Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1930. szeptember (77. évfolyam, 198-222. szám)

1930-09-02 / 198. szám

PESTER LLOYD lbienstag, 2. September 1930» Der Sedanfag und die deutsch-französische Annäherung. Von BERTHOLD MOLDEN. Das Andenken geschichtlich geprägter Tage kann man nicht besser begehen, als wenn man die richtigen Lehren aus ihnen zieht und sie praktisch anwendet. Geschähe dies bei der Erinnerung daran, daß vor sechzig Jahren, am 2. September, die Schlacht von Sedan geschlagen worden ist, so könnten wir alle damit zufrieden sein, und das Datum würde eine neue Bedeutung erhalten. Jahrzehnte hindurch ist der 2. September in Deutschland als nationaler Festtag gefeiert worden, und erst in den letzten Jahren vor dem Weltkrieg hat die Wärme, mit der er begangen wurde, sich gelindert. Aber bis weit in das gegenwärtige Jahrhundert hinein gab es noch viele Deutsche, die in einem Deutschland aufge­wachsen waren, das nur ein historischer, geographi­scher und kultureller Begriff war, der vergebens nach Verkörperung verlangte, die ihm von seinen) Fürsten verwehrt wurde, und das in der Welt poli­tisch nichts galt. Nun hatten sie erlebt, daß es in Macht und Größe dastand, und daß der Nachbar, von dem es so viel Unbill erfahren und der es bis zuletzt an seiner Einigung hindern wollte, nieder­geworfen und verlorenes ' Land ihm abgenommen war. Allerorten flatterten an dem Gedenktag jener Schlacht, die dies ermöglicht hatte, die Farben des neuen Reiches; mit klingendem Spiel zogen die Trup­pen auf, deren Vorgänger den Sieg erfochten, und in begeisterten Reden wurde des außerordentlichen Er­eignisses und derer, denen man dafür Dank wußte, gedacht. Doch keine fünfzig Jahre waren vergangen, und der überwundene Nachbar war im Verein mit großen und kleinen Mächten des starken Deutsch­land Herr geworden, hatte Elsaß und Lothringen wieder an sich gebracht und von den Siegern wurden Friedensbedingungen diktiert, denen an Härte nichts an die Seite zu stellen war, seit die Römer Karthago besiegt hatten. Wie die Römer es Karthago nicht verziehen, daß ihr größter Feldherr sie bei Cannä aufs Haupt geschlagen und sie vor ihm gezittert hatten, so geschah es auch jetzt. Deutschland war freilich nicht Karthago, und Frankreich war weder im Kriege, noch beim Friedensschluß, noch weiter­hin mit ihm allein, wie einst in ihrer Umwelt Rom und die Handelsrepublik gewesen waren. Aber gerade dies machte die Partei der Unerbittlichen in Frank­reich noch unerbittlicher. Aus dem Glückswandel folgerten sie nur, daß ein neuer Glückswandel ein­­treten könnte, daß Deutschland sich wieder auf­raffen, Freunde gewinnen und seinerseits Rache nehmen könnte und daß man es daher so wehrlos machen müsse, wie nur irgend möglich. Wir wissen, bis zu welchem Grade dies ge­schehen ist und daß das französische Volk, im Glauben, von Deutschland überfallen worden zu sein, die strengen Bedingungen für durchaus gerecht hielt. Verkleinerungen auf allen Seiten, Internatio­nalisierung der deutschen Ströme, militärische Ent­blößung des Rheinlandes, dessen Abtrennung ^die Alliierten nicht zugelassen hatten, fast völlige Ent­waffnung, und dazu Auferlegung von Reparationen, für die im ersten Augenblick phantastische Summen genannt wurden, die aufzubringen kein Land der Erde reich genug gewesen wäre. Und noch jetzt wird die im Friedensvertrag versprochene Ab­rüstung abgelehnt, die Fesselung deutscher Minder­heiten wird gutgeheißen, und selbst ein Staatsmann wie Briand stellt in seinem Plan zu wirtschaftlicher Verständigung zwischen den Staaten Europas die Forderung nach vermehrten „Sicherheiten“ auf, die den jetzigen, auch durch den Locarnovertrag und den Kelloggpakt noch mehr vernieteten Zustand end­gültig verewigen sollen. Es gibt zwar Franzosen, die eine Annäherung an Deutschland wollen, und Briand selbst gehört zu ihnen; ein französischer Se­nator schrieb letzthin sogar, die überwiegende Mehr­heit der Nation würde sich, wenn es zu einer Volks­abstimmung käme, für ein Bündnis mit Deutschland aussprechen. Aber wie stellen sich die meisten (nicht alle!) ein solches Verhältnis vor? Teils auch wieder nur als Mittel zur Erhaltung des Geltenden, teils, bei Erhaltung des Geltenden, in der aufrichtigen Über­zeugung, daß Deutschland, wenn es wirklich guten Willens und friedliebend sei, sich mit dem, was ihm besehieden wurde, besonders da,das Rheinland doch großmütigerweise „vorzeitig“ geräumt worden sei, abfinden könne. Würde dem französischen Volke die Frage vorgelegt, ob es selbst sich in gleicher Lage mit seinem Schicksal versöhnen und freund­schaftlichen Handschlag tauschen würde, — ein all­gemeines entrüstetes Nein wäre die Antwort. „Wie? Soll der überbürdete Schuldner den Gläubiger, der Entrechtete den Demütiger, der Gefangene den Auf­seher umarmen? Nimmermehr!“ Aber unzweifelhaft besteht trotz allem der Wunsch nach einer An­näherung auch in Deutschland. Während des Krie­ges war in Deutschland kein Haß gegen Frankreich; viel mehr war man damals entrüstet über England, den germanischen Vetter, dem man das Kämpfen an der Feindesseite nicht zugemutet hätte. Niemand, wahrscheinlich auch bei den Nationalsozialisten, will neuen Krieg; was man an Frankreich verloren hat, sei verloren; die Pflege der deutschen Muttersprache im Elsaß kann bei einer Annäherung nur gewinnen. Man wünscht eine Annäherung, nur muß sie psychologisch möglich gemacht werden. Man wünscht eine Annäherung, denn — dies wird in Deutschland ebenso wie in Frankreich von allen gefühlt, die über den alten Gesichtskreis hinausblicken —, so wie bisher darf es nicht weiter­gehen. Es war seit dreihundert Jahren die Politik Frankreichs, seine Großmachtstellung auf der Zer­rüttung und Schwäche Deutschlands aufzubauen, die es durch Diplomatie und glänzende Feldzüg; fördern half, und dazwischen hat es von den Deut­schen auch Schläge bekommen, zuletzt den heftig­sten bei Sedan. Das Hauptergebnis dieses Tages ver­mochte selbst der Weltkrieg, obwohl bei dessen Be­ginn die Wiederaufiösung des Reiches als Kriegsziel verkündet wurde, nicht rückgängig zu machen; nur zu Macht soll es nicht wieder kommen können, damit Frankreichs politischer und militärischer Vor­rang und sein Friede nicht etwa gefährdet werden. Aber schon wächst auch in Frankreich eine Gene­ration heran, die für den Gedanken empfänglicn ist, daß politischer und militärischer Vorrang an sich ein Vergangenheitswert ist, der seine Berech­tigung immer mehr verlieft. Ein Volk muß stark sein, um seine Sicherheit zu wahren; wenn aber Deutschland die Sicherheit Frankreichs nicht be­droht, wozu die Erniedrigung, die darin liegt, daß man ihm die Gleichberechtigung verweigert? Gerade die Fortdauer solcher Erniedrigung schafft Stim­mungen, die Frankreich des Friedens nicht froh werden lassen. Je schwieriger es ist, mit dem Abbau der materiellen Lasten Deutschlands zu beginnen, desto wichtiger ist der Abbau der moralischen Lasten. Ist dieser erfolgt, dann wird, schon durch Vermindexung der Rüstungskosten, das Materielle sich leichter bewältigen lassen. Zum Abbau der moralischen Lasten aber gehört gegenseitiges Ver­trauen. Wenn die beiden Völker Vertrauen zuein­ander fassen, dann ist die ersehnte Wandlung mög­lich; das gegenseitige Vertrauen allein kann den Fortschritt bringen. Die Rechnung, auf der die Siege und Niederlagen stehen, muß abgeschlossen werden, weder Deutschland, das an Volkszahl stärkere, noch Frankreich, das glorreiche und waffenreiche, kann es sich leisten, ihr eine neue Post hinzuzufügen, denn Kriege werden immer furchtbarer, und Europa ist nicht mehr, was es war. Die alten Kämpfe und die alten Glorien gehören einem Geschichtskapitel an, unter das ein Strich gemacht werden muß; jeder weiß es, und man muß nur den Mut haben, es aus­zusprechen und im neuen Sinne zu handeln und dieses Handeln psychologisch vorzubereiten. moiren einer Prinzessin wird uns bei Gott nicht warm. Heiz eiri, Marie!“ Gleich gehorchte sie, sah mich nur erschreckt an. Wir blieben auf den Betten wie Kavaliere liegen. „Mit der ists auch nicht weit her,“ sagte ich zu Adolf, „die dient schon lang, sonst würd sie nicht sofort brav kuschen.“ Der Adolf ant­wortete nichts, stand nach einer Weile auf und half ihr beim Einheizen, der Idiot, er hat sie verdorben, sie hat dann wirklich geglaubt, sie sei was Beson­deres. Ich blieb verdrossen liegen. Die Marie war, damit ich nicht lüge, damals sehr tüchtig, sie brachte was zum Essen, sie hatte in der Küche Honig und Schmalz aufgestöbert. Da sprang auch ich vom Bett und streifte durch die Zimmer. Ich konnte mich doch nicht bewirten lassen. Die würde doch gleich so tun, als hätte sie den Honig und das Schmalz in ihrem Karton mitgebracht. Der mußte man zeigen, was man selber wert sei. Richtig entdeckte ich in einem Schrank mehrere Weinflaschen, schleppte sic heran und jetzt wurde es sehr lustig. Wir küßten uns alle drei. Je gemütlicher es wurde, desto mehr spürten wir unsere Müdigkeit. Wir löschten die Kerze aus. Wir gingen schlafen. Wie gut es sich in den Betten ruhte! Bevor wir einschliefen, sprachen wir, Adolf und ich, noch von Spanien, wohin wir wollten. Marie war sofort dabei, mit uns zu wandern. Mochte sie. Morgen. Mitten in der Nacht wurde ich wach. Adolf schnarchte. Aus dem Dunkel strichen die Atemzüge der Marie. Aber nicht das war es, was mich beun­ruhigte. Sondern mir war, das Haus sei lebendig ge­worden und knarre und ächze und lauere und wolle, zusammenstürzend, uns unter sich begraben. Aber das machte sicher nur der viele Wein. Ich probierte die Standfestigkeit des Fußbodens, wippte im Dunkel hin und her. Nichts rührte sich. Das Haus stand fest. Ich legte mich wieder nieder, schlief gleich ein. Doch, glaube ich heute, nach so langer Zeit, es war das (Haus gewesen, das lebendig sich um uns drei Ein­­[dringlinge scharte und uns in die schlaftrunkenen [Gesichter stierte. Am Morgen hätten wir weiter wandern sollen. So war es abgemacht gewesen. Aber da fand Marie in den Kasten Kleider. Spielend probierte sie sie vor dein Spiegel. Sie paßten. Und darum, wegen dieser seidenen Fetzen, sind wir nicht weiter gekommen. Schwer, es zu erklären. Aber jedenfalls, wir blieben. Zudem schneite es wässerig von einem aussätzigen Himmel. Schlechtes Wand er wetter. Gute Wärme im Haus. Der Mensch läßt sich leicht fangen. Auch wir Männer, ganz waren unsere Anzüge ohnehin nicht, fanden Röcke und Hosen und Hemden, die unseren Leibern wohl taten. Wenn was zu richten war, tat es die Marie. Alles, was wahr ist, das konnte sie sauber und flink schaffen. Wir sahen wieder einmal ganz richtig aus, nicht mehr wie Landstreicher. Der Adolf hätte wieder Metzger sein und ich wieder Koch­bücher verkaufen können. So fein hatten wir uns herausgemacht. Wenn wir uns im Spiegel sahen, strahlten wir. Verdammtes Haus! mit den Kleidern fing es uns und wickelte immer fester das Garn des Jägers um uns, arme Hasen. Ich selber war so blind, daß ich sagte: „Wir müssen was machen, damit man uns nicht entdeckt. Wir wollen bleiben. Eine kurze Retablterung, wie j man das im Ki’ieg genannt hat. Aber wir dürfen j nicht gestört werden. Nur Frechheit kann uns helfen! j Nehmen wir die Laden von den Fenstern weg und j sagen wir den dummen Dörflern, wir sind die { Diener der Herrschaft, — ihren Namen haben wir | ohnehin schon aus den Vorgefundenen Papieren fest- | gestellt. Kui-z und gut, wir sind beauftragt, alles ! hei'zurichten, bevor die Herrschaft wieder einzieht, j Dann sind wir gesichert. Dann kann uns nichts | passieren. Und bis wir uns genug retabliert haben, verschwinden wir.“ „Bi-avo,“ rief die Marie. „Dann können wir I auch Lebensmittel pumpen. Die Herrschaft zählt alles.“ Alles geschah, wie wir beide gesagt hatten. Der schwerfällige Adolf starrte noch, da waren schon die Fenster frei von den Brettern, da waren schon die. Bäcker und Fleischer und Krämer da, für die Herr­schaft zu liefern. Ein großartiges Leben begann, sag’’ ich euch. Die Händler lieferten alles, was wir brauchten. Wenn die Pfeffersäcke Geld zu riechen glauben, verlieren sie sofort ihr bißchen Verstand. Wir lebten wie im Schlaraffenland. Daß Marie, die übx-igens gut zu kochen verstand, sich dabei den Adolf nahm, geschah auch so als Folge des Tischlein deck’ dich. Sie wollte gerade ihn und nicht mich — warum es leugnen? — er ist ein Metzger, das haben die Weiber immer gern. Aber ich war nicht eifersüchtig. Mochten sich die beiden liebhaben. Mir war die Marie ohnehin ein zu großes Lügenmaul. Unsere Retablierung zog sich wie eine Zieh­harmonika. Es war Mitte März geworden. Niemand dachte an ein Weitergehen. Am Anfang hatten wir wenigstens einmal im Tag, am liebsten vor dem Ein­schlafen, von Spanien gesprochexi, wohin wir doch wollten und sollten. Immer hatte Adolf was zu fragen gehabt. Jetzt ließ er mich reden von Spanien, soviel ich mochte, er beteiligte sich nicht mehr am Gespräch. Das Wohlleben machte ihn schlaff. Es war ihm nie gut gegangen, darum hatte er keinen Wider­stand, darum war er dem Haus gleich verfallen. Ich kannte den vollen Tisch und das gute Bett vom Leben ixxi Elternhaus her. Wenn man das einmal als Kind erlebt hat, kann man verzichten. Nicht aber einer, der spät zum Eßtisch kommt. Der läßt ihn nicht mehr los, der überfx’ißt sich, bis er daliegt wie ein Sack. Ich begann xnir Sorgen zu machen. Wenn ich so allein lag und ixicht gleich einschlafen konnte — im Nebenzimmer machten sich die beiden zu schaffen —, da kam mir die Furcht, zuerst ganz klein wie eine Stecknadel, die ich verschluckt hatte, dann ganz groß und gewaltig wie ein Wirbelwind. Die Furcht war da und schrie in mir: das Haus frißt uns auf. Ich hörte, wie es uns die Knochen zerbrach, wie es uns schmauste, Stück um Stück, Glied um Glied, wie wir, Landstreicher und Vagabunden, in seinem dicken Bauch verschwanden. • g • Vom Tage, Ministerpräsident Graf Bethlen im Soproner Komitat, Ministerpräsident Graf ßethlcn ist heute morgen, von Inkepuszta kommend, in Gesellschaft seines Sohnes, Gra­fen Stefan Bethlen jun. in Nagycenk eingetroffen, um dem Begräbnis weiland des Grafen Géza Széchenyi an­zuwohnen. Nach dem Begräbnis, zu dem sich zahlreiche Mitglieder der gräflichen Geschlechter derer von Szé­chenyi, Hoyos, Zichy, Hunyady, Somssich und Szegedy, ferner Bischof Graf Johann Mikes und Reichstagsabge­ordneter Dr. Östör eingefunden hatten, begab sich der, Ministerpräsident nach Sopron, wo er in größerer Gesell­schaft das Mittagessen einnahm. Um, halb drei Uhr kehrte er mit seinem Sohne nach Inkepuszta zurück. Außenminister Walko auf Urlaub. Außenminister Dr. Ludwig Walko hat gestern seinen^ Urlaub angetreten, den er in der Provinz verbringt. Professor Dr. Szily an der Spitze der wissenschafts­politischen Sektion im Unterrichtsministerium. Professor Dr. Koloman Szily, der zum Staatssekretär im Kultus- und Unterrichtsministerium ernannt worden und in dieser Eigenschaft an die Spitze der Sektion für HochsChulunterricht gestellt worden ist, erschien heute zum ersten Male in seinem Amte. Die Einführungsrede hielt Kultus- und Unterrichtsminister Graf Kuno Klebels­­berg, der seinen neuen Mitarbeiter dem Beamtenkörper des Ministeriums in herzlicher Weise vorstellte. Der Minister betonte, daß an die Spitze der Sektion, nachdem, dieser lange Jahre hindurch ein Jurist und dann ein Mediziner vorgestanden war, nun ein hervorragender Vertreter der technischen Wissenschaften gelange, womit ein alter berechtigter Wunsch der technischen und volks­wirtschaftlichen Kreise in Erfüllung gehe. Staatssekretär Dr. Szily dankte für das Vertrauen und hob hervor, daß er in der vom Minister getroffenen Wahl nicht nur eine Auszeichnung seiner eigenen Person, sondern auch die der Technischen Hochschule erblicke. Er stelle, sagte er unter anderem, seine ganzen Fähigkeiten dem ihm ge­steckten erhabenen Ziele mit größter Freude zur Ver­fügung und wolle ein getreuer Mitarbeiter des Mannes sein, dessen größte? Verdienst in der Verkündung' dessen liege, daß die Hoffnungen der ungarischen Nation nur durch Förderung der ungarischen Kultur der Verwirk­lichung nähergebracht .i.erden. Staatssekretär Szily hat nach dem überaus warmen Empfang von seiten des Beamtenkörpers die Führung seines Aimcs sogleich über­nommen.

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