Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1933. február (80. évfolyam, 26-48. szám)

1933-02-01 / 26. szám

pester Lloyd ------­Mittwoch/1. Februar 193-J Flnanzminister Dr. Imrédy: Ich werde aber auch schon darum ganz auf­richtig sein, weil anders das ganze Projekt, das ich dem hohen Hause unterbreiten werde, in seinen Zu­sammenhängen nicht erkannt und nicht beurteilt werden könnte. (Hört! Hört!) Die Probleme, die ■heute auf der ungarischen Nation lasten, sind von moralischer und materieller Natur. Abg. Buchinger: Und auch von politischer Natur! Präsident Dr. Almäsy: - Ich bitte den Herrn Abgeordneten, den Hedner nicht zu stören. Der Herr Minister hat doch eben «rat zu sprechen begonnen. Eine Stimme rechts: Gehen Sic nach Wien, werui Sie unbedingt schreien wollen! Finanzminister Dr. Imrédy: Das materielle Problem, mit dem ich mich heute zu befassen habe, setzt sich aus zwei Faktoren zu­sammen. (Großer Lärm bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Erodi-Harrach (Einh.): Ist etwa die Störung der Redefreiheit demokrati­sches Prinzip? . Finanzminister Dr. Imrédy: Das Problem, mit dem ich mich heute zu be­ifassen wünsche, ist also doppelter Natur. M ir stehen einem staatsfinanziellen und einem wirtschal fliehen Problem gegenüber. Wiewohl ich Finanzminister bin, will ich gleich sagen, daß ich den Vorrang dem Wirtschaiftsproblem gebe. Das Gewicht liegt auf diesem, und nur über dieses Problem läßt sich das andere losen. Um aber die Lage in ihrer Gänze auf­decken und die Elemente, aus denen sie sich zusam­mensetzt, aufdecken zu können, muß ich mich vor­erst mit dem Finanzproblem befassen. (Hört! Hört!) In den ersten Monaten des laufenden Budget­jahres haben sich die Einnahmen des Staates auf 364.7 Millionen Pengő belaufen, wogegen die Aus­gaben 352.2 Millionen Pengő ausmachen. Eis ergibt sich daraus ein scheinbares Einnahmeplus von 12.5 Millionen Pengő. Zieht man aber in Betracht, daß wir 19.5 Millionen Pengő, welchen Betrag wir im Staatsschuldendienst dem Transferfonds hätten zu­­führen müssen, vorläufig in Schwebe gehalten ■haben, und daß 5.4 Millionen Pengő, die wir für den Dienst der Völkerbundanleihe tatsächlich ein­gezahlt haben, noch nicht verrechnet worden sind, so stellen sich die "Ausgaben eigentlich auf 377.1 Millionen Pengő, so daß sich den tatsächlich er­reichten Einnahmen gegenüber in der Staatsverwal­tung ein Ausfall von 12.4 Millionen Pengő ergibt. In der ersten Hälfte des verflossenen Budgetjahres waren die einschlägigen Daten die folgenden: Aus­gaben 453.2 Millionen. Einnahmen 405.2 Millionen. Unser auf die Reduktion der Ausgaben gerichtetes Streben charakterisiert nichts besser als der Um­stand, daß unsere Ausgaben in der ersten Hälfte des laufenden Budgetjahres um 76.1 Millionen, also um 16.8 Prozent, geringer waren, als in der ent­sprechenden Periode des verflossenen Budgetjahres, während auf der Einnahmenseite em Ausfall von 40.5 Millionen, d. i. 10 Prozent, eingetreten ist. Bei den Staatsbetrieben hat sich die Situation derart ge­staltet, daß Einnahmen in der Höhe von 178.2 Mil­lionen Ausgaben in der Höhe von 193.5 Millionen gegenüberstehen. Rechnen wir den Ausgaben auch noch den in Schwebe gehaltenen Schuldendienst mit einem Betrage von 1.5 Millionen hinzu, so ergeben sich an Ausgaben 195 Millionen Pengő, d. h. das Defizit beträgt 15.3, beziehungsweise 16.8 Millionen. Wollen wir diese Zahlen mit dean entsprechenden Ziffern im verflossenen Budgetjahr vergleichen, so müßten wir auch noch die Gestion der Südbahn hinzurechnen, . die die Staatseisenbahnen Anfang Juni 1932 übernommen haben. Unter Berücksich­tigung dieses Umstandes stellen sich die Ausgaben in der entsprechenden Periode des verflossenen Bud­getjahres auf 222.8 Millionen, die Einnahmen auf 201.7 Millionen; es ergab sich also hei den Aus­gaben ein Rückgang von 28 Millionen, gleich 12.6 Prozent, bei den Einnahmen ein Ausfall von 23.3 Millionen, gleich 11:6- Prozent. Vom Gesichtspunkte der Kassenlage muß ich noch erwähnen, daß wir zur Deckung des Defizits der Staatsbetriebé netto 14:5 Millionen Pengő zur Verfügung stellen mußten, was mit einem Rückgang der Geldvorräte der Staatsadministration einherging. Zu den Einnahmen der Staatsverwaltung hingegen müssen noch jene 24.1 Millionen Pengő dazugcrech­­net werden, deren überwiegender Teil durch Emis­sion von Kassenscheinen erzielt worden ist, so daß der globale Betrag der Kassenscheine, die durch die Gebührenrückständc gedeckt sind, sich derzeit auf 66.8 Millionen Pengő beläuft, während die Rück­stände 98.6 Millionen Pengő äusitiac.henf. Berück­sichtigt man, daß der Boilettenfonds bisher ein Plus von 5.7 Millionen Pengő aufweist, so kommt man zu dem Ergebnis, daß die Geldvorräte der Staats­verwaltung in der ersten Hälfte des Budgetjahres von 59.6 Millionen Pengő auf 87.4 Millionen Pengő gestiegen sind und um 12.8 Millionen Pengő gerin­ger waren als vor einem Jahre. Das Ergebnis des ersten Halbjahrs scheint dem­nach ein ziemlich günstiges Bild zu bieten. Wir müssen indessen darauf bedacht sein, daß in einem Agrarlande, wie in Ungarn, stets die Frühjahrs­monate vom finanziellen Standpunkt die schwäch* sten sind und auch das Defizit der staatlichen Be­triebe sich im Frühjahr zu ergeben pflegt. Wir müssen daher unseren Kalkül mit Berücksichtigung dieses Umstandes aufstellen. Die Schätzungen über das zu erwartende Defizit des gegenwärtigen Budget­jahres stammen teils vo'n Mr. Tgler, dem hier weilem den Delegierten der Finanzkommission des Völker­bundes, teils' würden sie yöm Finanzministerium vorgenommen, und. sie ergeben fast dasselbe Resul­tat. Mr. Tgler schätzt das Defizit auf 141.4 Millionen, die Schätzungen dcs Fihanzmin'istcriunis sind um einige Millionen niédrigér gegriffen. Wenn wir in­dessen berücksichtigen, daß die ersten Monate des nächsten Budgetjahres erfahrungsgemäß ebenfalls ziemlich schwache finanzielle Einnahmen zu er­geben pflegen, und daß die Ausgaben des Getreide­scheinfonds in der ersten Hälfte des Kalenderjahres voraussichtlich die Einnahmen übertreffen dürften, so müssen wir eine größere Latitüde in Rechnung stellen und unsere Pläne auf einem Defizit von 150 Millionen Pengő aufbauen. Hierin besteht das Problem des gegenwärtigen Budgetjahres, das in dessen nur die eine. Hälfte des Gesamtproblems des Staatshaushaltes darstellt, denn die eigentliche Frage besteht darin, wie wir in der Zukunft unseren Staatshaushalt einrichten sollen, um dem kommen­den Jahre mit der Hoffnung des Gleichgewichtes entgegensehen zu können. Bevor ich jedoch die Maßnahmen beleuchten würde, mit deren Hilfe wir das Defizit des gegenwärtigen Budgetjahres über winden wollen, sei mir gestattet, mich mit einigen Worten über die allgemeine Wirtschaftslage auszu­breiten. Die Einzelheiten des Bildes sind den Mitglie­dern des Hauses und dem ungarischen Publikum ziemlich bekannt. Aus diesem Grunde werde ich mich mit den Details nicht befassen, sondern mich auf einige allgemeine Feststellungen beschränken. Wenn wir das erreichbare Niveau der Lebensmög­­lichkeiten, des Wohlstandes und des Lebensstand­ards eines Volkes statistisch ausdrücken wollen, so müssen wir die Höhe des nationalen Einkommens festzustellen trachten. Unser Nationaleinkommen, das sich in den letzten Nachkriegsjahren 1928/29 sich um etwa 5 Milliarden Pengő bewegt hatte, er­reicht nach den neuesten Schätzungen nicht ein­mal mehr 3 Milliarden Pengő. Wir müssen dem noch hinzufügen, daß aus diesen Zahlen keine siche­ren Schlüsse auf die Existenzmöglichkeiten der Bevölkerung gezogen werden können, besonders in einem Agrarlande, wo die Zahl der Kleingrund besitzer, das heißt Selbstversorger ziemlich groß ist, für die vom Standpunkte des Lebensstandards die Preislage der tierischen und pflanzlichen Produkte, die sie ja selbst verzehren, ziemlich gleichgültig ist. Die Höhe des Nationaleinkommens wird eigentlich durch die Menge der auf den Markt gelangenden Warenmengen bestimmt, noch genauer durch den Grad, den diese Warenmenge auf die Möglichkeiten der Lebenshaltung ausübt. Mit Berücksichtigung dieser Korrektül* ist es offensichtlich, daß die Kopj­­quote das Nationaleinkommens in Ungarn mit 300—350 Pengő beziffert werden kann. Wir haben ja etwa 9 Millionen Einwohner und dies stellt ein so niedriges Niveau dar, daß wir cs unbedingt erhöhen müssen, wenn wir einem Volke, das seiner geschicht­lichen Mission bewußt ist und seine kulturellen Überlieferungen zu bewahren wünscht, ein würdi­ges Auskommen sichern wollen. Diese Erhöhung des Nationaleinkommens kann nur im Wege der Produktionserweiterung gesche* hen; wir müssen jedoch stets darauf bedacht sein, nur wirkliche Werte zu produzieren, also Waren, die verwertet werden können. Denn wenn wir auch weiter noch die unverkäuflichen Warenvorräte durch eine unrichtig eingestellte Produktion vermeh­ren werden, so wird dadurch das Problem nicht er­leichtert, sondern nur die bestehende Wertmenge vernichtet werden. Ans diesem Grunde haben wir von allem Anfang an den Standpunkt betont, daß wir nur für die Märkte produzieren müssen, und darum waren wir bestrebt, für unsere Produktion neue Märkte zu eröffnen. Der Abschluß von Han­delsverträgen, die Organisierung des neuen Export­instituts, die Förderung der Qualitätsproduktion, alldas wurde im Dienste dieser Idee durchgeführt. Wenn wir aber unsere Produktion fortentwickelu und für diese Produktion neue Verwertungsrnög­­lichkeiten schaffen wollen, so müssen wir uns auch Kredit verschaffen. Kredit, als ein Vertrauensver­hältnis, kann nur auf Stabilität beruhen, und das Feuilleton* Doppelgänger — Doppelgängerinnen. Eine sonderbare Geschichte. Von HEINRICH B. KRANZ. Hehri, der fünfzehnjährige Sohn des Obersten Prunier, spielt im Garten der väterlichen Villa mit Louise. Louise ist die Pförtnerstochter, ein munteres blondes Kind von dreizehn Jahren. Sie spielen Ball. Das Kind strauchelt über einen Baumstrunk und fällt. Henri, atemberaubt, wagt eine in hundert ■Nächten heimlich ersehnte Berührung. Er küßt zag­haft erregt das blutende Knie. Das Mädchen senkt schamhaft die Augen, der Junge, deu Schwindel befällt, überhört die nahen­den Schritte. Oberst Prunier steht vor den Kindern, er ahnt Zusammenhänge, er tobt. Henri eilt ver­stört hinweg. Aber am Abend, im Schatten einer riesenhaften Eiche, schwören sich die Liebenden unter ersten Küssen: Ewige Liehe. Zehn Jahre später ist Henri in Paris, ein kleiner armer Student der Medizin, haust irgendwo draußen am Montmartre, hungert und kämpft. Längst ist der Vater gestorben, die kärgliche Pension hat nur die notwendigsten Bedürfnisse der Familie decken kön­nen. Man hatte die Villa verkauft, der jüngere Bruder Pierre war froh gewesen, in eine Apotheke als Lehrling einzutreten, nur Henri ist in Paris, hun­gert und kämpft und die paar Francs, die er mit Lektionen verdient, teilt er mit seiner kränkelnden Mutter in Nancy. Er hat Louise nicht vergessen und nicht jene nächtlichen Schwüre im Garten. Er hungert und kämpft, um eines Tages „Sie“ wiederzufinden, die er seit jener Nacht nicht wiedersäh. Denn der väter­liche Befehl hatte den Pförtner und seine Tochter vertrieben. Aber Paris ist groß und noch größer die weite Welt, und wer glaubt daran, daß sich Henri und Louise einmal Wiedersehen? Henri glaubt es. Darum wartet er geduldig. Er ist ein sonderbarer Schwärmer, dieser Henri. Und dann ist ein weiteres Jahr kalter Not und gehetzten Studiums herum. Henri hat den Doktor­grad erreicht. Darf er vielleicht jetzt endlich das „Leben kennenlerhen“, das er nur aus Büchern und Gazetten, wie durch einen Schleier kennt? Er hat Freunde, die ihn lieben und doch heimlich ver­höhnend bedauern. Wie sie ihn drängen und be­stürmen! Wie sie ihm alle Herrlichkeiten von Paris ausmalen! Er gibt nach. Er will ein Fest feiern, eine Nacht lang, er will alle Gedanken an Arbeit, an seine Mutter vertreiben und — an Louise. Der Abend somnit, Henri steht vor dem Spiegel und betrachtet sich und den ersten Frack, während die Freunde zum Aufbruch drängen. Doch von der Stiege noch eilt er zurück, ins Zimmer. Dort kiißt er verstohlen das Bild der kleinen Louise. Er hat es all die Jahre aufbewahrl. Ein Kind mit langen Zöpfen, großen Augen und einem Reifen in der schmalen Rechten, .das ist Louise, aber für ihn ist sie der Inbegriff der Welt. Henri ist eben ein sonderbarer Schwärmer. Es gibt nicht wenige seinesgleichen, nur verbergen sie sich verschämt im Dunkel ihrer Schweigsam­keit. Ja und dann sitzt Henri in der Loge eines klei­nen Vaudevilletheaters. Mit matten Lidern, fast teil­nahmslos folgt er den mageren Künsten eines Jongleurs. Weder die platten Witze des dicken Komikers, noch die Universaltalente eines witzigen Chinesen können ihn erheitern. Aber da — nein, nein — es ist nur ein Trugblid der Phantasie, es kann nicht sein — oder wäre es doch möglich —, da steht seine Louise auf der Bühiie, seine Louise, jetzt Lucy Vernon, eine blonde, schlanke Schönheit, der Star dieses kleinen Vaudevilletheaters und sie tanzt. Sie tanzt und singt. Ihre mandelförmigen, grauen Augen blinzeln kokett zur Loge hinauf. Ach, wie sie ihren Körper wiegt und ihre Hände flattern läßt. I Dröhnender Beifall umrauscht sie. 1 Und Henri leißt einem Blumenmädchen eine, zwei, drei, zwanzig, — fünfzig Rosen aus der Hand und wirft sie auf die Bühne. Er hat Louise wieder, seine Louise, deren Bild lange Jahre sein Herz er­wärmte. Dankbar und verführerisch lächelnd hebt die schöne Tänzerin ihre Augen zur Loge. Henri sieht sich erkaimtl Sie ist es! Glückstrahlend umarmt er die verwunderten Freunde. Was für ein seliger Tag! Louise, ich liebe dich und ich muß mit dir spre­chen! Aber da er bebend und verwirrt, scheu und über­stürmisch sich endlich den Weg in die Garderobe Lucy Vernons gebahnt hat, findet er sie dort nicht an. Vergeblich späht er auf dem betäubend duftenden Toilettentisch, an den von Bildern und Zeitungs­ausschnitten übersäten Wänden nach einer Bot­schaft für ihn. Eine kleine, dicke Garderobiere stürzt, ihn vollends aus allen Himmeln. Ach, wer kann wissen, wo die schöne Lucy heute ihre Nacht ver­bringt. Nein, sie ist nicht allein fort. Ihr Freund hat sie abgeholt. Kennt der junge Herr den dicken Divat nicht, Dival, den lustigen ältlichen Direktor­­von der... na von irgendeiner Bank? Ja, mit dein ist sie fort, irgendwohin tanzen und trinken, wie jede Nacht. Ja, und so hat man auch einmal gelebt, vor dreißig Jahren, ja, da war man auch so eine, und hat getanzt und gesungen und gelacht und ge­liebt und Geld gehabt und schöne Kleider und viele Freunde, viele... Henri hört sie längst nicht mehr. Die Adresse seiner Louise auf der Rückseite des Programmheftes in der Hand, irrt er durch die Straßen. Oh, er wird morgen mit ihr sprechen, er wird sie an alles er­innern, sie hat Jahre auf ihn gewartet und dann nach vergeblichem Suchen ist sie müde geworden. Aber mm haben sie sich gefunden. Er ist bereit, alles zu vergessen, nur nicht, daß er sie liebt. Und alles wird wunderbar sein, so unerhört wunderbar, so über alle Maßen wunderbar... Endlich sinkt er in zerquälten Schlaf. Und dann kommt ein Morgen und ein Tag, der

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