Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1935. december (82. évfolyam, 274-297. szám)

1935-12-01 / 274. szám

SONNTAGSNUMMER 32 HELLER Abonnement: Flr Budapest: mit täglich zweimaliger Zustellung und für das Inland Morgen­und Abendblatt: Vierteljährlich 18 P, monatlich 6.40 P. Für das Morgenblatt allein vierteljährlich II P, monatlich 4 P. Für das Abendblatt allein vierteljährlich 8 P, monatlich 3 P. Für die separate Zusendung des Abend­blattes nach der Provinz ist vierfel­­jählich 1 Pengő zu entrichten. Für Wien auch durch Morawa A Co., I., Wollzeile 11. Fiir des Ausland mit direk­ter Kreuzbandsendung vierteljährlich: Für Österreich vierteljährlich ö. Sch. 30.—,für alle übrigen Staaten 30 Pengő. Abonne­ments werden auch bei sämtlichen aus­ländischen Postämtern entgegengenommen Nicht verlangte Manuskripte werden weder aufbewahrt noch zurückgestellt, Briefe ohne Rückporto nicht beantwortetPESTER LLOYD MORGENBLATT B Inseratenaufnahme: Fn Budapest ln der Administration des Pester Lloyd und in den Annoncen- Bureaus: Salogb Sándor, 1. Blockner, 1. Blau, Boros, Braun, Josef erdős, Győri A Nagy, Harsány!, Haasensteln & Vogler, Cornel Leopold, Jullue Leopold, Hagy. hirdető­­iroda, Mossa Rudolf A-Q., Julius Tenter. Klnzelnuramer tűr Budapest und für dieProvinz: Morgenblatt an Wochentagen 16 Heller, an Sonntagen 33 Heller, Abendblatt 10 Heller. Für Oe8terreioh: Morgenblatt an Wochen­tagen 80 Gr., an Sonntagen 4<XGr. und Abendblatt so Gr. Rodaktion u. Administration i V., MÁIUL VALÉRIA-UCCA lg. Telephone: Redaktion: 848—20. Naob Mltternaohh 848—20. Administration 849—09 82, Jahrgang. Budapest, Sonntag, 1. Dezember 1935. Nr. 274 ÖL Budapest, 30. November. Daß öl „ein ganz besonderer Saft“ ist, haben wir schon vor der Zuspitzung des Sanklionsproblems gewußt. Der Imperialismus als Form der Außen­politik ist nicht mehr so jung, um durch zivilisato­rische und nationale Devisen den Blick der Allge­meinheit für die treibenden Kräfte zu trüben. Es war schon vor dem großen Kriege bekannt, daß Kolo­nisierung in erster Linie Rohstoffsicherung bedeutete, und man hat bei allen späteren Expansionen euro­päischer Mächte auf fremden Kontinenten die ökono­mische Wurzel unschwer erkennen können. Europa, überreich an Menschen, hat seit Jahrhunderten den Schätzen der Natur nachgejagt. Man kolonisierte für Baumwolle, für Gold, für Erze, für Kohle und schließlich für öl. Jeder Rohstoff hat seine große Zeit gehabt, heute besitzt das öl unbestritten die Führung. Auch das ist ein Gemeinplatz. Man kennt die Rolle der Petroleuminteressen so genau, daß die moderne Geschichtsschreibung fast immer nach öl schnuppert, wo die Großmächte um politische Vor­herrschaft in zurückgebliebenen Gebieten oder schwachen Staaten kämpfen. Wir wissen, daß man um den ölbesitz die größten politischen Intrigen der Gegenwart und jüngsten Vergangenheit gesponnen hat, daß für öl Kriege geführt wurden, daß für Bohrungskonzess'onen mehr Menschen ihr Leben lassen mußten, als seit dem Mittelalter für das Gold. Es ist immer noch im allgemeinen Bewußtsein, daß der Bau der Bagdadbahn in das persische Petro­leumgebiet im Zusammenhang mit dem Ausbruch des Weltkrieges stand, und heute zweifelt man weder daran, daß die Politik der Vereinigten Staaten im Süden ihres Kontinents Ölpolitik ist, noch daß das Nachspiel des Weltkriegs, dei türkisch-griechische Kampf, mit seinen Hunderttausenden von Toten, ein Ölkrieg zwischen den Alliierten Frankreich und Eng­land war. Öl als Streitgegenstand der Weltinteressen ist selbstverständlich und ebenso selbstverständlich er­scheint es den Kindern des 20. Jahrhunderts, daß man um öl Kriege führen kann. Daß man ohne öl Kriege nicht führen kann, erfahren wir aber erst jetzt zum ersten Male mit voller Deutlichkeit. Jetzt wissen wir auch, daß der alte Waffenhändler Sir Basil Saoharoff gar nicht so inkonsequent war, als er im tiefen Greisenalter zum ersten Male das be­währte Betätigungsfeld des Kanonen- und Gewehr­geschäfts verließ, um den griechisch-türkischen Krieg zu finanzieren. Petroleum war bisher nur ein industrieller Rohstoff, es ist heute im gleichen un­mittelbaren Sinne eine Waffe, wie Geschütze und Patronen. Daß wir diese Tatsache in ihrer ganzen Schärfe erst jetzt bemerken, ist nicht Zufall, obwohl die Ent­wicklung, an deren Ende wir heute stehen, schon vor dreißig Jahren begonnen hat. Damals fing Eng­land an, seine Flotte auf Ölfeuerung umzustellen und bezeichnenderweise war es ein Fachmann des Kriegshandwerkes, der Flottenpolitiker Lord Fisher, der die Grundlagen des englischen Ölimperialismus legte. Er sprach schon 1905 das heute banal an­mutende Wort „ölmacht ist Weltmacht“, weil er in seinem eigenen Wirkungskreise die Übermacht des Petroleums über die Kohle erkennen mußte. Das ölgefeuerte Schiff ist nicht nur schneller und wen­diger als das durch Kohlenkessel angetriebene, son­dern es ist auch weniger auf Stützpunkte auf dem Festlande angewiesen. Es hat einen größeren Ak­tionsradius — was tut’s, wenn seine Antriebskasten höher sind, wo es ohnehin nicht kommerziellen Zwecken dient! Mit der Flotte fing es an, doch bald erwiesen sich immer weitere Gebiete des Kriegsbedarfes als ölabhängig. Die Mechanisierung des Krieges war gleichbedeutend mit der Erklärung des Petroleums zum unerläßlichen Faktor der Kriegführung. Tanks, Panzerautos und Flugzeuge müssen mit Petroleum gespeist werden, hier gibt es nicht einmal die Mög­lichkeit, wie bei der Flotte, zwischen Kohle und Öl zu wählen. Damit ist das Problem nicht erschöpft. Der moderne Krieg ist ein Kampf der Maschinen geworden, aber Zeitgewinn ist, wie seit unvordenk­lichen Zeiten noch immer der halbe Sieg. Nur han­delt es sich heute nicht mehr um die schneller marschierenden Soldaten, sondern um die Geschwindigkeit und Zweckmäßigkeit der Transportmittel. Man hat im Jahre 191S gesagt, daß den Weltkrieg die Überlegenheit des Lastautos über die Lokomotive entschieden hat. Auch damals hat also schon das öl gesiegt, das auch die Fortsetzung des Unterseebootkrieges, die Ent­wicklung der Tanks und die ausgiebige Einsetzung Jahrzehnte oder Jahrhunderte nimmt sie eine ge­heimnisvolle Mode auf die Schwingen des geistigen Geschmacks der Nachwelt, fühlt sich dem Verschol­lenen verwandt, ruft sie zu neuem Leben und stellt sie in das Schaufenster des Angebots und der Nach­frage der Zeitgenossen, und diese wiedererstandenen Unsterblichen werden bisweilen gefährliche Rivalen der modernen späten Nachfahren. Die literarische Unsterblichkeit ist ein verwickelter Prozeß. N ich dem Tode des Verfassers — manchmal sogar auch während seines Lebens — scheidet das Werk aus der Atmosphäre des zeitgenössischen Marktes aus und schwebt zeitlos in irgendeinem luftleeren Raume zwischen den schwankenden Wertbeziehungen der Gegenwartsinteressen und der Nachwelt; es siecht in einer Art von geistigem Fegefeuer dahin, die geheim­nisvollen chemischen Energien der Zeit lösen es in seine Elemente auf und zeigen, was darin die weiche Materie und der fremde ausgeliehene Stoff war, die der UrstofF der Literatur voneinander sondert und wieder in sich aufnimmt; und die festen Bestandteile verbleiben sodann für die Ewigkeit des menschlichen Gedenkens. Für den Schriftsteller ist die Unsterblich­keit mindestens ebenso sehr ein Rätsel, wie der Tod und das Leben. Viele bereiten sich auf sie mit künst­lichen Mitteln vor, wie die Pharaonen für die Ewig­keitsdauer ihrer sterblichen Überreste; Freundes­hände bauen für sie Pyramiden aus Kritiken; die Oberbonzen des Schrifttums läutern sie beizeiten von den vergänglichen Bestandteilen, umwickeln diese nachträglich und insgeheim mit Bändern, da­mit sie genau zusammenpassen, und überliefern der Nachwelt eine Art von Mumie, eine literarische Mumie, die in ihrer künstlichen und krassen Starr­heit in den Glaskäfigen der Museen kleinerer oder großer Völker in der Tat eine Sehenswürdigkeit für einige Jahrtausende bleiben. Allerdings, derartige Mumien müssen vorerst von irgend jemandem aus­­gegraben werden. Andererseits gibt es Werke, die nach dem Tode des Verfassers von den Pullen der Buchhandlungen verschwinden, in den Keller oder zum Trödler wandern, ihr Schattenleben in den Jahrmarktsbuden weiterfristen; aber ihre Bedeutung schwindet mit der Zeit nicht dahin, ihre Wirkling der Luftwaffe bei den -Mittelmächten verhinderte. Und wie stümperhaft, wie beschränkt war die Technik damals, mit der Maschinerie des modernen Krieges verglichen! Die gesamte Entwicklung der Rüstungen in den letzten anderthalb Jahrzehnten, alle Erfindungen, die den Soldaten wie vorher den Industriearbeiter zum Aufseher und Lenker der Kampfniaschine verwan­delten, sind auf öl basiert. Das furchtbare Gespenst aus Eisen und Stahl, mit Scheinwerferaugen und auf Raupenschleppern, das drohend die Kanonen arme ausstreckt, Moloch Krieg, muß täglich mit Öl gefüttert werden — sonst ist er machtlos. Die ungeheure Steigerung der Wirkungskraft der Armeen durch die Technik hat sich darum als eine Schwächung erwiesen — für den, dem das Petro­leum fehlt. Gewiß, man braucht auch Kohle und Eisen zum Kriegführen, aber Kohle kann man beliebig lagern, die Waffen aus Metall, selbst die Munition kann man auf Vorrat hersteilen, während der Bau von Petroleumtanks, die nicht schon in den ersten Monaten eines Krieges zur Neige gehen würden, ein Ding der Unmöglichkeit ist. Wenn man heute Krieg führt, muß man den Zugang zu den Petroleumquellen haben. Auch diese Weisheit liaben die Engländer sehr frühzeitig erkannt. Noch im Jahre 1913 hat Churchill als erster Lord der Admiralität im Unterhause das Ziel aufgestellt, „unsere Ölvorräte soweit wie möglich aus Quellen unter britischer Kontrolle oder brité schein Einfluß und längs derjenigen Sec- oder Ozean­­straßen zu gewinnen, die die Flotte am leichtesten und sichersten schützen kann“. Das Ziel wurde im Weltkrieg erreicht. Mit der kommerziellen und poli­tischen Sicherung und technischen Entwicklung der Petroleumfelder im Irak und in Persien ist fast alles Öl der Welt unter angelsächsischer Kontrolle. In Europa können nur noch Rumänien und Rußland eine Rolle spielen und auch sie gehören heute in die Sanktionsfront. Seitdem die politische Neigung Amerikas fiir die Unterstützung der Sanktionspolitik von Tag zu Tag klarer wird, ist öl der große Trumpf in der Hand des Völkerbundes. Seit einigen Tagen scheint es, daß man entschlossen ist, ihn auszuspielen. Über die Folgen eines solchen Schrittes heute Prognosen zu stellen, wäre entschieden verfrüht. Eines läßt sich aber jetzt schon sagen. Sollte die Mehrzahl der kann handgreiflich ermittelt werden. Ein geheimnis­volles Buch dieser Art ist das Tagebuch von Jules Renard. Literatur ist nicht bloß das, was aus ihr hervor­scheint, was in ihr geräuschvoll oder weithin strah­lend oder beispiellos volkstümlich ist. Auch nicht einmal das, was beispiellos unpopulär ist. Schrifttum ist nicht bloß das Fluten der Geistesproduktc der großen Masse der anonymen ■ und kleinen Schrift­steller, das die Schaufenster füllt und die Leser mit einer Massenabfütterung bedenkt; Schrifttum ist nicht bloß der große Erfolg, den die Tiefe der Kritik und die Zunftverschwörung oder manchmal auch gegen diese augenblicklich jedermann zur Kenntnis nehmen muß, damit dann nach diesem flüchtigen Augenblick kein Hahn danach krähe. Literatur ist nicht bloß das geachtete, registrierte, evident ge­haltene chef d’oeuvre, dessen Schicksal manchmal dem der Denkmäler öffentlicher Plätze ähnelt: nach der feierlichen Enthüllung gehen die Passanten acht­los daran vorüber, alle Welt weiß um sie, aber nie­mand bestaunt sie mehr. Die Literatur hat auch ein unsichtbares Lehen, und vielleicht ist dies das wirk­lichste. Ein Schriftsteller erscheint und verschwindet in der Zeit, seinen Namen hat das Publikum kaum gehört und sich ihn vielleicht auch gar nicht ge­merkt, aber in der Ferne, in der Tiefe, in den ver­borgenen Provinzen des geheimnisvollen Reiches der Literatur lebt und wirkt sein Andenken fort. Die Bonzen opfern ihm, erläutern jeden seiner Buch­staben und ihre Wirkung, die so rätselhaft ist, daß bisweilen auch diejenigen nichts darum wissen, auf die das Werk gewirkt hat. Der junge Schriftsteller, der heute sich über sein Romanmanuskript beugt, weiß in den meisten Fällen selber nicht, daß der Ton, die Form, die Anschauungsweise, womit er an seinen Roman herantritt, das Erbe einiger englischer Essayisten vom Ende des 18. oder des 19. Jahr­hunderts ist. Eine Seele gibt einen Klang in der Zeit, dann verstummt sie, und bisweilen erklingt der Wi­derhall erst nach Jahrhunderten. Die Literatur ist in Wirklichkeit „einheitlich“, wie Babits in seiner Lite­raturgeschichte schreibt. Sie ist Weltliteratur. Dante klingt an Shakespeare an, sagt Babits, und wir Feuilleton. Jules Renards Tagebuch. Von ALEXANDER MÄRAI. Ein französischer Verlag bringt endlich in einem 800 Seiten starken, dicht bedruckten Bande das Tagebuch des französischen Schriftstellers Jules Renard heraus. Jules Renard ist im Jahre 1910 gestorben, in verhältnismäßig jungen Jahren: er hat alles in allem 46 Jahre lang gelebt. Seinen Namen hat das große Publikum kaum gehört. Zwei unbekannte Romane aus seiner Feder — „Ecorni fleur“ (der ungarische Titel lautet „A sznobb“) und „Poil de Garotte“, die traurige, grausige Geschichte eines häßlichen roten Jungen — sind gegen Ende des vorigen Jahrhunderts erschienen und wurden in literarischen Kreisen be­sprochen. Viele unter den Zeitgenossen erblicken in diesen Schriften Meisterwerke. Der frühe Tod ihres Verfassers war verhängnisvoll auch für das Leben dieser Werke. Bisweilen sterben Werke zusammen mit ihrem Verfasser, manchmal sterben sie vor dem Verfasser, und manchmal, in glücklicheren Fällen, überleben sie die künstliche Unsterblichkeit des Ver­fassers. Auch kommt es vor, daß das Werk eines Schriftstellers unter dem Zeichen der Unsterblichkeit seine Wege in der Zeit antritt, mit dieser vornehmen Wertbezeichnung etwa ein halbes Jahrhundert da­hinvegetiert, um dann zur Überraschung der Nach­welt plötzlich wieder aufzuerstehen, die eigene Un­sterblichkeit gleichsam zu überdauern. (Ein der­artiges geheimnisvolles Ewigkeitsfegefeuer macht zurzeit das Oeuvre Victor Hugos durch.) Die Un­sterblichkeit hat keine Bürgschaft, auch die Aner­kennung der unmittelbaren Nachwelt ist eine solche nicht. Wir kennen Unsterbliche, die in ihren schmuckvollen Grüften, in den großen Büchereien und in den klassischen Bücherverzeichnissen; in vol­ler Vergessenheit dahinmodern; und andere, die auch aus einem anders gearteten nachträglichen Tode Wiedererstehen; nach der Gleichgültigkeit - einiger

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