Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1932. január (79. évfolyam, 1-25. szám)

1932-01-01 / 1. szám

IPESTER LLOYD (Polen,Österreich, Minderlteitsfrage) endlich nach der Reihenfolge der Dringlichkeit zu. handeln lernte und ihre Aktion auf das Reparations- und Schuldenproblem konzentrierte. Aber das geschah erst, als die Lawine schon ins Rollen kam. Der deutsche Kreditzusanimcnbrueh. Die Lawine aber kam ins Rollen durch die österréichiscb-d[eütsché Zollunion, diesen scheinbar so kleinen Stein, der aber zum Verhängnis der morsch gewordenen Kreditbeziehungen ganz Europas wurde. Von Mitte März bis' zum 13. Mai, dem Tag, als die Wiener Creditanstalt zusammenbrach, ver­gingen nicht cam? zwei Monate; siber diese genügten, um alle kurzfristigen Gläubiger Mitteleuropas und Deutschlands "'aufhorchen zu lassen. Das politisch enipfihdlichste französische Kapital ging voran, die amerikanischen und englischen Gläubiger folgten nach, ln weiteren vier Wochen hatte schon die Kurzkpaditlawine Deutschland erreicht, in den ersten Juniwochen verliert die Reichshank mehr als eine halbe Milliarde Mark. Es folgt nun ein heroischer Kampf der Reichsreg'ierung," xiin der Flut des Miß­trauens 'in letzter Minute Dämme zu setzen. Anfang Juni fahren Brüning und Curtius nach Chequers, um ihren englischen Kollegen die Luge der Rcichs­­fmanzen und des deutschen Kreditwesens' aufrichtig aufzudecken und sie um Vermittlung zu bitten. • Das Gespräch verläuft ergebnislos, ebenso scheiterten auch die inneren Anstrengungen Brünings, Ordnung ins eigene Haus zu bringen. Ein verblendeter Partei­geist .'wirft dem Reichskanzler immer neufe Knüppel zwischen die Beine, und in der höchsten Spannung wendet Sich Reichspräsident Hindehburg an Hoover. Am 19. Juni richtet nun der Präsident der, Ver­einigten Staaten seine berühmte Botschaft an die Mächte, in der er ein Moratorium für alle Schulden xmd-Reparationen i auf die Dauer eihes Jahres Vor­schläge Die Wirkung war zunächst überwältigend. Wie auf ein Wunderzeichen setzte auf allen Finanz­märkten der Welt die Hoover-Hausse ein, die sich aber leider bald als ein Strohfeuer, erweisen sollte. Gegenüber der diplomatisch unvorbereiteten, .eigen­mächtigen Geste- Hoovers wendet die französische Diplomatie eine zähe Verzögerungstaktik an, die mehr als zwei Wochen dauert, und wenn auch die Verhandlungen zwischen Frankreich und den Ver­einigten Staaten mit der Annahme des Hoo.vers>chcn Standpunktes enden, so werden die ■ französischen Vorbehalte hinsichtlich des unaufschiebbaren Re­parationsanteils formell berücksichtigt. Die suggestive Wirkung der Hooversc^f-'n Geste hat sich indessen bis Anfang . Juli vollkommen Verflüchtigt, um einem um so dunkleren Pessimismus der Gläubiger Platz zu geben. Der Devisenabfluß von der deutschen Reiohs­­bank wächst in einem erschreckenden • Tempo von Tag & Tag, xind vergebens unternimmt Reichsbank­­präsi%nt Luther Argonaufenflügc hach .Löiklöii, Paris und Basel, er muß von allen 'Fmaiizzerilfen unverrichteter Dinge heimkehren. Der 13. Juli, der schwarze Montag, an deni die Danatbank ihre Schalter schließen mußte, war solcherart nicht aufzuhalten. Die Lawine fdllté, er­reichte schon England und riß immer größere Werte der deutschen und der internationalen Wirt schaft mit. Auf die Sperrung der Danatbank folgte die allgemeine Bankensperre und die Einführung 1 der Devisenzwangswirtschaft in Deutschland, die Bankensperre in Ungarn xmd Devisenzwangswirt­schaften in ganz Mitteleuropa. Bald mußte auch die Dresdner Bank vom Staate saniert werden, xmd erst Anfang. Apgxxst .konnte-der Zahlungsverkehr wieder freigegeben w-érden. Die deutsche Bankensperre. scheuchte endlich alle führenden Staatsmänner der Welt auf, und hat die. Entwicklung der Krise nach einem vollkomine­­nen Zusammenbruch in ihrer ganzen bedrohlichen Beschleunigung aufgezeigt Präsident Hoover ent­sendet S Unison und Mellon nach' Europa. Am Tage nach der Bankensperre treffen Henderson und Stirn­­son in Paris din, und es vergeht keine Woche, als bereits, der deutsche Reichskanzler mit seinem Außenminister in Paris zu einer ernsten Aussprache erscheinen. Die Aussprache verläuft aufrichtig, aber ergebnislos: Frankreich fordert einen zehnjährigen politischen WaffensliUstarid, Verzicht auf alte Re­visionsförderungen, den Abschluß eines Ostlocarnos und die- Entwaffnung aller privaten deutschen Wehr verbände, wofern cs; eine langfristige Anleihe von zwei Milliarden Mark an Dexitschland gewähren soll, Brüning lehnte diese Forderxxngen glattweg ab. Damit war der deutsch-französische Faden abge­rissen, wenn auch beiderseits der gute Wille des anderen Partners’ betont wurde. Die deutschen und französischen Staatsmänner führeri.'weiter nach London, wo auf Einladung dér englichen Regierung eine internationale Regierungskonferenz über das deutsche Kreditproblem stattfand. Das Ergebnis war die Einsetzung emer .Bankierkominission bei der BIZ zur Prüfung dér Möglichkeit, die deutschen Kürzkredite zu konsolidieren und die Verlänge­rung d'es Reclisköntkied/its der Reichsfoaiik. Von einer heuen langfristigen Anleihe an Deutschland fiel kein Wort, und inxüxer nachdrücklicher wurde betont, daß vor einer jeden neuen Hilfsaktion des Auslandes Deutschland zunächst selbst das eigene Haus in Ord­nung bringen müsse. So wird in Deutschland die 'Selbsthilfeparole aüsgegehen, und während noch diplomatische Besuche und Gegenbesuche aufein­­änderfölgen (Stimsori, Macdonald, Henderson, dann Briand und Laval in Berlin, Brüning in Rom, Grandi in Berlin), weiß man, daß diese Reisen mir mehr bloßen informativen Charakter besitzen und prak­tisch nicht von Belang sind. Mitte August schließt das Gläubigerkomitee der an deutschen Krediten in­teressierten Bankengruppen seine Verhandlungen ab, und das Ergebnis ist ein' Stillhalteabkommen bis zürn 29'. Februar 1932. Gleichzeitig erscheint der Be­richt-des W iggin- La yton - Ausschusses, der mit rüh­menswerter Offenheit die Ursachen des Zusammen­bruchs aufdeckt, den Abbau der internationalen Hándelsschranken und die normale Ingangsetzung der Kapitalausfuhr fordert, mit dem Ziel, dem Preis­sturz ein. Kndgzü setzen, j,-/ England gibt die Goldwährung auf. ' Während Deutschland diesen * Existenzkampf führt, rast der Tornado der Krise weiter und dire Sturzwellen timbranderi nunmehr das britische inselreich. Ende August demissioniert in Vor­ahnung der kommenden Ereignisse die. Arbcifer­­regierün.g Und Macdonald bildet gegen diiö Opposi­tion seiner eigenen Partei eine „nationale Regie­rung“ un ter Hinzuziehung dér Konservativen und der Liberalen. Der Goldabfluß von der Bank of Eng­land dauert unaufhaltsam fort. Vergeblich die zwei­malige Hilfe der Federal Reserve Banken xmd der I Bánk von Frankreich, die mit Keirzkrechten in der I Höhe von 130 Millionen Pfuidä der englischen Notenbank beispringen; das Mißrrauen ist stärker als alle Interventiommaßnahmen. Und als gar Mitte September eine Meuterei in der englischen Flotte die brüchige politische Basis der englischen -Nationalregierung aufzeigt, wurden die letzten Schutz dämme durchbrochen, und die- englische Re­gierung sieht sich am 20. September zu einem welt­geschichtlichen Schritt gezwungen: von der Gold­währung abzuweichen. Es sind einige Monate ver­gangen, seitdem England diesen schicksalsschweren Entschluß zu fassen wagte, und noch immer sieht man ihn nicht in der vollen Wucht seiner Auswir­kung. Siebzehn Slaatexx folgten England In denx Verzicht auf den Goldstandard nach, und England ging'in der Folge zum System des Schutzzolls über. Wenn zunächst die Devalvalionspart.ei,..glaubte, das Pfund werde leicht mit einem etwa. 25prozentigen Wertabschlag wieder stabilisiert werden, so wurde sie durch die Ereignisse einstweilen Lügen gesti-afl; das Abgleiten des Pfundes ging weiter«,.unterschritt bereits 33 Prozent, xmd es ist nicht abzxisehen,. wo dieser Prozeß eine Schranke- finden: wird. Nur die Stabilität des inneren englischen Preisniveaus und die kaltblütige Ruhe, mit der die englische Bevölke­rung die Gefahren des Pfundsturzes betrachtet, sind überraschende Momente in. der englischen Krise. Und der Sturm macht bei den britischen Inseln nicht halt. Im Oktober greift er sogar die bisher ; unangreifbar gewähnte Festung des Dollars an; die europäischen Notenbanken, -die französischen - Pri­vatbanken ziehen immer rapider ihre Kurzguthaben aus Amerika zurück, und es bedarf eines franzö­sisch-amerikanischen Abkommens, um dieser neuer­lichen Offensive, die die letzten Bastionen der Gold­währungen bedrohte, Einhalt zu gebieten. Anläßlich der Reise Lavals nach Washington wird auch der Schulz der Goldwährungen durch ein Stillhaltever­­sprcchen der Bank von Frankreich für ihre ameri­kanischen Kurzguthaben erreicht, wofür Frankreich sich freie Hand in der Reparationsfrage erwirkt zu haben scheint. Auch bei dieser Entrevue versuchte Frankreich seine Weltpolitik durch amerikanische Unterstützung und . Kooperation zu untermauern; aber die politische Aussprache verlief, ergebnislos, ja Senator Borah richtete sogar manche groben Worte an die Adresse des französischen Verbündeten. Immerhin hörte bald der Goldrückfluß aus den Ver­einigten Staaten auf, und die europäischen Mächte konnten sich wieder im Expreßtempo der Lösung der beiden dringendsten. Aufgaben, der Reparationsfrage und der Verlängerung des Baseler Stillhalteabkom­mens, zuwenden. Als Ergebnis . direkter deutsch­­französischer. Verhandlungen stellte Deutschland am Jahresende den, Antrag zur Einberufung des Bera­tenden Komitees der BIZ :— formell ein Sieg des französischen Rechtsstandpunktes, die Rahmen des Yöung-Plans aufrechtzuerhalten —,. es wurde aber vereinbart, daß dieser Ausschuß auch die Frage der gesamten Verschuldung Deutschlands prüfen könne. Der kurz vor Weihnachten veröffentlichte zweite Baseler Bericht wich zwar konkreten Vorschlägen in der Reparationsfrage aus, bereitete jedoch die theoretische Grundlage der kommenden Regierungs­­konferenz vor, die in der zweiten Januarhälfte zu­sammentreten soll, indem er ausführte, das Ausmaß der Krise ginge weit über die „kxirze Depression“ Nähmaschine werden sjc vpn íxxir bekommen.. Kéiné Angst,, Kinder, nur warten, immer nur, warten! Ich habe alles auf geboten, um meine Träume zu verwirklichen. Ich spielte. Kaufte Lose. Begann Theaterstücke zu schreiben: der Welterfolg würde sich ja doch einmal éinstellen. Ja, ja, einmal. Unter meinen Träumen fanden auch beschei­denere, anmutige, kleine Träume Platz. So habe ich zuni Beispiel in mein Programm aufgenommen, einen mir sehr sympathischen Herrn eine Freude zu bereiten. Uber séin Schicksal war mir nichts Nähe­res bekannt, ich hatte bloß eine Ahnung, daß dieses Schicksal sehr, sehr traurig sein müsse. Ich sah ihn in der Waitznergasse, sah ihn den Sommer auf der Terrasse des Inselrestaurants, sah ihn häufig im Opernhaus xmd bei den Konzerten. Immer allein, ganz allein. Und dieser Herr hatte immer eine .weiße Nelke im Knopfloch. In mir stieg das Gefühl lauf, daß ich mit diesem Menschen etwas, zu schaffen «be, daß ich für sein Leben, ich weiß nicht wie, Irgendeine Verantwortung zu tragen habe. Einige Jahre nach dem Kriege sah ich meinen ernsten Kavalier mit d<fr weißen Nelke wieder. Nicht in der Waitznergasse, sondern auf der Elektrischen. Ich freute mich, daß er am Lehen war. Allmächtiger Gott, wie viele alte Gesichter sind einem fur burner entschwunden.« Ich freute mich ... Aber ich. merkte gleifch etwas, was íxxicih höchst befremdete. Seine Beinkleider hatten einen xmerfreulichen Glanz: Und auf seinen Schuhen sah ich Falten und Sprünge; das Leder der dick bestrichenen Schuhe war wie der Handrücken eines alten Mannes. Seinem Ge­sicht waren üie vier starken Jahre sehr anzüsehen. Bloß die weiße Nelke lächelte mit ungebrochener: Frische an seinem Rock. Dann sah ich ihn von einem Taxi aus; er saß an einem Nachmittag vor dem Innerstädter Kaffee­nxals nicht mehr die Tasche der Konjunktur, mit der die halbe Stadt • zwischen der Börse’. '.und den kleinen Banken umherlief. In diesen müden Ta­schen schleppten die Leute ihre Klagen, ihre Sor­gen und ihre bebenden Hoffnungen u-uf das bißchen Brot mit sich. Ich bemerkte im Vörüberfähren axich, daß der unglückliche Herr vön Raxihreif überzogen wár, wie im Nóvexnbér die Sträucher. Ach, wenn ich für ihn Franz Josef erwecken könnte! Ach, wenn ich etwas tun könnte für diesen Jemand, der in eine schönere Welt, hineingehört. Wenn ich bloß irgendwie seinen Kamen, seine Adresse erfahren könnte . . . Und werni eines schönen Tages mein Schneider sich bei ihm melden würde, um ihnx das Maß zu nehmen mit deA Erklärung, er brauche inner­halb der nächsten zchii\ Jahre keine Rechnung zu bezahlen; oder wenn du* Oper ihn - mit einem Jahresabonnement überraschen würde, das man aus irgendeinem Geheimfonds unter jene gebildeten Herren verteilen sollte, die genötigt waren, sich die tägliche Musik zu entziehen} .Ach, wie gut wäre es, dieser beraubten Seele etwas- Schönes, Tröstendes, Heilendes wiederzugeben. Aehj. wenn ich das endlich tun könnte! , ‘ , ,. y Es war im Monat Mär, im Vorjährigen Mai, daß der bankrotte Herr vor -mir irgeiüdwo auf dein Mu­­seunxrmg-wieder auftauclite, er, ddttgeh 'unter meine ' Schützlinge eingereiht halte. t^^M'schrak. Sein mageres Gesicht war ganz nd unrasiert war er. Und in der Hand hielt blußgclbcr in.^^^^HHLv.rdisrhen will Wei­er der Nelke nicht mehr batte, war vielleicht noch trauri­ger. In meinen Augen war dies das Traurigste. Ich machte kehrt und folgte ihm langsam. Das Herz tat mir weh um diesen Freund, dessen Hand ich niemals berührt hatte und dessen Stimme mir unbekannt war. Vor mir zog langsam jenes stumme, naxxienlose Leben her, mit seinen Erinnerxmgen, Ent­täuschungen und Entsagungen. Der verwaiste Mann bog in die Sándor-ucca ein. Ich folgte ihm wie ein Detektiv. Denn ich faßte einen Gedankeh. Daß ich jetzt seine Adresse erfahren und meine Schuld abzu­tragen beginne... Daß ich zumindest das Minimum der Güte, der Zärtlichkeit für meinen Nächsten realisieren könnte, indem ich ihm täglich eine weiße Nelke schickte. Ich schamé mich, zu gestehen, daß Wochen und Monate vergingen, ohne daß ich dieses winzig kleine Versprechen einlösen hätte können, das ich mir ge­macht hatte. Erst im Spätherbst gestalteten sich meine Verhältnisse, so weit bequemer, daß ich mir diese kleine Seelenfreude gestatten durfte. Ich machte einen kleinen Spaziergang in die Steinmetzgasse (wo mein Unbekannter wohnte) und trat in die Hausmeisterwohnung jenes Hauses ein, da$ ich mir im Mai-gemerkt hatte. Die Hausmeisterin kam heraus. „Ich suche jemand in diesem Hause:“ ;• „Wen sucht der Herr, wenn ich fragen darf?“ Ich beschrieb den Herrn, den ich einmal bis hie­­her begleitet halte, dessen Namen ich gern wissen möchte. Ich glaube, er wohnt hier. „Jawohl, er hat hier gewohnt... hier Mt der Arme gewohnt. Hier lag er den ganzen Sommer...“ „Er lag? Was ist mit ihm geschehen?“ „Was geschehen ist? Gestorben ist er. Irgend jemand, der ihm wohlgesinnt war, ließ ihn ins • 2« Fre|tag, 1. Januar 1932

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