Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1935. június (82. évfolyam, 124-146. szám)

1935-06-01 / 124. szám

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'(—ti.)1 Der dramatische Rücktritt der Flandin­­•Regierung hat in der französischen Politik eine un­sichere Lage geschaffen. Wird es dem geschmeidi­gen Herrn Bouisson, dem ehemaligen Sozialisten, der sich bei allen Parteien Sympathien zu sichern wußte, gelingen, eine Regierung der breiten Koali­tion zu bilden, mit dem Programm, den Franc gegen die in- und ausländische Spekulation und die Ab­wertungsgelüste gewisser Interessengruppen zu ver­teidigen? Dies ist die Frage der Stunde; gleich da­hinter drängen sich aber andere Fragen auf, die den langfristigen Aspekt der jetzigen Lage berühren, ihren Ursprung und ihre Folgen. Die Kammer hat sich gegen Flandin ausgesprochen, hat ihm die außerordentlichen Vollmachten, die er zur Verteidi­gung des Franc verlangt hatte, verweigert. Gleich­zeitig scheint sie aber in ihrer großen Mehrheit an der Werthestänidigkeit der Währung festzuhalten. Ob nun Bouissons Versuch glückt oder nicht, eines scheint festzustehen: die nächste Regierung wird ebenso entschlossen die Verteddigungsschlacht des Goldfranc schlagen, wie Flandin es getan hat. Viel­leicht wird sie sogar außerordentliche Vollmachten bekommen, die Flandin verweigert wurden. Wenn dem aber so ist, dann muß man fragen, warum Flandin umsonst die Kammer beschwor -— warum die launenhafte und uneinige Sozialistischradikale Partei ihm die Unterstützung verweigerte, die säe dem neuen Manne, der programmatisch kaum etwas Neues bringen dürfte, sicher gönnen wird. Um diese Frage zu beantworten, muß vor allem an die Ent­stehungsgeschichte der Flandin-Regierung erinnert werden. Sie übernahm am 9. November v. J. das Erbe Doumergues, den die Kammer zu Falle gebracht hatte, weil er weitgehende Staatsreformpläne betrieb, deren Ziel vor allem darin bestand, dtie Rechte der Regierung auf Kosten der Prärogativen der Kammer zu erweitern. Den äußeren Anlaß zum Sturze Dou­­mergues bildete seine Vorlage über die Einräumung von drei Budgetzwölfteln für das Jahr 1935 — einer Atempause also, die die Verwirklichung der Verfas­sungsreform 'ermöglichen sollte. Die Radikalen, die sich um der nationalen Einheit willen Doumergue angeschlossen hatten, stürzten ihn, als er an die Vorrechte des Parlaments zu rühren wagte. Sein Nachfolger wurde Flandin, der die Formel der na­tionalen Einheit beibehielt, seine Mehrheit noch ent­schiedener als Doumergue auf die Radikalen grün­dete — und dabei klug genug war, die Staatsreform­pläne seines Vorgängers beiseitezuschieben. Als ein­zige Reform wurde die Schaffung eines Minister­präsidiums verwirklicht. Während früher der „Prä­sident des Minister rates* ‘, wie der Ministerpräsident hieß, keine eigenen Amtslokalitäten besaß und sich mit einem aus Gefälligkeit überlassenen Raume am Quai d’Orsay begnügen mußte, wenn er selbst kein Portefeuille bekleidete, wurde jetzt das historische Palais Matignon, wo sich früher die österreichisch­ungarische Botschaft befunden hatte, für die Zwecke des Ministerpräsidiums eingerichtet. Damit aber hörte die Staatsreformtätigkeit auf. Und die Radika­len lehnten sich jetzt gegen Flandin ebenso wirksam auf, wie gegen seinen Vorgänger — weil der Mini­sterpräsident Rechte verlangt hatte, durch die das Kontrollrecht der Kammer geschmälert worden wäre. Es lohnt sich, den psychologischen Mechanismus etwas genauer zu erforschen, der die auffallenden Wendungen des französischen politischen Lebens be­wirkt hafte. Was sich hier abspielt, ist ja das Drama des echtesten parlamentarischen Regimes, das sich heute, in einer Welt der Krise und der unkontrollier­baren Massenkräfte trotz allein zu behaupten sucht. Die Unruhen des Stavisiki-Skandals hatten vor anderthalb Jahren Kräfte entfesselt, in deren Wirbel das parlamentarisch-demokratische Regime unterzu­gehen drohte. Die Straße tobte gegen die Radikalen, gegen das Kartell, gegen die parlamentarische Demo­kratie. Da fand sich die bürgerliche Linke zu einem opfervollen Kompromiß beredt: sie unterstützte die Rechtsregierung Doumergues, um den nationalisti­schen Ansturm gegen das demokratische System ab­zuwehren. Dem Versuch Doumergues gebührt zweifel­los das Verdienst, den schon entarteten politischen Kampf wieder in urbanere Formen gezwängt zu haben. Aber der Kampf ging weiter. Doumergues eigenes Schicksal zeigt, daß die Radikalen ihm kein unbegrenztes Vertrauen entgegengebracht haben. In seinen Staatsreformplänen witterte man Gefahren für den demokratisch-parlamentarischen Staat. Flandins Sturz muß auf ähnliche psychologische Motive zurückgeführt werden. Die politische Aus­einandersetzung beginnt seit einiger Zeit in den Massen wieder schärfere Formen anzunehmen. Die antifaszistisehe Pairole gewinnt in den Massen an Boden: sie diente dazu, den Kommunisten neue Schichten aus dem Kreise der unzufriedenen kleinen Existenzen zuzuführen. Die Gemeindewahlen haben den „roten Gürtel“ um das Pariser Zentrum gestärkt. Eine elektrische Ladung der politischen Nervosität beginnt wieder in den Massen zu zittern: das Feuer­kreuz veranstaltet Aufmärsche, die Rechts- und Linksverbände drohen mit Gewalt... Dazu kommt die Unsicherheit um den Franc, die nicht nur durch das wieder emporschnellende Defizit, sondern auch durch die hartnäckige politische Agitation der In­flations freunde um Tardieu und Reynaud genährt wird: die Spekulation geht immer dreister dazu über, auf diese.Karte zu setzen. In dieser Atmosphäre konnte es in der Tat immer fragwürdiger werden, ob die Regierung und die Banane de France noch lange imstande sein würden, die einreißende Flut der Währungspanik mit dem Golddanun der Bank­reserven aufzuhalten. In dieser Lage wollte Flandin die größte Tat seines Lebens vollenden. Bleich und abgemagert, den gebrochenen rechten Arm auf eine rotsamtene Lehne stützend, stand der hohe, robuste Mann auf der Tribüne der Kammer, einer kühlen Menge gegenüber, die schon seinen Sturz beschlossen hatte. Würde es gelingen, durch rednerische Gewalt diese unerbittliche und unzugängliche Menschenschar umzustimmen, die in jenem Augenblick so bewußt die Souveränität des französischen Volkes vérkör» pert? Mit matter, von Krankheit und Übermüdung gebrochener Stimme entwirft Flandin vor der Kam­mer ein rührendes Bild der Menschen aus dem Volke, der alten Leute, die ihre ganze Hoffnung auf ihr kleines Sparvermögen gesetzt hatten. Sollen jetzt die Sparer und Rentner, dieses Rückgrat der fran­zösischen Mittelklasse — einer Mittelklasse, der die große Mehrheit des Volkes angehört —, partikula­ren Interessen geopfert werden? Soll ihr Patron, der Staat, im Besitze der größten Goldreserve der Welt, einer Schar hungriger Spekulanten den Franc, dieses Palladium der inneren Ordnung und Stabilität Frankreichs, opfern? Nur gegen diese Spekulanten, spricht Flandin, gegen Verbrecher an der Sicherheit und Ruhe Frankreichs, sollen die außerordentlichen Vollmachten benützt werden, Flandin beschwört die Kammer: er ist kein Faszist, ér will die demokratischen Freiheitsrechte nicht an­tasten. Sein einziges Ziel ist es, den Franc gegen die Spekulation zu verteidigen. Dann werden seine Feuilleton« Wenn die Sonne zum Vorschein kommt. Novelle. Von ALEXANDER SÁSDL : \ i. Am siebzehnten Juni 1934 brachte der Operateur Dr. Fritz Hutter seine langjährige Geliebte ums Leben. Hier folgt die Geschichte: „Ich halte das nicht mehr aus“, sagte er an jenem Sommerabend zu ihr. Sie saßen beim Tee, die Fenster waren geöffnet, unten von der Ring­straße hörte man das Ausrufen der Abendblätter herauf. „Was hältst du nicht mehr aus?“ fragte die schlanke, schwarzhaarige Frau und Schreck blitzte in ihren Augen auf. Dr. Hutter griff über den Tisch hinweg nach Judiths schmaler, langgefingerter Hand: „Du mußt begreifen, ich ertrage dieses seit acht Jahren währende Versteokensspiel nicht länger. Dein Mann ... dein Sohn , , , dieses Getuschel und Gezische! und Gerede .., ich kann’s länger nicht mehr tragen.“ „Kannst nicht? Weil du mich nicht mehr liebst, sag’s nur frank und frei heraus, daß es aus ist, daß du mich nicht mehr liebst, mich vielleicht auch nie­mals geliebt hast.“ ' „Ich habe dich immer geliebt und liebe dich auch jetzt noch, das weißt du ganz gut. Aber ich bin dieser Heimlichkeiten überdrüssig, ich' schäme , mich vor deinem Sohn, ich wage nicht, deinem Mann die Hand zu geben. Judith lachte gezwungen. „0, du Musterbild der Wöhilanständigkeit, du! Du Ritter des Point d’honeeur! Ich entsinne mich noch jenes Winternachmittags im Salon der Ardös, — da hast du mir ganz andere Dinge ins Ohr geraunt.“ „Es waren durchaus wahre Dinge. Du* hättest mich gefesselt, mich im Sturm genommen, ich liebte dich. Ich war achtundzwanzig Jahre alt, heute bin ich nahe den vierzig. Ich sehne mich nach einem ruhigen Heim, ich möchte ein Rind haben, auch ich, einen blonden, blauäugigen, klugen kleinen Jungen... Judith, ich heirate.“ Stille trat ein. In der benachbarten Ranzlieistube schrillte das Telephon, der Konzipient gab irgend­eine Aufklärung'­„ ... bedauere . , , nein, die Versteigerung muß morgen stattfinden ...“ Judith schnellte von ihrem Stuhl nicht auf. Sie blickte in ihre leere Teetasse und sagte in ganz leisem Ton: „Wenn du das tust, bringe ich mich um.“ Sie sagte das so entschlossen, mit so tiefwurzeln­der Verstocktheit, daß den Chirurgen Dr. Hutter eine Wut überkam. Eine solche Wut, daß er der Frau zynisch die Worte zuwarf: „Bitte. Dazu hast du ein Recht.“ Judith kam ein Nachmittag auf dem Schwa­benberg in den Sinn. Es war die Zeit der Baum­blüte, der süß betäubende Duft der Narzissen und Hyazinthen wob in der Luft. Damals hatte Dr. Hutter gesagt: „Ich fürchte den Tod nicht. Träfe mich ein Schicksalsschlag, den ich nur schwer er­trüge, würde ich unmittelbar krank, oder wider­führe mir, was meinem Kollegen Dr. Radö wider­fahren ist, der sich bei einer Operation eine Infek­tion zuzog und sich den Arm abnehmen lassen mußte, —ich würde ohne Bedenken den Tod vor­ziehen. Darum auch habe ich stets diese kleine Glastube in der Tasche. Eine einzige Pastille Golchicin genügt'.reichlich, um den Tod herbeizu­führen.“ Judith dachte an die gelbliche Pastille, die Hutter ihr dort unter einem blühenden Apfelbaum gezeigt hatte. Noch immer in dem gleichen le;sen Ton sagte sie: „Wenn ich ein Recht dazu habe, dann tue ich es auch. Gib mir diese einzige Pastille Colchicin, bitte.“ Dr. Hutter sprang empor, die Wutrötc übergoß seine gebräunten Wangen. Gereizt, mit hastiger Be­wegung schob er Judith die Glastube zu: „Da. Wenn du wahnsinnig bist, — diesen klei» nen Gefallen kann ich dir schon tun ...“ Er wußte nicht, was er sprach, er wußte nicht, was er tat. Seit Wochen, seit Monaten bereitete er sich auf die Mitteilung von seiner bevorstehenden Eheschließung vor, und nun hatte ihn die augen­scheinlich endgültige Entschlossenheit dieser Frau um den Verstand, um seine allbekannte Gelassen­heit und Ruhe gebracht. Er kam erst zu sich, als Judith das Liqueurgläschen geleert und wieder auf die Silberplatte gesetzt hatte. „So hab’ ich es denn getan,“ waren ihre Worte. „Herrgott, nein.. „ du machst wohl nur Scherz?“ In der folgenden Sekunde sank Judith vom Sessel. Ihre Gesichtsfarbe war unverändert, aber ihr Auge umflort, schon gebrochen, und ihre Lip­pen zuckten. Da lag sie nun auf dem geblümten Teppich, während der Operateur schluchzte und heulend wehklagte, als habe er den Verstand ver­loren: „Judith... weh’ mir .Judith, um Gottes willen!“ Noch hatte sie die Kraft, ersterbend zu flüstern, während ihre weißen, schlanken Finger sich um die Hand des Chirurgen schlangen: „Ich habe dich geliebt... über alles in der Welt geliebt... darum gehe ich jetzt von dannen. Und doch wäre es gut gewesen, zu leben, — ich hin erst vor kurzem zweiunddreißig alt geworden. Eben heute erst hat man mir eine malvenfarbéne Sommertoilette nach Hause gebracht, ich habe sie nicht einmal noch in den Kasten hängen können... habe sie noch nicht einmal angehabt...“ Dr. Hutter befühlte ihren Puls. Und als mel­dete er es einer dritten Person, sagte er in trocke­nem Amtstone:

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