Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1931. július (78. évfolyam, 146-172. szám)

1931-07-01 / 146. szám

t»J£STER LLOYD * 2 •' seelische Unfähigkeit der Völker an, den Willen zur Änderung dieses unheilvollen Zustandes aufzubrin­gen. In diesem tückischen Kreis bewegt sich die europäische Politik nun seit bald anderthalb Jahr­zehnten. Die Völker dieses Erdteils haben Kräfte entfesselt, deren sic nicht mehr Herr werden können. Die fast an Psychose grenzende Kollektivneurose, iinter der die. europäische Menschheit heute leidet, hat die seelischen Schichten abgetra­gen, die Jahrhunderte fortschreitender politischer Zivilisation a.ufgebaut haben und Urschichtcn der triebhaften Massenseele bloßgelegt. Die Hemmun­gen dieser Urtriebe wurden hinweggeschwemmt; primitive, oft infantile Instinkte und Vorstellungen beherrschen das Denken, Zwangsvorsellungen schwingen sich über nüchterne politische Erwägun­gen und verdrängen selbst jenes Maß von Logik, das im Vorkriegseuropa trotz aller bestehenden Ge­gensätze und Spannungen, auf dem politischen Felde dennoch ausschlaggebend war. Der tiefstliegendc und älteste aller Gemeinschaftstricbe, die Furcht, bestimmt und regiert alle Regungen der Politik, durchkreuzt und vernichtet oft die besten Initiativen und vergiftet das durch Jahrhunderte engen Zusam­menlebens geschaffene Gemeinschaftsgefühl der euro­päischen Persönlichkeit. Dieser an das Pathologische grenzende Zu­stand der europäischen Seele gibt den Schlüssel zu der merkwürdigen Unfähigkeit der europäischen Völker und' ihrer politischen Führer, sich zum ener­gischen Handeln aufzuraffen und ihre Anstren­gungen aüf die Überwindung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu konzentrieren. Von Amerika mußte die erlösende Geste kommen, und die histori­sche Bedeutung der Initiative des Präsidenten Hoover ‘besteht eben darin, daß sein weit hallendes Wort den Bann der dämonischen Kräfte zum ersten Male brach. Seit dem Ausbruch des Weltkrieges ge­schah cs zum ersten Male, daß ein Staatsmann den Willen aufbrachte, sich entschlossen den ir­rationalen Urgefühlen des Hasses und der Furcht entgegenzustemmen, der Stimme der Vernunft zu lauschen und sich aus dem tückischen Kreis zu reißen, in dem sich die Wcltpolitik seit siebzehn Jahren bewegt hat. Ob ihm ein rascher und voller Sieg über die .furchtbaren Kräfte der ‘. politischen Dämonie vergönnt sein wird, ist heute noch nicht sicher. Aug in Auge stehen einander gegenüber die beiden Hauptrollenträger der politischen Schicksals­tragödie der Welt, im blendenden Lichte der Reflek­toren der Weltpresse. Es kann aber nicht sein, daß die Vergangenheit über die Zukunft, die Leiden­schaft über die Vernunft, die Reaktion fiber den Fortschritt den Sieg davontrage. Mittwoch im Rundfunk: Ludwig Zilahy spricht über den heutigen Zu­stand Amerikas Machen Sie sich mit dem Gedanken vertraut, daß im Auslände jede Hotelrechnung meist nicht aus dem Betrag besteht, den man Ihnen angegeben hat, sondern aus dem Betrag, den man Ihnen auf die Rechnung setzt. In der Algebra der Grundpreise, Zuschläge, Taxen, Nebenspesen usw. gilt ungefähr die Gleichung': doppelt für einfach. Legen Sie unterwegs keinen allzu großen. Wert auf das Essen. Mit wenigen Ausnahmen gilt auf der ganzen Welt das Grundprinzip der internationalen Hotelküche: viel Sauce um nichts. Am besten wer­den Sie noch in bescheideneren, von Einheimischen besuchten Lokalen davonkommen, wo noch ehrliche Nationalgerichte gekocht werden: jede nationale Küche ist eine Variation zu dem Thema Hausmanns­kost. Im übrigen sagen Sie sich, daß es auf Reisen weniger darauf ankommen soll, zu essen, als sich zu nähren, ohne den Magen zu verderben. Stellen Sie im Ausland keine Vergleiche mit den Vorzügen der Heimat an. Halten Sie sich vor Augen, daß selbst dann, wenn Sic recht haben, der Vergleich immer zu Ihren Ungunsten ausfallen wird: zu un­­gunsten Ihrer guten Laune. Bewundern Sic, wo es etwas zu bewundern gibt, aber wundern Sie sich über nichts. Schwelgen Sie in der Fremde nicht in verklärt trügerischen Erinnerungen an die Heimat, sonst werden Sie unterwegs von der Reise enttäuscht sein und nach Ihrer Rückkehr von der Heimat. Reisen heißt: treulos sein. Wer das nicht kann, soll lieber zu HausC bleiben. Kaufen Sie keine unnützen Reiseandenken. „Okkasionen“ usw. zusammen. Die Engländer, die gewiegtesten Techniker des Reisens, sagen: „Die teuersten Einkäufe sind jene, für die man keine Ver­wendung hat.“ Auch alles „Mitgebrachte“ kaufen Sie am billigsten zu Hause. Wollen Sie in einem fremden Lande wirklich auch das Volk ein bißchen kennenlcrnen, dann Fahren Sic wenigstens eine kurze Strecke dritter Klasse, womöglich im Personenzug auf einer Neben­linie; besonders im Süden ist es mir noch immer ge- Der Vorschlag des Präsidenten Hoover, die Zukunft Europas und die Rolle Frankreichs. Von RENÉ DUPUIS (Paris). Durch seinen Vorschlag an die europäischen Schuldnerstaaten Amerikas, für ein Jahr ihre Schul­denzahlungen an die Vereinigten Staaten einzustel­len, gleichzeitig aber ein Moratorium von gleicher Dauer den Staaten zu gewähren, die ihnen Repara­tionen schulden, ergriff Präsident Hoover eine der wichtigsten Initiativen der letzten zehn Jahre. Die Unmittelbaren Auswirkungen dieses Vorschlags sind zwar bedeutend, aber noch wichtiger erscheint uns der Wink für die Zukunft, den er enthält. Es ist in der Tat schwer anzunehmen, daß der Präsident der Vereinigten Staaten den Völkern Ame­rikas und Frankreichs — Iliid noch dazu in einer Periode des Defizits und ein Jahr vor den Wählen — so bedeutende Opfer zugemutet hätte, \\ ic sie sein Plan' erheischt, bloß um eines derart unsicheren, ent­fernten und alles in allem recht beschränkten Ge­winns willen, wie der Erfrag eines einjährigen Mo­ratoriums. In diesem Fälle wäre ja das Mißverhält­nis zwischen dem geforderten Preis und dem zu er­wartenden Resultat offenkundig. Leider nimmt eine ziemlich »tarke Mehrheit der französischen öffent­lichen Meinung und selbst die Regierung in erster Reihe dieses Mißverhältnis wahr; — unserer Ansicht nach ist dies jedoch bloß eine erste Regung, die zwar sehr begreiflich, aber negativ ist, ein Reflex, dem eine bewußt überlegte, konstruktivere Stellungnahme folgen muß. Wir sind nämlich der Ansicht, daß man im Hoover-Vorschlag nicht bloß das Moratorium an sich, sondern vielmehr einen gigantischen Versuchs - halion erblicken muß, die Eröffnung einer großan­gelegten politischen Aktion, die vielleicht Europa reiten könnte. Es ist. eine.hochbedeutendc Tatsache, daß die Vereinigten Staaten den allgemeinen Charak­ter der gegenwärtigen Krise und die Notwendigkeit anerkannt haben, dieser Krise durch eine internatio­nale, ja interkontinentale Solidarität entgegenzuwir­ken. Daß ein Volk, das bisher von der übrigen Welt wie hermetisch abgeschlossen lebte und ein eigen­gesetzliches, von der übrigen Welt unabhängiges Wirtschaftsganze zu bilden wähnte, Jetzt plötzlich auf eklatante Weise seine Solidarität mit einem not­­leidenden, an ihm beinahe unvci »ländlichen psycho­logischen Störungen leidenden Europa kundtut, ist tine historische Tatsache, die der modernen Welt eine ganz neue Entwicklung weisen kann, wenn es Europa selbst will. Und man kann behaupten, daß Europa diese neue Entwicklung ungefähr in dem Maße anbahnen kann, in dem Frankreich selbst die Geschehnisse erkennen und seine eigene Pflicht in der künftigen Entwicklung begreifen wird. Diese Pflicht, die für Frankreich zugleich eine Lebensnotwendigkeit darstellt, besteht darin, mit amerikanischer Hilfe an der Verwirklichung der europäischen Konföderation zu arbeiten. Zu diesem Behuf muß noch die vom Präsidenten Hoover eröff­­nete Debatte erweitert werden, und Frankreich muß deutlich darlcgen, daß das yorgeschlagcne Morato­rium Deutschland zwar, vom unmittelbaren Bankrott retten könne, an sich aber sich doch als eine falsche hingen, selbst im ärgsten Gestank etwas von dem ge­heimen Aroma der Volksseele aufzufangen. Wenn Sie die Landessprache nicht beherrschen, bedienen Sie sich lieber Ihrer Muttersprache; auf eine in Ihrer Muttersprache gestellte Frage wird der Be­fragte in der Mimik seiner Muttersprache noch immer die für Sie verständlichste Antwort finden. In Interesse Ihrer Erholung ist ein bißchen Schlamperei oft gesünder als. pedantische Ordnungs­liebe:, besser, Sie legen keine genaue Liste der mit­genommenen Gegenstände an. Wenigstens kommen Sie dann nicht zu Ihrem Ärger darauf, was Sie unter­wegs doch alles zurückgelasscn haben. Sollte Ihnen das. Unglück zustoßen, in der Fremde zu erkranken, so wenden Sie sich nicht an den erstbesten Arzt, sondern an den besten, ersten Arzt, der nicht nur eine Ordination, sondern auch eine Praxis hat; der kürzeste und daher auch der billigste Weg zur Genesung. Reisebekanntschaften können nach Ihrer Rück­kehr eine angenehme Verbindung mit dem Auslände bedeuten; aber Reisebekanntschaften mit Lands­leuten, obendrein aus dem gleichen Ort, fallen nach der Heimkehr beiden Teilen meistens lästig. Richten Sie es sich womöglich so ein, daß Ihr erster Tag in einer Großstadt nicht aüf einen Sonn­tag falle. Großstädte am Sonntag sind in der ganzen Welt bestenfalls wie ein starres lebendes Bild, statt wechselndes Bildnis des Lebens. Gute Trinkgeldct sind die beste Trinkgeld­ablöse. Die Heimkehr. Wieder zu Hause, werden Sic vielleicht er­kennen, daß jene Reisen die schönsten bleiben, die nur dem Traumblick unserer Sehnsucht, nicht aber unseren Augen sichtbar geworden sind. Das wundervollste Reiseland ist unsere Phan­tasie. Das wundervollste und das zerbrechlichste. Die Tragödie unserer Wünsche heißt: Erfüllung. Aber vielleicht ebendeshalb ward Sie bald schon nach Ihrer Rückkehr immer hartnäckiger eine Frage cerfolgen; die Frage: Wohin möchte ich das nächste Mal reisen? Hoffnung erweisen müßte, wenn man es nicht dazu benützte, den Young-Plan — einen rein finanziell­juristischen und auf Europa beschränkten Plan — durch einen allgemeinen Plan zur Organisierung der europäischen Wirtschaft und der international len und interkontinentalen Beziehungen zu er­setzen, der den Bedürfnissen der heutigen Lage an­­gemessen wärö. Das System und selbst der Begriff der Reparationen muß glatt über Bord geworfen werden, die daraus abgeleitete Unterscheidung zwi­schen Siegerstaaten und besiegten Staaten muß auf­hören, und die Zusammenarbeit aller europäischen Staaten (ausgenommen natürlich Rußland) muß verwirklicht werden, um die Produktion in An­passung an die Bedürfnisse des Verbrauchs, nicht aber an künstlich erzeugte Interessen des wirtschaft­lichen Nationalismus zu organisieren, dessen einzige Berechtigung auf der Möglichkeit eines Kriegs be­­ruht. -Um zu diesem Ziel zu gelangen, müssen alte vernichtenden psychologischen Folgen des Kriegs beseitigt, muß die moralische Gleichheit aller Na­tionen in der Unterordnung aller Teilinteressen iinie-r das gemeinsame Wohl wiederhergestellt wer­den; und schließlich müssen alle noch schweben­den Fragen zwischen den einzelnen Nationen durch die notwendigen, auf dem Selbstbestimmungsrecht der Völker beruhenden Grenzrevisionen, sowie durch eine vollständige Reorganisierung des Mindcrheiten­­verfahrens bereinigt werden, wobei den Minder­heiten die Möglichkeit geboten werden soll, ihre kulturellen und gefühlsmäßigen Aspirationen voll zu befriedigen, und in der Mitte der Mehrheits­völker in administrativer Zusammenarbeit mit diesen zur Wahrung gemeinsamer Interessen ihr eigenes Dasein zu führen. Sind diese Fragen einmal gelöst, so wird die Abrüstung — die Präsident Hoover auf diskrete Weise, aber unmißverständlich fordert -— beinahe von selbst verwirklicht werden und das Gebäude des neuen Europa krönen. Wenn Frankreich nach der ersten Regung der unangenehmen Überraschung dies begreift, so' ‘wird es sich selbst retten, indem es zur Rettung Europas beiträgt. Es sieht sich vor die Notwendigkeit eines schweren materiellen Opfers gestellt. Wenn' es * nur mit gewissen Vorbehalten den amerikanischen Vor­schlag annimmt und dem Deutschen Reich bloß eine Anleihe gewährt, die aus den von diesem bezahlten Reparationszahlungen geschöpft werden soll, so wird es sicher gleichzeitig sein moralisches Prestige und sein Geld verlieren: denn, einmal suspendiert, wird der Young-Plan ganz sicher nicht wieder in Kraft treten. Wenn aber Frankreich den Hoover- Plan annimmt und die oben angedeuteten Konse­quenzen daraus zu ziehen bemüht ist, so wird es durch die Folgen einer rationellen Organisierung der europäischen und der Weltwirtschaft — alles wiedergewinnen, worauf es heute verzichtet, ja, es kann darüber hinaus noch weitere Gewinne ein­­hciinscn, .. . ... . Der Tag gehört nicht mehr den juristischen: Kombinationen und den diplomatischen Spielen. Man muß die amerikanische Botschaft an Europa zu ent­ziffern wissen und Europa organisieren. Der, Hoover- Vorschlag verändert, die psychologische Atmo­sphäre der Welt und schiebt die Wirtschaftspolitik' und die hohe Politik auf eine neue Ebene. Wir müssen ihn dazu benützen, die Welt von morgen aufzubauen, sonst wird sich Amerika endgültig von Europa abwenden, und dann muß Europa untergeben. Frankreichs Rolle besteht darin, die dargebotene Gelegenheit zu ergreifen und die ameri­kanische Geste zu erweitern, anstatt sie einzu­schränken. m .. K .* Í* : Mittwoch, 1. Juli 1SS1‘ Die uns heute zugekommenen Telegramme-lassen wir hier folgen: (Telegramm des Pester Lloyd,) Paris, 30. Juni. Schatzsekretär Mellon hat bereits nachts, nach’ der Konferenz im Innenministerium und heute mor­gens mit Washington einen umfassenden Gedanken­austausch gehabt,. in dem er in allen Einzelheiten die von den Franzosen durch ihre Forderung nach politischen und finanziellen Garantien herauf­beschworene Krise in den Verhandlungen auseinan­dersetzte. Der Ami du Pcuplc gibt heute nachmittag Gerüchte wieder, die in politischen Kreisen umlaufen, wonach inan noch weit entfernt von einer Einigung sei. Mellon soll von Hoover die formale Anweisung erhalten haben, den Vorschlag Hoovers als unantast­bar in seinen Ausführungsbestimmungen zu betrach­ten. Mit anderen Worten, der Schatzkanzler sei nicht ermächtigt, von sich die geringsten Konzessio­nen Frankreich gegenüber zu machen. (Telegramm des Pester Lloyd.) Berlin, 30. Juni. Bis Nachmittags lagen keine neuen Berichte aus Paris über die französisch-amerikanischen Verhandlungen vor, die zu einer anderen Beurteilung der Situation als bisher Anlaß gegeben hätten. Trotz aller Schwierigkeiten wird aber der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß es doch noch gelingen werde, diese Schwierigkeiten zu beseitigen. Falls dies nicht der Fall sein soltle, würde — so meint das Berliner Tageblatt — Deutschland sich vor die Not­wendigkeit gestellt sehen, ohne weiteren Verzug den int Youg-Plan vorgesehenen Antrag auf ein Transfermorato­rium zu stellen. Der amerikanische Botschafter erschien heute mittag zu einer Besprechung im Auswärtigen Amte. Im übrige« geben die Blätter der Ansicht Ausdruck, daß, wenn es die Absicht der französischen Regierung gewesen wäre,

Next