Pester Lloyd - esti kiadás, 1935. szeptember (82. évfolyam,198-222. szám)

1935-09-02 / 198. szám

PESTER LLOYD * 2* Montag, 2. September 1935 Man nimmt an, daß offizielle Kreise von 'Washington Vorbereitungen zu einer Untersuchung des amerikanischen Hintergrundes der Angelegen­heit durch die Gesetzgebung treffen. \ Djibuti, 2. September, (Havas.) Nach einer Meldung des Reuter-Bureaus ist Rickett in Djibuti eingetroffen und hat die Nachricht vom Abschluß des Komzessionsgeschäftes bestätigt. Er erklärte, daß in Ostabesisinien sich nicht weit unter der Bodenoberfläche reiche Ölvorkommen befänden, deren öl sich an Qualität mit dem irakischen messen könne. Die zu erbauende Röhrenleitung würde den Indischen Oizean südlich Zeila erreichen. Die Summe der an Abessinien zu bezahlenden Pachtgebühr wird geheim­gehalten. Auf der Suche nach den Hintermännern der Konzessionäre. Washington, 1. September. (Inf.) Alle Versuche, die amerikanischen Hintermän­ner des am abessinischen Konzessionsvertrag beteiligten Konzerns der African Exploitation and Development Cor­poration festzustellen, sind bisher gescheitert. Die Stan­dard Oil Company, die in den Kreisen der Wallstreet da­mit in Verbindung gebracht wird, setllt jede Beteiligung in Abrede. Dasselbe gilt für alle sonstigen größeren ame­rikanischen Petroleumfirmen. Die African Exploitation and Development Corporation besitzt ein Kapital von 500.000 Dollar und wird von drei Personen repräsentiert, die einer Rechtsan walls firma angehören, also offenbar Strohmänner sind. Im Falle von vis major können die Kon­zessionäre mit dreimonatiger Kündi­gungsfrist zurücktreten. Addis Abeba, Í. September. Wie die United Press erfährt, hat die amerika­nisch-englische Gesellschaft das Recht, für den Fall eines Notzustandes mit neunzigtägiger Frist zu kündigen. Bei der Enteignung der verschiedenen Gebiete, in denen die Gesellschaft tätig werden will, hat die Regierung ihre Hilfe versprochen. Die Ge­sellschaft ist berechtigt, alle Arten von bituminösen Rohstoffen auszubeuten, sie hat auch ein Vorrecht in der Gewährung von Konzessionen bei der Ent­deckung edler Metalle und Steine. Die Gesellschaft ist vertraglich verpflichtet, innerhalb eines Jahres einen Plan fertigzustellen und dann innerhalb von fünf Jahren zu bohren, bis genügend Petroleum entdeckt ist, um die äthiopischen Bedürfnisse zu decken und außerdem zweieinhalb Millionen Tonnen Petroleum jährlich für den Export freizum.achen. Der Export wird in Abessinien keine Steuern und keine Zölle zu tragen haben. Sobald ein geeigneter Hafen gefunden ist, soll mit dem Bau von Röhren­leitungen begonnen werden. Ein sensationelles geologisches Gut­achten: „die Erdölvorkommen Abes­siniens wertlos!“ Washington, 1. September. (United Press.)' Der berühmte amerikanische Geologe Dr. Brown, der als Geologe auch der Ex­pedition angehörte, die kurz nach dem Kriege 1914 bis 1918 im Aufträge einer englisch-amerikanischen Ölgesellschaft das abessinische Hochland auf Erdöl­vorkommen untersucht hatte, äußerte auf Anfrage der United Press, er könne auf Grund gründlicher Untersuchung erklären, daß die Erdölschätze Abessiniens so gering seien, daß er sie nicht für wert halte, wirtschaftlich ausgebeutet zu werden. Er gab der Ansicht Ausdruck, daß dieser Kon­zessionsvertrag „einen Notbehelf darstelle, mit dem das Ziel verfolgt werde, die Vereinigten Staaten und Großbritannien enger als bisher in den italienisch­­cbessinischen Streit zu verwickeln“. Der Preis der Konzession. Addis Abeba, 1. September. (Inf,)’ Der Abschluß des Konzessionsvertrages mit der African Exploitation and Development Cor­poration wird nun auch von abessinischer offizieller Seite bestätigt. Die offizielle Bekanntmachung ent­spricht im großen und ganzen den ersten Meldungen über das Ausmaß des Konzerns. Mitteilungen über die finanzielle Grundlage werden auch jetzt noch nicht gemacht. Es wird nur betont, daß die Corpo­ration erstens eine feststehende Abgabe und zweitens eine bewegliche Abgabe auf Grund des geförderten Öls zahlen wird. Sollten im Laufe der Ölbohrungen auf dem Konzessionsgebiet Metalle irgendwelcher Art entdeckt werden, so wird die Corporation auch für ihre Förderung eine besondere Abgabe zahlen. Inoffiziell verlautet, daß der Konzessionsvertrag eine jährliche Zahlung von 25.000 Pfund an den Kaiser ins Auge faßt und eine Abgabe von 1 Sh 6 d für jede Tonne Rohöl zu leisten haben wird. Ein französischer Alarm: Plan einer Konkurrenzbahn gegen Dschibuti —Addis Abeba! Paris, 1. September. (Inf.) Der „Petroleumgeruch“, der — wie sich heute der Matin ausdrückt — neuerdings aus Abes­sinien aufsteigt, beunruhigt die französische öffent­liche Meinung sehr stark. Petit Journal bezeichnet die Nachricht von dem Abschluß des Konzessionsvertrages als einen Theatercoup, der die Lage im abessinisch-italieni­­schen Streitfall von Grund auf verändert. Aus den Rechtsgründsätzen, die bisher gegen die italienischen Pläne geltend gemacht worden seien, gerate man mit einem Schlag in einen Streit um materielle Interessen, die man bisher maskiert und etwas vergessen habe. Die Stellung Großbritanniens auf der bevorstehenden Ratstagung werde durch die soeben geplatzte Bombe wesentlich erschwert werden, während die Position Mussolinis gestärkt werde, so daß die Völkerbund­sitzung vielleicht weniger dramatisch verlaufen werde, als man befürchtet habe. Die Frage sei, ob der Vertragsabschluß Italien nicht noch mehr gegen die abessinische Regierung aufreizen werde, die dadurch den entschiedenen Willen kundgetan habe, Rom jede Möglichkeit der wirtschaftlichen Ausdehnung in ihrem Lande zu verweigern. Echo de Paris weist darauf hin, daß der Kon­zessionsvertrag nicht nur die italienischen Interessen schädige, sondern auch die französischen Interessen ernstlich bedrohe. Die englisch-amerikanische Gesell­schaft plane den Bau einer Röhrenleitung von Ge­­lidia im Westen der Provinz Harrar nach Zeila oder Bulhar an der englischen Somaliküste und beabsich­tige, an dieser Röhrenleitung entlang auch eine Eisenbahn zu bauen. Damit würde die französische Bahn Addis Abeba—Dschibuti ihre Bedeutung ver­lieren und der französische Hafen Dschibuti würde zum VorteV von Zeila zugrunde gerichtet werden. Im Oeuvre schreibt die außenpolitische Mit­arbeiterin Frau Tabouis: Wenn die englische Regie­rung den Wunsch gehabt hätte, der italienischen Sache Vorschub zu leisten und von vornherein die Anwendung von Sanktionen unmöglich zu machen, dann hätte sie nichts Besseres ausdenken können, als diesen Konzessionsvertrag. In italienischen Regie­rungskreisen sei die Nachricht von der Vertrags­unterzeichnung am Samstag vormittag mit grenzen­loser Freude aufgenommen werden. Denn diese Kreise seien der Ansicht, daß nichts hätte gelegener kommen können. Die italieische Regierung hoffe, daß diese Angelegenheit die Stellung Großbritanniens in Genf unha’tbar und seine Forderungen nach Sank­tionen unmöglich machen werde, da die englischen Bemühungen ihrer edlen und desinteressierten Sei­ten entkleidet worden seien, und es England jetzt schwer fallen werde, die anderen Länder zu bewe­gen, die Gefahr ernster Schwierigkeiten mit Italien auf sich zu nehmen, um für die Banken und Kauf­leute der City die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Der italienische Botschafter in Paris, Cerutti, warte nur noch Instruktionen, um sich dann schon mor­gen, Montag, mit Laval zu unterhalten. Eden, dessen Aufgabe in Genf erschüttert worden sei, werde nach den letzten Londoner Meldungen durch diese Ange­legenheit veranlaßt, einen letzten Versuch zur Ver­ständigung mit Italien zu unternehmen, was die eng­lische Regierung gestern noch abgelehnt habe. Ein französischer juristischer Experte gegen den Konzessionsvertrag. Paris, 1. September. (DNB) Der amtliche Berater der französischen Regierung für Wirtschaftsfragen Gignoux hält im Paris Soir den Fall des Pachtvertrages mit Abessi­nien für die englische Regierung für hoffnungslos, weil er sich vom rechtlichen Standpunkt kaum werde verteidigen lassen. Der Sonderberichterstatter des gleichen Blattes in Addis Abeba weist darauf hin, daß es sich vor­läufig ausschließlich um die Ausbeutung der Petro­­leumfelder, nicht auch der Erze handle. Abessinien erhalte eine Entschädigung von jährlich 100.000 englischen Pfunden. Der Pachtvertrag enthält 35 Ar­tikel und gestehe Abessinien ein dauerndes Kontroll­recht zu. Das gesamte zur Ausbeutung verwendete Matereiül gehe nach Ablauf der 75 Jahre in den Be­sitz Abessiniens über. Eine Stellungnahme des Temps. Paris, 2. September. (U. T.-K.-B.) In Paris rechnet man damit, daß England nunmehr eine nachgiebigere Haltung an den Tag legen werde, wodurch sich der Druck auf die französische Diplomatie mildern würde. Die französische Diplomatie hegt die Erwar­tung, daß die Angelegenheit der Konzessionen auf die Genfer Ereignisse von großer Wirkung sein werde. Wir glauben wohl, schreibt Le Temps, daß die englische Regierung von keiner Verantwortung in dieser Angelegenheit belastet wird, wir finden es aber sonderbar, daß der englische Gesandte in Addis Abeba von den seit drei Wochen geführten Ver­handlungen keine Kenntnis gehabt hat. Das Blatt meint, daß die Erteilung der Konzessionen mit den Verträgen von 1891, 1894, 1906 und 1925 unverein­bar sei, es sei offenkundig, daß die Angelegenheit der Konzessionen in Genf, den italienischen Inter­essen besonderes Gewicht verleihen werde. Unter den bestehenden Verhältnissen könne kaum davon die Rede sein, daß Völkerbundsanktionen zum Schutze von Privatinteressen eingesetzt würden. Das Blatt befürchtet, daß Eden in Genf eine äußerst heikle Aufgabe haben werde. Jetzt nehmen auch Linksblätter gegen die Sank­tionen Stellung und meinen wie Ere Nouvelle, daß Laval richtig gehandelt habe, indem er sich nicht übereilter Weise für die Sanktionen einsetzte. Nach Oeuvre werde England die Mehrheit des Rates kaum dafür gewinnen können, für die Großbanken der City die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Zwei Lager in Abessinien. Addis Abeba, 1. September. (United Press.) Obgleich in dem Konzessions­vertrag über die Verpachtung der abessinischen Bodenschätze die Bestimmungen enthalten sind, dlaß die kaiserlich-abessinische Regierung verpflichtet ist, die Gesellschaft im Falle eines Krieges, innerpoliti- 6cher Unruhen und einer Revolution ini afrikani­schen Kaiserreich zu schützen, geben ausländische Beobachter unumwunden zu, daß Kaiser Haile Selassie einen taktisch sehr geschickten Schachzug tat, als er gerade in diesen Tagen politischer Hoch­spannung umfangreiche Konzessionen an eine eng­lisch-amerikanische Gesellschaft vergab. Man weist darauf hin, daß der Kaiser von Abessinien mit diesem bedeutungsvollen Konzessionsvertrag gleichzeitig den politischen Zweck verfolge, das Interesse der Ver­einigten Staaten an der Erhaltung des Friedens in Ostafrika zu verstärken. Die Erdölvorkommen in Ogaden und im Ufergebiet des Habaschflusses werden in Addis Abeba als eine der Hauptgründe der Kriegs­gefahr in Abessinien angesehen. Der Konzessionsvertrag ist mit gemischten Ge­fühlen von den Anhängern des „Alten Äthiopien“, den reaktionären, feudalen Stammesfürsten, auf­genommen worden. Während diese Kreise diesen Vertrags als den Auftakt zu einer ausgedehnten kolo­nialen Invasion seitens ausländischer Völker betrach­ten, erblicken die fortschrittlichen Kreise des Landes, vor allem die Anhänger der Bewegung des ,,Jungen Äthiopier.“ darin einen wesentlichen Teil des Moderni­­sierungs- und Industrialisierungsprogrammes, das das Ziel verfolge, Abessinien in einem Ausmaße zu euro­päisieren. daß es gerüstet sei, jedem Eindringling mit Hilfe moderner technischer Errungenschaften ent­gegenzutreten. Die grundsätzlich gegensätzliche Auf­fassung der verschiedenen Kreise der abessinischen Bevölkerung über diese Konzessionen sind ein schlagendes Beispiel für die Schwierigkeiten, mit denen Haile Selassie bei der Einführung zivilisatori­scher Neuerungen westlicher Herkunft zu kämpfen hat. Ein hochstehender Vertreter der altäthiopischen Staatsau)fassung äußerte sich der United Press ge­genüber z. B. folgendermaßen: „Die Konzession stellt einen Angriff gegen das Leben unserer Nation dar, gegen die altabessinische Lebensanschauung, gegen die uralte Tradition, weil sie die Hafte unseres Lan­des der Ausbeutung öffnet. Dies wird möglicherweise zum Ruin Abessiniens führen.“ Die Vorkämpfer für ein fortschrittliches Abes­sinien haben die Mehrheit in der Zentralregierung, in den Stammeskönigreichen aber überwiegen oft die reaktionären Elemente, die sich hauptsächlich aus den feudalen Rases, der Beamtenschaft und der koptischen Geistlichkeit zusammensetzen. Es hat den Anschein, als würde dieser Konzessionsvertrag noch einmal zu einer Auseinandersetzung zwischen der alten und der neuen Richtung in Abessiniens Führer­schicht führen. Doch halten es unterrichtete Beobach­ter nicht für zweifelhaft, daß schließlich die Partei der Fortschrittler, die hinter dem Kaiser stehen und die den Bau von Eisenbahnen, Brücken und betonier­ten Landstraßen befürworten, ihre Ansichten gegen die feudalen Elemente zum Siege führen wird. Heute: Verhandlungen Eden—Laval. Paris, 2. September. (Inf.) Der englische Minister für Völkerlbundangc­­legenheiten, Eden, wird heute, Montag, in Paris er­wartet. Er wird wahrscheinlich im Laufe des Nach­mittags zu einer Unterredung mit Laval Zusammen­treffen. Diese Besprechung wird sich in erster Linie auf den Bericht erstrecken, den Eden dem Völkerbund­rat über die Pariser Dreierkonferenz vorlegen wird. Die englische Regierung soll den Wunsch haben, einen gemeinsamen Bericht mit Frankreich ausziuarbeiten. Der Hauptzweck des Besuches Edens sei, Laval zur Annahme dieses gemeinsamen Verfahrens zu bewegen. Der Ab­schluß des abessinischen Konzessionsvertrages, der eine Nachprüfung der bereits im Hinblick auf die Genfer Tagung festgesetzten diplomatischen Positionen in letzter Stunde notwendig macht, wird selbstverständlich gleichfalls Gegenstand der Untersuchung sein. Eden wird sich bemühen, den französischen Ministerpräsidenten davon zu überzeugen, daß die britische Regierung bei den Verhandlungen über diesen Konzessionsvertrag ihre Hand nicht im Spiel gehabt habe. Die englische Presse fordert Koopcra tion mit Frankreich. London, 2. September. • (Inf.) Nach einem mit Besprechungen ausge­füllten Wochenende wird Eden heute, Montag, an der Spitze einer sehr starken Delegation nach Paris abreisen, um vor dem Beginn der Völkerbunds­tagung einen letzten Versuch zu machen, in einer Unterredung mit Laval Frankreich für eine energi­sche Haltung gegenüber Italien zu gewinnen. Wor­auf es bei diesen Verhandlungen ankommt — schreibt heute die Times —, sei angesichts des Dilemmas, in dem sich Frankreich augenscheinlich befindet, nicht schöne Reden über Englands lautere Absichten zu halten, sondern eine gemeinsame Poli­tik auf dem Kontinent festzulegen. Die Daily Mail glaubt, daß die Regierung nach wie vor entschlossen sei, den Völkerbund zu stützen, und sie hoffe, Frankreich dazu überreden zu kön­nen. Das bedeute jedoch nicht, daß England auf der Verhängung von Sanktionen bestehen würde, son­dern, daß es zusammen mit Frankreich versuchen wolle, den Völkerbund zu retten und den Krieg in Afrika auf seinen Herd zu beschränken. Ähnliche Wendungen finden sich auch in anderen Blättern, so daß die Lage wieder einmal sehr unüber­sichtlich erscheint. Feststeht bisher lediglich, daß Englands Bemühungen, zumindest vorläufig, einzig und allein darauf gerichtet sind, Frankreich für eine

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