Pester Lloyd - esti kiadás, 1935. december (82. évfolyam, 274-297. szám)

1935-12-02 / 274. szám

PESTER LLOYD Philologie zur Dramaturgie Shakespeares wird alles genau erforscht, was die eiest von oben herab als „Klassenkultur“ behandelte Geistigkeit früherer Jahrhunderte geschaffen hat. Natürlich wird noch dieses Studium vom marxistischen Dogmatismus be­herrscht. Shakespeare wird in einen Klassenkampf­heros verwandelt. Aber das historische Interesse ist in jungen russischen Köpfen schon erwacht und es wendet sich den Größen zu, die in unserer bürger­lichen Welt als Größen gelten. Shakespeare wurde nicht von den Kommunisten entdeckt; diese haben ihn ebenso wie Vergil und Horaz von den Bürger­lichen übernommen. Sie suchen diese Dichter noch nach pseudowissenschaftlichen Kategorien umzudeu­ten. Das kann jedoch nicht gelingen; und die nächste Etappe wird voraussichtlich die „Verbürgerlichung“ des sowjetrussischen Denkens sein. Der erste Kriegswinter. Von unserem römischen Vertreter Dr. GUSTAV EBERLEIIN. Rom, Anfang Dezember. Sechs Wochen nach Beginn des Weltkrieges standen die deutschen Heere vor Paris; zwei Monate sind ins Land gezogen, und wo stehen die italieni­schen Truppen in Abessinien? Es sind französische Kritiker, die solche Vergleiche ziehen. Nicht gerade in böser Absicht, mein, mehr um den Vergleich auf Marokko auszudehnen. Dort zog sich ja auch die Un­terwerfung recht in die Länge, und Italien selber hat es bald nach seiner Intervention im Weltkrieg er­fahren müssen, daß Kolonien gar nicht so leicht zu halten sind. Bis zum Küstensaum fast drängten die Eingeborenen wieder vor, erst in den letzten Jahren ist cs endlich gelungen, sie nicht nur zurückzuwerfen, sondern ganz Libyen gründlich zu befrieden, wobei sich die heute wieder vielgenannten Generale De Bono und Graziani den unvergänglichen Dank des Vater­landes verdienten. De Bono tritt nun, den Marschallstab in der Hand, vom Kriegsschauplatz ab — also auch einen Kommandowechsel hat dieser Feldzug bereits ge­zeitigt, und wieder denkt man infolgedessen an die Wechselfälle des großen Krieges. Daß De Bono ver­sagt habe, glauben wir nicht; der alte Haudegen, der erfahrene Kolonialkrieger wird schon gewußt haben, warum er gerade so und nicht anders manövrierte, und wenn ihm doch nach klassischem Muster der Beiname „Cunctator“ da oder dort angehängt wird, so kann er ihn im Hinblick auf jenes erste Adua, wo nicht genügend gezögert wurde, gelassen hinnehmen. Andererseits ist die Tatsache, daß wir nun in den ersten Kriegswinter hineingehen und daß er sich här­ter ankündigt, als man im frühlingsprangenden Sfresa anzunehmen geneigt war, nicht aus der Welt zu schaffen. Man spricht von einem Stillstand der Ope­rationen, man weiß von der großen Schlacht, die diesmal aber nun ganz bestimmt in vierzehn Tagen losbrechen wird, man liest von den Siegen der Ita­liener und liest von den Siegen der Abessinier, die Kriegsberichterstatter haben es bald in Asmara, bald in Addis Abeba dick, der Neguis ist gleichzeitig an der Front und zu Hause, die Bombengeschwader säen Tod und Vernichtung, soweit sie nicht dank der bald gelernten Anpassung der abessinischen Truppen vollkommen wirkungslos bleiben; die Tanks voll­bringen Wunderleistungen und fallen dauernd in Elefantengruben, täglich unterwerfen sich weitere Stämme freiwillig den unaufhaltsam vorrückenden Siegern, doch läßt der Kaiser die Schuldigen öffent­lich auspeitschen; es gibt Wasser in Hülle und Fülle, eine fallende Bombe vollbringt das gleiche wie der Stab des Moses, Durst quält die armen Soldaten, und wenn nicht alles verdorrt ist, hat die Regenzeit wie­der eingesetzt. Seitenlang könnte man so fortfahren, wenn man dazu verurteilt ist, Tag für Tag die Zeitungen aus aller Welt zu lesen. So schlimm war es im Weltkrieg nicht, und seither hat das Nachrichtenwesen doch, wie es heißt, gewaltige Fortschritte gemacht. Ich will gern ein Ketzer sein und behaupten, weit vom Schuß, zum Beispiel in Rom, wisse man besser, wie es in Wirklichkeit aussieht. Denn im Hauptquartier der ausländischen Pressevertreter muß man schon taub sein, wenn man nicht hört, was die Spatzen von den Dächern pfeifen. Im Grunde liegen die Dinge so, daß Abessinien als Kolonialunternehmen in die Ferne gerückt, zu einer Episode geworden ist, wie sie der Feldzug in Marokko für Frankreich war, als Paris seine Lebens­belange durch Deutschland bedroht glaubte. Für Rom liegt die Drohung nun im Mittelmeer, näher: auf dem Corso in Rom, im Direktionsziimner der Staatsbank, auf den Eisenibahngeleisen. Sie hockt auf dem Besucherstuhil vor dem Schreibtisch Mussolinis, sie glotzt dem Fabrikarbeiter über die Schultern, sie grinst den Bauern an, der kopfschüttelnd vor seinem .Traktor steht. Und sie heißt: Benzin. Was bedeutet schon der Einmarsch in die feind­liche Hauptstadt gegen das Drehen der Weltachse: Petroleum? Nach Öl drängt, am öl hängt doch alles. Man sagt, die Ölzufuhr sei bloß deswegen vorerst noch nicht unterbunden worden, weil Mussolini eine solche Sperre als Kriegsgrund bezeichnet habe, ver­gißt aber dabei, daß Italien einen europäischen Krieg noch weniger führen könnte, wenn es schon den Mangel in Afrika drüben als tödlichen Schlag emp­findet. Etwas näher kommt man der Wahrheit mit der Annahme, Italien würde auf den Entzug der kriegswichtigen Rohstoffe mit dem Austritt aus dem Völkerbund antworten. Vor dem letzten Ministerrat, der sich mit dieser Frage zu befassen hatte, führte die Presse eine derart heftige Sprache gegen Genf, daß der Bruch schon vollzogen schien. Wäre Genf eine Privatperson, so hätte sie auf solche Ausfälle hin von sich aus das Tischtuch zerschneiden müssen. Warum bleibt man trotz allein zusammen? Eine Überlegung, die auf die richtige Spur führt. Der Kampf ums Mittelmeer ist in vollem Gange, auf absehbare Zeit aber bereits zugunsten Englands ent­schieden. Unter großen Gesichtpunkten gesehen, muß der Ausbruchsversuch Italiens zunächst einmal als ge­scheitert angesehen werden, was selbstverständlich eine Wiederholung nicht ausschließt, denn ebenso­wenig wie Ägypten kann sich Italien auf die Dauer der britischen Schlüsselgewalt unterstellen. Heute aber würde seihst ein vollständiger Sieg in Abessinien die Lage nicht bessern, sondern unheilvoll verschlim­mern — es sei denn, daß England klein beigebe, was Kenner des britischen Charakters ausschließen. Eng­land hat seine berühmte „Never stop!“-Stellung be­zogen und kann sein Prestige nicht weniger leicht als Italien aufs Spiel setzen. Schicksalhaft ist dieser größere Krieg. Was folgt nun aber unmittelbar aus dem gegen­wärtigen Stand der gegeneinander aufgebotenen Machtinteressen? Der Kampf um die Kolonien! Wir haben es bereits vor dem ersten Kanonenschuß ge­sagt, daß die Kolonialfrage — ganz gleich, wie dieser Krieg ausgehen mag — durch ihn in Fluß kommen werde. Rom seihst erklärt, entweder erhalte es Abessinien, dann trete es in die Reihe der gesättigten und damit friedfertigen Nationen ein, oder man ver­weigere ihm dieses, auf den Vertrag von London ge­stützte Recht, und dann müsse es das ungelöste Kölonialproblem vor den Völkerbund bringen. Mit anderen Worten, es verlange andere Kolonien. In diesem Augenblick müßte die bisher unbeteiligte Großmacht, Deutschland, Stellung beziehen, denn daß das Dritte Reich einem Kuhhandel mit den Man­daten untätig zuschauen werde, das glaubt woh'1 keiner. Und Kolonien haben, heißt lebenswichtige Roh­stoffe, eine blühende Schiffahrt und, zu ihrem Schulz, eine starke Kriegsmarine haben. Der Aus­druck Mandat läßt sich zuweilen sogar mit Öl über­setzen, man denke nur an Irak; und hier schließt sich der Ring. Die afrikanische Schlange, durch öl aufgescheucht, beißt sich in den Schwanz. Abessi­nien, Völkerbund, Mittelmeer, Kolonien, Benzin. Man kann es vor- und rückwärts lesen. Daher ist es billig, zu sagen, Italien solle halt in Gottesnamen seine Truppen zurückziehen. Nichts würde sich damit auf die Dauer ändern. Wir müssen uns schon auf weitere Kriegswinter und vielleicht noch strengere gefaßt machen. Deíaílarbeíí im Norden. Von unserem militärischen Mitarbeite;. Zur Stunde, da dieser Bericht verfaßt wird, lie­gen nur vom südlichen Kriegsschauplatz Nachrich­ten vor, die auf eine bemerkenswertere Änderung der Lage hinweisen. Bezüglich der Operationen im Norden ist es interessant, festzustellen, daß alle jene eifrigen Korrespondenten, die schon lange vor dem Eintreffen Marschall Badoglios wußten, wie er sich die Wetterführung der Operationen vorstellt, jetzt plötzlich verstummen oder den Mantel nach dem Winde drehen. Sie wußten genau, Badoglio werde mit dem systematischen Vorgehen der Divisionen in enger Fühlung brechen und in raschem Tempo vor­­stoßen. Das Wie? und Wo? verrieten diese allwissen­den Strategen allerdings nicht. Einmal auf dem Kriegsschauplatz eingetrolfen, ließ der Marschall sie aber nicht weiter im Zweifel über seine Pläne. Nichts lag ihm ferner, als mit ungedeckten Flanken und un­sicherer Nachschublinie auf Dessie loszustürmen. So weiß denn auch der Sonderberichterstatter der Stampa auf einmal zu berichten, daß der italienische Vormarsch nach dem Süden erst einsetzen werde, wenn das Eingeborenenkorps das Tembiengebirge (oder Gebiet, was richtiger ist), von den abessini­­schen Banden gesäubert hat. Nebenbei sei hinzu­gefügt, daß außer dem Eingeborenenkorps auch Teile des I. und des II. Korps und wenigstens noch die frisch eingesetzte Milizdivkion „21. April“ an diesen Operationen teilnehmen. Es ist dies also eine groß angelegte, systematische Durchdringungsopera­tion auf breiter Front, die ganz dem Verfahren ent­spricht, das auch die Franzosen erfolgreich in Ma­rokko angewendet haben. Es braucht Zeit, führt aber am sichersten zum Ziele und ist der einzige Weg zur Entwaffnung der besetzten Gebiete. Jedenfalls kann man gespannt der weiteren Entwicklung im Nord­­abschnitt entgogensehan. Die Lage auf dem südlichen Kriegsschauplatz weist ebenfalls neue Momente auf, die an Hand der entsprechend ergänzten Skizze verfolgt werden sollen. Bisher spielte sich die ganze Kampftätigkeit ein­zig und allein an der durch die Fiußläufe des Webi Scelebi und Falän gegebenen Vorrückungslinie gegen Jijiga-—Harar ab. Auch hier, auf einer Front von rund 700 Kilometer Ausdehnung sehen wir eine weit vorgedrungene Stoßgruppe, deren Hauptkraft wahr­scheinlich bei Gabredare steht, die auf Mogadiscio basiert, eine 650 Kilometer lange Nachschublinie hinter sich hat. Diese Entfernung entspricht der in Luftlinie gemessenen Distanz zwischen Komárom und Brassó und man kann sich denken, welche Kräfte zu ihrer Sicherung und Instandhaltung be-nötigt werden. Im übrigen befinden sich von rechts nach links genommen, an der Grenze von Britisch- Somaliland, in Ualual, Gerlogubi, Schillawe, Kallafo, Ho Wen (wahrscheinlich auch Jet) und bei Dolo ver­schieden starke Besatzungen in gut befestigten La­gern. Man wußte wohl, daß Ras Desta im Bezirk Bale, über 300 Kilometer nordwestlich von Dolo, eine Ar­mee sammelt, die aber infolge der Wegarmut der Gegenden westlich der Flüsse Web Gestro und Mana, mit der Hauptkraft nur auf dem Umwege über Ma­­galo, wo schon vor einem Monat Truppen von Flug­zeugen bombardiert wurden, herankommen konnte. Es führt allerdings auch ein südlicher Weg direkt auf Dolo, der aber schlecht und beschwerlich ist. Das Gefecht von Lama Schillindi, am 22. No­vember, 80 Kilometer nördlich von Dolo, am Web Gestro, war das erste Alarmzeichen aus dieser, die linke Flanke der Armee Graziani bedrohenden Rich­tung. Es muß angenommen werden, daß Ras Desta nicht bloß in dieser einen Richtung vorgeht, sondern, wie bereits gemeldet wurde, auch gegen Kallafo vor­dringt, um die italienischen Operationen gegen Dag­­bur, beziehungsweise Jijiga zu unterbinden. Im Zu­sammenhang mit dem Auftreten dieser neuen abes­sinischen Streitkräfte steht auch die in der Sonntags­nummer dieses Blattes gebrachte Mitteilung aus Mogadiscio, daß das Gefecht von Lama Schillindi das Vorspiel für kommende große Kämpfe in der Gegend des Web Gestro sei. General Graziani verfügt jedenfalls bei Belet Wen am Webi Scelebi noch über Reserven, die er gegen Westen einsetzen kann. Es verlautet auch, daß die Heeresdivision „Tevere“, die am 23. November den Schiffstransport begann, zur Verstärkung Grazianis bestimmt ist, so daß man in nächster Zeit mit einer lebhafteren Kampftätigkeit auf dem Somali-Kricgsschauplatz wird rechnen können. Jedenfalls aber hat das Auftreten der Armee Ras Destas General Graziani vor eine neue Lage ge­stellt, die ihn nunmehr zwingt, auch nach Westen Front zu machen und in zwei Richtungen zu kämpfen. General v. Mierka. Montag, 2. Dezember 1935 Ein italienischer Situationsbericht. Mailand, 1. Dezember. (Inf.) Der Sonderberichterstatter der Stampa an der Nordlfront des abessinischen Kriegsschauplatzes erfährt, daß der italienische Vormarsch nach dem Süden erst einsetzen werde, wenn das Eingeborenen- Armeekorps das Tembien-Gebirge von den abessini­schen Banden gesäubert und in Besitz genommen habe. Diese Säuberungsaktion sei notwendig, um ge­gen etwaige Flankenangriffe des Ras Seyum gesichert zu sein. Vor dem italienischen Vormarsch gegen die Ge­birgspässe Abaro und Melfa warfen italienische Flie­ger über dieser Gegend Flugblätter ab, in denen die abessinische Bevölkerung aufgefordert wird, sich den Italienern zu ergeben. In den Aufrufen heißt es u. a. wörtlich: „Die italienische Regierung bringt Euch Gerechtigkeit und Frieden. Wir wissen, daß einige Eurer Führer Euch gegen uns bewaffnen wollen, weil sie wissen, daß wir Euch befreien und den Über­griffen Eurer Stammesführer ein Ende machen wollen. Wir wissen, daß viele von Euch sich unter­werfen wollen und keine Italiener angreifen. Des­halb unterwerft Euch den italienischen Truppen und liefert Eure Waffen ab!“ Im italienischen Hauptquartier wird darauf hin­gewiesen, daß das unwegsame, schwierige Gelände den Abessiniern gutgesicherte Verstecke biete, von denen aus sie ihre Überfälle auf italienische Abtei­lungen ausführen können. Diese Überfälle bilden eine Beunruhigung und Gefährdung des Nachschubs. Es wird weiter darauf hingewiesen, daß größere Opera­tionen im nördlichen Kampfabschnitt durch diesen Kleinkrieg zwar nicht unmöglich gemacht, aber immerhin beeinträchtigt werden. Nach den Meldungen von italienischen Auf­klärungsfliegern sind die Abessinier damit beschäf­tigt, an den waldigen Abhängen des Gebirges um Amba Alagi starke Verteidigungsstellungen auszu­bauen, obwohl dieses wildzerklüftete Feisengebitge

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