Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1933. július (80. évfolyam, 146-171. szám)

1933-07-01 / 146. szám

Einzelnummer an Wochentagen lg, an Sonntagen 38 Heller. Abonnement: Für Budapest: mit täglich zweimaliger Zustellung und für das Inland Morgen­­und Abendblatt: Vierteljährlich 18 P, monatlich 6.40 P. Für das Morgenblatt allein vierteljährlich IIP, monatlich 4 P^ Für das Abendblatt allein vierteljährlich 8 P, monatlich 3 P. Für die separate Zusendung des Abend­blattes nach der Provinz ist viertel­jährlich 1 Pengő zu entrichten. Für Wien auch durch Herrn. Goldsohmld Für das Ausland mit direkter Kreuzband­sendung vierteljährlich: Für Oesterreioh und Polen 20 Pengő, für alle übrigen Staaten 30 Pengő. Abonnements werden auch bei sämtlichen ausländischen Post« ämtern entgegengenommen. Manuskripte werden nicht zurÜckgesteOt» Telephon der Redaktion: 848-20. 80. Jahrgang. PESTER LLOYD MORGENBLATT A 'SSf 1 B luseratenaulnabiue: j" Budapest, in der Administration des fester Lloyd und in den Annoncen- Bureaus; Balogh Sándor, J.BIooluier J Blau Boros, Braun, Josef Ertlfis, Győri 4 Napy’ Harsány!, Hansenstein A Vogler, Cornel Leopold, Julius Leopold, Mag*, hlrdetö­­irods, Uosse Rudolf A.-G., Julius Teurer. yrÄÄSÄiii Wien, Wollzeile 16. Einzelnummer für Budapest und tűr die Provinz: Morgenblatt an Wochentagen 16 Heller, an Sonntagen S8 Heilet, Abendblatt 10 Heller. — Für Oestsrreloh; Morgenblatt an Wochentagen 30 Gr., an Sonntagen 40 Gr. und Abendblatt 80 Gz. Reduktion u.Adm.r V., MáriaVnlérta-ucoaltf. Telephon der Administration: 849-09. Budapest, Samstag, 1. Juli 1933. QjQ Nr. 146 Philosophische Kultur. Budapest, 30. Juni. r(—ti) Der Heimgang des Philosophen von per­sönlichster Note, den das heutige Ungarn besaß, macht wieder eine alte Frage der geistigen Eigen­art unseres Volkes aktuell. Ákos Pauler, den wir in ■der Blüte seines Mannesalters (er war nur 57 Jahre alt) verloren haben, gehörte zu den wenigen ungari­schen Denkern, die mit einem eigenen Denksystem zum Gedankengut der europäischen Philosophie bei­getragen haben. Wenn man sich rein auf die syste­matischen Werke beschränkt, die eine lebendige Wir­kung gehabt haben, können aus der ganzen Vergan­genheit der ungarischen Philosophie nur wenig Na­men herausgegriffen werden. Aus jüngerer Zeit erin­nert man sich vor allem nur an Karl Böhm, dessen Werk „Der Mensch und seine Welt“ eigene und systematische Denkarbeit verrät. Das Werk Melchior Palágyis mündete in eine fremde Kultur. Einer der ideenreichsten und wirkungsvollsten philosophischen Schriftsteller, die Ungarn je besaß, Bernhard Alexan­der, hat bei uns erst den Grundstein eines modernen und in die europäische Entwicklung organisch ein­gegliederten philosophischen Schrifttums gelegt —, aber sein persönliches Werk war das Absorbieren und die Vermittlung einer umfassenden philosophi­schen Bildung, nicht aber die Aufstellung eines eige­nen Systems. Hiemit will nicht eine geringere Wert­schätzung verbunden sein, denn Alexander war eine vollwertige philosophische Persönlichkeit, und manche große Philosophen seiner Generation waren, ebenso wie er, in der kanonischen Systematik der­art befangen, daß ihre fruchtbarste Arbeit der kri­tischen Klärung von Teilgebieten galt. Die Frage, die uns bei der Nachricht vom frühen Tode Ákos Paulers beschäftigt, bezieht sich auf die Stellung der Philosophie in der ungarischen geistigen Kultur überhaupt. Dieses Land besaß seit je, und besitzt auch heute nur wenig echte Philosophen, und kann außer dem systematischen Hauptwerk von Pauler nur auf sehr wenig Werke hinweisen, die unseren Beitrag zur philosophischen Gedankenarbeit der Menschheit darstellen. Ungarns Anteil an der philo­sophischen Kultur der Gegenwart ist sehr gering — und daß dies nicht an einer geistigen Unfruchtbarkeit dieses Landes liegt, wird durch die Tatsache bewie­sen, daß auf anderen Gebieten hochqualifizierter geistiger Arbeit — in Kunst, Musik und Dichtung und auch in den Naturwissenschaften — dieses Land zum Gesamtgut der Menschheit weit über seine zah­lenmäßige Stärke beigesteuert hat Es muß also besondere Gründe haben, daß von allen Zweigen schöpferischer geistiger Tätigkeit ge­rade die Philosophie es bei uns nie zu rechter Blüte gebracht hat. Nur ab und zu tauchen im un­garischen Geistesleben Denker auf, die nichts als Philosophen sein wollen und ihre ganze Gedanken­arbeit der Problemwelt dieser Wissenschaft der Wis­senschaften widmen. Es ist bezeichnend, daß einer der folgenreichsten Gedanken der modernen Mathe­matik, der Gedanke der nichteuklidischen Geometrie, also ein echt philisophischer Gedanke, im Gehirn des ungarischen Mathematikers Bolyai entstanden ist; es ist eine weitere bedeutsame Tatsache, daß eines der wichtigsten klassischen Meisterwerke un­serer Literatur, die Madächsche „Tragödie des Men­schen“, eines der philosophischesten Gedichte der europäischen Literatur ist. Aber weder Bölyai, noch Madách waren Philosophen; sie waren tiefe und schöpferische Denker anderer geistiger Gebiete. Ähn­liche Beispiele kann man aus der Geschichte ande­rer Wissenschaften anführen. Unser großer Physiker Roland Eötvös hat die physikalische Theorie um we­sentliche Erkenntnisse über die Gravitation berei­chert. Seine Erfindung, das Gravitationspendel, zeugt von einem schöpferischen Einblick in die tiefsten Gründe seiner Spezial Wissenschaft, also haben wir es wieder mit einem phylosophisch zu nennenden Gedanken zu tun. Auf ähnliche Weise ist auch die Entdeckung des Dynamoprinzips durch einen ande­ren ungarischen Physiker, Ányos Jedlik — dfer Um­stand, daß die tatsächliche technische Entwicklung nicht an diese, sondern an eine davon unabhängige deutsche Entdeckung angeknüpft hat, ist hier neben­sächlich — als eine wirklich „philosophische“ Ein­gebung zu werten. Doch weder Eötvös, noch Jedlik waren Philosophen. Gerade dies: die ausschließliche, systematische Vertiefung in Probleme, die vor der speziellen Arbeit dier E inzel w issen schäften liegen, die eigentlich philosophische Sehnsucht nach der syste­matischen Lösung der letzten Fragen von Dasein und Wahrsein scheint dem ungarischen Geiste fem­­zuliegen. Oder haben wir es hier mit einer bloßen Zufälligkeit zu tun? Ein reiner Zufall könnte sich Jahrhunderte hindurch, seit den Tagen des bekanntesten ungari­schen Descartesschülers Apäczai-Csere bis auf den heutigen Tag nicht behaupten. Es muß in der unga­rischen geistigen Landschaft etwas liegen, was hier „Mein Freund, ich habe sehr schlimme Nach­richten erhalten. Der General Fermor, der im Juni die Weichsel überschritten hatte, ist mit 80.000 Russen in Meseritz vorgerückt. Seine Vorhut hat er bis Schwerin und Kloster Paradies vorgeschoben. Ich schließ daraus, daß er es auf Pommern und die Neumark abgesehen hat. So ist denn mein Plan, hier zu bleiben, zunichte gemacht. Neues Unglück erwartet mich. Wieviel Unglückliche werden diesen Kämpfen zum Opfer fallen I Das alles bewegt mich und zerreißt mir das Herz. Vielleicht lacht man in diesem Augenblick über meine Notlage und stellt sich nicht vor, daß mir das Unglück, das ich für mein armes Volk und für so viele tapfere Offiziere voraussehe, die sich für mich opfern, schmerzlicher ist als mein eigenes Mißgeschick, obwohl wir alle Leidensgefährten sind. Mein Plan steht fest. Sie werden sehen, daß ich meine Anstrengungen ver­dopple, um das Unglück abzuwenden, das ich vor­aussehe. Alles, was der Himmel mir an Standhaftig­keit und Charakterstärke zugeteilt hat, muß ich in diesem kritischen Augenblick einsetzen. Wenn, um das Ganze zu retten, mein Leben geopfert werden muß, so gehört es meinem Volke und meiner Armee. Ich will es gern hingeben. Sie werden mir zugeben, daß sich niemals ein Herrscher in ähnlicher Lage befunden hat. Auf allen Seiten von überlegenen Heeren angegriffen, muß ich von einem Orte zum andern eilen. Immerfort komme ich mir vor wie einer, der die Lösung eines Rätsels sucht, ohne sie zu finden. Wenn ich schließlich nach so viel Mühen, Sorgen, Anstrengungen und Gefahren unterliege, so werden Sie gestehen müssen, daß es kein großer Ruhm war, mich und mein Heer ver­nichtet zu haben.“ Doberschütz, 14. Oktober Í758. am Tage der Schlacht bei Hochkireh. Als der Überfall begann, wurde ich von dem Lakaien geweckt, der beim König Nachtwache hatte. „Stehen Sie auf, Herr!“ sagte er. „Auf unserm rech­ten Flügel ist heftiges Feuer; die Sache, kann ernst werden.“ Ich schlief wieder ein, aber um fünf Uhr kamen die Leute des Schlosses tief erschreckt in die Philosophie ortsfremd macht. Nur die Philo­sophie? Auch das mystische Dunkel, das selige Sichverlierm der Seele im bodenlosen Traum der Unendlichkeit ist eine Haltung, die unseren Dichtem und Gläubigen kaum natürlich ist. Die echt unga­rische Religiosität kennt keine ekstatische Ver­zückung — und das gilt nicht bloß vom Kalvinismus und von den übrigen bodenständigen Zweigen der reformierten Lehre, sondern auch vom ungarischen Katholizismus. (In unserem Mittelalter gab es natür­lich mystische Gestalten, aber die mystische Ekstase ist für die ungarische Religiosität nicht typisch und nicht einmal charakteristisch.) Die Linien der unga­rischen geistigen Landschaft sind klar,, die Dinge zeigen scharfe Umrisse. Eines unserer tiefsten Genien, Arany, spricht von der unentrinnbaren „Nüchternheit“ der ungarischen Seele. Er meint da­mit freilich keine egoistische Berechnung. Die „nüchterne, reale“ Haltung, von der Arany spricht, ist gerade der praktischen Welt gegenüber rührend unbeholfen. Sie bedeutet nur, daß für das ungarische Auge die Dinge nur eine Bedeutung haben: sie sind, was sie sind. Sie haben keine Innenseite, die durch Spekulation erreichbar ist. Und ob dieser „nüchterne Realismus“ keine Träume kennt! Was wäre bezeich­nender für den Charakter ungarischer Geistigkeit, als die Märchenwelt des „János vitéz“, oder das Phantasieland des „Bolond Istók“? Doch in jener Märchenwelt sind die Menschen reale Menschen und die Ungeheuer reale Ungeheuer, und in diesem Phantasieland duftet es nach frischem Brot und nach frisch gescheuerten Stuben. Um praktisch zu sein, müßte man etwas mehr Sinn für Abstraktion haben, müßte man mit Dingen und mit Menschen als gleichgültigen Größen rechnen können. Doch gerade das ist dem ungarischen Geist in geringerem Maße eigen. Er ist dem einmaligen Anblick einer konkreten, einmaligen Welt restlos hingegeben. Darum sind die Ungarn gute Dichter, Künstler und Musiker, und nur selten gute Philosophen- Denn diese Hingebung an eine mit ihren sinnfälligen For­men gegebene Welt kann die Phantasie beflügeln, das Herz befruchten, doch wie sollte daraus ein Sys tan werden? Und es gibt eine ungarische geistige Landschaft, für die wir nur deshalb nicht das Wort „Rasse“ ge­brauchen, weil dieser Ausdruck, an die Gesetzmäßig­keiten der Abstammung und Vererbung gebunden, auf ein Mischvolk aus verschiedenen Elementen mein Zimmer und riefen: „Stehen Sie doch um Gottes willen auf; es ist eine Schlacht.“ Ich war bald fertig und eilte in den Hof, der mit österreichischen Deser­teuren oder Gefangenen angefüllt war. Ich stieg zu Pferde und ritt dem Gros unserer Truppen nach. Bald darauf sah ich den König auf einem blutbe­­deckten Pferd ankommen und ein anderes besteigen. Dann ritt er wieder davon, um der Kavallerie Be­fehle zu geben. Die ganze Bagage und die Mehrzahl der Verwundeten marschierten nach Doberschütz; die Infanterie folgte in bester Ordnung und bezog ein Lager auf dem Spitzberg bei Bautzen. Das Haupt­quartier war in Doberschütz. An diesem Unglücks­tage ward ich um drei Uhr zum König berufen. Tief bewegt betrat ich sein Zimmer. „Mein Freund,“ sagte er zu mir, „ich bin ein ' armer Besiegter. Ein schreckliches Unglück hat mich betroffen. Wie beschränkt ist doch die Einsicht, die uns Klugheit und Erfahrung gewährt! Die Zukunft ist in einen dichten Schleier gehüllt. Dies Unglück müssen wir wieder gutmachen, doch wir können mit Franz I. sagen: ,Alles ist verloren, nur die Ehr« nicht!1 Meine Truppen haben sich tapfer geschlagen, und auch ich habe mich nicht geschont.“ „Nein, Sire,“ entgegnete ich, „geschont haben Sie sich nicht. Das ganze Gefolge, die ganze Armee ist der Ansicht, daß Sie sich sogar zu sehr ausgesetzt haben. Was soll aus uns werden, wenn wir unsem Vater verlören? Da ist die Sprache der Soldaten und der Offiziere, die für Eure Majestät gezittert haben.“ Das war wirklich wahr. Ich sah Tränen in den Augen des Königs. „Was Sie mir sagen, rührt mich. Doch warum sollte ich mich nicht für alle die tapfem Männer aus­setzen, die ihr Leben für mich opfern? Die Gefahr war zu groß, um sie nicht selbst zu teilen. Das ist die verwünschteste Geschichte, die mir. jemals passiert ist. Ich mußte mit Kopf und Leben einstehen, um die Trümmer des Schiffbruchs zu retten.“ Er knöpfte seinen Kragen auf und zog unter seinem Hemd ein Band hervor, an dem eine kleine, längliche goldne Büchse befestigt war, die er auf der Brust trug.; Feuilleton* Friedrich der Große im Unglück. Der Schweizer Henri de Gatt lernte, dreißig Jahre alt, im Jahre 1755 in Utrecht den inkognito reisenden König von Preußen kennen. Drei Jahre darauf trat er in dessen Dienst, in dem er bis zum Tode des Königs blieb. Offiziell sein Vorleser, war er viel­mehr der Gefährte seiner Eterarischen Mußestunden und sein Privatsekretär. Die von ihm veröffentlichten „Gespräche“, aus denen Friedrich von Oppeln-'Bronikowski in der Insel-Bücherei die wichtigsten jetzt her­­ausgegeben hat, sind überaus interessant, denn sie zeigen den großen König auch groß im Unglück. •Königgrätz, 24. Juli 1768. Ich habe noch keine Unterredung mit dem König gehabt, die mich so gerührt hätte wie die heutige. Wenn es ein erhebendes Schauspiel ist, einen Mann unter großen Gefahren gegen das Miß­geschick kämpfen zu sehen, so hatte ich dies Schau­spiel vor mir. Die schreckliche Lage des Königs, die rührende, maßvolle und entschlossene Art, wie er davon sprach, die Anstrengungen, die er machen will, um das Schicksal zu zwingen, dies alles ergriff mich in einer Weise, die ich nicht wiederzugeben vermag. Ein Mann, der bittere Schmerzen leidet, große Verluste erfährt, sich am Rande des Abgrun­des sieht und all dies Unglück erträgt, ohne sich gegen das Schicksal zu empören und sich in über­triebenen Klagen zu ergehen, verdient ohne Frage sehr viel mehr Teilnahme als einer, der seinem Herzen in bitteren oder kindischen Klagen Luft macht und geistreiche oder phantasievolle Reden gegen das leidensvolle Schicksal führt, auch viel mehr Teilnahme als selbst jemand, der aus; über­mäßiger Eitelkeit ausruft, daß Schmerz und Un­­glücksfälle nichts Schlimmes sind. So erschien mir der König in der Unterhaltung, die ich hier getreu­lich wiedergebe,

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