Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1931. március (78. évfolyam, 49-73. szám)

1931-03-01 / 49. szám

PESTER LLOYD abgtrwokl werden kann, auf dem sie bisher lag, ist" schon eine Errungenschaft, die überall in der Welt mit Genugtuung begrüßt werden wird. Krisen, Krisen und wieder Krisen. Vom Gehclmrn Rat BÉLA FÖLDES, Minister a. D. Wie man den Wert der Gesundheit erst dann '»echt einzuschätzen pfiegt, wenn ihr Gefahr droht, ko steht das lebhafte Interesse, das sich in der Gegen­wart für Wirtschaftsfragen kundgibt, in engem Zu­sammenhang mit den krankhaften Erscheinungen der Volks- und Weltwirtschaft. Unabsehbar ist die ■Reihe der Konferenzen, nationaler und internationa­ler, die sich fast unausgesetzt mit der Heilung des schwerkranken Wirtschaftsorganismus beschäftigen. Und geradezu unmöglich ist es, sich in der Menge der Diagnosen und Prognosen, der Methoden und •Indikationen berufener Wirtschaftspolitiker und em berufener Quacksalber zurechtzufinden. Schon Newton erklärte, über ciiic Avirtschaftlichc Erschei­nung befragt, er kenne die Gesetze, die den Lauf der Gestirne bestimmen, aber die Gesetze der mensch­lichen Torheiten seien ihm unbekannt. Wählend ein Teil der wirtschaftspolitischen Galenusse mit allerlei Lösungsvorschlägen rasch zur Hand ist, sagen uns andere, vorsichtigere und verantwortungsbewußtere, wie dies in der jüngsten Konferenz des Administra­­tionsrates des Genfer Arbeitsamtes der Fall war, daß vorerst noch weit- und tiefgehende Untersuchungen angestellt werden müßten, wenn wir jene rationellen Maßregeln ermitteln sollen, die zur Gesundung der Volks- und Weltwirtschaft führen könnten. Und wieder einmal bewährt sich das Prinzip der Relativität alles Wirtschaftlichen, denn die vor­­geschlagenen Lösungen bieteil ein förmliches Kaleidoskop dar, in dem je nach nationaler, politi­scher, ökonomischer Einstellung, je nach indivi­duellen Erfahrungen, nach Bcrüfskategorien, nach wirtschaftlichem . Glaubensbekenntnis alle Möglich­keiten, vielleicht auch manche Unmöglichkeiten sicht­bar werden. Die Relativität der Auffassung zeigt sich schon am Ausgangspunkte, bei der Frage um den eigentlichen Charakter der heutigen Weltkrise. Ganz abgesehen von den Ursachen, die auf politische Momente, auf die verfehlten Friedensverträge, die Reparationen und - Kriegsschulden, auf das Wett­rüsten und die damit verbundenen immensen Staats­­ausgaben, auf den allgemeinen Unfrieden zurück­gehen, erscheint diese Krise je nach dein ver­schiedenen Standpunkte als Agrarkrise, als allge­meine Produktionskrisc, als Absatzkrise als Ver­trauenskrise, als Kreditkrise, als Goldkrise, als soziale Krise usw. Dementsprechend handelt es sich also um «in Agrarproblem, um ein Produktionsproblem, ein ^Absatzproblem, ein Vertrauensproblem, ein Kredit­­iproblem, ein Goldproblem, ein soziales Problem. Diese Divergenz der Auffassungen spiegelt sich nun natürlich iu der Stellungnahme zu diesen Pro­blemen und den entsprechenden Lösungsvorschlägen. (Nach der einen Auffassung handelt es sich um' eine Überproduktion, die also durch Einschränkung der Erzeugung behoben werden müßte; nach der anderen Auffassung handelt es sich um einen Unterkonsum, jnn Kaufkraftschwund, um eine Verbrauchsdepres­sion, die also hauptsächlich durch Stärkung der Kaufkraft der breiten Massen eliminiert werden soll­­jten. Demgemäß empfehlen die einen die Hebung der Arbeitslöhne, um die Kaufkraft er-arbertendeir Mil­lionen zu festigen. Die anderen treten für die Sen­kung der Arbeitslöhne ein, um durch Minderung der Produktionskosten und durch billige Preise den Kon­sum zu heben. Nach der einen Auffassung wäre die Arbeitslosigkeit als Ursache der Weltkrise, nach der anderen als deren Folge zu betrachten. Nach der einen Auffassung soll die Rationalisierung konsequent durchgeführt, nach der anderen soll ihr Einhalt ge­tan werden. Nach der einen Auffassung ist die Welt­krise Folge der irrationellen Verteilung des Goldes, nach der anderen hätte dieser Umstand keine son­derliche : Bedeutung. Wenn wir diese an und für sich gewiß nicht be­ruhigenden Divergenzen von höherer Warte betrach­ten, so werden wir es vermeiden können, einen un­günstigen Schluß auf die Leistungsfähigkeit unseres wirtschaftlichen Wissens zu ziehen, wie dies nicht selten der Fall ist. Wir dürfen nicht vergessen, daß die Phänomene der wirtschaftlichen Welt sich aus so vielfachen Faktoren zusammensetzen, daß in zahl­reichen Fällen eine strenge Analyse unmöglich ist. Und dies um so mehr, als sich diese Faktoren nicht immer nach Maß, Gewicht und Zahl bestimmen las­sen. Der Arzt weiß bis auf ein Minimalgewicht, welche Dosen er dem Kranken zu verabreichen hat. Der Techniker ist in der Lage, den Druck des Dampfes mathematisch genau zu berechnen. Der Wirtschaftspolitik er kann dies um so weniger, als er es zumeist mit Kräften zu tun hat, deren letzte Ana­lyse psychischer Natur ist und sich dem Auge des Volkswirts gänzlich entzieht. Auch ist keinesfalls zu leugnen, daß praktische Maßnahmen eine Vereini­gung von Wissen und Können bedeuten, und daß eben darum praktische Lösungen nicht nur im Wirt­schaftsleben, sondern auch auf anderen Gebieten Divergenzen in der Auffassung hervorrufen. Ganz zu schweigen davon, daß die vielfachen Störungen, die vielfachen Neubildungen, mit denen wir es in unse­ren Tagen zu tun haben, noch ihrer gründlichen Er­forschung harren. Trotzdem glauben wir, daß in folgenden Punkten Übereinstimmung herrschen dürfte: Vor allem: wir habén heute nicht bloß eine Weltkrise, d. h. eine Krise, die die ganze Kulturwelt erschüttert, sondern überdies eine allgemeine Krise, die sich auf den ganzen Organismus der Wirtschaft und nicht bloß auf ein Organ oder eine Funktion erstreckt. Diese allgemeine Krise erfaßt die Staats­wirtschaft ebenso wie die Volks- und die Einzel­wirtschaft. Sie erfaßt die Produktion ebenso wie den Verbrauch, den Güterumlauf ebenso wie die Güterverteilung, die Landwirtschaft ebenso wie die Industrie, den Handel ebenso wie den Verkehr und das Geld-, Kredit- und Bankwesen, die verwaltungsmäßige Wirtschaft ebenso wie Kommunikation und Versicherung, Kapitalbildung und Kapitalverwendung; ganz beson­ders schließlich den sozialen Bau dér, Gesamtheit. Bei der außerordentlichen Ausdehnung — fast könnte man sagen: Unbegrenztheit — der Krise ge­schieht es leicht, daß Ursache und Wirkung, Symptom und Krankheit verwechselt werden. Auch ist es käunv zu bezweifeln, daß die Umrisse einer neuen Form der wirtschaftlichen Organisation sicht­bar werden, der sich weder der Urproduzent, noch der Bankier, weder der Industrielle noch der Bureaukrat, weder der Kapitalist noch der Arbeiter wird erwehren können. Diese Umgestaltung der ■nirtsehaftliehen- Konstitution wird geAviß längere Zeit in Anspruch nehmen. Darum dürfen Avir den Selbstheilungsprozeß, der in allem Organischen sieh geltend macht, nicht stören, die treibenden Kräfte nicht dadurch paralysieren, daß wir die Wirtschaft auf veraltete Zustände zuriiekwerfen. Ferner müssen alle Kräfte zu produktiver Tätigkeit angeregt und mit diesen Kräften muß haushälterisch vorgegangen Avcrden. Der Haß, der die Völker, die Klassen, die Erwerbszweige gegeneinander mobilisiert, muß de­mobilisiert Averden. Die Kulturpolitik muß sich der Wichtigkeit der wirtschaftlichen Interessen bewußt werden und darf die rationellen Beziehungen und Verhältnisse der einzelnen Berufszweige nicht stören. Vor allem aber müssen die Beziehungen der Völker zueinander sieh ändern und muß das so oft gehörte Schlagwort von der Notwendigkeit der inter­nationalen Kooperation einigermaßen zur Wirklich­keit werden. Für Ungarn speziell wäre folgendes zu bemer­ken: Schenken Avir weder den Ultrapessimisten, noch dén Ultraoptimisten Gehör! Streben Avir nach höchster Produktion marktfähiger und preiswürdi­ger Waren, und halten wir in verständnisvoller Un­ermüdlichkeit Ausschau nach neuen Märkten. Schaffen Avir dem gesunden wirtschaftlichen Geist Eingang in alle Sphären der Staats- und Volkswirt­schaft. Kämpfen wir energisch gegen jede Form von Unehrlichkeit und Parasitismus im politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben. Auf diesem Wege dürfen wir trotz der obenerwähnten Divergenzen zu der Lösung des Problems kommen. !---1 •; J , . ,, rin oder Lebedame, heiratet einen Industriekapitän, feinen englischen Herzog, einen amerikanischen Mil­liardär, wird Freundin eines indischen Maharadscha joder eines argentinischen Krösus. Gewiß, heute hat feie nur 25 oder 30 Francs im Tag, hockt zu Hause in winzigen überfüllten Wohnungen mit Eltern und Geschwistern oder in einer engen Stube des iHotels mit ihrem Herzensfreund. Doch diese oft schmutzigen, dunstigen oder nebligen Straßen der [Vorstadt gehören zu Paris, und so sind alle Wunder möglich, damit auch wahrscheinlich, nein doch: sie feind gewiß. Weiß nicht eine jede Pariserin die Lebens­­feeschichte von einigen Dutzend Freundinnen? irgendein lächerlicher Zufall, eine Begegnung auf einer Terrasse, bei einem Spaziergang, ein Lächeln, ein. Blick — und nun fährt die Freundin im Renn­tagen, hat ihr eigenes Haus mit Dienerschaft. Oder ist erste Dame in einem führenden Modesalon, er­­balt zweihunderttausend Francs jährlich und Ge­winnanteil. Vielleicht hat sie eben noch vor einem .dunklen Haustor den Freund zärtlich umschlungen, es Avár ein Abschied wie für die Ewigkeit, Avelches Glück, daß der Stadtrat es nicht gesehen hat und kein strenger Polizeiagent vorbeigegangen ist. Heute aber ist alles schon anders, die Pariserin steigt rasch «und sicher. Wie? Heute noch nicht? Man hat kein Geld mehr, muß zu Abend nur etwas Brot und eine Sardine essen? Nun, dann Avird es eben morgen sein. Heute aber küßt man Aveiter. Diese Küsse aber, diese Atmosphäre von Wer­bung und Zärtlichkeit, die Paris umgibt und: bei keiner, chemischen Untersuchung neben dem Kohlen­staub und den Benzindämpfen sich festhalten läßt, sie ist das größte und unvergleichlichste Kapital von Paris. Ungezählte Goldmilliarden sind daran inter­essiert, daß Paris eben Paris bleibt, die Hotels, die Theater, die Modesalons und Warenhäuser, die Reisebureaus und Aulomobilfabriken, die Pelz- und Edelsteinhändler und viele andere, und für sie alle bedeuten die Liebespaare von Paris die beste und unentgeltliche Reklame. Diese Freiheit der Liebe, die nicht geldgierig sich anbietet —• dies ist ein häß­liches Kapitel für sich, gemeinsam mit anderen Städten und nichts Besonderes von Paris —, sondern mit unbeirrter Selbstverständlichkeit sich als wahren Sinn unseres Daseins fühlt, diese mit Zärtlichkeit betrachtete Zärtlichkeit ist ein Reiz, der sich nicht nachahmen und kopieren läßt, wie Pariser Kleider­modelle. Strenge löst sich bei ihr, Dumpfheit wird klarer, Trägheit schwingender, Lächeln hört auf, bloß eine armselige Muskelzerrung zu sein. Hier wirken seelische Kräfte mit, unerschütterliche Tra­ditionen von Jahrhunderten, Tiefstes des Volks­­charakters, und deshalb kann man mit einiger Be­ruhigung hoffen, daß keine amerikanische Tugend­welle die heitere Öffentlichkeit der Liebe in Paris fort schwemmt. • 2 • Der Verwalter. Von RODA RODA. Baron Mirkowitsch, der auf Nowo Selo, war ein Erzgrobian. Er hielt ein Koppel von bösen Doggen auf seinem Gut — die hatte ei- aber gar nicht nötig: erstens biß und bellte er selber gerade genug; zwei­tens ging zu ihm ohnehin nur, wer unbedingt mußte. Es gab wohlwollende Menschen, die da sagten: In seiner derben Schale steckt ein guter Kern. Doch Aver hat Lust, erst mühselig eine solche Nuß zu knacken? Am. En de ist sie doch taub. „Ein tüchtiger Landwirt.“ — Das heißt: Er war hinter seinen Leuten her wie der Satan, spät und früh; geizte mit Lob und Lohn; verkaufte zäh; und blieb schuldig, solang er irgend konnte. Immerfort Avechselte er den Verwalter. Noch nie hat bei ihm derselbe das Korn angebaut und auch geschnitten. Man sagte: Mirkowitsch hat mit der Landwirtchaftlichen Zeitung ein Abkommen, er zahlt für die Ankündigung in den „Offenen Stellen“ nur den halben Preis. Alle Welt kannte die „Offene Stelle“ bei Mirkowitsch; immerzu war sie ausge­Es ist oft darauf hingCAviesen worden, daß die politische Orientierung Ungarns im Rahmen der europäischen Völkerfamilie durch seine geographische Lage bestimmt war. Am Kreuzungspunkt zwischen drei verschiedenen Tendenzen gelegen, die einander über den Leib Ungarns hinweg teils zustrebten, teils entgegenstrebten, hatte unser Land immer mit Ge­fahren zu rechnen, die seine Selbständigkeit und Unabhängigkeit bedrohten, und die Rücksicht auf diese Gefahren hat seine politische Haltung stets be­stimmt. Dabei tauchte immer die Frage auf, ob Ungarn sich gegenüber den Gefahren, die dem ungarischen Volkstum aus dem Osten drohten, mit dem Westen verbünden, oder aber gegenüber den Tendenzen, die seine staatliche Unabhängigkeit und Selbständigkeit vom Westen her gefährdeten, mit dem Osten Zusammengehen soll. Wir wissen, daß das ungarische Volk sich ein Jahrtausend hindurch im­mer für die westliche Orientierung entschieden hat, und daß die entgegengesetzte Tendenz stets nur eine Unterströmung war, die sich in der Reihe der für die politische EntAvicklung Ungarns bestimmend gewese­nen Faktoren Zeitweilig geltend machte. Es tritt hierin ein richtiger Instinkt zutage, denn für eine .jede Nation sind die Gefahren, von denen ihr Volkstum bedroht ist, weit bedenklicher, als jene Gefahren, die die staatliche Unabhängigkeit betreffen, denn den letzteren wird eine geschickte Politik immer aus­­weichen können, während die Gefahren, die das Volkstum bedrohen, mit der Kraft einer Naturgewalt wirken. schrieben, immer länger und verlockender; nur Neu­linge fielen noch darauf hinein. „Wenn meine Verwalter wechseln,“ pflegte Mirkowitsch zu sagen, „ist es nur ein Beweis, daß sie nichts taugen; denn wenn der Gutsherr nichts taugte, so möcht’ doch er gehen, und die Verwalter möchten bleiben.“ — Na, einmal ist also gerade wieder Schlacht­fest auf Nowo Selo. — Mirkowitsch hat einen Ver­walter hinausgeschmissen, einen Böhmen, mitten in der Heuernte, und ein neuer zieht ein, wiederum ein Böhme, mit Sack und Pack. Mirkowitsch auf dem Hof, breitbeinig, hält die Hände in den Hosentaschen und schaut sich die Möbel des neuen Verwalters an, wie sie da übereinander auf dem Wagen liegen, kunterbunt, Hals über Kopf... Spuckt Baron Mir­kowitsch aus und weissagt: „0 weh! Geblümtes Sopha — das hab’ ich schon gefressen. Der Avird sich wieder nicht halten. Bei mir ist noch keiner lang ge­blieben, was ein Sopha gehabt hat mit Blümerln.“ In diesem Augenblick fährt am Gutshaus ein Bauernwagen vor, und darauf, hinter dem Kutscher* sitzt eine Dame. Keine Frau. Sondern eine Dame: groß, schlank, in grauem Reisekostüm, mit einem netten Hütchen. Blickt sich ein Avenig hilflos um — xmd als Mirko­witsch verwundert nähertritt, ist sie hübsch, jung, et­was blaß und von Haar: aschblond. „Herr Baron...?“ fragt sie — lächelt — und hat nun auch sehr lustige Augen und wunderweißc Zähne. . „Oho,“ denkt sich Mirkowitsch. Sapperment!“ Und was will sie? Die Verwalterstelle. Nicht für sich natürlich, sondern für den Gemahl. Mirkowitsch pfeift einen langen Ton, was bei ihm Begleitmusik zu sein pflegt für einen guten Ein­fall. Himmel — an diese Verquickung hat er noch nie gedacht: der Mann >—< Verwalter; die Frau — hübsche Blondine.. * Sonntag, 1. *iätz lÖ6f Politische und wirtschaftliche Orientierung. Vom Geheimen Rat Dr. GUSTAV GRATZ, Minister des Äußern a. D.

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