Pester Lloyd - esti kiadás, 1930. október (77. évfolyam, 222-248. szám)

1930-10-01 / 222. szám

Einzelnummer an Wochentagen IC, an Sonntagen 32 Heller. Abonnement: FOr Budapest: mit täglich zweimaliger Zustellung und für das Inland Morgen* und Abendblatt: Vierteljährlich 18 P, monatlich 6.40 P. Für das Morqenblatt allein vierteljährlich II P, monatlich 4 P. Auch auf das Abend­blatt allein kann unter den gleichen Bezugs­bedingungen abonniert werden. Für die sepa­rate Zusendung des Abendblattes nach der Provinz sind vierteljährlich 1 Pengő zu entrichten. Für Wien auch durch Herrn. Goidáchmidt, Für das Ausland mit direkter Kreuzband­sendung vierteljährlich: Für Oesterreioh und Polen 20 Pengő, für alle übrigen Staaten 30 Pengő. Abonnements werden, auch bei sämtlichen ausländischen Post­ämtern entgegengenommen, Manuskripte werden nicht zurückgestellt Telephon der Redaktion: 848-20. PESTER LLOYD ABENDBLATT 1 li s e ratenaofnahme: ln Bqdapest, in der Administration des Pester Lloyd und in den Annoncen- Bureaus: Balogh Sándor, J. Blockner, J. Blau, Boros, Győri & Nagy, Haasensteln & Vogler, Ludwig Hegyi, Simon Klein, Coroei Leopold, Julius Leopold, Magy. hirdető-iroda, Rudolf Moose A.-G., Jos. Schwarz, Sikray, Ju­lius Tenzer. Generalvertretung des Pestet Lloyd für Oesterreich: M. Dukes Naohf. A.-OL, Wien, Wollzefle 16. .Einzelnummer für Budapest und lüt die Provinz: Morgenblatt an Wochentagen 16 Heller, an Sonntagen 32 Heller, Abendblatt 16 Heller. — Für Oesterreich: Morgenblatt an Wochentagen 30 Gr., an Sonntagen 40 Gr. und Abendblatt 30 Gr. Redaktion u. Adm.: V., Mária Valéria-uocaia^ Telepbon der Administration: 849-09 77. Jahrgang. Budapest, Mittwoch, 1. Oktober 1930» Nr. 222 Ausiandschau. — 1. Oktober. — Das Programm der deutschen Regierung. Nach gründlicher Vorbereitung ist nun das Fi­nanz- und Wirtschaftsprogramm der deutschen Reichsregierung veröffentlicht worden. Anscheinend wollte Reichskanzler Brüning die Verhandlungen mit den Parteiführern erst anknüpfen, wenn <^cscs Pro­gramm der gesamten öffentlichen Meinung vorgelegt sein wird. Diese Taktik darf als durchaus richtig be zeichnet werden. Denn aus dem Programm geht ein ernster, sachlicher, verantwortungsbewußter Wille hervor, sämtliche Folgerungen aus den harten, unab­wendbaren Tatsachen der Weltwirtschaftskrise zu ziehen, die deutsche Wirtschaft und die deutschen Staatsfinanzen der neuen Entwicklungsrichtung der Weltwirtschaft anzupassen. Dieses Programm for­dert von sämtlichen Kreisen des deutschen Volkes Opfer und sieht in erster Reihe eine 20prozenlige Gehaltskürzung der Minister und der Abgeordneten und eine sechsprozentige Gehalts- und Pensionskür­zung der Reichsbeamten vor. Während nun die er­­stere Maßnahme bloß von moralischer Wichtigkeit sein dürfte, kommt der letzteren schon eine ernste staatsfinanzielle Bedeutung zu. In der Tat müßte jedes finanzielle Sparprogramm den übelsten Ein­druck wecken, das nicht eine Verminderung der Per­sonallasten vorsehen würde. Dies namentlich in einer Lage, in der die Lasten der Arbeitslosenversicherung aus dem Budget überhaupt eliminiert werden sollen und eine Reform der Arbeitslosenversicherung ge­plant wird. Daß das Sparprogramm unaufschiebbar ist, beweist am besten die düstere Ziffer des diesjäh­rigen Defizits, das im Frühjahr noch vom Reichs­finanzminister Dietrich auf 300 Millionen geschätzt wurde, jetzt aber von der Reichsregierung auf 750 bis 900 Millionen Mark veranschlagt wird, wobei be­merkt werden muß, daß auf Grund der deutschen finanziellen Fachpresse auch die zweite Ziffer opti­mistisch berechnet sein dürfte. Das Wohnbaupro­gramm der Regierung ist als großzügige Maßnahme zu'r Linderung der Arbeitslosigkeit und der Woh­nungsnot an Kleinwohnungen gedacht lind gliedert sich organisch in das Gesamtprogramm ein. Das Programm ist also Produkt eines positiven, schöpferischen Aufbauwillens,, der von einer rich­tigen Einschätzung der weltwirtschaftlichen Ge­samtlage, nämlich von der Notwendigkeit einer Sen­kung des allgemeinen Preisniveaus, ausgeht. Fraglich Ist nur, oh die schwankende parlamentarische Grund­lage einer Minderheitenregierung ausreichen wird, um die Durchführung eines Progamms, das von allen Seiten Opfer erfordert, zu garantieren.' Es wird namentlich viel von der Haltung der Sozialdemo­kratie einerseits und der Deutschen Volkspartei andererseits abhängen. Das Programm enthält nichts, was der Sozialdemokratie das Betreten des Koali­tionsweges erschweren, aber auch nichts, was dies erleichtern würde. Es ist ein Programm der Vernunft und könnte daher wohl als Grundlage einer „Koali­tion aller Vernünftigen“ dienen. Aber es ist sehr frag­lich, ob im neuen Reichstag diese „Vernünftigen“ sich in Mehrheit befinden und nicht die Leiden­schaften die Oberhand gewinnen werden. Denn die Gehaltssenkung und die Sparmaßnahmen im Reiche, in den Ländern und den Gemeinden sind nur eine Seite der Sanierungsaktion. Die andere, wichtigere wird die Senkung der Preise und der Löhne sein. Die Preissenkung wird vielfach durch automatische. Ent­wicklungstendenzen des Weltmarktes diktiert, während die Lohnsenkungsfrage stark von den politi­schen Macht Verhältnissen im Staate übhängt. Deshalb Ist es das große Problem der kommenden Jahre, ob die deutsche Wirtschaft gesonnen ist, die sicherlich schwierige Lohnsenkungsaktion im Wege friedlicher Verhandlungen und mit den Mitteln der Überzeugung tiurchzuführen, was bei dem hohen Bildungsniveau des deutschen Arbeiters wohl als möglich erscheint, oder Ob die alten, reaktionären Kreise der deutschen {Wirtschaftsführung sich durchsetzen werden mit •ihrem Schrei nach der Diktatur und dem „Herr im :!Hause“-Standpunkt. Man muß hoffen, daß die klare und sachliche Arbeit der Reichsregierung 'den Sieg der Vernunft ermöglichen wird. Das russische Dumping und die Selbstkostenfrage. Die Rätselfrage nach den Gründen des russi­schen Getreidedumpings fährt fort, die internatio­nale Öffentlichkeit zu beschäftigen und vielfach .werden noch immer Stimmen laut, nach denen »Moskau mit .der Operation, die große Getreide-, mengen zu Schleuderpreisen auf den Weltmarkt wirft, die. Absicht verfolgt, die Wirtschaft der euro­päischen Agrarländer noch mehr zu zerrütten und dadurch der sozialen Revolution den Boden zu bereiten. Auf anderer Seite fehlt es aber auch nicht an Aufklärungen und Informationen, die das Dumpingmanöver auf rein wirtschaftliche Motive zurückzuführen trachten. Die Monatsschrift der russischen Handelsver­tretung in Berlin führt die sowjetrussischen Getreide­verkäufe im Ausland auf das Industrialisierungs­programm Moskaus zurück. Der Artikel führt u. a. folgendes aus: „Die rasche Industrialisierung verlangt eine rasche Zunahme der Einfuhr ausländischer Maschinen und Ein­richtungen für die im Bau befindlichen neuen Fabriken und Werke. Die Bezahlung dieser Einfuhr kann bei der gegebenen Lage der finanziellen gegenseitigen Beziehun­gen mit der kapitalistischen Umwelt nur durch die Aus­fuhr erfolgen. Der Export der UdSSR, wird demgemäß forciert, nicht in dem Bestreben, fremde Märkte zu erobern, und nicht in dem Bestreben, einen Übergewinn zu erzielen, wie dies in den anderen Ländern der Fall zu sein pflegt, sondern in dem Bestreben, die Einfuhr aus­ländischer Maschinen in die UdSSR, für den Bedarf der im Neubau oder Umbau befindlichen Fabriken zu forcieren.“ Dies der sachliche Kerti des russischen Artikels. Die Frage der russischen Exporte wird jedoch erst durch die Erklärung des Getreidefachmannes der englischen Wirtschaftszeitschrift Economist gänzlich verständlich. Nach dem Standpunkt des englischen Fachmannes, der sich übrigens vollkommen mit dein unseres jüngsten Artikels deckt, stellen die russischen Exporte der letzten Monate wahrscheinlich eine Vor­wegnahme der Frühjahrskäufe der Russen dar, die sicli in der Höhe der jetzigen Ausfuhrmengen halten werden. Diese Politik der Ausfuhr im Herbst und der Einfuhr im Frühjahr wird mit Standorts-, be­ziehungsweise transporttechnischen Argumenten unterstützt. Im Herbst bedeuten nämlich Verschif­fungen über das Schwarze Meer eine außerordent­liche Herabsetzung der Transportkosten bis zum Seehafen, da das Getreide im Herbst auf dem Fluß­­wege nach den Seehäfen des Schwarzen und des Asowschen Meeres verschifft werden kann und die Flußschiffahrttarife ein Drittel der Eisenbahntarife ausmachen. Es dürfte daher, selbst wenn wir die ungünstige und durch die Russenverkäufe noch künstlich verschärfte Preislage im Herbst berück­sichtigen, für Sowjetrußland noch immer vorteilhaf­ter sein, im Herbst zu exportieren, solange man fluß­abwärts verfrachten kann, und dann im Frühsom­mer über Leningrad zu importieren, als die hohen Transportkosten der ohnehin überlasteten und zer­rütteten russischen Eisenbahnen zu tragen. Gerade dieses Transportargument widerlegt aber eine andere Behauptung des bereits zitierten Artikels der Berliner russischen Handelsvertretung, der etwas prahlerisch von der „höheren Technik der russischen landwirtschaftlichen Produktion“ spricht, die „dank dem entschiedenen Umbau der landwirtschaftlichen Produktion auf der feasis der Großwirtschaft und der Maschinisierung“ erreicht worden sein soll, und die „für das Sowjetgetreide bedeutend geringere Produk­tionskosten bedingen soll, als dies für die euro­päische Landwirtschaft möglich ist.“ Der Hinweis auf das russische Transportsystem allein genügt, um dieses großsprecherische Argument zu entkräften. Die Russen verwechseln oft ihre Wunschträume mit der Wirklichkeit. Es besteht gar kein Zweifel dar­über, daß sie eine Maschinisierung und Umstellung ihrer landwirtschaftlichen Produktion auf „Getreide­fabriken“ mit aller Energie betreiben. Aber davon, daß diese ihre Absichten bereits eine ernste oder gar ausschlaggebende Rolle in der Ausfuhr spielen wür­den, und davon, daß im allgemeinen niedrigere Selbstkosten erreicht wären als in Europa, sind sie noch weit entfernt. Daher können wir bloß das Fazit unseres vorwöchigen Artikels wiederholen: keine Geringschätzung, aber auch keine übertriebene Furcht vor dem Gespenst des roten Dumping. Vor allem aber: fort mit der politischen Demagogie bei der Betrachtung weltwirtschaftlicher Vorgänge! Neuer Geist im Minderheitenverfahren des Völkerbundes? Es ereignet sich jetzt zum ersten Male, daß eine Minoritätenbeschwerde in Genf im Sinne der Mad­rider Beschlüsse, im Gegensatz zu den bisher übli­chen Verhandlungen vor Dreierausschüssen, in einem Fünferausschuß diskutiert wird. Die Angelegenheit, die bei dieser ersten Anwendung des neuen Verfah­rens zur Besprechung gelangt, geht uns Ungarn in­sofern nahe an, als es sich um eine Petition der un­garischen Minderheit in Siebenbürgen handelt. Des Beschluß des Ausschusses, ob die Petition an den Völkerbundrat geleitet werden, oder nach bisherigem Brauch in den Papierkorb wandern soll, ist noch nicht erbracht, so daß den interessierten Parteien einstweilen noch nicht möglich ist, sich ein Urteil darüber zu bilden, ob und inwieweit das neue Ver-< fahren einen Fortschritt gegen früher bedeutet, Immerhin ist es zweifellos von nicht zu unter­­schätzender Bedeutung, wenn ein Völkerbundpoliti-> ker von der Unbefangenheit und dem Niveau des Schweizer Hauptdelegierten Motta in seinem gestrigen Referat sich mit aller Entschiedenheit auf die Platt­form der idealen Forderungen der Minderheiten, be­treffend die freie Ausübung ihrer Sprache, Religion und Kultur gestellt hat. Es tut allenfalls wohl, solche Enunziationen von kompetenter Stelle zu ver­nehmen, und ihr günstiger Eindruck täuscht zu­mindest für wenige Augenblicke über die gewaltig® Kluft hinweg, durch die Theorie und Praxis in die­sem Belange von einander getrennt sind. Wenn Motta die Perspektiven offenkundig zu optimistisch beurteilt, so kommt das wohl daher, weil er sich von dem eigentlichen Herd des Übels doch in ziemlichem Abstand befindet. Hiemit ist auch der Umstand zu erklären, daß er das Beispiel der Schweiz allen be­teiligten Parteien als nachahmenswert hinstellt, ob­schon die Erfahrung verschiedentlich gezeigt hat, daß sich der schweizerische Maßstab an viele euro­päischen Staaten eben nicht anlegen läßt. Wenn fer­ner Motta in seinem Rechenschaftsbericht darauf anspielt, daß sich auf offiziösem Wege und durch Sondierungen von Regierung zu Regierung in vielen Fällen mehr erzielen läßt, als vermittels eines öffent­lichen Verfahrens, so weist ein solches Argument eben ungewollt auf die Unzulänglichkeiten der Völ­kerbundmentalität hin undrist wenig geeignet, die Forderung der völkischen \^nd erheben zum Schwei­gen zu bringen. Wahltag in Finnland. Heute und morgen finden die mit großer Span­nung erwarteten Neuwahlen zum finnischen Reichs­tag statt. Die Lappo-Leute haben bekanntlich die Auflösung des Riksdag erzwungen, da ihr Juli- Marsch nach Helsingfors zwar die Einbringung der Schutzgesetze, aber nicht die notwendige Dreiviertel­mehrheit in der dritten Lesung zu erwirken ver­mocht hatte. Die Lappo-Leute wollen bekanntlich ein Beispiel geben, daß es gegen die staatszerstörenden Me­thoden der III. Internationale, die die bürgerlichen Gesetze kühn mißbrauchen und aasspielen, doch ein gutes Hilfsmittel gehe. Die Gesetzvorlage besagt, daß der Kommunismus den grundlegenden patriotischen, religiösen und ideellen menschlichen Werten wider­spricht, und daß ein Volk, das diese Werte hochhält und sich seines eigenen berechtigten Vorhandenseins bewußt ist, den kommunistischen Taten gegenüber nicht gleichgültig sein dürfe. Deshalb müssen der Re­gierung Vollmachten erteilt werden, außerordentliche Maßnahmen zu verordnen, die geeignet sind, kom­munistische Einflüsse im Lande unmöglich zu machen. Man sieht also, daß bei den Neuwahlen in Finn­land eine in den modernen Staatsgrundgesetzen nicht vorausgeahnte Erscheinung, nämlich der ein-* seifige Mißbrauch der Gesetze durch die Koinmxt­­nisten, durch eine neuartige Reform unmöglich ge­macht werden soll. Daß diese Evolution den Sowjets nicht paßt, ist erklärlich und macht die finnischen Neuwahlen noch interessanter. Die Sowjetregierung hat bereits durch Geld und durch drohende diploma­tische Noten in den Wahlkampf einzugreifen ver­sucht und ließ außerdem demonstrativ zwei strate­gische Bahnlinien trassieren. Ferner werden mit Hilfe de? Stockholmer Sowjetgesandtschaft Waffen, nach Finnland geschmuggelt, um die Lappo-Leute einzuschüchtern, die erklärt haben, daß sie selbst Ordnung machen würden, falls die Neuwahlen nicht die nötige Majorität für die Verfassungsänderung er­geben. Aus der Hauptstadt Finnlands wird hiezu untét heutigem Datum folgendes telegraphiert: In Finnland finden heute und morgen die Par­­lamentsiwahlen statt. Die Auflösung des verflossenen Par-­­laments erfolgte Mitte Juli, weil es verschiedenen Ge­setzen, die sich gegen die kommunistische Bewegung richteten, seine Zustimmung versagt hat. Die Regierung hatte diese Gesetze unter dem Druck der kommunisten­­feindlichen Lappo-Bewegung unterbreitet. Die Anhänger der letzteren haben, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, Anfang Juli einen Demonstrationsmarsch nach Helsinki angetreten, an dem 1200 Personen teiilnaihmen. In ihren Wahlaufrufen setzten sich die Führer der

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