Pester Lloyd - esti kiadás, 1933. április (80. évfolyam, 74-96. szám)

1933-04-01 / 74. szám

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ABENDBLATT fn Budapest, in der Administration des Fester Lloyd und in den Annoncen- Bureaus: Balogh Sándor, J.Blockner, J.BIau, Boros, Braun, Josef Erdős, Győri & Nagy, Harsányi, Haasensteln & Vogler, Cornel Leopold, Julius Leopold, f/iagy. hirdető­­iroda, Mosse Rudolf A.-G., Julius Tenzer, Uray. Generalvertretung des Pester Lloyd für Oesterreich: M. Dukes Nachf. A.-G., Wien, Wollzeile lb. Einzelnummer tűr Budapest und lür die Provinz: Morgenblatt an Wochentagen IG Heller, an Sonntagen 33 Heller, Abendblatt 10 Heller. — Für Oesterreioh: Morgenblatt an Wochentagen 30 Gr., an Sonntagen 40 Gr. und Abendblatt 30 Gr. Redaktion u.Adm.: V., MáriaValéna-uocalíi. Telephon der Administration: 849-09. 80. Jahrgang. Budapest, Samstag, 1. April 1933. Mr. 74 Berlin im Zeichen des Donhous. Budapest, 1. April. Der erste — und hoffentlich letzte — Tag des Judenboykotts in Deutschland ist in Berlin ruhig .verlaufen. Gewalttätigkeiten und Ordnungsstörungen sind nicht vorgekommen, und so scheint das Ganze vorerst auf eine allerdings drastische und scharf­betonte Demonstration, als auf eine wirkliche Kampfhandlung hinauszulaufen. Hoffentlich wer­den auch in den übrigen Teilen des Reiches die Volksmassen die ihnen von Hitler selbst cinge­­schärfte Selbstdisziplin bewahren und sich hüten, ihren Leidenschaften die Zügel schießen zu lassen und über die Schnur zu hauen. Verläuft aber der heutige Tag überall im Reich so ruhig, wie er sich in den Vormittagsstunden ge­staltet hat, dann ist mit Sicherheit zu erwarten, daß es am Mittwoch nicht mehr zur Wiederaufnahme des Abwehrboykotts kommen wird. Der verbissenste Nationalsozialist kann ja nicht verkennen, daß die führenden jüdischen Organisationen in Deutschland alles, was in ihren Kräften lag, getan haben, um die ausländischen Faktoren, die sich ihrer Sache, ohne an die imausbleiblichen Rückschläge zu denken, mit so schädlichem Übereifer angenommen haben, zum Abstoppen ihrer Aktion zu bewegen. Vielleicht war es aber nicht allein diese Erwä­gung, die die Führer der nationalen Bewegung zum Einlenken bewogen hat. Hitler und sein General­stab dürften aus den Berichten ihrer Diplomatie er­sehen haben, daß die Härten des geplanten Abwehr­kampfes an vielen Orten lebhafte Bedenken aus­gelöst haben. Die Stimmen, die im englischen Ober­­hausc über diesen Gegenstand lautgeworden sind, werden in dieser Hinsicht aufklärend gewirkt haben, und der Rcichsregierung dürfte zur Kenntnis ge­langt sein, daß die gleiche Auffassung auch in ande­ren Ländern, die dem deutschen Volke aufrichtiges Wohlwollen entgegenbringen, eine in Rechnung zu ziehende Anhängerschaft findet. Wie dem auch sei, unter allen Umständen ist es begrüßenswert, daß das Einstellen des unerbittlichen Boykottkampfes für den nächsten Mittwoch nahezu mit Gewißheit gewärtigt werden darf. Das ist gut für die außerdeutsche Menschheit, der dadurch der Erregungsstoff entzogen wird. Aber es ist in erster Reihe gut für Deutschland selbst, dem solcherart die wirtschaftlichen Erschütterungen, die dieser Boykott im Gefolge haben müßte, erspart bleiben. Nachstehend veröffentlichen wir unsere tele­graphischen Berichte über den bisherigen Verlauf des heutigen Tages. (Telegramm unseres Korrespondenten.) Berlin, 1. April. Der gestern in den späten Abendstunden be­kanntgewordene Beschluß der Nationalsozialistischen Partei, den Abwehrboykott gegen die vermeintlichen Urheber oder Mitschuldigen der Grcuelhetze zu­nächst auf einen einzigen Tag zu beschränken und ihn erst am Mittwoch aufzunehmen, wenn bis dahin die Hetze nicht aufgehört haben sollte, bedeutet offensichtlich ein Kompromiß, das auf die an dieser Stelle bereits erwähnten Widerstände innerhalb der maßgebenden Kreise zurückzuführen ist, und man geht wohl nicht fehl, wenn man annimmt, daß man um die Wiederaufnahme des Boykotts in der näch­sten Woche herumzukommen hofft. Unter den For­derungen der sogenannten N. S. B. O., d. h. der Na­tionalsozialistischen Betriebszellenorganisation, be­finden sich ja auch solche, die sich überhaupt nicht erfüllen lassen, wie z. B. die Vorauszahlung der Ge­hälter auf zwei Monate, die fristlose Entlassung aller jüdischen Angestellten usw. Heute herrscht nun aber der antisemitische Boykott, und wenn es jemand noch nicht gewußt haben sollte, daß die Nationalsozialisten Meister der Organisation sind, so hat er sich schon in den heu­tigen Vormittagsstunden endgültig belehren können. Von irgendwelchen Gewalttätigkeiten oder auch nur gröblichen Belästigungen der jüdischen Geschäfte oder des kauflustigen Publikums, das nur in ganz bescheidener Zahl auftritt, imt bisher nichts bekannt geworden. Wohl aber sieht man überall die SA­­Schutzwachen. Man sieht die leuchtenden roten Pla­kate „Deutsche, wehrt Euch, kauft nicht bei Juden!“, man sieht vor den größeren Geschäften, namentlich aber auch bezeichnenderweise yor den ' Gerichts­stellen Menschenansammlungen, man sieht Auf­schriften „Deutsches Geschäft“, oder auch „Öster­reichisches Geschäft“, man sieht in den Zentren der Stadt, aber auch in den westlichen Außenbezirken Kraftwagen mit Filmapparaten durch die Straßen fahren, — aber all das wickelt sich störungslos ab. Ja, die Reichshauptsladt macht sogar gewissermaßen einen festlichen Eindruck, weil die nationalen Par­teien heute den Geburtstag Bismarcks begehen und die öffentlichen Verkehrsmittel im Schmuck von schwarz-rot-weißen und Hakenkreuzwimpeln fahren. Im allgemeinen kann man sagen, daß die unge­heure Spannung, die sich gestern geltend machte, schon einigermaßen nachgelassen hat. Man emp­findet die vorläufige Beschränkung des Boykotts auf den heutigen Tag als ein Zeichen der Bereitschaft zum Einlenken, und diese Auffassung dürfte sich auch als richtig erweisen. Immerhin bleibt abzu­warten, wie die Dinge sich im Laufe des Nachmittags und des Abends gestalten werden, wenn die Ge­schäfte schließen und halb Berlin auf den Straßen sich bewegt. Gerade der Geschäftsschluß bedeutet aber natürlich auch eine weitere Entspannung der augenblicklichen Lage. Berlin, 1. April. (Bud. Korr.) Bie Bogkottaktion gegen die jüdischen Geschäfte hat heute früh pünktlich 10 Uhr im ganzen Reiche eingesetzt. Sie ist bekanntlich zunächst auf den heutigen Tag beschränkt worden. In Berlin waren bereits gestern abend große Plakate an den Anschlagsäulen an­gebracht worden, die die Bevölkerung ersuchten, nicht in jüdischen Geschäften zu kaufen. Die Plakate mit großer roter Schrift auf weißem Grunde rufen großes Aufsehen hervor. Die Leitung der Bewegung liegt in den Händen des Kampfbundes des gewerblichen Mittelstandes. Die Verzeichnisse der jüdischen Geschäftsinhaber wurden der SA und SS übergeben. In den Straßen Berlins war zunächst keine Verände­rung gegenüber den gewöhnlichen Werktagen festzustel­len. Die schwarz-weiß-roten und Hakenkreuzfahnen wa­ren zur Erinnerung an Bismarcks Geburtstag gehißt wor­den. Zwischen 8 und 9 Uhr öffneten die Geschäftshäuser wie üblich. Verhältnismäßig wenig jüdische Geschäfte zo­gen es vor, während des ganzen Tages geschlossen zu hal­ten. Selbst die großen jüdischen Warenhäuser und Ein­heitspreisgeschäfte, die auf alle Fälle damit rechnen muß­ten, daß der Boykott sich in erster Linie gegen sie rich­ten würde, hatten zum Teil versucht, wenigstens noch bis 10 Uhr den Betrieb aufrechlzuerhalten. So war noch um 9, selbst um halb 10 Uhr kaum eine Veränderung im Straßenbild sichtbar. In der großen Kaufstraße Berlins, der Leipziger Straße, war das große Wertheinihaus ge­öffnet, das Warenhaus Tietz dagegen geschlossen. Die SA- und SS-Leule hatten sich am Morgen iti ihren Verkehrslokalen eingefunden, nahmen dort die Plakate und Transparente in Empfang und zogen damit zu den nach einem neuen Organisationsplan im voraus besthnmlen Standplätzen. Sie waren sämtlich mit großen roten Plakaten ausgerüstet, die die Aufschrift trugen: „Deutsche, wehrt Euch, kauft nicht bei Juden!“ In Men­gen wurden Plakate an die großen Schaufensterscheiben der Geschäfte geklebt mit der deutschen und englischen Aufschrift: „Deutsche, verteidigt Euch gegen die jüdische Greuelpropaganda, kauft nur hei Deutschen!“ Zwischen halb 10 und 10 Uhr änderte sich aas Bild mit einem Schlage. Überall auf den- Straßen postierten sich die SA-Lcuten mit ihren Plakaten. Zu Zweit und zu Dritt standen sie an den großen Eingangstiiren. Am Alexanderplatz hielt das Warenhaus Wertheim auch bis 10 Uhr noch seine Eingangspforten geöffnet, während das Warenhaus Tietz auch hier geschlossen hatte. Das große Warenhaus Israel in der Spandauer Straße war ebenfalls noch um 10 Uhr geöffnet. Ds Straßenbild im Berliner Westen ist sehr belebt. Vor den großen Kaufhäusern ha­ben sich zahlreiche Menschen angesammelt. Das Kauf­haus des Westens (KDW) am Wiltenbcrgplatz ist ge­schlossen. Die Kaufhäuser Michels und Leiser in dev Tauentzienstraße halten ihre Geschäfte geöffnet. Vor den Eingängen stehen SA-Posten. An den Kandelabern sind hier vielfach Boykoltplakate angebracht, die zum Boykott jüdischer Arzte und Rechtsanwälte auf-fordern. Das Warenhaus Karstadt am Hermannplatz ist von der Boykottmaßnahme im Hinblick auf das Ausscheiden ver­schiedener jüdischer Vorstandsmitglieder von der Aktion nicht betroffen. Diese ist bisher in vollkommener Ruhe, ohne jede Störung und ohne jede Gewalttätigkeit verlau­fen. Polizeistreifen durchfahren die Stadt. Berlin, 1. April. (Conti.) Bei einer Fahrt durch Berlin hat man den Eindruck, daß der Boykott zuerst und am stärksten in den Außenbezirken und in den Gegenden eingesetzt hat, in denen viele Menschen wohnen. Vor jüdischen Geschäften ‘stehe u Posten mit umgehängtem großen Schild:. „Deutsche, wehrt euch! Kauft nicht bei Juden!“ Dieselben Posten sieht man aber auch vor zahlreichen Privat­­liäusern im Westen, so z. B. in der Kaiserallee, in der viele jüdische Rechtsanwälte und Ärzte wohnen. Beson­ders stark sind die Boykoltposten vor den Gerichten. So hat sich vor dem Amtsgericht Schöneberg in der Grune­­waklstruße gegen 10 Uhr eine größere Menschenmenge angesammelt, die beobachtete, ob jüdische Rechtsanwälte und Richter das Haus betreten. Vor dem Gerichtsgebäude wurde die schwarzrotgoldene Fahne des Gerichtes ver­brannt. Die Menge sang währenddessen das Horst Wessel- Lied. Zu irgendwelchen Zwischenfällen oder Zusammen­stößen ist es auch liier nicht gekommen. Inzwischen hat sich auch in der Inneren Stadt das Bild des Boykotts lebhafter entwickelt. Der Verkehr ist heute noch größer als sonst an Samstagen. Ein Teil der Geschäfte hat geschlossen, so die Filialen von EPA. Da­gegen ist z. B. Wertheini in der Leipzigerslruße geöffnet, aber vor den Eingängen stehen SA-Posten mit den Boykotlschildern. Auf der Straße bleiben Neugierige stehen, aber niemand betritt das Geschäft. Der Boykott wird offensichtlich auch vom Publikum ganz einheitlich durchgeführt. Verschiedene Geschäfte in der Leipziger­­slraße haben Schilder angebracht, durch die sie sich aus dem Boykott herausheben. In einem Schaufenster liest man „Deutsches Geschäft“, in einem anderen „öster­reichisches Geschäft“. In der Friedrichstraße begegnet man langsam fahrenden Kraftwagen mit Filinapparatcn. Boykottgeschäfte und Ansammlungen davor werden auf­­genoniuien, zuweilen entstehen kleinere Verkehrsstockun­gen, aber die Verkehrspolizei ist an den Hauptpunkten verstärkt und so wickelt sich im ganzen alles störungs­los ab. Berlin, 1. April. In der Zentralmarkthallc setzte die Boykottbewe­gung in den Morgenstunden gegen 6 Uhr ein. Vor den jüdischen Ständen zogen SA auf. Vor der Universität standen SA-Leute, die jüdische Besucher nicht hineinließcn. Hamburg, 1. April. (Bud. Korr.) Nachdem die Nacht ohne Zwischen­fälle verlaufen war, konnte die Abwehraktion heute früh überall programmäßig einsetzen. Viele jüdische Ge­schäfte in Groß-Hamburg hatten gar nicht erst ihren Betrieb geöffnet. Von den einzelnen Standquartieren der SA wurden die Nationalsozialisten, alles in Polizeiwagen, auch in die entfernstesten Stadtteile gebracht, wo eben­falls ein Aufklärungs- und Abwehr postendienst vor den jüdischen Geschäften eingerichtet wurde. Auch in den Geschäftszentren sieht man überall vor den als jüdischen Geschäften gekennzeichneten Unternehmungen SA-Posten stehen. In den Hauptgeschäfstraßen, auf allen Plätzen und an den Kreuzungspunkten des Straßenverkehrs wur­den von den Nationalsozialisten Aufklärungsflugblütter verteilt, in denen die Bevölkerung aufgefordert wird, nur bei Deutschen zu kaufen.. Zu irgendwelchen Störungen ist es bisher nirgend gekommen, doch scheinen während der Nacht hie und da Provokateure am Werk gewesen zu sein, die an die Fenster jüdischer Geschäfte mit blauer oder roter Farbe und in großen Buchstaben das Wort „Jude“ und teilweise drastische Karikaturen an­­; gemalt hatten. Dresden. 1. April. (Bud. Korr.) In den Stunden vor dem Einsetzen des Boykotts zeigte sich schon in der Innenstadt ein sehr lebhafter Verkehr, während in den Außenbezirken kaum etwas zu bemerken war. Die Warenhäuser Tietz und Alsberg halten ihre Tore überhaupt nicht erst ge­öffnet, ebenso verschiedene andere jüdische Geschäfte. Gegen halb 10 Uhr bewegte sich vom Scliülzenplalz her ein Zug von SA-Leuten unter Musik zum Altmarkt, wo ein Platzkonzert veranstaltet wurde. Von den SA-Leuten wurden zahlreiche Schilder mitgeführt mit der Auf­schrift: „Wer wandelt zur Judenschaft, schädigt die deutsche Wirtschaftskraft!“ An vielen Geschäftshäusern sieht man seit Freitag nachmittag rote Plakate mit der Inschrift: „Anerkannt dcutsch-christlichcs Unter­nehmen“, Mannheim, 1, April. (Bud. Korr.) Die Boykoltbewegung gegen die jüdi­schen Geschäfte hat auch in Mannheim-Ludwigshafen Punkt 10 Uhr eingesetzt. Verschiedene Geschäfte, vor allem die großen Warenhäuser, haben ihre Pforten ge­schlossen, so daß nur hin und wieder SA-Posten mit Schil­dern mit entsprechenden Aufschriften vor den Läden po­stiert sind. In den Straßen bildeten sich zeitweise starke Menschenansammlungen. Zu irgendwelchen Zwisehenfäl­­len ist es nicht gekommen. Hannover, T. April. (Conti.)Die Abwehraktion hat heule früh plan­mäßig begonnen und ist bisher durchaus ruhig ver^ laufen. New York, 1. .April. (Bud. Korr.) Die Morgenblätter beurteilen die Lage um den Boykott nunmehr bedeutend ruhiger. Es ist im allgemeinen bereits zu erkennen, daß die ganze Angele­genheit hier allmählich an Interessé zu verlieren beginnt. Lediglich Daily Mirror setzt seine Hetze in alter Weise fort. Aber auch New York Times widmen der Angelegen­heit einen Leitartikel, in dem die Frage aufgeworfen

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