Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1933. augusztus (80. évfolyam, 172-197. szám)

1933-08-01 / 172. szám

PESTER LLOYD •^O nicht mehr wiederholen. Der extreme, Ibolschewisie­­rende italienische Sozialismus wollte keinen Par­lamentarismus und wollte nicht gezähmt werden. Ein (Regime, das diesem Treiben gegenüber noch liberal war, verlor das Augenmaß des politisch Mög­lichen. Daher der einzigartige Triumph der i antiliberalen Parole Mussolinis. Wer für idie politische Wirklichkeit Augen hatte ^ oder wer einfach instinktmäßig auf die Kräfte der Stunde reagierte, wußte damals, daß die zivilisa­torischen Werte und Lebensinhalte, die das liberale Italien vertrat, sich auf liberale Weise "nicht mehr 'verteidigen ließen. Eine andere Formel mußte kom­men: sie war antiliberalistisch, sie ließ den Gegner nicht gelten, aber sie setzte das zivilisatorische Werk des liberalen Italien fort. Wie dieses liberale Italien Beinerseits im Zeichen einer ethischen Forderung der liebevollen Humanität, im Zeichen Mazzims, 'entstanden war, so wirkt ein ethisches Prifezipf' das (Prinzip des Dienstes am Volke, noch im Faszismus Mussolinis weiter. . , , . , Die Krise des Liberalismus* beschränkt sich nicht auf Italien, weil seine oben dargelegte Para­doxie nicht in diesem Lande allein anzutreffen ist. 'Überall, wo der liberale Parlamentsstaat einem 1 nichtliberalen, nichtparlamentarischen Umsturz- Villen gegenübersteht, wiederholt sich der tragische Prozeß seiner Selbstauflösung oder Selbstausschal­tung. In Deutschland waren die inneren Prozesse, !die zur Umwälzung führten, viel komplexerer Natur als in Italien. Hier gab es nicht einfach die bol­schewistische Drohung, nicht einfach die Flucht des bürgerlichen Aufklärungsstaates in den autoritativen Ordnungswillen, sondern die illiberalen Kräfte eines sozialen Umbruchs haben sich zwischen links und rechts, zwischen Bolschewismus und Nationalsozia­lismus verteilt, und das Grundproblem der national­sozialistischen Machthaber besteht heute darin, die staatserhaltenden Kräfte von den staatsumwerfen­den innerhalb der eigenen Bewegung zu sondern. Aus diesem Grunde gilt für die Herren des neuen Deutschland die Notwendigkeit, ihre Revolution für (beendet zu erklären, während Mussolinis Italien an die permanente Revolution glaubt. Die permanente Revolution bedeutet für den Faszismus die ständige Verjüngung, die Erneuerung und Zusammenfassung zivilisatorischer Kräfte. Für Deutschland würde die permanente Revolution ein Chaos schlecht geson­derter Kräfte der Erhaltung und des Umsturzes be­deuten. Auch diejenigen Länder,, die ihre liberalistische Struktur noch intakt erhalten haben, fühlen bereits die Paradoxie des Liberalismus. Nicht nur für die liberal gewordene Sozialdemokratie entsteht da ein hartes Daseinsproblem: das Problem der Diskrepanz zwischen totalem marxistischem Programm und parlamentarisch-demokratischer Praxis. An dieser Diskrepanz ist die deutsche Sozialdemokratie zu­grundegegangen, ihretwegen erlitt die englische nach einer Regierungszeit der Kompromisse eine schwere Niederlage, und diese Diskrepanz trägt die Keime der Spaltung in den französischen Sozialis­mus hinein. Doch auch die bürgerlichen Schichten der westlichen Demokratien fühlen die fortschrei­tende Umfärbung der Begriffe. In England konnte das Losungswort der „nationalen Einheit“ Wunder wirken. In der klassischen Heimat des Parlamen­tarismus kam in einer Stunde nationaler Gefähr­dung ein Parlament auf „unparteimäßiger“, „natio­naler“ Grundlage zustande. In Frankreich wird das Problem „Ordnung oder Freiheit“ in immer schär­ferer Form gestellt, in einer Form, die eine weit­gehende Umdeutung dieser Begriffe erkennen läßt. Es gibt immer mehr Republikaner — und zwar be­zeichnenderweise in verschiedenen Parteilagem ■—, die den liberalen Republikanismus zu einem Ord­nungsprinzip umgestalten, „mit Zähnen und Kral­len“ ausstatten möchten. Ein nicht ganz reinliches Beispiel für dieselbe Tendenz ist das jüngste tsche­chische Gesetz gegen „staatsfeindliche Beamte“. (Hier freilich gilt es, eine dem Namen nach demo­kratische, doch nicht nach allen Seiten liberale staatliche Struktur zu verteidigen.) Was folgt aus dieser ganzen Entwicklung für den politisch denkenden Bürger, der seine Einord­nung in das heutige undurchsichtig gewordene Par­teienwesen sucht? Vor allem ein höchstes Gebot: weniger auf Worte, mehr auf das Wesen zu achten. „Rechts“ oder „links“ haben ihre alte Bedeutung viel­fach verloren; über die Worte „Fortschritt“ oder „Freiheit“ oder „Ordnung“ muß man zu den realen Grundgehalten des Lebens Vordringen. Man muß sich die ganze heutige Zivilisation mit ihren ethischen, geistigen und ästhetischen Werten vergegenwärtigen und sich fragen: Will ich die Erhaltung — Verjün­gung, Umgestaltung •— dieser Zivilisation oder ihre Ersetzung durch eine radikal andere? Denn der Fortbestand unserer Kultur ist fraglich geworden. Erhaltung und Fortbildung dieser Kultur sind mög­lich auch ohne Konfiszierung der persönlichen Frei­heit; und nicht jede Konfiszierung der Freiheit wirkt kulturerhaltend und fördernd. Heute, da die meisten alten Orientierungspunkte hinfällig geworden sind, muß man sich mehr als je an die kulturellen und ethischen Gesichtspunkte halten, die dem Staate erst seinen Sinn verleihen. Und politische Systeme sind soviel wert, wie die ethische Ordnung und geistige Produktion, die sie ermöglichen; „an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.“ Rosinchens sieben Bräutigame. Geschichte aus der Altpester Biedermeierzeit, Von MELCHIOR KISS. Herr . Johann Nepomuk Bruckbauer klopfte seine Pfeife an dem eisernen Aschensohützer des Kachelofens aus. Er schob seine blaue Samtmütze zornig auf die Kopfspitze und sagte in tiefster Em­pörung: —• Zuokerrosinehen, du hast Schande über den 'Namen Bruckbauer gebracht. Du bist eine alte Jungfer geblieben. Mit dir habe ich mich tüchtig blamiert. — Oh, auch gestern hat mich der Spezerei­händler Schneider mit den Worten begrüßt: Küsse die Hände, schönste Demoiselle, Ich für mein Teil fühle mich jung. — Gestern bist du wieder um ein Jahr älter ge­worden. — Ach, lassen Sie mich. Ich werd’s Ihnen schon zeigen, Papa ... und damit begab sie sich in die Küche und ließ die Türe krachend ins Schloß fallen. Nun, die Entrüstung dies Zuckerrosinchens war völlig begründet. Ein liebevoller, um seines Kindes Wohl besorgter Vater darf über die nicht gelungene Mariage seiner Tochter keinesfalls Witze reißen. Ein liebender Vater hat zu schweigen oderEntschuldigung­­gründe zu erfinden. Aber Johann Nepomuk Bruck­bauer müßte Asche auf sein kahles Haupt streuen, denn die schreckem-rregendste Vogelscheuche kann die unschuldigsten Vöglein nicht so erfolgreich ver­scheuchen, wie er die auftauchenden Ehe­kandidaten vom Hofe Rosinchens verscheuchte. Kaum war das holde Kind zwanzig Jahre alt, als sich ihre selige Mutter für ein Alter von siebzehn Jahren entschied, und dabei blieb sie, bis die Jung­frau ihr dreißigstes vollendet hatte. Nun war sie knapp zwanzig Jahre alt, als Ludwig Oberhuber aus Altofeh täglich in die Schulgasse kam, um sie zu sehen. Er war ein zwei Meter langer Mann mit goldblondem Bart und leitete erfolgreich sein lukra­­tiges Leichenbeslattungsunternehmen. Je mehr die Menschen weinten, um so zufriedener lächelte er. In dieser Zeit trat die große Choleraepidemie auf, die si> schrecklich in Altofen wütete, daß ihre Wirk­samkeit unserem braven Ludwig drei Eckhäuser eintrug. Sobald die Cholera die kühnsten Träume Lud­wigs verwirklicht hatte, hielt er um die Hand Rosinchens an. Aber der Wahrheit die Ehre: Rosine war dem stattlichen Charon schon vor der Choleraepidemie in Liebe ergeben. Die erwähnten drei Eck­häuser aber bilden in puncto Eheschließung durch­aus keinen Umstand, der die Liebesflammen ver­mindern kann. Was mochte also in Johann Ne­pomuk gefahren sein, daß er den reichen Freier mit den Worten abwies: •— Was? Eine Leichen Wäscherin! Meine Toch­ter! Niemals! Mit dem Stolz eines spanischen Granden schleu­derte Johann Nepomuk dem verdatterten Ludwig die Worte ins Antlitz. Und seht: Bruchhauer, der kein spanischer Grand ist, fügt der Demokratie solch eine blutige Beleidigung zu! Als ob der ungekrönte König der Schulgasse noch nie in seinem Leben etwas gewaschen hätte! Und ob er gewaschen hat, unser Biedermann! Wenn auch nicht die irdischen Reste unserer armen Mit­menschen, sondern etwas viel Garstigeres: schmie­rige Wagenräder! Die zwisohen den einzelnen Berufsgattungen herrschende Antipathie mußte unser armes Rosin­­chen ausbaden. Ihr verwundetes Herz verschloß sich auf lange Jahre. Aber die Zeit heilt alle Wunden und das schmucke Mägdlein zog das liebevolle Interesse eines brünetten Jünglings auf sich. Der neue Freier, ein hoffnungsvolles Mitglied der Beamlenwelt, der Sohn eines Gastwirtes vom Martinsberg, hieß Franz Kugelbauer und war stellvertretender Grandbuch­­nachtragsregistraturspraktikant. Diesmal flüsterte, als der Jüngling seinen feierlichen Antrag machte, nicht der Papa, sondern die Frau Mama der Tochter ins Ohr: — Pfui, er hat Linsen im Gesicht! Die Jahre vergingen. Rosinchen hatte schon die Dreißig überschritten, sich fraulich runde Formen zugelegt. Da begann eines Tages Poldi Goldhammer, der eine sehr beliebte Konditorei in der Hauptgasse be­saß, das Bruckbauersche Haus zu frequentieren. Seine Liebe flammte auf. Und von welch rührender Uneigennützigkeit zeugte es, daß Poldi diese köst­lichen Leckereien alle seiner Angebeteten sandte, da­mit die Liebe nicht nur durch das Ohr, sondern auch durch das Magenchen zu ihr spreche. Und während Papa Bruckbauer mit Hochgenuß die rosinengespick - ten Mandel- und Schokoladebäckereien seinen Schlund hinabgleiten ließ, äußerte sich seine „Dank-' barkeit“ mit duckmäuserischer Hinterlist: — Ja, der Poldi, der versteht’s! Schon seine Großmutter war Lebkuchenbäckerin auf dem Batthyány-Platz. An einem Sankt Anna-Kirchweihtag tauschte sie in der Hütte Küsse mit einem Soldaten, der ihr ein Lebkuchenherz abkaufte. Da ging das ganze Regiment zu ihr einkaufen. So was! Jéder Soldat kriegte als Draufgabe zu seinem Lebkuchen­herzen einen süßen Schmatz ... Rosinchen war von dieser Enthüllung lief er­schüttert. Wenn bei Poldis Großmutter von seiten des Heeres so große Nachfrage nach Küssen herrschte, so konnte sich dieser Sachverhalt bei ihrem Enkel leicht wiederholen. Nein, nach so stürmischen Ante­­zedenzien mußte ein von wolkenlosem Glück träu­mendes Mädchenherz dem gefährlichen Blaubart die Türe verschließen. Der vierte Rosenkavalier tauchte nach einigen Jahren in der Person des Gemischtwarenhändlers Peter Wurm auf, in dessen „Zur Goldenen Gans“ benannten Laden Rosine des öftem Haarpomade und Schuhwichse und .Wagenschmiere einkaufte. Das Geschäft blühte und Peter dachte, die Brackbauerische würde gern die günstige Gelegen­heit wahrnehmen,. um sich aus den sänftlich er­drückenden Armen der liebenden Eltern zu retten. ■— Sagen Sie mal, Herr Wurm, wo sind Sie eigentlich geboren? fragte eines Tages das Fräulein den Bewerber. — In Pozsony, klang die für Rosa beglückende Antwort. — Nun, daun fat’s gut. Denn mein Papa pflegt Vom Ta ge* Die Rundfunkrede des Ministerpräsidenten Gömbös. Wie das Ung. Tel.-Korr.-Bureau erfährt, wird Mini­sterpräsident Julius Gömbös morgen, Punkt 9 Uhr abend, im Budapester Studio in der Sá.ndor-ucca seine angekündigte Rundfunkrede halten, in der er sich mit allen aktuellen außen-, innen- und wirtschaftspolitischen Problemen des Landes beschäftigen und die Pläne der Regierung in diesen Belangen beleuchten wird. Die Rundfunkrede des Ministerpräsidenten wird voraussicht­lich 30 bis 40 Minuten dauern ■ ,-s • . —'-----——rS(\. .... GROSSBRITANNIEN. Neuer Versuch zur Ankurbelung der Abrüstungs­konferenz. London, 31. Juli. (Bud. Korr.) In einem Brief an die Times macht Lord Allan of Hmtwood, ein guter Freund Macdonalds, den Vorschlag, auf der Abrüstungskonferenz eine Organisation der gegenseitigen Unterstützung gegen eine Nation erwägen zu lassen, die recMsmäßig als Angreifer erklärt worden ist. Er glaubt, daß dadurch nicht nur jeder Nation ein­schließlich Englands und Frankreichs ein neues Gefühl der Sicherheit gegeben werden, sondern, daß dadiuroh auch die Abrüstung möglich zu machen sei. England könne keine neuen militärischen Verpflichtungen übernehmen, da es sonst in die Frage der Wiederaufrüstung verwickelt würde. Aus der Aussprache auf der Abrüstungskonferenz gehe deutlich hervor, daß jede Herabsetzung der Rüstun­gen von einem Abkommen aller Nationen begleitet werden müsse, in dem die 'bestehenden Völkerbund Verpflichtungen in ein neues, praktischeres Gewand gekleidet seien. Es sei eine Schwäche des englischen Abrüstungsplans, daß man diesen Punkt nicht genügend berücksichtigt hat. Gandhi verhaftet. Bombay, 31. Juli. (Bud. Korr.) Mit der erneuten Verhaftung Gandhis wird hier stündlich gerechnet, da der Maihiatma seinen neuen Ungdiorsamkeitsmarsoh auf Dienstag fest, gesetzt hat. Die Presseerklärungen Gandhis, worin er von seiner „heiligen Mission“ spricht, sind von der Zensur, verböten worden. Gandhi hat seine Anhänger angewiesen, den Marsch auch im Falle seiper Verhaftung durchzuführen. Gandhi erklärte: „Wir wollen die Botschaft der Furchtlosigkeit in jedes Dorf tragen.“ Da keinerlei Geldmittel müge. nommen werden sollen, sind Gandhi und seine Marsch­teilnehmer auf die Wohltätigkeit der Leute angewiesen. -Das unmittelbare Ziel ist das Dorf Ras, <}as bei dem letzten TJngéhorsamkeitsfeldzug am meisten gelitten hatte. Gandhi erklärte am Montag: „Wir haben bisher keinerlei Gewalt angewandt, weil wir hilflos sind. Wir würden aber Gewalt anwenden, wenn wir es erfolgreich tun könnten.“ Ahmedabad, 31. Juli. (Havas.) Gandhi, der eine neue großangelegte Wider- Standsbewegung auf „individueller“ Grundlage anzetteln wollte und hierüber Erklärungen abgegeben hatte, ist samt seiner Frau verhaftet worden. Der bevorstehende Fliegerangriff auf den BajaurL Stamm. London, 31. Juli. (iBud. Korr.) Vier englische Bombenflugzeug­geschwader überflogen am Montag das Gebiet des Bajauri- Stammes in der indischen Nordwestprovin« und drohten in Flugblättern mit einem Luftbombardement am Diens­tag morgen, falls die drei Rädelsführer der letzten Un­ruhen nicht sofort ausgeliefert würden. Die englischen' Flugzeuge wurden heftig beschossen. Der Haupträdels­­führer ist der sogenannte „wilde Fakir", der Ansprüche auf den Thron von Afghanistan erhebt. Die Bajauri beschossen am Montag auch eine An­zahl von Arbeitern, die im Auftrag der englischen Truppen die Anmarschstraßen nach dem Unruhegebiet in Stand setzten. Mehrere britisch-indische Regimenter und zwei Bat. terien trafen am Montag in der Umgebung des. Unruhe­gebietes ein. Infolge der großen Hitze wurde beschlossen, keine weißen Truppen ein-zusetzen. Die englische Préssé beiiützt die Gelegenheit, um für die Forderung auf der Abrüstungskonferenz Propaganda zu machen, daß England in seinen Kolonialgebieten Bomben abwerfen dürfte. In mehreren Blättern werden die an sich nicht ungewöhnlichen Unruhen groß auf* gemacht. In den Kommentaren wird erklärt, daß sie ein neuer 'Beweis für die Notwendigkeit des Luftbo mbar de­ments seien. So schreibt die Rothermere-Presse, daß die Dienstag, 1. August 1933

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