Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1930. szeptember (77. évfolyam, 198-222. szám)

1930-09-02 / 198. szám

ESnielnummer an Wochentagen IC, an Sonntagen 3S Heller. Abonnement: Für Budapest: mit täglich zweimaliger Zustellung und für das Inland Morgen­­und Abendblatt: Vierteljährlich 18 P, monatlich 6.40 P. Für das Morgenblatt allein vierteljährlich 11 P, monatlich 4 P. Auoh auf das Abend­blatt allein kann unter den glelohen Bezugs­bedingungen abonniert werden. Für die sepa­rate Zusendung des Abendblattes nach der Provinz sind vierteljährlich 1 Pengő zu entrichten. Für Wien auch durch Herrn. Qoidsofimldt. Für das Ausland mit direkter Kreuzband­­sendung vierteljährlich: Für Oesterreich und Polen 20 Pengő, für alle übrigen Staaten 30 Pengő. Abonnements werden auch bei sämtlichen ausländischen Post­ämtern entgegengenommen. Manuskripte werden nicht zurückgestellt Telephon der Redaktion: 848-20. ... 77, Jahrgang. Budapest, Dienstag, 2. September 1930« Nr. 198 MORGENBLATT B inseratenaut'nahmc: I* Budapest, in der Administration des Pester Lloyd und in den Amioncen- Bureaus: Balogh Sándor, J. Blooknor, J. Blau, Boros, Győri A Nagy, Haasonstoin L Vogler, Ludwig Hegyi, Simon Klein, Cornel Loopold, Julius Leopold, Hagy. hirdstó-lroda. Rudolf moose A.-G., Jos. Schwarz, Sikray, Ju­lius Tänzer. Generalvertretung des Pester Lloyd für Oesterreich: M. Bukes Naohf. A.-B., Wien, Wollzeile 16. Einzelnummer für Budnoest und für die Provinz: Morgenblatt an Wocnentagen JG Heller, an Sonntagen 32 Heller, Abendblatt 16 Heller. — Für Oesterreloh: Morgenblatt an Wochentagen 30 Gr., an Sonntagen 40 Gr. und Abendblatt 30 Gr. Redaktion u. Adm.: V., IHria Valérls-uooa 12, Telephon der Administration: 849-09 Die blutige Arbeitslosendemonstration. Budapest, 1. September. Mit Beunruhigung sah die Bevölkerung der Hauptstadt der für den heutigen Tag angekündigten sozialdemokratischen Demonstration entgegen. Denn wenn die Kundgebung wirklich nur bezweckte, die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Problem der Arbeitslosigkeit zu lenken, so war sie überflüssig, weil Behörden und Presse dieses Problem ständig im Auge behalten; war aber solcher Zweck bloß vorgeschützt oder spielten dabei auch andere Mo­tive mit, über die man Stillschweigen bewahren wollte, dann war eben Grund genug gegeben, der ganzen Sache mißtrauisch gegenüberzu­stehen. Die Versicherung der Führer der Sozial­demokratischen Partei, daß jede Störung der öffent­lichen Ruhe und Ordnung ausgeschlossen sei, wurde keineswegs mit Zuversicht aufgenommen, und ebensowenig vermochten die polizeilichen Maß­nahmen und die Erklärungen einzelner amtlichen Persönlichkeiten, daß keinerlei bedenkliche Folgen xu befürchten wären, keinen rechten Glauben zu er­wecken, weil das ungarische Bürgertum durch Er­fahrungen leider nur zu gewitzigt ist. Man weiß hierzulande genau, daß die meisten Arbeiter­demonstrationen Komplikationen herbeiführen, weil nur zu oft kommunistische Elemente und der ge­fährliche Mob solche Gelegenheiten benützen, um sich in Ordnungsstörungen, Gewaltsamkeiten und Plün­derungen auszuleben. Mag man auch manche Vor­fälle vergessen, in aller Erinnerung wird doch die Wiener Revolte bleiben, die im brennenden Justiz­­palast ihren kennzeichnend symbolischen Ausdruck erlangte. Was die Welt damals erfuhr, sollte ihr eine Lehre für alle Zeit sein, und insbesondere die Be­hörden hätten überall daraus die Konsequenz ziehen müssen, daß jede nicht, rechtzeitig aufgebrachte Energie verhängnisvoll sein muß, weil sie Opfer an Blut und Gut kostet, die zu verhüten gewesen wären, wenn man die notwendigen Schutzmaßnahmen rechtzeitig getroffen hätte. Vielleicht handelt es sich diesmal in Budapest um „Kraftproben“ auf beiden Seiten, aber die hundert Toten wären Wien ebenso erspart geblieben, wie die Opfer der heutigen bluti­gen Demonstration in Budapest, wenn die Polizei und Gendarmerie die Tatkraft, die sie erst in den Mittagsstunden entfalteten, schon in den Vormittags­stunden aufgebracht hätten, wenn sie nämlich die Zusammenrottung großer Massen zu demonstrativen Zwecken entweder vereitelt oder zumindest in enge Grenzen gebannt hätten, zumal doch ohnehin die Straßenaufzüge amtlich verboten waren. Freilich kann die Polizei zu ihrer Entschuldigung anführen, daß die sozialdemokratischen Führer Versprechungen leisteten, wonach die Demon­stration sich im Rahmen einer würdevollen Kundgebung halten werde. Diese Entschuldigung wiegt allerdings nicht schwer, denn wie schon er­wähnt, das Gros der Bevölkerung nahm sie skeptisch auf, was schon der Umstand deutlich genug bewies, daß in allen in Frage kommenden Straßen die Häu­ser und die Geschäftsläden geschlossen blieben. Der arbeitende Budapester aber ging seinem Broterwerb nach, unbekümmert um das interessante, aber wenig erbauliche Schauspiel, einen Straßenkampf in der ungarischen Hauptstadt miterleben zu dürfen. Denn daß es zu einem Straßenkampf kommen werde, war wohl allen klar, die sich selbst nicht täuschen oder andere täuschen wollten. Wir wollen auch an­nehmen, daß die Führer der Sozialdemokrati­schen Partei und die Arbeiter, die bei der gegen­wärtigen pitoyablcn Wirtschaftslage sich einen klei­nen Streik gestatteten, einer bedauerlichen Selbst­täuschung anheimgefallen sind, als sie sich zu einer Teilnahme am Demonstrationszug des ersten Sep­tember entschlossen haben. Durch diese Teilnahme erhielten die kommunistischen Heizer und die auf Diebstahl und Raub ausgehenden dunklen Elemente der Großstadt Gelegenheit, ihren Verbrechergelüsten zu frönen, denn es ist ein arger Irrtum zu glauben, daß eine zu Demonstrationen gegen die Regierung, die Behörden und die bürgerliche Gesellschaft zu sammengetrommelte Masse weniger gefährlich sei, wenn besonnene Personen in ihrer Mitte oder an ihrer Spitze stehen. Die verantwortlichen Führer der Arbeiterschaft könnten für sich geltend machen, daß sie es anläßlich der jüngsten Maifeier zuwege gebracht haben, die Ruhe und Ordnung in den Straßen der Hauptstadt durch ihr persönliches Ein­greifen zu gewährleisten. Aber was einmal gelang, muß nicht immer gelingen. Die Macht über eine er­hitzte, zu Exzessen neigende, Konflikte suchende Masse verlieren diejenigen Führer am ehesten, die kalmieren wollen, denn über sie hinweg — der heutige Tag hat es wieder bewiesen, wenn hier ein Beweis überhaupt noch vonnöten wäre — versucht der Mob, seinen bösesten Instinkten folgend, Verheerun­gen und Verwüstungen anzurichten. Es gab in den letzten Stunden Sozialdemokraten, denen das kühne Wort flott von der Lippe flog; sie garantieren die größte Ordnung, wenn die Polizei nicht eingreifen werde. Wie fühlen sich diese Propheten heute? Sehen säe denn nicht, was jeder sieht, daß nur die energische, freilich leider verspätete Energie der Polizei noch Schlimmeres zu verhüten vermochte? Belastet die Sozialdemokratie aber die Schuld, den blutigen „Demonstrationsspaziergang“ forciert zu haben und trifft die Polizei die Verantwortung dafür, daß sie durch ihr halbschlächtiges Vorgehen, zuerst gleichgültiges Zuwarten und dann brutales Zuschlägen, die Lage verschlimmerte, so können auch die kommunalen und Regierungsbehörden sich nicht beriihmen, auf der Höhe der Situation gestan­den zu sein. Das Arbeitslosenproblem beschäftigt alle Staaten. Auch bei uns wird seit Monaten davon im­mer wieder gesprochen, und es werden stets aufs neue Abhilfeverfügungen verheißen. Die oft ange* kündigten Investitionen bleiben aber nur Worte. Längst schon hätte man Straßen bauen, Kanäle fer­tigstellen, Industrien ins Leben rufen müssen, um den Arbeitswilligen Verdienstmöglichkeiten zu schaf­fen. Im Frühling und Sommer wäre die beste Zeit gewesen, um diese Arbeiten vorzunehmen, die für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes ein Gebot der dringendsten Notwendigkeit sind. Aber es blieb zumeist bei Beratungen und Konferenzen und fast mutete es wie ein wenig gelungener Scherz an, als man zwei Tage vor dem Demonstrationstag offiziös ankündigte, nunmehr sollen die Investitionen ernsthaft behandelt werden, ja, der Bürger* meister nahm auch mit den Führern der Arbeiter Fühlung. Ob er das nicht einige Monate früher hätte tun sollen und müssen, ist eine Frage, die sich von selbst beantwortet. Überblickt man ohne Voreingenommenheit die jüngsten Ereignisse und in erster Reihe die trauri­gen Vorfälle des heutigen Tages, so wird man sicherlich zur Erkenntnis kommen, daß es anders hätte sein können und anders werden müsse. Die Hauptstadt Ungarns muß gegen eine Wiederholung solcher Straßenszenen, wie sie heute vorkamen, ge­schützt werden. Das erfordert ebenso der moralische wie der reale Kredit des Landes. Alle Erfolge auf kulturellem und wirtschaftlichem Gebiet werden ge­fährdet durch beschämende und empörende Straßen­krawalle, wie Ungarns Hauptstadt sie heute zu ver­zeichnen hatte. Überflüssig zu untersuchen, wer am meisten Schuld trägt an diesen Ereignissen. Nun aber, wo allen die Augen geöffnet wurden, die über­haupt sehen wollen, ergibt sich mit zwingender Ge­walt die Erkenntnis, daß man wohl mit weit weniger Waffenaufgebot, als dem gegen den phantastischen Königsputsch in Szene gesetzten, die blutige Arbeits­losendemonstration des ersten September hätte ver­hindern können. Feuilleton. Das fressende Haus. Beichte eines Landstreichers. Von OSKAR MAURUS FONTANA. Beim Schuster hatte ich mir auf meinen linken Schuh einen neuen Absatz festnageln lassen. Ich war dabei gesessen und hatte dem Schuster allerhand Schnurren erzählt, wie man das so tut, wenn man nur ein paar Schuhe hat und für Reparaturen nichts ausgeben möchte. Der Schuster war auch wirklich gnädig, begnügte sich mit Gottes Lohn und gab mir noch einen Krapfen mit auf den Weg. Ich zog weiter. Aber Adolf fand ich nicht, wo ich ihn gelassen. Mit Adolf nämlich war ich schon mehr als zwei Jahre kreuz und quer durch Europa getippelt. Wir hatten uns die Beine gemeinsam kurz gelaufen, in schlech­ten Herbergen und auch in noch schlechtem Kottern das Fluchen in allerhand Sprachen gelernt. Das ver­bindet, kann ich wohl sagen. Die Kunden, die uns immer zusammen sahen, riefen uns nur noch „Gustav Adolf von Schweden“, weil ich nämlich Gustav heiße. Wir kamen aus dem Türkischen ins Unga­rische und dachten an Spanien, wußten aber nicht wie, denn im Französischen, da haben die Kunden ihre liehe Not. Der Adolf war fort. Ich rief nach ihm. Keine Antwort. Wahrscheinlich war ihm das Sitzen auf der Bank zu kalt geworden, und er war, um sich warme Füße zu machen, weiter marschiert, in die Rich­tung, die wir vorhatten. Es war Februar. Noch lag Schnee auf den Straßen und Feldern, nicht sehr dicht, denn gerade zwei Tage vorher war ein Föhn übers Land gelaufen. Im Schnee sah ich zwei Tapfen ,— groß, schwer. Die konnten nur dem Adolf ge­hören. „Den haben wir bald eingeholt,“ rief ich mir Iselber zu, sah meine Füße prüfend an und setzte sie [in Trab. Fort ging es. Aus dem Dorf. Immer weiter. Adolfs Spuren nach. An einer Wegkreuzung stutzte ich. Auf den Stufen eines steinernen Opferstocks hatte jemand gesessen und neben ihm hatte was ge­legen. Viereckig mußte es gewesen sein und nicht sehr schwer, der Schnee war nur leicht eingedrückt. Na und dann gingen neben Adolfs Tretern zwei leichte Schiihchen in den Schnee hinein, so weit ich schauen konnte. Hallo, aufgepaßt! Ich hinten nach. Aber wie ich auch ging, ich erreichte sie nicht. Mußten die gelaufen sein. Jetzt ging die Straße bergab an einem See vorbei. Ein paar Landhäuser hätten an den Sommer erinnert, wären die Fenster nicht mit Bret­tern dicht verschlagen gewesen. Schon sah man tiefer unten in einer Mulde das Örtchen und schon auch Lichter. Es dämmerte. Bald mußte die Nacht da sein. Verflucht. Wo steckte Adolf? Wenn man so zwei Jahre neben einem marschiert und spürt seinen Atem, bei Tag und Nacht, kann man schon vor dem Alleinsein Angst haben. Plötzlich hörte ich seine Stimme. Ganz deutlich. Aber ich sah ihn nicht. Eine andere Stimme sprach dazwischen. Eine Frauenstimme. Ich stand und starrte. Nichts zu erblicken. Die Spur? Hier hörte sie auf. Da — überm Zaun im Garten lief sie weiter. Nur ungenau war sie noch zu erblicken, der Himmel war schon ganz grau geworden. Rasch über den Zaun! Ich war den Stimmen näher. Jetzt verstummten sie, als hätten sie meine Schritte ver­nommen. Aber ich hatte schon das bißchen Licht am Erdboden gesehen. Da unten steckten sie, im Keller der Villa. Durch die halb ausgebrochene Lucke ihnen nach. Hoppla, da stand ich. „Bravo, Adolf, das hast du fein gemacht. Warum in einem Holzstadel schlafen, wenn man ein ganzes Land­haus haben kann!“ Dann trat ich auf das Mädel zu: „Mein Name ist Gustav.“ — „Und meiner Marie.“ Wie sie so zwischen uns stand, Männern, die beide schon was Tüchtiges im Leben ausgefressen hatten, wirkte dieses kleine schwarzhaarige Ding, halb noch ein Kind, das in seinem dünnen Kleid und Mäntelchen tüchtig frieren mußte, wie ein verloren* gegangenes Schwesterchen, das man plötzlich im Schnee gefunden. So trafen wir drei zusammen, natürlich stiegen wir in die Villa hinauf. Warum hätten wir auch im Keller bleiben sollen? Das Haus war doch leer. Ich glaube, nicht einmal Mäuse wohnten in ihm. So eine feine Villa war das. Vorsichtig trugen wir unseren Kerzenstumpf in die Zimmer, das elektrische Licht anzudrehen, wagten wir nicht. Man hätte seinen Schein durch die Ritzen sehen können. Oben fanden wir Betten, famose Betten mit Sprungfeder, Einsatz, Matratzen und Polstern. Die Betten waren nicht überzogen. Was machte das! Gleich schmissen wir uns auf sie. War das fein. Solche Liegestatt war Adolf und mir schon lang nicht vergönnt gewesen. Sicher auch nicht Marie, trotzdem sie sich sehr fein gab und mit ihrem Karton ein großes Wesen machte, als trüge sie drin ihre Brautausstattung. Überhaupt, auf die Dauer schwatzte sie zuviel. Das ging wie ein Wasserfall. Und alles so wichtig. Na, ich laß mich nicht blau machen. Ich war einmal Buch­händler, bevor ich auf die Walz ging, da weiß man Bescheid, wie wenig man Worten trauen darf. Aber der gute Adolf sperrte Augen und Ohren auf bei ihren Erzählungen, von woher sie komme und wessen Tochter und Frau sie gewesen und wie gut sie es gehabt und wie nobel sie gelebt. Am nächsten Tag hat sie wieder was anderes von sich erzählt, war sie nicht aus einem Schloß, sondern einem ar­beitslosen Säufer durchgegangen. Am übernächsten Tag tischte sie wieder was anderes auf, da wollte sie Buchhalterin in einer Bank gewesen sein. Sie hat immer gleich ihre Lügen vergessen. Es kam ihr nicht darauf an. Sie wollte einfach immer was an­deres sein. Das hal? ich ganz erst später gemerkt. Aber schon damals am ersten Abend stieg mir ihr Schwatz in die Nase und brachte mich zum Niesen. Ich unterbrach sie und knurrte: „Von deinen Me*

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