Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1930. december (77. évfolyam, 275-297. szám)

1930-12-02 / 275. szám

PE STER LLOYD •2i Dienstag, 'l. Dezember I93Ó ln Frankreich wird die politische Lage'seit eini­ger Zeit von den verschiedensten Parteien überein­stimmend schwarzseherisch dargestellt. Poincaré, der seit seinem Rücktritt von der aktiven Politik sich in der Rolle eines Augurs gefällt, nimmt keinen An­stand, das in den bescheidensten Rahmen gezwängte Söldnerheer Deutschlands als eine Gefahr für den Frieden hinzustellen, obzwar der deutsche Reichs­wehrminister ■ Groener die Ohnmacht dieses von den europäischen Militärmächten umzingelten schwachen Söldnerheeres erst kürzlich wieder in überzeugend­ster Weise nachgewiesen hat. Und sieht nicht auch der sozialistischradikale Pazifist Herriot das Gespenst eines nahenden Krieges auf steigen? Das ist eine seeli­sche Verfassung, die geradezu pathologisch anmutet. Es wäre die höchste Zeit für Frankreichs sich be­wußt zu werden, daß die unerläßlichste Vorbedin­gung für die eigene Sicherheit in der Schaffung einer kontinentalen Sicherheit besteht, die man weder durch vage Konföderationspläne auf Basis der be­stehenden Willkürverträge, noch durch die Inszenie­rung einer kläglichen Abrüstungskomödie erreichen kann . Graf Bethlen und dasDeutschtum in Ungarn. I Vom Geheimen Rat Dr. GUSTAV GRATZ, , ... . Minister des Äußern a. D. Ministerpräsident Graf Stefan Bethlen hat an­läßlich feines jüngsten Aufenthaltes in Berlin wiederholt Gelegenheit gehabt, über die Rolle und Bedeutung des ungarländischen Deutschtums zu sprechen, und daher hob er immer seinen Ent­schluß hervor, dem deutschen Element in Ungarn den freien Gebrauch seiner Sprache und seiner Kul­tur zu sichern. Diese Worte müssen um so mehr gewürdigt werden, als Graf Bethlen nicht zu jenen Staatsmännern gehört, die vor einem ausländischen Publikum sprechend, in der Beteuerung ihrer Wert­schätzung für die nationalen Minderheiten gern große Worte gebrauchen, während sie bei sich zu Hause die entgegengesetzte Politik befolgen.. Graf Bethlen hat auch zu Hause in Ungarn immer die gleichen Anschauungen verkündet; andere Meinun­gen über die Behandlung, die das Minderheiten­problem in Ungarn finden soll, hat er oft entschieden zurückgewiesen, und eine ganze Reihe von Ver­fügungen, die er- persönlich getroffen hat, bezeugt, daß diese Äußerungen einer tiefwurzelnden Über­zeugung entspringen, die Sich nicht nur in Worten, sondern auch in Taten äußert. Es ist die selbstver­ständliche Pflicht des ungarischen Deutschtums, einem Lande, dessen Regierung ihm so wohlwollend gesinnt ist, nicht nur äußerlich, sondern vom ganzen Herzen die Treue zu halten. Der deutschsprechende Ungar hat sich im Laufe der abgelaufenen Jahrhun­derte so sehr bedingungslos und von ganzem Herzen als treuen Sohn des ungarischen -Volkes gefühlt und betragen, daß ihm das fürwahr keine Selbst­überwindung kostet. In diesem Bekenntnis zum Ungartum sind ihm seine Väter mit gutem Beispiel vorangegangen, und er wird die gleiche Vaterlands­liebe gewiß auch seinen Kindern und Kindeskindern unversehrt überliefern. Es wäre jedoch wünschenswert, wenn auch jener kleine Teil der ungarischen Öffentlichkeit,der in bezug auf die Rechte der deutschen Minderheiten anders denkt, die Worte, die Graf Bethlen über die deutsche Minderheit in Ungarn in Berlin fallen ließ, beherzigen würde. Gewiiß ist die große Mehrheit der öffentlichen Meinung in Ungarn dér gleichen Auf­fassung, wie Graf Bethlen. Daß die große Mehrheit in Ungarn dem Minderheitsproblem auch dort, wo man die Großherzigkeit nicht von anderen verlan­gen, sondern selbst bekunden muß, das nötige Ver­ständnis entgegenbringt, geht auch daraus hervor, daß nicht nur von den regierungsfreundlichen, son­dern auch von den oppositionellen Elementen in Ungarn die meisten den gleichen Standpunkt ein­nehmen. Das vertrauensvolle Verhältnis, in dem in Ungarn Magyaren und Deutsche miteinander leben, hat — wenn man von der Schweiz absieht — kaum seinesgleichen in der Reihe der Staaten, in deren Verband eingestreute Minderheitssplitter leben. Das ist ein starkes Aktívum der ungarischen Politik, das man nicht leichtfertig preisgeben darf, denn es gibt uns mehr als irgend etwas anderes neben dem recht­lichen, auch den moralischen Anspruch darauf, daß man den vom alten Ungarn losgerissenen Min­derheiten ein erträgliches Los gewähre. Trotzdem wäre es ein Fehler, die vereinzelten Stimmen ganz unbeachtet zu lassen, die Stimmen, die in der öffentlichen Meinung Ungarns hie und da laut werden und die Verhältnisse aus einem zu engen Horizont heraus ins Auge fassen, als daß sie für jene Interessen, die in dieser Frage auf dem | Spiele stehen, das nötige Verständnis haben könn­ten. All die Weisheit, die sich in den Erklärungen des Ministerpräsidenten äußert, kann unter Um­ständen zu Schanden werden durch unvernünftige Handlungen oder Äußerungen von Einzelpersonen, die von unseren Gegnern und Feinden als Beweise dafür ausgenützt werden könnten, daß es mit jener Gefühlsübereinstimmung zwischen Magyaren und Deutschen, deren wir uns so oft rühmen und auf die wir mit vollem Recht so stolz sind, nicht weit her sein könne. Eine aufmerksame und geschickte Propaganda unserer Gegner untersucht ohnehin mil­der Lupe alles, was auf diesem Gebiete in Ungarn geschieht, und scheut mitunter auch davor nicht zu­rück, durch gelinde Verdrehung von Tatsachen oder Äußerungen den Anschein zu wecken, als ob das Einvernehmen zwischen dem Ungartum und seiner deutschsprachigen Minderheit in Wahrheit nicht bestehe. Wer von irgend einer Seite — und sei es auch in der besten Absicht — den Eindruck entstehen läßt, daß es im Ungartum tatsächlich eine Strömung gebe, die auf eine sprachliche Assimilie­­rung des deutschen Elementes ausgeht, der leistet, ohne es zu wollen, dieser feindlichen Propaganda einen unschätzbaren Dienst. Was sie mit allem Gold der Welt nicht zustande bringen könnte — ein Bekenntnis dessen, daß in Ungarn die nationale Méhrheit und Minderheit einander feindlich gesinnt sind — dafür spielt ihr der politische Unverstand und eine kurzsichtige Kirchturmpolitik unentgelt­lich Beweise in die Hand, mit denen sich nach außen hin immerhin arbeiten läßt. Es ist allerdings wahr, daß es sich um Meinungsäußerungen einer kleinen Minderheit handelt, aber es wäre dennoch ein Fehler, sie nicht außerordentlich ernst zu neh­men, denn erstens werden im Ausland solch feine Unterscheidungen nicht gemacht, und zweitens ist es niemals ausgeschlossen, daß Irrlehren, denen man nicht entschieden genug entgegentritt, allmälig zu allgemeinen Überzeugungen werden. Das aber könnte im gegebenen Falle die gesamten Zukunfts­hoffnungen des Ungartums gefährden. Es liegt in der menschlichen Natur, daß es nicht immer leicht ist, das alte Sprichwort anzuwenden: Was du nicht willst, daß man dir tut, füge auch du keinem andern zu. Trotzdem wird és, um zu entscheiden, welcher Standpunkt gerecht und richtig ist, immer die beste Me­thode sein, sich die Frage zu stellen, ob man damit einverstanden wäre, wenn der gleiche Standpunkt gegen uns seihst oder gegen irgendwelche, uns ans Herz gewachsene Interessen angewepdet würde. 1st das richtig, dann ist es in der Minderheitenfrage ungereimt, wenn jene vereinzelten Vertreter einer nationalen Intoleranz, die sich zu der von unserem Ministerpräsidenten in Berlin verkündeten Politik hierzulande bewußt oder unbewußt in Widerspruch setzen, auf die in Ungarn lebenden nichtmagyari­schen Minderheiten Grundsätze anwenden möchten, die sie für absolut unstatthaft halten würden, wenn sie irgendeiner unserer Nachbarn auf die dort lebenden magyarischen Minderheiten anwenden würde. Es ist - kindische Naivität, zu glauben, daß wir hier in Ungarn irgend etwas tun könnten, was sich vor dem Ausland geheimhalten ließe. Das Ausland weiß mehr über uns, als wir glauben; es weiß in gewis­sem Sinne mitunter sogar mehr über uns, als wir selbst über uns wissen. Die Äußerungen und Hand­lungen der ungarischen Regierung — sofern sie sich auf die Behandlung der sprachlichen Minderheiten in Ungarn beziehen — sind vollkommen einwand­frei; sie enthalten nichts, was uns — auf die magya­rischen Minderheiten in den von Ungarn losgerisse­nen Gebieten angewendet — unangenehm berühren könnte. Kann man aber dasselbe auch von nlem zahlenmäßig nicht bedeutenden Lager derjenigen sagen, die in dieser Frage ganz andere Ansichten zu verkünden pflegen? Man hört in diesen Kreisen oft die Behauptung, daß schon die Entwicklung eines gewissen Sonder­bewußtseins, wie es sich unter dem ungarländischen Deutschtum zumal in den letzten Jahren bemerkbar macht, eine bedauerliche Erscheinung darstellt und es auch dann bliebe, wenn man zugäbe, daß dieses Deutschtum auch heute unverändert großes Gewicht ! darauf legt, seine Liebe und Treue zum ungarischen Vaterland bei jeder Gelegenheit nicht nur zu be< teuern, sondern auch mit Taten zu beweisen. Die Entstehung dieses Sonderbewußtseins wird in der Regel auf eine künstliche Agitation zurückgeführt, deren Quelle man in dem seit sechs Jahren be­stehenden Ungarländischen Deutschen Volksbildungs­verein erblicken will. Nun findet man in den Kund­gebungen dieses Vereins, welcher Art sie auch seien, wohl vieles, womit man die gefühlsmäßige Einheit des ungarländischen Deutschtums mit der ganzen ungarischen Nation beweisen kann, aber nichts, woraus man auf das Gegenteil folgern könnte. Auch sonst ist die Annahme, daß dieser Verein etwas zur: Erweckung eines früher nicht vorhandenen Sonder­bewußtseins der ungarländischen Deutschen bei­getragen hätte, eine optische Täuschung. Das Be­streben, dem ungarländischen Deutschtum seine Sprache und Kultur zu erhalten, hat nicht der ge­nannte Verein geschaffen, sondern dieses Bestreben ist unter der Wucht der Ereignisse des Weltkrieges, der alles von Grund und Boden aufwühlenden Revolutionsjahre und vielleicht auch des allgemeinen Vordringens der Minderheitsprobleme aus dem Volke selbst hervorgewachsen. Der Volksbildungsverein hat diese Tendenzen nicht nur nicht geschaffen, auch er selbst sogar ist nichts anderes als eines ihrer Pro­dukte. Er hat diese Tendenzen lediglich zusammen­gefaßt und eingedämmt, und er verhindert damit auch heute, daß sie das rein sprachliche und kul­turelle Gebiet verlassen und politische Formen an­hier weite Landschaften in Sümpfe, Steinhalden, Sandwüsten und Lavafelder verwandelt. Oft gingen drei Generationen zugrunde, bis sich die träg ge­wordene Erde fügte. ' Unter den Tragödien der jungen Chaluzen ist wohl diejenige der Geschwister Mach eine der er­schütterndsten. Mit dem Doktordiplom in der Tasche die beiden älteren und mit dem Reifezeugnis eines Gymnasiums die beiden jüngeren, mußten sie der Reihe nach in den Orangengärten und auf den Melonenfeldern taglöhnern, beim Straßenbau Steine klopfen, in einem Werke Silikatziegel brennen und Asbestplatten schneiden. Auch das Mädchen. Dabei schliefen sie Monate hindurch auf der bloßen Erde und hatten nur ein leichtes Zelt, das die peinigenden Mückenschwärme eher anlockte als fernhielt, über dem Haupt. Nach Jahresfrist gelang es ihnen, in der Ebene Jesreel, am Rande der Kulturen, einen Distelgrund zu pachten. An dem Ort hatte einst Ahab, der König zu Samaria, der den elfenbeinernen Palast baute, sein Anwesen. Jedoch nichts erinnerte mehr an die frühere Herrlichheit. Die Lavamasse, die alle Feld­­und Gartenfrucht nährende, die auch in Schutt­winkeln noch Wälder glühroter Pelargonien, mannshohen Rittersporn und Rosen ohne Zahl her­vorbringt, reichte bis hieher nicht. Weitab wälzte der Kison seine befruchtende Schlammflut. Und selbst der Berg Karmel schien seine verschwom­menen Zinnen in den Wolken verbergen zu wollen vor dem sehnsuchtsvollen Hilfegebitt der vier. Dennoch bezwangen sie in gehäufter Fron die Scholle. Doch noch kaum in einigem Genuß ihrer Mühe, sank einer aus dem Ring. Es war Gamliel, der Älteste. In dem Umstand, daß er, der zugleich der Stärkste war, an einem Fliegenstich sterben mußte, bekundete sich ein hohnvoller Auftakt des schicksal­haften Geschehens. Die drei Lebenden zerriß der Schmerz über den Verlust und über die ungetreue Scholle. Es war auch nicht länger ihres Verbleibens im Lande. Nur noch dessen Opfer betteten sie unter einem Eukalyptusbaum zur Ruhe, dann wichen sie aus der Gegend! Nach der Erde wollten sie es mit dem Wasser versuchen. Sie wissen wohl, daß der Jordan seine Wellen in einer Talsenke führt, die tief unter dem Spiegel des Meeres liegt. In diese Sutte geklemmt, brütet eine lähmende Hitze. Es ist, wie-wenn die Glut, die hier aus dem Schoß der Erde näher zur Erdrinde emporkocht als anderwärts, einen Hand­druck mit den Hitzegraden der Sonne anstrebte. Dabei badet das Tal in Sümpfen, und an den Sümpfen wohnt das Fieber. Noch gar nicht lang hatten sich die drei unter den Jordanfischern betätigt, da befiel die Malaria Enan, den Zweitältesten, und raffte ihn fort. Unendlich viel Trauer blieb den zweien, Mesech und seiner Schwester. Asuba war um ein Jahr jünger; aber Zwillinge, die in einundderselben Stunde geboren wurden, können einander nicht ähnlicher sehen. Die Gestalt, das Gesicht, Augen, Haar und Hände, ja selbst der Stoff, in den sie sich kleideten, unterschieden sich durch kein Stäubchen. Nur daß das Mädchen den Frauenrock trug. Das Schicksal der Kinder Mendel Machs machte die Runde in einem beschränkten Kreis, und es ergaben sich mehrere Gastgebote und Arbeits­anträge. Die beiden wählten den Antrag, der ihnen am nächsten lag: sie ließen sich in eine Gemein­schaftssiedlung aufnehmen. Diese Kwuza bestand aus gebildeten, untereinander in Freundschaft ver­bundenen Jungleuten. Auch Ehepaare gab es unter ihnen und kleine Kinder. Die beiden Unglücklichen dachten, an ein gefälliges Ziel gelangt zu sein. Mesech arbeitete auf dem Felde, zunächst bei der Aufführung von Schutzwänden für die heiklen Bananenpflanzungen; in den Feierstunden schnitzte er Gedenkstücke für die Fremden. Asuba machte sich im Hause nützlich und zeigte so viel Anstellig­keit, daß man ihr die Hege der ausgedehnten Ge­flügelwirtschaft übertrug. Ihr Herz aber zog sie mehr noch zu den kleinen Geschöpfen im Kinder­garten hin, als zu den goldgelben Küchlein auf der Hühnerfarm, und sie träumte schon im Stillen vom kommenden Mutterglück. Das Mädchen war neun­zehn Jahre alt geworden. Durch die Harmonie der Seelen vermittelte die Siedlung Beth-Sera, selbst wenn auf den Eßtisch weiter nichts kam als Schwarzbrot mit Tomaten und ein Becher Tee, die Vorstellung vom Paradies, an dem der Mißklang der Welt nur im fernen Weinen der Schakale vorüberzog. Der Zustand währte von der Palmenblüte bis zum Reifen der Datteln. Als die Tage so heiß gingen, daß der Sand durch die Schuhsohlen brannte, hielt an einem Vortage zum Sabbat der Arabernabob Ali Habis-Bei in seinem Auto vor der Farm und bat um einen erfrischenden Trunk, Asuba bereitete Zitronenwasser und reichte es ihm. Statt das Glas zu fassen, ergriff er aber ihre Hand und sagte ohne Umschweife: „Dahl! Komm! Werde mein Weib!“ Asuba erschrak bei dem Antrag unsäglich. Sie entriß ihm die Hand und preßte sie gegen die Brust, In ihrer Not rief sie sogar nach dem Bruder. Der Araber beschwichtigte sie aber lächelnd und sagte: „Die Sache eilt nicht. Ich werde mir deine Antwort — morgen holen .., Und er erschien am nächsten Tag wieder. Er hatte den Burnus und das flatternde Kopftuch mit einem europäischen Anzug und einem Strohhut vertauscht und glich genau den feiertagsmäßig herausgeputzten beth-seranischen Siedlern. Sie mußte sich gestehen, er war ein feinet Jüngling. Und es wurde ihr warm ums Herz bei dem Gedanken, daß er Gefallen an ihr gefunden.

Next