Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1931. február (78. évfolyam, 26-48. szám)

1931-02-01 / 26. szám

PESTER LLOYD Sonntag, l. Februar 1931 fangreichste gilt. Bekannt ist auch, daß ursprünglich die serbische Literatur in Ungarn entstanden ist und durch geraume Zeit alle serbischen Bücher in der Budapester Universitätsdruckerei hergestellt worden sind. Die Nationalitäten hatten ihre Schulen, ihre Kirchenfonds, ihre Vereinsorganisationen. Im Ge­brauche ihrer Sprache waren sie von keiner Seite beschränkt. Zehn Jahre nach dem Volksschulgesetz vom Jahre 1868 gab es im ganzen Lande noch nicht hundert staatliche Elementarschulen, und sogar zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren 90 Prozent der Volksbildungsanstalten konfessionelle, kommunale und Vereinsschulen, deren Unterrichtssprache von den Schulerhaltern bestimmt wurde. In diesen Zeiten besaßen die rumänische, die slowakische und die ruthenische Kirche in Ungarn, jede für sich, mehr Schulen, als der ganze ungarische Staat. Mit alledem wurde leichtfertigerweise unter der Einwir­kung eines unbedacht maßlosen ungarischen Natio nalismus aufgeräumt. Ein einziger Mann fand sich damals im ungarischen Parlament, die unseligen Folgen einer solchen Politik vorauszusehen und der Gesetzgebung die Umkehr nahezulegen. Es war dies Ludwig Mocsáry, der, umbrandet von leidenschaft­lichen Stürmen des Widerspruches, die Zivilcourage aufbrachte, im Parlament zu verkünden, daß in einem gemischtsprachigen Staate nicht bloß die Lasten, sondern auch die Gerechtigkeit gleichmäßig verteilt werden müssen. Leider hat das damalige ungarische Parlament sich . dieser Wahrheit ver­schlossen. Ludwig Mocsáry geriet als Verräter an der Nation in Acht und Bann und wurde sogar von der eigenen Partei aus der Reihe ihrer. Mitglieder ge­strichen. Ladislaus Domokos stellt, jetzt die Forderung auf, daß diese Fehler der Vergangenheit im Inter­esse unserer nationalen Zukunft unbedingt gut­gemacht werden müssen. Er sagt darüber an einer Stelle: „Wenn wir unsere verlorenen Nationalitäten­gebiete und ihre fremdsprachige Bevölkerung zu­rückersehnen, so müssen wir aus unserer Brust das Stück unseres Herzens herausreißen, das jedesmal aufstöhnt, wenn es ein fremdes Wort aus dem Munde eines Mitbürgers vernimmt. Die ungarische Kultur soll mit ihrem urwüchsigen Reichtum, der Vielseitigkeit ihrer Begabungen und der Tiefe ihres Gehalts die führende Rolle an der Spitze der fremd­sprachigen Kulturen einnehmen; Verteidigen wollen wir. die Rechte unserer Sprache in der ganzen Welt, wo man die großartigen Werte des ungarischen Geistes nach Gebühr einzuschätzen weiß. Doch dür­fen wir nicht unsere Sprache auf Kosten der Mutter­sprache unserer Brudervölker verbreiten, denn der Klang der mit der Muttermilch eingesogenen Sprache ist für jede menschliche Kreatur ein Heiliges, wovon sich niemand losreißen will.“. Als Beweis dafür, daß schon im Jahre 1920 die Besten unseres Volkes von diesem Überzeugung durchdrungen waren, führt das Buch die vom Grafen Stefan Bethlen im Januar 1920 verfaßte Note der ungarischen Friedensdelegation an, die eine Art von Verfassungsentwurf für Sieben­bürgen in Vorschlag brachte. In dieser denkwürdi­gen Sphrift hieß es u. a.: „Wir sind bereit, Siebenbürgen eine Autonomie auf breiter1 Grundlage zu geben, wofern die Volks­befragung dies wünscht. Und wünscht sie es, so muß Siebenbürgen selber über seine innere Organi­sation entscheiden. Die Autonomie, die wir zu geben bereit sind, würde die wirtschaftliche Einheit mit Ungarn nicht berühren. Wir bitten die Friedens­konferenz, eine Kommission zu entsenden, die an Ort und Stelle die innere Organisation Siebenbür­gens. die Gleichberechtigung der drei Nationen unter Mitwirkung der Vertreter dieser dort lebenden Natio­nen durchberaten und derart durchführen soll, wie es den Geboten der Gerechtigkeit und den örtlichen Verhältnissen am besten entspricht.“ Nach diesem Verfassungsentwurf sollte Sieben­bürgen in vier»besondere Gebiete eingeteilt werden: in ein rein ungarisches, ein rein rumänisches, ein rein sächsisches Gebiet und in ein sächsisch-rumä­­nisches und rumänisch-ungarisches gemischtes Ge­biet. Alle diese Gebiete sollten mit einer örtlichen Autonomie ausgestattet werden, und zwar derart, daß Verwaltung und Regierung in der Spräche des betreffenden Gebiets zu erfolgen, in den gemischten Gebieten aber die Zwei-, beziehungsweise Drei­­sprachigkeit eingeführt zu werden hätte. Der Verfasser des Buches bekennt sich zu der Auffassung, daß die Rückkehr zu diesen edlen und weisen Überlieferungen einer liberalen und toleran­ten Nationalitätenpolitik eine der unerläßlichen Vor­bedingungen der ungarischen Auferstehung ist. Wenn wir wollen, daß die Revision des Trianon verb ages zur Wirklichkeit werde, müssen wir zwei Dinge an­streben: erstens, daß die fremdsprachige Bevölke­rung der entrissenen Gebiete die Sicherheit gewinne, im Falle eines Rückanschlusses an Ungarn ihre Eigenart in Sprache und Kultur im Bereiche des Schulwesens und der Verwaltung frei entfalten zu können; und zweitens, daß die öffentliche Meinung des zivilisierten Auslandes sich beruhigt fühlen dürfe, daß in dem verjüngten ungarischen Staate die Nationalitätenkämpfe, die so viel Unheil ange­richtet haben, nicht wieder aufleben werden. Aber mit einer solchen Lösung der Nationali­tätenfrage wäre, wie das Buch ausführt, noch lange nicht alles getan. Es gilt auch noch, die Achtung und die Sympathien der europäischen Kulturnatio­nen dadurch zu gewinnen, daß der ungarische Staat auch in seinen Beziehungen zu seinen Bürgern eige­ner Rasse die Gebote der Freiheit und der Rechts­gleichheit in weitherzigem Maße walten läßt. Eine Umgruppierung der inneren Politik in solchem Sinne muß sich also vollziehen. Der Verfasser be­gründet diese Förderung mit einleuchtenden Moti­ven und durchaus im Geiste des freisinnigen Fort­schritts, wie die folgende Stelle in seinem Buche beweist: „Von den höchsten staatsrechtlichen Funktio­nären des öffentlichen Lebens und von den hervor­ragendsten Werten der geistigen Vornehmheit muß die Auffassung ausstrahlen, daß den Trianon­­grenzen jener Haß zugute kommt, der hier Gesell­­schaftsklassert, Glaubensgemeinschaften, Erwerbs: zweige als verachtete und geächtete Schichten von der nationalen Gesamtheit ausschließt. Ich will kein Wort über die Lage der Sozialdemokratie und der Juden' verlieren, weil ich nicht eine politische Streit­schrift in die Hand des Lesers geben will, sondern einen Appell zum Frieden, eine flehende Berufung des Gefühls der Menschlichkeit an die Gerechtigkeit des ungarischen Herzens und an die Einsicht der ungarischen Vernunft. Nicht ich, und nicht die ein­zelnen haben diese Frage zu lösen, sondern die Ge­samtheit des sein Vaterland liebenden und um des­sen Schicksal besorgten Ungartums. So lange aber auf jeden Friedensvorschlag des Bischofs Baltha­­zár, mag er richtig oder verfehlt sein, der schäu­mende Haß in der die Dogmen einer anderen Re­ligion verkündenden klerikalen Presse aufbraust; so lange es bei uns Brauch bleibt, Legitimisten und freie Königswähler, Regierungsanhänger und Oppo­sitionelle, Industriemagnaten und einfache Kom­battanten der Gewerkschaften leichtfertig und ohne Wahl als Vaterlandsverräter zu brandmarken; so lange wir auf der Universität erscheinende, zitternde Judenjungen auf die Straße werfen, hundert­tausende unserer eigenen Rasse im furchtbaren Schmutz des Hungers und des Elends verkommen lassen, so lange diese Zustände andauern, ist diese Nation nicht berechtigt, zu verlangen, daß andere Völker ihr ein bebenderes Herz zuwenden, als sie selbst ihren eigenen Rassenbrüdern zuwendet; und * so lange dieser Zustand andauert, können wir die Wiederangliederung der von uns abgetrennten un­garischen und fremdsprachigen Brüder weder vor Gott, noch vor den Menschen mit Recht verlangen. Ein großes und teueres Herz, das nunmehr für immerwährende Zeiten verstummt ist, das Herz Eugen Rákosis, hat die ungarische Tragödie in den Worten ausgedrückt: „Der Triumphweg der Revi­sion Trianons ist die Revision unserer ungarischen Seele/' Und an einer anderen Stelle des Buches heißt es: „Jedermann, der diesen Boden und dieses Volk liebt, der die Pulsadern des karpathenumkränzten alten Vaterlandes mit seinem Herzblut und den lautersten Gedanken seines Hirns zum Schwung eines neuen Lebens anspornen will, der arbeite niit unerschütterlichem Glauben und mit unbeugsamem ungarischen Willen daran, daß aus der Winlernacht der heutigen Starre einer inneren Auflösung ein neues politisches System geboren werde: ein System, das keinen anderen Unterschied zwischen Ungar und Ungar kennt, als den des Opfers, den jeder einzelne von seiner Eitelkeit, seinen persönlichen Interessen, seinem Ehrgeiz und seinem patriotischen Dünkel den geheiligten Interessen des gemeinsamen Vater­landes bringt.“ Die zwei Leitgedanken des interessanten Buches sind also: Rückkehr zur weisen und weitherzigen Nationalitätenpolitik einer ruhmvollen Vergangen­heit und Wiederbelebung der alten Freiheitsrechte zugunsten der breiten Volksschichten, denen einzig das Gefühl, mit verständnisvoller Liebe behandelt zu sein, die eiserne Entschlußkraft einflößen wird, mit ihrem ganzen Sinnen und Trachten für die Revision, dieses oberste und heiligste Ziel aller un­garischen Politik, einzutreten. Dem up to date-Parlamentarismus in Ungarn geschieht kein Unrecht, wenn man von ihm fest­stellt, daß er bei weitem mehr Gesetze als Gedanken produziert. Die Gesetzentwürfe kommen ihm aus der kodifikatorischen Werkstatt der Regierung zu, heischen also von ihm keine Gedankenarbeit. Die- Kritik aber,, die an den Regierungsvorlagen geübt wird, ist erfahrungsgemäß durch ein höheres Maß von Parteivoreingenommenheit und Temperament, als von Gedankenfülle und Gedankentiefe gekenn­ein armer Schlucker ist, ein Possenreißer der Taverne. Jetzt habe man ihn endlich geheilt, und es erwarte ihn bereits seine Frau in treuer, schwärme­rischer Liehe. Dolly spielt in dieser Maskerade die Rolle der Gattin. Sie steht unter einem phantastischen Baldachin, er starrt sie an, und wirklich scheint es, als ob er den Verstand verloren hätte. Sly kann zwischen Traum und Wirklichkeit nicht mehr unter­scheiden. Wie oft hat er sich einst in Gedanken dieses holde Wesen erschaffen! Soli es wirklich die Längstersehnte sein? Dolly ist ergriffen, die Worte kommen verwirrt von ihren Lippen, sie kann die Komödie nicht weiterspielen. Slys brennende Leiden­schaft durchschauert auch den Körper der , Frau, jetzt fühlt sie zum ersten Male den heißen Strahl echter Liebe. Doch Sly ahnt nichts von der Wand­lung, die, in ihrem Inneren vorgeht. Ahnt nicht, daß aus Übermut naive Seligkeit geworden ist. Als es dem noch glühenden Poeten von der Schwemme zum Bewußtsein kommt, daß die Edelleute aus ihm einen Hanswurst gemacht haben, drückt er die Wein­flasche, die einzige treue Gefährtin seines Lebens, an die Brust, dann zerschlägt er die Bouteille und öffnet sich mit einem Scherben die Pulsader. Dolly eilt herbei, um ihn zu versichern, daß sie mit der höhnenden Meute nichts mehr zu tun hat und daß sie mit ihm fliehen will. Doch ihr Kuß erfriert an seinen verkrampften, eisigen Lippen. Wolf-Ferraris Partitur ist bél weitem nicht so düster, wie dieses Finale. Nach dem Tod des Helden und vor. dem letzten Fallen des Vorhanges stößt Dolly Verwünschungen aus: „Seid verflucht alle,“ und sie reißt sich die Juwelen ab. Der . Komponist dagegen verzichtet auch in dieser Oper nicht, auf den lieblichen Schmuck, der in seinen vorhergehenden Werken funkelt. Mit den zierlichen Joujous, die wir von den lustigen Stücken „Die neugierigen Frauen“, „Die vier Grobiane“ und „Susannens Geheimnis“ her kennen, ist zuweilen auch „Sly“ behängen. Freilich, die kleinen Arabesken sind hier in schwarzer Farbe ausgeführt. Ernste Laute der Empfindung klingen schon aus Wölf-Ferraris -— um zwanzig Jahre älterem „Schmuck der Madonna“ ans Ohr, aber das eigentliche Gebiet des Tondichters ist doch die Opera buffa. Der heute aufgeführte Dreiakter, bei Sonsogno in Mailand gedruckt, führt den Untertitel „Die Legende voni wiedererweckten Schläfer“. Wir hatten den Eindruck, daß wo aus der Legende das Geschmeide hervorblinkt, die Wirkung eine stärkere ist, als an den dramatisch siedenden Stellen. Sehr hübsche Nippsachen glitzern gleich zu Be­ginn in der Wirtshausszene. Doch, wie soeben gesagt, oft.absichtlich entstellt, um die Stimmung des un­heimlich Grotesken hervorzurufen. Gezupfte Noten, viele Alterationen, jedesmal eine launige Verschie­bung von Tonart und Rhythmus, raffiniert einge­streute Pausen, die sich mit den Motiven herum­necken, und hoch eine Masse von Grillen. Dolly wird sichtbar, ihr Einzug prangt in H-Dur-Glanz. Sie parodiert die langweiligen Menschen, über nettem Flitterkram im Orchester. Es fesselt das kecke, un­gestüme Metrum bei dem ersten Erscheinen Slys. Sein von Trióién umrahmtes, Bärenlied macht ton­­malerische Wirkung. Im Gegensatz zum animali­schen Grundton der Genossen steht ein warmes Espressivo: die Erzählung Slys vom Los seiner ein­samen Seele. Effektvoll steigert sich die Klage zu wildem Hochmut. Der fiebernde Gesang zieht immer weitere Bogen. Die Zechbrüder verabschieden sich von Sly, als man ihn zum frechen Amüsement ins gräfliche Schloß trägt — „gute Reise, lieber Sly, diese Nacht wird dir zum Traum“ —, und wieder hören wir von den Instrumenten sein Leitmotiv, das Schmerz durch Unbändigkeit verhüllen möchte. Im zweiten Akt geht der meuchlerische Scha­bernack los. Erregte Synkopen, verschiedene Um­stellungen der Akzente, ein ulkiges Verzerren von schlichten Akkorden und Formen verraten, daß Sly in ein Lügengewebe verstrickt wird. Nach dem schnöden Komplott eine andere Musik: Dollys erster reuige Blick. In leisen Sekundenschritten, die wie Seufzer wirken, spiegelt sich das Weh zweier Men­schen. Das hohe B des Tenors — bevor Sly in Wei­nen ausbricht und auf die Stufen des Prachtsaales niedersinkt — bedeutet höchstes Leid. Erst dann folgt der Liebesdialog, der schließlich zum Unisono verschmilzt. Allerdings erinnert der Text („Oli Liebe, steig’ hernieder ...“) an Worte aus „Tristan“.; Ein Motiv aus dem ersten Akt— vielleicht das der Liebessehnsucht? — schmachtet hier von neuem. Nachher die bittere Enttäuschung. Um Sly zu ver­spotten, kehrt das Bärenlied zurück. Man höre sich ganz besonders in diesem Lied, aber auch an den übrigen exponierten Stellen die kunstvolle ungari­sche Übersetzung Viktor Längis an. Im dritten Akt folgt der letzte tragische Wel­lenschlag. Bis zum Verstummen aller Regungen. Hier im finsteren Schloßkeller merkt man den wun­den Punkt des ganzen Werkes. Was nämlich das Los der Oper in Frage stellt, ist die Tatsache, daß Wolf-Ferrari weder im alten Sinne arios arbeitet, noch — was gewissermaßen als Ersatz für den Mangel an melodischen Schlagern dienen könnte — die richtige elementare Gewalt toben läßt. Feine Schauer durchrieseln das Orchester; in mancher Szene, wie unter anderem beim Erscheinen des Sheriffsgehilfen im ersten Bild, überläuft es einen kalt, in den meisten Fällen jedoch nimmt Wolf- Ferrari eher einen skizzenhaften Anlauf, gibt uns eher eineu interessanten Entwurf zum dämonischen Fluten, als eine — über das fragmentarische Wogen hinausgehende — große Brandung. Aber was an uns vorbeihuscht, hat immer Geist und Schimmer. Und man fühlt sich vom Anfang bis zu Ende in der Ge­sellschaft eines hervorragenden Künstlers. Die Aufführung war eine in allen Gliedern bravouröse Leistung des Theaters. Ausgezeichnet löste Dirigent Ferdinand Rékai seine Aufgabe, die sehr heikel ist in einem Stück, dessen Orchester aus zahllosen kleinen Splittern besteht, und wo in der Menge, die sich auf der Bühne bewegt, fortwährend einer dem anderen ins Wort fällt. Es zeugt von der Tüchtigkeit des Stabführers, daß er all diese Späne zusammenfügen konnte. Regisseur Árpád Szemere brachte nicht nur Leben auf die Bühne, er ließ sich in jedes Detail ein. Die Stimmung gihg aus einer glücklichen Verbindung von realistischen und stili­sierten Elementen hervor. Ein neuer Hogarth könnte manche Bühnenfigur der heutigen Premiere in • 2 •

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