Pester Lloyd - esti kiadás, 1934. augusztus (81. évfolyam, 173-197. szám)

1934-08-01 / 173. szám

BESTER LLOYD Unruhen, wenn sie eine Ruhe vor dem Sturm ist, wie die Regierung behauptet. Denn der Hinweis auf vor­handene Gefahren kommt in diesem Falle von der Regierung. Sie hat vor einigen Tagen ein allgemeines iVersammlungsverbot erlassen, so allgemein, daß Selbst kleinere Zusammenkünfte nichtöffentlichen Charakters, aber politischen Inhalts verboten sind. Sie hat in den letzten Tagen darauf aufmerksam ge­macht, daß Putschgefahren drohen, ohne sich aller­dings näher über die Herkunft und Begründung dieser Ansicht auszusprechen. Die Regierung meint Wahrscheinlich einen Putsch von links, die Linke aber malt schon seit vielen Monaten die Gefahr eines monarchistischen Aufstandes an die Wand, und es ist darum leicht verständlich, wenn in einem an po­litische Abenteuer gewohnten Lande wirkliche Ner­vosität ob der kommenden Dinge ausbricht und alle politischen Gruppen sich gegenseitig dunkler Ab­­ßichten beschuldigen. Wie viel Wahrscheinlichkeit diesen Gerüchten innewohnt, ist sehr schwer zu beurteilen. Sicher ist nur, daß die Rechte durch ihre indirekte Beteiligung an der Regierung Samper und vorher schon am Kabinett Lerroux und nach der strengen Behand­lung der Arbeiterorganisationen durch die Verwal­tung viel selbstbewußter geworden ist, während die Linke Gefahren für den Bestand der Republik selbst sieht, einer Republik, die nur der Form nach dem von der Linken geschaffenen Staate ähnelt und sich gegen den entscheidenden Angriff der „Reaktion“ rüstet. Man hört viel von dieser Rüstung, aber man muß wohl fragen, worin sie eigentlich besteht. Es ist allerdings wahr, daß die Männer des „Revolu­tionskomitees“, das seinerzeit die Monarchie stürzte, und die durch starke Gegnerschaft später geschieden waren, jetzt wieder engen Zusammenhang pflegen, von Alcala Zamorra abgesehen, der als Präsident der Repüljük auch dann gouvernamental zu bleiben vorzieht, wenn der Republik selbst Gefahr drohen soll. Aber die einzige große Massenpartei der Linken, die Sozialisten, steht abseits, sie will von Koalitionen mit den Bürgerlichen nichts wissen, und in ihren Reihen gewinnt die Theorie von der Not­wendigkeit der alleinigen Machtübernahme an Boden, ohne daß die Sozialisten sich entschließen könnten, zur politischen Theorie und Praxis ihrer syndikalistischen Gegner abzuschwenken. Prognosen sind bei einer solchen Lage nicht zu stellen. Die Zukunft Spaniens ist unsicher und dunkel. Sein Beispiel zeigt wieder einmal, daß historisch Gewor­denes, wenn es auch noch so morsch ist, nicht leicht durch ein Neues ersetzt werden kann. • a® Mittwoch, T. August 1934 ___ 89 Die Ereignisse in Österreich. Die Ministerliste der Putschisten. iW'ien, 1. August. (Bud. Korr.)1 Wie das Journal erfährt, hatten die Putschisten für den Fall des Gelingens des Auf­standes folgende Ministerliste aufgestellt: Bundes­kanzler: Dr. Rintelen; Vizekanzler: Theo Habicht; Minister für auswärtige Angelegenheiten: Universi­tätsprofessor Hugelmann; Heeresminister: General Wagner; Heeresinspektor: Feldmarschalleutnant Dr. Bardolff; Sicherheitsminister: Polizeipräsident a. D. Brandt; Propagandaminister: Gauleiter Frauenfeld; Staatssekretär für Pressewesen: Dr. Hans Hartmayer, Korrespondent mehrerer reichsdeutscher Zeitungen; Unterrichtsminister: Rektor a. D. Graf Gleispach; Landwirtschaftsminister: Vizekanzler a. D. Winkler; Handelsminister: Dr. Ápold, Generaldirektor der Al­pine Montangesellschaft; Minister für soziale Verwal­tung: Dr. Neubacher, Präsident der Gesiba; Justiz­minister: Rechtsanwalt Dr. Bernwieser; Finanzmini­ster: Direktor Sacher von der DÖZ; Gesandter in Berlin: Chefredakteur Schattenfroh der DÖZ; Staats­sekretäre: Gauleiter Iiother, Gauleiter Hofer, ehe­maliger Heimwehrführer Kammerhofer und Polizei­direktor Dr. Steinhäusl. Diese Liste ist bezeichnend, da die National­sozialisten zwölf führende Posten im neuen Kabinett besetzen wollten. Dr. Rintelen hätte nur einen seiner Anhänger untergehracht. Winkler wurde mitgenom­men. Der frühere Landesleiter Proksch, der öfter zur Mäßigung aufgefordert hatte, wurde in die Liste nicht aufgenommen. Habicht und Frauenfeld hielten sich am Flugplatz bereit, um im Falle des Gelingens des Putsches, rechtzeitig zur Regierungsbildung nach Wien kommen zu können. Die Militärgerichtsverhandlung in Innsbruck. (Telegramm unseres Korrespondenten.) Wien, [i. August. Heute vormittag trat im Innsbrucker Landes­gericht ein Militärgericht aus Wien zusammen, um gegen den Mörder des Polizeistabshauptnianns Franz Hickl das Urteil zu fällen. Angeklagt sind der 26 Jahre alte arbeitslose Handelsangestellte Friedrich Wurnick, der Täterschaft und der 32 Jahre alte Elektrotechniker Christian Neger der Mithilfe zum Morde. In der Anklagerede führte der Staatsanwalt aus, daß der Mord gerade an dem Tage erfolgte, da der Bundeskanzler Dollfuß einem scheußlichen Mordanschlage in Wien zum Opfer fiel- Fast zur gleichen Stunde fiel auch von ruchloser Hand der Kommandant der Staatspolizei in Innsbruck, Stabs­hauptmann Franz Hickl. Auch hier wurden die Schüsse aus unmittelbarer Nähe abgegeben. Es wur­den drei Schüsse abgefeuert, die alle tödlich waren. Der Täter Wurnick wollte auf seinem Fahrrade flüchten, wurde aber eingeholt und verhaftet. Der Aufpasser und Mithelfer Christian Neyer, der eben­falls festgenommen wurde, hatte in seiner Tasche ein ganzes Magazin Pistolenmunition. Der Innshruk­­ker Mord stehe in engem Zusammenhänge mit den letzten Ereignissen, da kurz vorher durch die Ravag die falsche Nachricht vom Rücktritt der Regierung verkündet worden war. Der Mörder behauptet, die Waffe von einem befreundeten SS-Mann erhalten zu haben- Er sprach sehr leise und war schwer zu be­wegen, seine Aussage mit lauter Stimme abzugeben. Die Alpine Montan — Herd des Putsches. Wien, 1. August. (U. T.-K.-B.) Über die Verhältnisse bei der Alpine Montan-Gesellschaft macht der stellvertretende Vor­sitzende des Gewerkschaftsbundes und frühere Abgeord­nete Lengauer ün Telegraph Mitteilungen, die die Alpine als nationalsozialistische Zelle darstellen, von der aus die jüngste Aufstandsbewegung ihren Ausgang genommen habe. Der Leiter dieser Bewegung sei Oiberingenieur Kanzl gewesen, der auch mit anderen leitenden Beamten verhaf­tet worden 9*9. Zwanzig weitere Putschisten vor dem Militärgericht. Wien, Í. August. (Inf.) Die Untersuchung gegen den dritten An­führer der Putschisten, die in das Bundeskanzleramt eingedrungen sind, Paul Hudl, ist gestern abgeschlos­sen worden. Hudl wurde dem Landesgericht über­stellt und wird noch wahrscheinlich im Laufe des heutigen Tages dem Militärgericht zur Aburteilung vorgeführt werden. Auch sonst sind die polizeilichen Erhebungen gegen die Rädelsführer der Terroristen weiter vor­geschritten. Es wurden zwanzig Personen festgestellt, die die einzelnen Trupps die Stiegen des Kanzlei­­amtes hinauf und in die Bureauräume hereingeführt haben. Einige von ihnen leugneten beharrlich, doch sind die Aussagen ihrer Komplicen so belastend, daß an ihrer Schuld nicht gezweifelt werden kann. Auch diese zwanzig Rädelsführer werden noch im Laufe dieser Woche durch das Militärgericht abgeurteilt werden. Die Untersuchung gegen die Putschisten. Wien, 1. August. (Bud. Korr.) Die Untersuchung gegen die Aufrührer vom 25. Juli und über die Vorbereitung zum Putsch, die vom Generalprokurator Dr. Winterstein geleitet wird, macht rasche Fortschritte. Bereits in der allernächsten Zeit wird der Öffentlichkeit zunächst eine allgemeine, zu­sammenfassende und umfangreiche Darstellung gegeben werden, die Aufklärungen über den Putsch, seine Hinter­gründe und seine Hintermänner enthalten wird. Ein Landgeriehtsrat verhaftet. Berlin, 1. August. Aus Wien wird dem DNB gemeldet: Der Wiener Landgerichtsrat Dr. Wenger wurde wegen hochverräteri­scher Handlungen verhaftet und dem Landesgericht ein­geliefert. Widersprechende Nachrichten über Nagelstock. Wien, 1. August. (Privat.) Über Dr. Nagelstock, den bisherigen Leiter des Neuen Wiener Journal, liegen widersprechende Mel­dungen vor. Während eine Ischler Meldung des Tagblattes besagt, daß Dr. Nagelstook sich dort auf freiem Fuß be­finde und mit der Affäre Rintelen nicht im Zusammen­hang stehe, sagt der Telegraph, daß er sich zur Verfügung der Polizei halten müsse. Eine geheime Sendeanlage. Wien, 1. August. (Inf.) In Kärnten wurde eine geheime Sendeanlage in der Wirtschaft des Besitzers Vögelitz in Murbruck ge­funden. Es handelt sich um eine komplette Sendeanlage, die während der Ereignisse vom 25. Juli und an den fol­genden Tagen im Dienste der Aufrührer gestanden hat. Vögelitz ist flüchtig. Keine Besetzung des Landeshaupt­mannpostens in Nicderösterreieh. Wien, 1. August, (Bud. Korr.) Wie die Reichspost erfährt, wird an Stelle des gestern zum Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft ernannten Landeshauptmanns von Niederösterreich Reither keine Neuwahl erfolgen. Die Funktion des Landeshauptmanns wird vorläufig auf die Dauer der Ministerschaft Reithers ruhen. Die Referate des Landeshauptmanns Reither werden auf die übrigen Mitglieder der Landesregierung aufgeteilt werden. Ein Danktelegramm der Witwe Dollfuß. Die Witwe des österreichischen Bundeskanzlers Dr. Dollfuß, Frau Malviné Dollfuß, hat an den Budapester Vizebürgermeister Andreas Liber folgendes Danktele­gramm gesandt; — Tiefgerührt durch die Teilnahme, die Sie, Herr Vizebürgermeister, im eigenen Namen und im Namen der Haupt- und Residenzstadt Budapest mir bekundet haben, bitte ich meinen wärmsten Dank entgegenzunehmen. ; äl Ivtne. Dollfuß, Noch immer keine Entscheidung über Papén, Wien, 1. August. (Privat.) Die Frage der Erteilung des Agréments für Herrn Papén ist im Augenblick noch nicht ge­klärt. Irgendeine amtliche Äußerung darüber lieg! nicht vor. Von zuverlässiger Seite wird mitgeteilt, daß die österreichischen Bischöfe beschlossen haben, im Falle der Erteilung des Agréments für Herrn von Papén, mit ihm keinerlei gesellschaftlichen Ver­­kehr zu pflegen. Dieser Beschluß steht im Zusam­menhang mit der bekannten Gleiwitzer Rede von Papens, durch die er das österreichische Episkopat beleidigt habe. Die Münchner Landesleitung der öster­reichischen NSDAP arbeitet weiter. Wien, 1, August. (Bud. Korr.)' Der Reichspost wird aus München gemeldet: Die nationalsozialistische Landesleitung für den Gau Österreich ist hier immer noch in vollem Be­­trieb. Die Order Hitlers, daß Habicht seines Amtes enthoben und zur Disposition gestellt sei, hat nichts zu ändern vermocht. Habicht führt zurzeit zwar nicht das Kommando der Landesleitung, sondern Frauen­feld, und dieser erklärt jedem, der es hören will, daß die Aktion weitergeht. Man hat allerdings den Ein­druck, daß diese Gesellschaft keine rechte Vorstel­lung von dem Débacle hat, das ihre Anhängerschaft und ihre Opfer in Österreich erreicht haben, und noch weniger von der Haltung und den Maßnahmen Italiens, die doch selbst den Borniertesten in der Landesleitung die völlige Hoffnungslosigkeit ihres Vorgehens zum Bewußtsein bringen mußten« Der Überfall auf das Bundes-' kanzleramt. Wien, £. August (Inf.) Mit besonderem Nachdruck ist die Untersuchung bemüht, die Frage aufzuklären, wo die Monturen und die Waffen verborgen gehalten wurden, mit denen die Auf­ständischen in der Turnhalle ausgerüstet worden sind. Nur etwa 20 Personen hatten eigene Ausrüstungsgegen­stände mitgebracht. Die anderen haben sich dort ange­kleidet und bewaffnet. Gestern konnte festgestellt wer­den, daß eines der Lastautomobile, das die Putschisten nachher zum Bundeskanzleramt gebracht hat, kurz nach viertel 1 Uhr nachmittags hochbepadkt vor der Turnhalle vargefahren war. Von dem Automobil wurden mehrere Kisten mit fast neuen M ili tä rmon tu ren, Munition, Bajonetten, Leibriemen und Pistolen abgeladen. Die Er­hebungen haben nun ergeben, daß diese Kisten auf einem Holzlagerplatz im XX. Wiener Gemeindebezirk verborgen gehalten und Mittwoch vormittag verladen worden sind. Der Besitzer des Lagerplatzes wurde fest­genommen. Ein Teil der Waffen wurde einem sogenann­ten „Handdepot“ entnommen, das illegalerweise mit Waffen beliefert worden war. Gestern, nach Beendigung der polizeilichen Voruntersuchung, wurde der Holz­händler Hudl dem Militärgericht überstellt. Hudl hattö Majorsunifor-m angelegt und teilte sich in das Kommando der Putschisten mit dem als Hauptmann uniformierten Franz Ho'lzweber. Die Truppe der 150 Rebellen wurde in ihren Unterabteilungen von 20 Personen kommandiert, die auch die einzelnen Gruppen die Stiegen hinauf und in die Bureauräume des Kanzleramtes hineinführten. Obwohl einige von ihnen beharrlich leugnen, Weisungen gegeben zu -haben, werden sie doch durch die Aussagen ihrer Komplicen schwer belastet. Ihre Überstellung an das Militärgericht wird noch im Laufe dieser Woche er­folgen. Frau Dollfuß in Riccione. Rom, 1. August. (Inf.) Über die Rückkehr der Frau Dollfuß nach Riccione werden noch folgende Einzelheiten gemeldet: Am Bahnhof wurde sie von der Gattin des italienischen Minister­präsidenten und ihren Kindern, sowie von zahlreichen Persönlichkeiten abgeholt. Beim Wiedersehen mit ihren Kindern brach Frau Dollfuß in Tränen aus. Sie umarmte die Gattin Mussolinis und dankte ihr für den ihren Kin­dern gewährten liebevollen Beistand. In Begleitung der Baronin Karwinsky fuhr sie dann nach der Villa San Angelo am Meer, wo sie noch einige Zeit verbringen wird. Die Kinder von Frau Dollfuß wußten noch nichts von dem tragischen Schicksal ihres Vaters, nur das Mädchen begann etwas zu ahnen, als sie die Mutter am Telephon schluchzen hörte, als die Kleine ihr sagte: „Komm mit Vater zurück!“ Das Mädchen war seitdem nicht mehr zu beruhigen. Die Kinder waren täglich Gäste im Hause Mussolinis und Spielgefährten seiner Kinder. Die ganze italienische Bevölkerung nimmt lebhaft Anteil an dem Schicksal der schwergeprüften Gattin. Ein verfrühtes Dollfuß-Mordgerücht am 30. Juni. (Telegramm unseres Korrespondenten.3 Wien, 1. August« Der Direktor des Österreichischen Historischen Insti­tuts in Rom, Universitätsprofessor Dr. Dingt, der zum engeren Freundeskreis des verewigten Bundeskanzlers zählte, schreibt der Reichspost: — Ich sprach mit Österreichs großem Kanzler anläß­lich seines letzten Aufenthaltes in Innsbruck am 30. Juni nach dem Festakt im Rahmen des Stiftungsfestes der Ver­bindung Austria beim Mittagessen zum letzten Male. Wir sprachen über seine bevorstehende Fahrt nach Riccione. Da brachte plötzlich ein Bote die Nachricht, in Deutsch­land sei die Meldung verbreite!, Dollfuß sei in Innsbruck' ermordet worden. Wir lachten alle, auch der Kanzler lachte und ich sagte: „Der Kanzler ist tot! Es lebe erst recht unser geliebter Kanzler!“ Die Anwesenden stimm­ten in den Ruf „Hoch Dollfuß!“ ein. Das war meine letzte Unterredung mit ihm.

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