Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1930. október (77. évfolyam, 223-249. szám)

1930-10-01 / 223. szám

Mittwoch, Í. Oktober 1930 __________ • S • __________________________________PESTER LLOYD „Die öffentliche Meinung unserer Monarchie hegt keinerlei aggressive oder feindselige Absichten gegen Serbien.“ 10. Juli: „Überall herrscht in der Tat das Gefühl vor, daß unsere Monarchie in den ernsten Entscheidungen, vor die sie gestellt ist, sich vor jeg­licher Überhastung und jeglicher Voreingenommen­heit gegen Serbien enthalten werde.“ Am 18. Juli (als Bemerkung zu einem Interview Pasics’): „Spgar die großösterreichische Konzeption, ein nur in weni­gen Köpfen spukender Wahnwitz, ist jeder feind­seligen Hetze gegen Serbien bar.“ In diesen Tagen der größten Aufregung sehen wir also, wie der Pester Lloyd in diplomatisch-gedämpftem Stile, je­des harte Wort mit weiser Überlegung vermeidend, immer nur von Genugtuung und von nichts anderem spricht. Kein Wort von Annexion, kein Wort von Vernichtung Serbiens! - • Nun blättern wir aber ein wenig in den Organen der Serbischen Presse. Sie predigt in der unverhüll­testen Weise die Vernichtung der Monarchie. Am Tag der Ermordung des Thronfolgers erscheint eine Beilage des Organs Srbski Novine, dem wir folgende Stellen entnehmen können: „Unsere Brüder, Slo­wenen, Kroaten, Serben außerhalb unserer Grenzen, richten heute ihre Augen auf uns... Alle voran! Eine gebieterische Pflicht befiehlt uns, der heiligen, noch.unerfüllten Pflicht Genügezu leisten!“, Prawda schreibt, am .8. April 1914: „Österreich hat das Recht zur Existenz verloren,“ Am 26. Mai 1913 schreibt Tri­bunal „Das verbrecherische Österreich hat von neuem einen Akt von Brigandage begangen,“- 7. Ok­tober 1913 schreibt Mali Journal: „Österreich-Un­garn hat das Recht zur Existenz verloren.“ 8. Ok­tober 1913 (Piemont): „Eine Türkei ist verschwun­den, der Gott der Serben wird in seiner Hilfe das .Verschwinden der zweiten Türkei gestatten.“ Das war also die Tonart der serbischen Presse, und so liest man mit Wehmut die von Franz Josef an Nikolaus II. gerichteten folgenden Worte: „Man wird kein Beispiel finden, daß eine um ihr Prestige und ihre Interessen besorgte Großmacht eine, solche Langmut gezeigt hätte, wie wir sie gegen die scham­lose Provokation unseres kleinen Nachbarn üben.“ Was nun schließlich die von mir hervorgehobene Tatsache betrifft, daß Ungarn auf die Außenpolitik der Monarchie einen geringeren Einfluß ausübte, só möge folgendes bemerkt würden: Das Hauptzéntrum der österreichisch-ungarischen Außenpolitik war in Wien. Dort befand sich .der Hof mit seinen vielen Erzherzogen, die höchsten’ Spitzen der Armeeleitung, die gemeinsamen Ministerien, also auch das Ministe­rium des Äußern. Die parlamentarische Verhandlung der Außenpolitik geschah in der höchst fraglichen Institution der Delegationen, die, nur einmal jährlich zusammentrat. Die politischen Organe Ungarns hat­­ten«infolge aller dieser und vieler anderer Um­stände viel weniger Berührungspunkte mit dem Or­ganismus der Außenpolitik,. . Wohl -waren, worauf Jovanovics hinweist, die 'Gesandten' in Paris,' Rom und Petersburg Ungarn,-aber er als gewesener serbi­scher Gesandter dürfte wohl wissen, daß der Ge­sandte , nur das Organ und Sprachrohr des Außen­ministers ist. Wohl zeigen die Schriften Tiszas, mit welcher übermenschlichen Arbeit .er. in diese Maschi­nerie einzugreifen bemüht war;, wie- großen Wider* ständen er aber begegnete, zeigen seine vielfachen Klagen über die Beiseiteschiehung ungarischer tüch* tiger Kräfte, Die ganze große Maschinerie -i- Armee und Diplomatie — arbeitete in österreichischem Geist u,nd nach österreichischen Zielsetzungen. Daß Tisza Augenblick naht, schreckt mich auch der Tod nicht. Ich bin 'eine Italienerin!“ „§ignora Maliin, Sie urteilen leichtfertig über sich Und Ihr Schicksal. Was immer auch mit Venedig geschehe, Sie' bleiben die kostbarste Perle .im dér Kröne der Adria.“ ' „Die Franzosen sind Künstler der Schmeiche­lei.., Deshalb hasse ich doch Bonaparte, deh zweiten Attila Italiens.“ „Würden Sie ihn persönlich kennen, wären-Ihre Gefühle ihm gegenüber andere. Auch Kleopatra haßte den Unterdrücker ihres Vaterlandes und war doch seine Geliebte geworden.“ . HIch habe wohl Bonaparte noch , nicht gesehen, aber -ich bin unterrichtet, daß er alles ist, nur kein Adonis.“­„Das ist wahr, aber deswegen ist auch er ein Kenner des Erauenherzens. Er weiß, daß Haß sich schon oft in Liebe gewandelt hat. Und umgekehrt.“ Tullia schwieg. Ein zärtes Rot übergoß ihr Ge­sicht. Sie versteckte sich hinter ihrem Schleier. Erst nach mehreren Augenblicken flüsterte sie: „Damit wollen Sie sagen, moh colonel, daß ich imstande wäre, auch — Sie zu hassen?“ ... Der Oberst sank vor dem Mädchen in die Knie. „Teurep Engel, Sie lieben mich? . . . Als Soldat bin ich- ehrgeizig, aber in diesem Augenblick • würde ich selbst mit General Bonaparte nicht tauschen ... Liebst du mich, Tullia?“ „Mit allen Flammen meiner Seele... In Ewig­keit.“ „Armer Napoleon, welcher deiner Siege kommt dem meinen gleich?“ wallte in Merlinville die Glückseligkeit auf, und er wollte das Mädchen an seine Brust ziehen, doch der Doge stürzte in den Saal. „Blut fließt in Strömen! Die betrunkenen Soldaten morden in den Palästen. Hauptmann Leiiiarois ließ auf das Volk schießen!“ schrie er, dem Ersticken nahe, und sank auf einen Stuhl, , Planeuropa. Es ist kein Druckfehler. Nicht von dem durch die nachträgliche TMitverfasjsersfchaft Briands zu so hohen 'Ehren gelangten Panéuropa "Coudenhoves wird hier die Rede sein, sondern von einem ganz anderaf Zukunftseuropa, dem sein geistiger Urheber den Namen „Planeuropa“ gibt. Aber auch kein blo­ßer Wortwitz will diese Benennung sein. Zwar deckt der Buchstabe „I“, durch den sich die beiden Be­nennungen voneinander unterscheiden, einen heute noch klaffenden Gegensatz zwischen den beiden Konzeptionen, doch könnte- Planeuropa ganz gut das Pfropfreis sein, wodurch sich der pan­­europäische Setzling zu gesteigerter Lebensfähigkeit und Fruchtbarkeit veredeln ließe. Bei Duncker und Hum blot (München und Leipzig) ist die in diesen .Spalten bereits angekün­digte Schrift „Planeuropa. Die soziale und wirt­schaftliche Zukunft Europas“ des jungen ungari­schen Wirtschaftspolitikers Andreas Fleissig erschie­nen: Es ist eine gedankenreiche, mutige und von eifrigem Schaffensdrang beseelte Studie, die einem großen Problem — dem heute für Europa vielleicht wichtigsten — mit dem Rüstzeug eines reichen Wis­sens und einer schneidigen Initiative . an den Leib rückt und sich nicht damit bescheidet, Fragen, die man füglich als die Lebensfragen der europäischen Menschheit ansprechen darf, einfach aufzurollen — obzwar schon eine richtige Fragestellung nicht ohne Verdienst ist —, die jedoch darüber hinaus auch klare Gedanken über die Lösung dieser Fragen ent­wickelt. Mit der Bescheidenheit, die den Jüngling ziert, verwahrt sich Andreas Fleissig gegen die Zu­mutung, als unterfinge er es, mit seinen Ideen über Platieuropa in die künftige Entwicklung dieses Weltteils gestaltend eingreif eh zu wollen. Ganz im Gegenteil versichert er, daß diese Zukunft in gewis­sen spontanen Entwicklungsvorgängen schon der wirtschaftlichen-Gegenwart vorbestimmt ist und es lediglich gilt, aus der Vielheit und Mannigfaltigkeit des heutigen Wirtschaftslebens diese Linien der Zu­kunftsgestaltung herauszulesen. Mit einem treffenden Bilde macht Andreas Fleissig dies anschaulich. Er sagt: Wer in eine glatte Wasserfläche schaut, kann darin sein eigenes Ebenbild erkennen. Das gegen­wärtige Wirtschaftsleben Europas ist aber keine glätte Wasserfläche, sondern ein reißender Wild­bach, dor in seinem Dahinsgyisen von Gischt bedeckt •isí. Im Gischt kann, sich nichts widerspiegeln, aber unterhalb der r S.ch'aumscLicht fließt Wasser, und dieses Wasser ist virtuell im.Besitz der Spiegelungs­fähigkeit. So vindiziert ,-sich unser Verfasser lediglich die Rolle, mit seiner Hand die Schaumschicht auf 'einem Stück des Wildbacbes - wegzuschiebeh, um nun im klargewordenen Wasserlauf die herah­­schreitende Zukunft zu erschauen. Daß aus aktuellen Eritwicklungserscheinungcn auf Zukunfcsgestaltungen geschlossen werden kann, darf man in der Tat bis zu einem gewissen Grade gelten lassen. Wie.alle, Gegenwart bloß ein.Produkt „Bei meinem Erscheinen hat die Ordnurigs­­losigkeit ein Ende. In einer Stunde bin ich zurück,“ sprach der OberM und' stürmte in raschem Lauf durch das dunkle Treppenhaus. 'Hier kahl ihm seine Frau in den Sinn. . , t „Adieu, FiilettesÍ.Tullia gegenüber darf ich nicht der Glücksritter glücklicher Augenblicke sein... Oder vielleicht doch?“ brach aus ihm der Egoismus des Mannes hervor. Tullia betrachtete eine kurze Weile ihren Vater, den gebrochenen Alten. Sie redete ihn an. „Vater, ich will beichten. Ich muß dir eine große Sünde bekennen.“ „Sprich!“ „Ich bin verliebt.“ „Mädchenschicksal.“ „Aber ich liebe den Führer der französischen Besatzungstruppe, den Cblöttél Merlinville.“ „Madonna! Meine Tochter, das Kind eines venezianischen Patriziers, ist in einen französischen Offizier verliebt... Verflucht sei der Tag, an dem Colonnello Merlinville Veneziens Gebiet betreten hat ... Vielleicht liebt auch er dich?“ „Mit Worten noch nicht, aber mit den Augen hat er mir bereits Liebe geschworen.“ - „Glaube dem Schwur meines Franzosen nicht. Sie haben auch ihrem König Treue geschworen und schleppten ihn dennoch auf die Guillotine.“ „Merlinville kehrt bald zurück. Ich will seine Liebe auf die Probe, auf eine harte Probe stellen. Geb’,-damit ich mit ihm vertraulich sprechen kann.“ „Sei vorsichtig. Du bist die Tochter uralten venezianischen Adels,“ brummte der Alte und ließ Tullia allein. Schon klangen die Glocken der Kathedrale, als der Oberst wiederkam. Sein Gesicht zuckte vor Er­regung. - „Abschied nehmen bin ich gekommen, Tullia,“ seufzte er. „Für wie lange?“ der Vergangenheit ist, so ist auch alle Zukuntt schon in der Gegenwart vorbestimmt. Nur ist die zukünftige Entwicklung nicht in allen Fällen genau aus den aktuellen Gegebenheiten errechenbar. Wäre sie es; dann gäbe es namentlich im Bereiche des Wirt­schaftslebens, aber auch im politischen Völkerleben überhaupt keine Probleme, denn die Frage nach der Zukunft würde sich ganz einfach auf ein Bechen­exempel reduzieren. In dem kunterbunten Wust des Gewordenen die- Umrisse des Werdenden zu erken­nen, dazu gehört die seltene Gabe der Intuition, und unserem Verfasser darf diese Gabe zugebilligt werden. Wie ist .es nun um die planeuropäische Vision Andreas Fleissigs bestellt? Er will nicht zugebeh, daß der Kapitalismus abgewirtschaftet hätte und nunmehr nichts anderes als der marxistische Kollek­tivismus an seine Stelle treten könnte. Auch daß die Zukunft einem sogenannten Hochkapitalismus oder Spätkapitalismus gehören würde, bestreitet Andreas Fleissig. Er behauptet, es gibt eine Möglichkeit, „die Entwicklung des Kapitalismus in Bahnen zu lenken, wo aus dem kapitalistischen Wirtschaftskörper die Todeskeime ausgemerzt werden könnten, ohne jedoch den Lebensnerv des Kapitalismus selbst, das Prinzip des absoluten Privateigentums, tödlich zu treffen, und ohne den Grundpfeiler des Kapitalismus, die in* dividuelle Unternehmerinitiative, anzugreifen und in die Fangarmp des Staatssozialismus zu treiben“. Diese Möglichkeit darzutun und mit Argumenten zu belegen, ist die Aufgabe, der sich der Verfasser in seiner Schrift unterzieht. Die Plattform, auf der sich die Entwicklung der Zukunft voll* ziehen soll, ist nach Andreas Fleissig die „neokapitalistisehé Planwirtschaft“, und das Instru­ment, mit dessen Hilfe sich Planeuropa auf solcher Grundlage entwickeln soll, wäre ein großzügiger Aus­bau und zugleich eine grundstürzende Reform der internationalen Kartellwirtschaft. Für Planeuropä sind aber die Kartelle in ihrer gegenwärtigen Ver­fassung nicht die Bausteine, aus denen das Gebäude der wirtschaftlichen und politischen Zukunft zu­sammengefügt werden wird, sondern sie sind eher bloß die Keimzellen, aus denen sich die neue inter­nationale Weltordnung, das Wirtschaftssystem der Zukunft, zu entwickeln haben wird. Das Zukunfts­­kartell der neokapitalistischen Planwirtschaft verhält sich zu dem heutigen Kartelltypus, wie etwa der aus-; gereifte Mensch zu seinem Embryo. Als die Grund­tendenzen einer kapitalistischen Planwirtschaft be­zeichnet der Verfasser erstens die Fixierung und Fundierung der allgemeinen Produktionstätigkeit, zweitens das Erstarken der allgemeinen Konsum­kraft durch Stabilisierung der Preise und durch gleichzeitige, möglichst intensive Steigerung der all-; gemeinen Konsumfähigkeit durch möglichst starke Senkung der Preise, und drittens die größtmögliche Stabilisierung der Anzahl der in den einzelnen Ge­­werbezweigen beschäftigten Arbeitskräfte. Die heu­tigen Kartelle sind noch weit entfernt davon, diesen idealen und höchstgespannten Anforderungen zu ge­nügen, aber manches schon ihrer gegenwärtigen Be­tätigung offenbart unverkennbar Ansätze zu einer Entwicklung, die den eben gekennzeichneten Verlauf zu nehmen verheißt. Andreas Fleissig zweifelt nicht daran, daß die immanenten Gesetze des Wirtschafts­lebens die spontane Entwicklung in diese Bahnen lenken werden, aber nicht mit Unrecht knüpft er daran die Forderung, daß die Wirtschaft vor allen Dingen entpolitisiert werden müsse. Politische Ein­griffe in den Wirtschaftsprozeß können nach ihm —* und darin wird ihm jeder Unbefangene beistimmen „Aut ewig. Die Kriegsereignisse rufen mich aus der uralten Stadt der Lagunen, wo es nichts anderes gibt, als Himmel, Wasser, muffige Marmorwände. Staub und Wagengerassel sind unbekannt hier. Auch Vögel, die in Baumkronen nisten, sieht man hier nicht, nur Tauben.“ „Schelten Sie Venedig nicht! Nach Dante war es Gott, der in seiner Frohlaune eine echte Perle auf die Erde geworfen hat und daraus wurde Venezia Wer zwingt Sie zu gehen. Bonaparte?“ „Der Ehrgeiz, der Ruhm und mein angebetetes Vaterland rufen mich. Ich bin Soldat, bin Franzose. Im. Kanonendonner werde ich die Liebe vergessen, die in meinem Leben vielleicht nur eine kleine Epi­sode ist.“ „Überzeugen Sie mich doch wenigstens in, den Augenblicken des Abschieds, daß Sie mich geliebt haben.“ „Wie soll ich beweisen, daß ich der idealen Liebe des edelsten Herzens würdig gewesen bin?“ „Befreien Sie -die Welt von Bonaparte!“ „Tullia, wenn ich Napoleon ermorde, bin icÜ mein eigener Mörder... Colonel Merlinville und Ge­neral Bonaparte sind eine und dieselbe Person. Den Sie geliebt und zur gleichen Zeit gehaßt haben, der bin ich, Napoleon.“ „Der General... Mit Tod und Leben die Ihre,“ stieß das Mädchen schmerzvoll hervor und sank vor ihm nieder. Er hob sie auf und zog sie' an sich. „Zählen Sie Napoleon zU den Toten, das An­denken Merlinvilles aber bewahren Sie in Ihrem Herzen,“ sprach er liebevoll. „Wohin mich auch das Schicksal führen möge, werde ich mit tausend Freu­den und tausend Leiden deiner gedenken, meinem Engel... Wie sanftes Frühlingslicht im Nebel bist du mir erschienen, im Nebel wirst du mir auch entschwinden. Lebe wohl! Lebe wohl!“ „Napoleon, die Madonna geleite deine Schritte!“* rief die Tochter des Dogen aus und fiel ohnmächtig zu Boden. __________j den Weltkrieg hätte aufhalten können, ist vielleicht doch eine sehr gewagte Behauptung. Zum Schluß empfehlen wir Herrn Jovanovics folgende Worte des englischen Admirals Troubridge zur Beachtung: „Ungarn war das einzige kontinen­tale Land, das nicht in geringstem Maße, selbst nicht im geheimen, die Idee irgendeines Krieges nährte.“

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