Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1935. augusztus (82. évfolyam, 173-197. szám)

1935-08-01 / 173. szám

PESTER LLOYD jhat und sich nie in die inneren Angelegenheiten (fremder Staaten einmiscthen wollte, würde es in (einer internationalen Vereinbarung, die den Unter­­aeichnerstaaten den Angriff aufeinander oder die Unterstützung eines Angreifers und die Einmiscung in die inneren Angelegenheiten voneinander ver­wehrt, nichts erblicken, was mit seinen berechtigten Lebentsinteressen unvereinbar wäre, vorausgesetzt, daß bei dieser Vereinbarung die Gegenseitigkeit und Gleichheit in vollem Maße gewährleistet ist. Ungarn hat sich immer auf den Standpunkt der friedlichen Evolution gestellt, und verlangt bloß, daß die in den bestehenden Verträgen selbst niedergelegten Mög­lichkeiten einer friedlichen und gerechten Evolution nicht einseitig ausgeschaltet werden. Nach ungari­scher' Auffassung bilden nämlich 'die Verträge selbst ein unteilbares Ganzes, und wenn zum Beispiel ge­wisse auf die Erhaltung des Friedens bezügliche Artikel des Völkerbundpaktes neue Stärkung erfahren sollen, so darf nach ungarischer Auffassung auch der gleichfalls zum Fundament des Völkerbundrechts gehörende Artikel 19, der Revisionsparagraph des Covenants, nicht zur Unwirksamkeit verurteilt Werden. Unter dieser Voraussetzung wäre Ungarn sicher­lich bereit, als gleichberechtigter Partner zu einer Regelung beizutragen, die die Ruhe und Stabilität im Donautale erhöhen und gleichzeitig die Wege einer friedlichen und gerechten Entwicklung ebnen würde. Damit aber Ungarn sich als gleichberechtigter Part­ner fühlen könne, muß unbedingt dem von der Fiinf­­mächteeririärung vom 12. Dezember 1932 und vom Stresaer Beschluß vom 14. April 1935 ausgesproche­nen Prinzip der militärischen Gleichberechtigung der einseitig abgerüsteten Staaten Geltung verschafft werden. Durch seinen Beitritt zu einem Nichtdn­­griffis-, Nichteinmischungs- und Konsultierungsver­trag würde Ungarn einen loyalen Beitrag zur Festi­gung der Sicherheit in diesem Teile Europas geleistet haben. Damit fällt jeder Vorwand weg, ihm die Gleichberechtigung auf militärischem Gebiete vorza­­en/thaiten, deren Einräumung ein elementares Gebot der Legalität und der Gerechtigkeit ist. „Nationalität, Rasse, Konfession.“ Von Dr. EMIL v. NAGY, Justizminister a. D. Nach einem alten englischen Sprichwort pflegt immer das zu geschehen, wäs kein Mensch erwartet hat. Der Entwurf zur neuen Advokatenordnung rechtfertigt durchaus diesen einigermaßen grotesken Ausspruch. Denn von diesem Entwurf haben wir in der Tat alles erwartet, bloß das eine nicht, was im zweiten und dritten Absatz seines-§ 31 enthalten ist. Zum klaren und Ungetrübten Verständnis der weiter unten folgenden Ausführungen schalte ich hier die beiden ominösen Sätze ein, durch deren Auf­nahme in den Text des Gesetzentwurfes der Herr Justizminister Andor Lázár die ungarische Öffent­lichkeit gründlich überrascht hat. Sie lauten: „Bei der Wahl, beziehungsweise K-andidierung ist Rücksicht darauf zu nehmen, daß die Gliederung der Mit­glieder der auf Grund der Wahl, beziehungsweise der Kan­­didierung zustande kommenden Organe oder Körper­„Sie sind eine süße kleine Zuckerpuppe,“ sagte ider Herr Konzipist. Sagte es sogar mehrere Male. Im Finstern ganz dicht aneinander geschmiegt, folgten sie dem Gang der Aufführung. Während der Zwischenakte spazierten sie Arm in Arm in den Wandelgängen umher. Nach der Vorstellung unter­hielten sie sich in einem Ofner Wirtshaus, bei Zigeu­­nermusiik, diskret, aber ungezwungen. Sie war ent­zückt von ihm; er von ihr. Er machte ihr ein feu­riges Liebesgeständnds. Um 1 Uhr mußte sie schließlich denn doch nach Hanse. Im Taxi wiederholte er sein Liebesgeständ­­nis. Sie reichte ihm die Lippen, Am nächsten Talge sagte der Provinzvetter zu Doktor Huszár: „Du, Fritz, ich werde dir ewig dankbar sein. Du, das ist ein Erzengel, dieses Mädel! Ich an deiner Stelle hätte sie längst geheiratet, das kann ich dir pagen. Jetzt kannst du aber auf sie verzichten. Es igibt keine zweite solche auf der Welt.“ Der Rechtsanwalt sah seinen Vetter verdutzt an. „Du, wir haben uns in einem feinen kleinen IWirthauis in Ofen unterhalten. Sie singt, wie eine JLerche und trinkt wie ich,“ „Waas?“ . „Nach einem solchen Weib habe ich mich von [jeher gesehnt... Zum Teufel, äh ... jetzt hab' ich mir die Straße nicht gemerkt, in der ich sic absetzte. Gib mir doch, bitte, ihre Adresse.“ „Mir nicht bekannt.“ „Kurz, du willst mir sie nicht verraten.“ Selbst nach langem Bitten und Flehen konnte der Rechtsanwalt die Adresse nicht angeben. Der Konzipist hätte nie geglaubt, daß sein Vetter ein so scheinheiliger Heuchler sei. Er sagte es ihm auch ge­hörig und stürmte wütend davon. Der Rechtsanwalt aber begann über die Sache nachzudenken. Am Ende hatte dieser Junge noch recht...? Ilona II erzählte ihrer Freundin ebenfalls ganz hingerissen von dem Abend. Es tat ihr nur leid, daß schäften nach den für die Zusammensetzung der Nation wesentlichen Faktoren (Nationalität, Rasse, Konfession) keine nennenswerte Abweichung von der Gliederung der Landesbevölkerung in bezug auf die erwähnten Faktoren aufweise. Wofern die Gliederung der Kammermifglieder nach den im vorhergehenden Absatz erwähnten Faktoren im Zeitpunkte der Wahl, beziehungsweise der Kandidierung, in auffälligem Maße abweicht von der Gliederung der Landesbevölkerung nach den erwähnten Faktoren, kann die Proportion der Abweichung hei der Wahl, beziehungs­weise der Kaindidieruög billige Berücksichtigung finden.“ Da ich seinerzeit als Justizminister auch selber an der Kodifizierung von Gesetzentwürfen aktiv teil­genommen habe, kann ich mir vorstellen, welch schwere Sorge die Textierung dieser mysteriös klin­genden Absätze den Herren Kodifikatoren bereitet hat, die samt Und sonders ausgezeichnete Juristen sind. Man sieht es nämlich ihrem Text deutlich an, daß sie von dem Streben geleitet waren, daß die­jenigen, die im Bereiche der Advokatenautonomie vor die peinliche Aufgabe gestellt sein werden, diese Normen praktisch anzuwenden, zwar die Intention des Gesetzes verstehen sollen, der Text jedoch den­noch fein und taktvoll gehalten sein soll, und nicht in jenem preußisch-nationalsozialistischen Tone,, in dem heutzutage derlei Rechtsnormen in Berlin ver­faßt zu werden pflegen. Mit derlei brutal konzipier­ten Gesetzen wollten die Herren Kodifikatoren unser ’ Corpus juris denn doch nicht verschandeln, und darum nahmen sie Zuflucht zu jener feinziselierten Blumensprache, die einem Flaubert zum Ruhme ge­reichen würde, wobei sie nicht unterließen, ein be­ruhigendes Feigenblatt anzuwenden, indem sie den Begriff der „Nationalität“ den Worten „Rasse und Konfession“ voraussch.ickten. Ich aber werde nicht so taktvoll sein — an feiner Eleganz könnte ich ja mit Herrn Justiz­minister Andor Lázár ohnehin nicht konkurrieren — und so will ich den Sinn dieser beiden Absätze der Vorlage in derber ungarischer Aufrichtigkeit klarlegen. Ich gehe dabei von der Budapester Ad­vokatenkammer und deren leitender Körperschaft, dem Ausschuß, aus. Unter den Budapester Advokaten gibt es zwar um eine Kleinigkeit mehr Juden als Christen, doch will ich ihre gleiche Zahl annehmen, weil basher Jahrzehnte hindurch die stillschwei­gende gewohnheitsrechtliche Norm Beobachtet wor­den ist, daß diese je öQprozentige konfessionelle Ver­­'hältniszahl auch-hei der Zähl der Ausschußmitglie­der zur Geltung ‘zu bringen ist. Als hei der vorletz­ten Wahl mehr Juden als Christen in den Ausschuß gelangten, waren es fltejJwijenS, die von diesem Er­gebnis ajn unangenehmsten berührt waren, und als. Folge davon gäben äffe ^^Öteli^^^üßniitglie-; der ihre Demission,, und da bei der Neuwähl die Parität der Kohfesélonéh''%i^á^r hefjesteilt werden konnte, funktioniert seither der Ausschuß in völlig friedlicher und harmonischef -Weise,i niemand im Ausschüsse fragt darnach, wer Jude und wer Ghrist ist, sondern wir alle halten uns in schöner Zusam­menarbeit einzig die kollektiven Interessen der Ad­vokatenschaft vor Augen. Nebstbei darf ich viel­leicht mit einigem Stolz erwähnen, daß hei der jüng­sten Kannnerwahl unter allen Ausschußmitgliedern ich die meisten Stimmen erhalten habe. sie keine nächste Begegnüng besprochen hatten. Na, daf macht schließlich auch nichts, sie wird ihm einen schönen Brief schreiben und für den unvergeßlichen Abend danken. „Ilona, mein Schatz, gib mir doch seine Adresse,“ zwitscherte die Kleine. Der Sekretärin kam die Erzählung der Freun­din unglaublich vor. War sie aber tatsächlich wahr, so war es eine Frechheit, Was- diese Namensvetfcerin getan hatte. Der Rechtsattwalt macht ihr den Hof und diese kleine Flitsche glaubt, ein verzechter Abend gebe ihr schon das Recht, ihr ihn wegzuschnappen ... „Meine Liebe, ich gäbe dir seine Adresse selbst dann nicht, wenn ich sie wüßte.“ „Soo?I“ zischte die Kleine. „Auch gut. Er wird mich schon auch so zu finden wissen. Und wenn du blau wirst, er wird doch der meine werden!“ Sie stürzte davon. Die Sekretärin begann im­merhin über die Sache nachzudenken. 1:' *' Am nächsten Abend begrüßten die beiden Sitz­pächter einander frostig. Sie fand den Doktor sehr sympathisch. Er war gar nicht so alt, für wie sie ihn bisher angesehen hatte. Offenbar lag der Fehler an ihr. In seinen Augen erschien sic verschönert. Bis­her hatte er gar nicht bemerkt, wie hübsch sie war. Sicherlich war er es gewesen, der eine Annäherung verabsäumt hatte. . In der Folge wird das anders werden. Vorder-, hand müssen sie einander aber noch wegen der Treulosigkeit zürnen ... Die zwei Menschen änderten sich denn auch. Er blickte ihr lang und mit Wärme in die Augen. Sie. hinwieder vergaß ihre Hand so lange in der seinen, bis sie auf einmal, gegen Mitternacht, vor Ilonas Wohnung von einander Abschied nahmen. In der nächsten Saison abonnierten sie die näm­lichen beiden Sitze. Nur hatten sie sie gewechselt. Pächter von Parkett, fünfte Reihe, Sitz Nr. 3 war Dr. Friedrich Huszár. Den Sitz Nr. 4 abonnierte Frau Dr. Friedrich Huszár géb. Sárkány. Wenn wir nun die Gesamtbevölkerung Ungarns mit rund acht Millionen beziffern und in dieser Bevölkerung die Zahl der Juden mit rund einer Million, so wären im Sinne der oben zitierten Ab­sätze des Gesetzenwurfes die Ansschußmitglieder bed den Kammern derart zu regeln, daß von ihnen ungefähr bloß ein Achtel Juden und die übrigen sieben Achtel Christen sein müssen, und von dieser Verhältniszahl nicht im wesentlichen Maße abge­wichen werden könnte. Zwar könnte die Verhältnis- Zahl in billiger Weise abgeändert werden, wenn unter den Mitgliedern einer Kammer sich propor­tioneil mehr Juden finden, als dem ziffermäßigen Anteil der Juden an der Gesanitbevölkerung ent­spricht und so könnte aus Billigkeitsgründen unter den Ausschußmitgliedern — statt eines Achtels — eventuell ein Sechstel oder vielleicht auch sogar ein Fünftel Juden sein, je nachdem wir den Begriff der „Billigkeit“ auslegen. Das ist der klare Sinn der beiden Absätze. Allerdings vermeidet es der Text, das Wort „Jude“ zu gebrauchen; er trachtet sogar dies dadurch zu be­mänteln, daß er dem Begriff der „Rasse und Kon­fession“ auch den der „Nationalität“ hinzugesellt. Das ist jedoch offenbar bloß bezweckt, daß die anti­semitische Tendenz nicht aus dem Text heraus­schreie; denn in unserem Lande befinden sich, die Nationalitäten verhältnismäßig in so geringer Zahl, daß sie bei der Zusammensetzung der Organe der Körperschaften der Advokatenkammern keine Rolle spielen können, so daß hei den Kammern die Kate­gorie der Nationalität keinerlei Bedeutung besitzt. Vielleicht könnte der Text auch derart ausgelegt werden, daß der Entwurf nicht ausschließlich an die Juden denkt, sondern das Wort „Konfession“ auch bedeuten will, dttß die katholischen und pro­testantischen Advokaten ebenfalls lediglich nach Maßgabe ihrer Verhältniszahl gewählt werden kön­nen. Das wäre aber unaufrichtig, denn wenn der Regierung an der gleichmäßigen Behandlung der christlichen Konfessionen gelegen wäre,, so .müßte sie mit der Anwendung dieses Prinzips nicht bei den Ausschüssen der Advokatenkammern, sondern in erster Reihe innerhalb des Kabinetts beginnen. Daraus geht hervor, daß die verletzende Spitze der Vorlage sich eigentlich bloß gegen die jüdischen Advokaten richtet. Damit aber würde ein völlig neues Element in die ungarische Rechtskultur ein­­dringen, denn es ist unvermeidlich, daß sehr viele in diesen Bestimmungen den ersten Schritt nach jener staatsrechtlichen und gesellschaftlichen Auffassung 'hin erblicken werden, die gemeinhin mit dem Namen „Hitlerismus“ belegt wird. Hier könnte der Einwand erhoben werden, daß bei der Institution des Numerus clausus für Hoch­schulen dieser Ideenkreis bereits . Eingang in das Corpus juris gefunden habe. Dieser EinwáníT Wäre aber unrichtig. Denn beim Numerus clausus für Hochschulen hat zwar der Staat festgesetzt, in welcher Verhältniszahl die Kinder der Staatsbürger zum 11och-schulbesuch und so zu den intellektuellen Lebensberufen zuzulassen seien; doch ist es ein grundverschiedenes Ding, wenn die Staatsgewalt durch einen Eingriff in eine gesetzliche Autonomie vorschreiben will, daß die Advokaten im Rahmen ihrer Selbstverwaltung nach Maßgabe der kon­fessionellen Zugehörigkeit diejenigen auszuwählen haben, die sie als Mitglieder ihrer leitenden Organe und Körperschaften mit ihrem Vertrauen zú beóhren wünschen. Das ist ein völlig Neues, und zwar nach meinem Dafürhalten ein furchtbares Novum in der Rechts­kultur Ungarns. Ich bedauere es tief, daß die Regierung diesen Weg betreten hat. Wenn sie einen solchen Eingriff heute bei den Advokatenkammern durchführt, kann sie das morgen mit der gleichen Berechtigung bei den Ingenieurs- und Ärztekammern, bei den Han­dels- und Gewerbekammern, sogar auch bei den in Aussicht genommenen Journalistenkammern tun und das Gleiche auch im Bereiche der Stadt- und Komi­­tatsautonornie vollführen. Dann aber stecken wir bis an den Hals in der Gedanken- und Gefühlswelt des deutschen Nationalsozialismus. Ich darf die Regierung mit allem Respekt fra­gen^ ob in unserem gegen so viele innere und äußere übelstände ankämpfenden und auch finanziell und wirtschaftlich von so schwerer Krise heimgesuchten Lande ein ernstes Staatsinteresse diesen Weg vor­geschrieben hat? Gibt es denn bei uns wirklich keine für das nationale Interesse dringendere Reformauf­­gabe, als den Zündstoff des Antisemitismus in das öffentliche Leben zu werfen? Ich glaube, es wird nirgend auf Widerspruch stoßen, wenn ich erkläre, daß unter unseren gegenwärtigen schwierigen Ver­hältnissen eine solche Zuspitzung der konfessionellen Gegensätze völlig unangebracht, ja sogar äußerst schädlich ist. In der Praxis aber werden diese Bestimmungen des Entwurfes sehr bedenkliche Folgen nach sich ziehen. Vorerst müßte man ja mit endgültiger Sicher­heit feststellen, öb nach ungarischem Recht die Zu­­gt-hörigkeit zum Judentum die Zugehörigkeit zu einer Rasse oder zu einem Glaubens­bekenntnis bedeutet, denn anderenfalls könnte nicht entschieden werden, wie die getauften Juden bei der Festsetzung der Wahlkontingente zu betrachten und zu behandeln seien. Zwar hat ein Urteil der könig­lichen Kurie grundsätzlich ausgesprochen, daß .das Judentum lediglich als eine Konfession und in keiner Weise als Rasse betrachtet werden kann; doch müßte diese Frage auch mit einer über dieses Gerichtsurteil Donnerstag, t. August 1935

Next