Pester Lloyd - esti kiadás, 1933. október (80. évfolyam, 223-247. szám)
1933-10-02 / 223. szám
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Administration des Pester Lloyd und in den Annoncen- Bureaus: Balogh Sándor, J.BIookner, J.BIau, Boros, Braun, Josef Erdős, Győri & Harsányt, Haasenstein & Vogler, Cornel Leopold, Julius Leopold, Magy. hirdető« Iroda, Mossa Rudolf A.-G., Julius Tenzer, Uray. Generalvertretung des Pester Lloyd für Oesterreich: BI. Duke3 Nachf. A.-G^ Wien, Wollzeile 16. Einzelnummer tür Budapest und tüi die Provinz: Morgenblatt an Wochentagen 16 Heller, an Sohnlagen 32 Heller, Abendblatt 10 Heller. — Für Oesterreloh: Morgenblatt an Wochentagen 30 Gr., an Sonntagen 40 Gr. und Abendblatt 20 Gr. Redaktion u.Adm.: V., MáriaValőria-uooalíi. Telenhon der Administration: 849-09. 80, Jahrgang. Budapest, Montag, 2. Oktober 1933. Nr. 223 Auslandschau — 2. Oktober. — Außenminister Kánya über seine Genfer Besprechungen. Ministerpräsident Gömbös empfing heute zu einer längeren Unterredung den Außenminister Kánya, der gestern ans Genf nach Budapest zurückgdkehrt war und heute vormittag über seine in Genf geführten Besprechungen und gewonnenen Eindrücke Bericht erstattete. Nach der Unterredung mit dem Ministerpräsidenten äußerte sich Außenminister Koloman _v, Kánya über die wirtschaftlichen Probleme Mitteleuropas und über den jüngst veröffentlichten italienischen Plan wie folgt: — Vor allem möchte ich betonen, daß ich in ■Genf keine formellen Verhandlungen, sondern bloß Konversationen und informative Unterredungen geführt habe. Was den vor einigen Tagen publik gewordenen italienischen Plan anbelangt, so betone ich mit besonderem Nachdruck, daß dieser Plan von «Men Nachfolgestaaten, in erster Reihe aber auch von Ungarn mit besonderer Freude begrüßt worden ist, was auch natürlich ist, weil das Wesen des italienischen Vorschlages darin besteht, für die Agrarprodukte der Donaustaaten präferenzieile Behandlungen zu sichern, und zwar nicht bloß für Getreide, fwie dies in Strcsa seinerzeit vereinbart worden ist, sondern auch für andere Agrarprodukte, wie auch für Industrieartikel zugunsten Österreichs. Auf die Frage, ob eine gewisse Aussicht besteht, idaß der Vorschlag der italienischen Regierung zur praktischen Verwirklichung kommt, gab Außenminister Kánya die folgende Antwort: — Die in Stresa getroffenen Vereinbarungen bestehen heute noch, aber bloß auf Papier; denn praktisch konnte bisher nichts verwirklicht werden. Das Ziel besteht demnach für uns darin, die Beschlüsse der Strfesaer Konferenz in praktischen Formen verwirklichen zu können; denn dies würde ein eminentes Interesse für Mitteleuropa bedeuten. Was die Haltung der Kleinen Entente betrifft, über die eine Frage an den Minister gerichtet worden ist, sagte Minister Kánya folgendes; •j— Den guten Willen müßte man eben damit beweisen, daß man die Stresaer Beschlüsse praktisch verwirklicht. Wenn man diese Vereinbarungen zur Geltendmachung politischer Gesichtspunkte zu verwerten versucht, insbesondere wenn man aus der wirtschaftlichen Annäherung politischen Nutzen herausschlagen wollte, dann werden alle Resolutionen vergeblich bleiben. Wir wollen keineswegs einer iwirtschaftlichen Annäherung im Wege stehen, aber diese Annäherung darf keine politischen Ziele verfolgen und darf keineswegs die Absicht verraten, uns iwf politischem Gebiet auf die Knie zu zwingen. — Ich betone nochmals, sagte Außenminister Kánya, daß die italienischen Anregungen ausdrücklich wirtschaftlicher Natur seien, und ich würde mich sehr freuen, wenn sich diesen Anregungen alle Staaten anschließen würden. Auf die Frage, ob die diplomatischen Konversationen über den Plan der italienischen Regierung die bereits im Zuge befindlichen Verhandlungen über bilaterale Verträge nicht stören würden, antwortete Minister Kánya folgendes: ■— Hievon kann keine Rede sein, die beiden iVerhandlungskomplexe schließen einander keineswegs aus. Im Gegenteil, man müßte trachten, diese bilateralen Verträge den von Italien angeregten Ideen anzupassen. Was die mit der Tschecho-Slojwakei bevorstehenden Verhandlungen anbetrifft, so handelt es sich bei den geplanten Verhandlungen fast ausschließlich um Warenaustausch auf kompensativer Grundlage, während der italienische Plan sich auf einen größeren zusammenfassenden Komplex bezieht. Eine Diskussion über die Donaufragc. Die neueste Nummer der Nouvellc Revue de Hongrie veröffentlicht eine außerordentlich interessante Diskussion zwischen dem bekannten englischen Publizisten Major E. W. Polson-Newman, dem ehemaligen Vizepräsidenten der Radikalen Partei in Frankreich Jacques Kayser und dem ungarischen Oberhausmitglied Baron Moritz Kornfeld über die Donaufrage, der infolge der jüngsten Wiederaufrollung dieses Problems in Genf eine besondere Aktualität zu kommt. Der Artikel Polson-N ewmans befaßt sich nach einer feinen und verständnisvollen Charakteristik der ungarischen Volkspsyche und der historischen Stellung Nachkriegsungams mit den Re■ visionsforderungen der ungarischen Politik. Wenngleich der englische Publizist die Integritätsforderungen mit kritischem Auge betrachtet, so hält er ernste Grenzberichtigungen zugunsten Ungarns nicht nur für möglich, sondern auch für notwendig, um der gegenwärtigen anormalen Lage ein Ende zu bereiten und die rein ungarischen Gebiete wieder dem Mutterland zuzuführen. Der englische Publizist gibt der ungarischen Politik den wohlmeinenden Rat, hinsichtlich der Revision auch weiterhin die bisherige ruhige und friedliche Taktik zu. befolgen und sich jederlei extremistischen Übertreibungen zu enthalten. Was die Nachbarstaaten Ungarns betrifft, die in dieser Frage Opfer zu hingen hätten, so glaubt Polson-Newman, daß die Gewinne, die durch eine Grenzberichtigung und durch die, in der Folge entstehende politische und wirtschaftliche Befriedung auf die Dauer entstünden, ihre Opfer mehr als aufwiegen würden. Der englische Publizist erinnert an den Spruch, daß, falls die österreichisch-ungarische Monarchie nicht existiert hätte, sie hätte erfunden werden müssen, und,meint, dies habe zumindest in ökonomischem Sinne auch heute seine Geltung. Polson-Newman erweist sich als Anhänger der breiten ökonomischen Union der Donaustaaten und glaubt, daß eine solche Regelung für Ungarn große Wirtschaftsvorteile bringen würde. Der angesehene französische Politiker Kayser geht von der These aus, daß die Aufrechterhaltung des Friedens das oberste Ziel jeder Politik sein müsse, der gegebenenfalls au li die Aufrechterhaltung des Statusquo geopfert werden sollte. Nach Kayser sind der Nationalismus und die Autarkie die feindlichen Strömungen, die von jeder friedlichen Politik bekämpft werden- müssen, und leider habe auch in den meisten Dönaüstaaten der Nationalismus triumphiert. Der ehemalige Vizepräsident der französischen Radikalen Partei meint, daß die Aufrollung der ungarischen Frage als einer Frage der Grenzrevision keine befriedigende Lösung finden könnte. Auch er tritt für eine ökonomische Lösung des ungarischen Problems durch Bildung von Wirtschaftsententen und einer engen wirtschaftlichen Kooperation durch die Donaustaaten im Rahmen eines geeinten Europa ein. Oberhausmitglied Baron Moritz Kornfeld präzisiert in einem ebenso objektiven wie klaren Essay den ungarischen Standpunkt in der Donaufrage. Er stimmt mit Kayser darin überein, daß die Aufrechlierhaltung des Friedens und nicht des Statusquo die Grundlage der europäischen Politik sein müsse, er betont jedoch, daß man die Wilsonschen Prinzipien, deren angebliche Realisierung nach Kayser das Nationalitätsprinzip verwirklicht und dadurch die Grundlagen eines dauernden Friedens geschaffen hätte, strategischen und wirtschaftlichen Prinzipien geopfert habe. Baron Kornfeld erblickt das wesentliche Element der Geschichte in der nationalen Entwicklung, und er lehnt es ab, die Idee der Nation wirtschaftlichen Prinzipien unterordnen zu wollen. Aber auch im rein Wirtschaftlichen war es nicht Ungarn, das eine Autarkiepolitik eingeleitet hat, die ungarische Handelspolitik war vielmehr stets geneigt, Konzessionen auf dem Gebiete der Industrieeinfuhr zu machen, wenn sie dadurch den Agrárexport fördern konnte. Freilich, selbst wenn sämtliche Nachfolgestaaten einer Zollunion der ehemaligen Länder der österreichisch-ungarischen Monarchie zustimmen würden, könnte daraus eine neue Quelle der Zwietracht entstellen, denn die Nachfolgestaaten haben in den letzten anderthalb Jahrzehnten bedeutsame strukturelle Wandlungen durchgemacht, deren gegenseitige Anpassung nicht allein eine gemeinsame Wirtschaftspolitik, sondern das Vorhandensein eines einheitlichen Willens voraussetzen würde. Mit einer feinen Interpretation der Politik Ungarns als eines Kampfes für seine geschichtlichen Ideale schließen die interessanten Ausführungen Baron Kornfelds, die die ungarische Sache in würdiger und geistvoller Art formulieren. Eine unpolitische Gedenkfeier. Vor etwa drei Jahren wurde das britische Weltreich von einem schrecklichen Ereignis erschüttert. Einige Stunden nach dem Start für ©inen Indienflug geriet das Riesenluftschiff „R 101“, ein Stolz der englischen Luftflotte, über Beauvais in Frankreich in Brand und wuFde in einigen Minuten vollkommen zerstört. Mehr als fünfzig Menschenopfer waren zu beklagen: unter den Toten befand sich der hochbegabte Luftfahrtminister des sozialistischen Macdonald-Kabinetts, Lord Thomson, in dem der Premier nicht nur einen begeisterten und idealistisohen Mitarbeiter, sondern auch einen im timen Freund verlor. Die Katastrophe wirkte um so niederschmetternder, als der Flug des „R 101“ als eine eindrucksvolle Demonstration für die Idee der britischen Reichseinheit gedacht war: das modernste Mittel des zwischenkontinentalen Verkehrs, das lenkbare Luftschiff, sollte die Riesendistanz zwischen dem englischen Mutterland und der glänzend« slen Perle, der britischen Krone, Indien, überwinden. Aus der erdumspannenden Geste ist nichts übriggeblieben als schwelende Trümmer und verkohlte Leichen auf der herbstlich durchnäßten französischen Erde. Ganz England war von einer nationalen Trauer ergriffen, und die übrigen Nationen fühlten dem Inselreich die Bitterkeit des Verlustes aufrichtig nach. Jetzt hatte diese furchtbare Katastrophe ein ergreifendes Nachspiel. An der Unglücksstätte bei Beauvais wurde ein Denkmal errichtet, zu dessen Einweihung sich mehrere prominente Mitglieder der englischen und der französischen Regierung zusammenfanden. Die stille Feier, die dem Andenken der Toten des „R 101“ gewidmet wurde, ist natürlich von politischen Nebenrücksichten vollkommen frei geblieben. Der britische Premier sprach aus vollem Herzen, indem er nach der Zeremonie erklärte, der Tag sei für ihn der Erinnerungen und Gemütsbewegungen so voll gewesen, daß keine Zeit für politische Besprechungen übriggeblieben sei' Dip Erinnerung an den Schreckenstag vom 6. Oktober 1930 und an die vielen schweren Sohicksalswendungen seit jener Zeit hat in das stark gealterte,Gesicht des müden Premiers sicher eine neue . Furche gepflügt. Er dachte vielleicht gar nicht an den ungewollt politischen Charakter des Tags, der dank der glänzenden französischen Regie doch zu einer einprägsamen Dokumen tierung der englisch-französischen pohy tischen Waffenbrüderschaft wurde. Von englischer Seite war außer dem Premierminister der Pariser Botschafter Lord Tyrrell zugegen. Die französische Regierung war durch den Ministerpräsidenten Daladier, den Luftfahrtminister Cot und den Postminister Laurent Eynac vertreten, welch letzterer zur Zeit der Katastrophe Luftfahrtminister war. Ministerpräsident Daladjer hielt, eine Rede, in der er hervorhob, daß Frankreich Anteil an der englischen Trauer wünsche, weil es menschlichem Leiden gegenüber nicht teilnahmslos bleiben könne. „Unsere Geschichte, unsere ganze Kultur, die ununterbrochenen Kämpfe der Vernunft haben, führte Daladier aus, im einfachsten Franzosen die Idee erstarken lassen, daß der Mensch dem Menschen gegenüber nie fremd sein kann. Es erübrigt sich, besonders hervorzuheben, wie viel Leiden • England und Frankreich miteinander geteilt, wie viel gemeinsame Trauer und wie viel Hoffnung beide Länder miteinander verknüpft. Das neue Denkmal ist ein neuer Beweis dafür, daß der wahre Mut ruhig und friedlich ist und niemand bedroht. Wir hegten daher den Wunsch, daß hier auf diesem Hügel das Denkmal der Verunglückten des „R 101“ die Bereitschaft der beiden Nationen zum gegenseitigen Verständnis symbolisiere — die feste Grundlage, auf der die englisch-französische Freundschaft beruht. Diese Freundschaft hat den gemeinsamen Willen zur Grundlage, der den friedlichen Charakter des Mutes auf Grund der Idee der Freiheit und des Glaubens an die menschliche Würde wahren will. Wenn wir den Glauben hegen, daß der menschliche Fortschritt nicht durch die Gesetze eines blinden Schicksals gelenkt wird — schloß Daladier —, dann müssen wir den edlen Bestrebungen, die den Interessen des Friedens dienen und die allein zur Größe- der Völker führen können, den Vorrang sichern.“' Nach dem französischen Ministerpräsidenten sprach Macdonald einige Dankesworte. Er hob die Tatsache hervor, daß Frankreich und England gemeinsam das Denkmal der Pioniere errichtet haben, deren Andenken die Geschichte beider Länder beleuchtet. Die Männer der Gegenwart müßten bestrebt sein, zu Pionieren der Zukunft zu werden, Zusammenkünfte, wie diese Feier, hätten mehr Einfluß auf die Freundschaft zweier Völker, al$ geschriebene Dokumente. Nachher fand eine militärische Parade statt, wobei das Denkmal von einem französischen Flugzeug aus bekränzt wurde. Die offiziellen Gäste blieben beim Dejeuner beisammen, das zu angeregten Gesprächen Anlaß gab. Um drei Uhr nachmittags verließen die Gäste Beauvais, den Schauplatz einer, „unpolitischen“ Feier, deren ernste Stimmung jedoch, wie Macdonald sich ausdrückte, die beteiligten I Saatsmänner stark ergriffen hat. Nach der Abreise