der hochgelahrte Mann, unzweifelhaft der Belesensten und Gebildetsten einer in Deutschland, an die Spitze einer Partei von Gastwirten, Bäckermeistern und Friseuren, die von Philosophie sehr wenig hält, um so mehr aber vom gesunden Menschenverstand. In Johann Viktor Bredts vielfarbig schillernder Persönlichkeit sind philosophische Erkenntnis und gesunder, fest auf praktische Ziele gerichteter Menschenverstand seltsam gepaart. Er ist nicht ohne Ehrgeiz, das gehört einmal zum Metier. Aber daß er Augustinus’ ewiges Wort von der vanitas vanitatis gern auf den Lippen führt, ja, daß er es überhaupt zitieren kann, unterscheidet ihn wesentlich von den Herren Kollegen. Mit beiden Füßen steht er, der gelahrte Führer der Bäckermeisterpartei, auf dem vielzitierten Boden der Tatsachen. Sein Kopf ragt freilich in etwas höhere Sphären. Bredt ist nicht nur an Körperlänge einer der Größten im Reichstag. Er war schon längst als Minister fällig.