Pester Lloyd - esti kiadás, 1936. február (83. évfolyam, 26-50. szám)

1936-02-01 / 26. szám

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Blau, Boros, Braun, Josef Erdos. Győri & Hagy, Harsány!, Haasensteln & Vogler. Cornel Leopold, Julius Leopold, Magy. hirdető­­iroda, Mosse Rudolf A.-B., Julius Tenzer. Einzelnummer tűr Budapest und für dieProvinz: Morgenblatt an Wochentagen 10 Heller, an Sonntagen 3a Heller, Abendblatt 10 Heller. Für Oesterreioh: Morgenblatt an Wochen­tagen 30 Gr., an Sonntagen 40 Gr. und Abendblatt 20 Gr. Redaktion u. Administration t V-, M.ABIA VALÉKIA-UCCA 1*. Telephone: Redaktion: 848—20. Naoh Mitternacht] 848—26. Administration 849—09 Nr. 26 * Anslandschau. -> 1. Februar. — Nach dem Siege Sarrauts. Die Mehrheit, die Ministerpräsident Sarraut sich gestern in der Kammer sichern konnte und bei der die Zahl der Ja-Stimmen mehr als doppelt so groß wie die der Nein-Stimmen war, ist für fran­zösische Parlamentsverhältnisse überraschend groß. Seit langer Zeit konnte sich keine französische Re­gierung einer so großen Majorität rühmen. Nach der Papierform war also der Sieg eklatant, liest man aber aus den heutigen Pariser Blättern die Stim­mung des Landes heraus, so hat man keineswegs den Eindruck, daß das neue Kabinett sich einer außerordentlichen Popularität erfreue. Die Erklä­rung dafür ist einfach. Sarrauts große Mehrheit ist dadurch zustande gekommen, daß die Sozialisten nach einer mehrjährigen Pause wieder einmal für die Regierung gestimmt haben, während anderer­seits 60 bis 80 Abgeordnete der Mitte sich der Stimme enthielten. Die Abstimmung brachte aber noch ein anderes Ereignis, das man als ein histori­sches Faktum werten kann: zum erstem Male stimmten in einem großen europäischen Lande die Kommunisten nicht gegen die Regierung. Das war der sichtbare Ausdruck jener Wendung in der kom­munistischen Taktik, die auf der letzten Tagung der kommunistischen Internationale in Moskau ange­kündigt wurde und der in keinem Lande so große politische Bedeutung zukommt, wie gerade in Frankreich. Der Beschluß von Moskau, daß die Kommunisten angesichts der faszistischen Gefahr mit den bürgerlichen Linksparteien und mit den Sozialisten Zusammengehen sollen, hat in Frank­reich zuerst zur Bildung des Front commun zwi­schen Sozialisten und Kommunisten, später gemein­sam mit den Radikalen zur Aufrichtung des Front populaire geführt, der im Herbst bereits eine große politische Rolle gespielt hatte. Es ist verständlich, daß die Blätter der Rechten unter diesen Umstän­den der Regierung Sarraut vorwerfen, ein Kabinett der Volksfront zu sein. Manche Zeitungen, die schon in den letzten Tagen erklärt haben, daß die Regie­rungsbildung auf sowjetruissische Intrigen zurück­gehe, setzen heute ihre heftigen Angriffe fort und meinen, daß das Kabinett Sarraut von den Kommunisten beherrscht werde. Le Jour schreibt: __ Léon Blum hat gestern von der Tribüne herab dem Ministerpräsidenten Sarraut seine Bedingungen gestellt und dieser habe sie angenommen- Eine solche Formulierung ist zweifellos eine Übertreibung. Aber bei der gestrigen Debatte hat sich tatsächlich die politische Freundschaft zwischen Sarraut und der Linken fester erwiesen als man es ursprünglich glaubte. Die Redner der Rechten machten verzwei­felte Anstrengungen, um die Flügelparteien der Mehrheit an einer Abstimmung für die Regierung zu verhindern^ Diesem Ziele diente der Angriff auf die patriotischen Qualitäten Zays, um die Koalitions­­genossen der Mitte stutzig zu machen, und die Ent­hüllung über die Aufsichtsratsposten des Kriegs­­ministers General Maurin, die den Sozialisten die Teilnahme am Regierungslager unmöglich sollte. Den ersten Angriff hat Zay selbst abgewiesen, den zweiten wehrte der Ministerpräsident mit der Feststellung ab, daß General Maurin die von ihm innegehabten Ämter vor Eintritt in die Regierung aufgegeben habe. Das politische Bündnis von gestern, das ein nach links und rechts erweitertes Kartell darstellt, erwies sich also beim ersten Angriff der Opposition als recht widerstandsfähig. Dazu trug nicht z'aletzt die Geschicklichkeit des Ministerpräsi­denten bei, der auf der einen Seite die nationale Gesinnung des Kabinetts sehr wirkungsvoll unter­strich, auf der anderen aber der Linken feste Zu­sicherungen sowohl auf dem Gebiete der Innen- wie der Außenpolitik gab. Bleibt die jetzige Mehrheit in gleicher Zusammensetzung bis zu den Wahlen bei­sammen, so werden die Linksparteien mit guten Aussichten in den Wahlkampf gehen- In der inner­politischen Auseinandersetzung kann die Tatsache, daß es keine Linksopposition in Frankreich mehr gibt, ihren Eindruck auf die Wählermassen nicht verfehlen. Die Entwicklung in Ägypten. Die Spannungen in Ägypten dürften mit der Er­nennung des Kabinetts Ali Mäher Pascha keine end­gültige Lösung erfahren. Zumindest bestehen die inneren Gegensätze zwischen der nationalistischen Wafd-Partei einerseits und dem Hof und dem briti­schen Oberkommissär andererseits unvermindert fort, wenn es auch mit Hilfe der polizeilichen Maß­nahmen gelingen sollte, den hauptsächlich von Stu­denten getragenen nationalistischen Kundgebungen und dem Studentenstreik ein Ende zu machen. Die Gründe für die neuerliche Zuspitzung der Lage in Ägypten sind nicht ganz durchsichtig. An sich hatte die unter Führung von Nahas Pascha stehende nationalistische Einheitsfront am 12. De­zember überraschend schnell ihr Ziel der Wieder­inkraftsetzung der Verfassung von 1923 mit den darin vorgesehenen parlamentarischen Einrichtungen erreicht. Die Vorbereitungen für die Abhaltung von freien Wahlen, wie sie der Verfassung von 1923 ent­sprechen, wurden getroffen, und es hieß, daß die Wahlen bereits im kommenden März abgehalten werden sollten. Hand in Hand mit der Ausgestaltung der ägyptischen Unabhängigkeit sollten auch Ver­handlungen zwischen dom eaglischen Oberkommissär Sir Miles Lampson und der Einheitsfront, bezw. ihrem Führer Nahas Pascha über den seinerzeit ge­scheiterten englisch-ägyptischen Vertrag von 1930 geführt werden, Verhandlungen, die England zu einer Änderung der in jenem Vertragsentwurf ent­haltenen Bostimmungen über die Stärke der engli­schen Garnison benutzen wollte. Es lag nahe, daß diese Verhandlungen mit einem Kabinett geführt werden sollten, das eine Vertretung der ägyptischen Parteien, in erster Linie des Wafd, dargestellt hätte. Indessen hat sich das Kabinett Nessim Pascha, das sich ausschließlich auf das Ver­trauen des Königs Fuad gestützt hatte, erst am 22. Januar zum Rücktritt entschließen können. Die Aufforderung zur Bildung eines neuen Kabinetts er­ging an den Wafdführer Nahas Pascha, und es be­deutete eine neue Überraschung, als dieser die Bil­dung des Kabinetts ablehnte. Es ist anzunehmen, daß Nahas Pascha befürchtete, cifunal an der Macht, bei den Verhandlungen mit England diesem unver­meidbare Zugeständnisse machen zu müssen, die dann von den konkurrierenden Parteien Ägyptens benutzt worden wären, die Volkstümlichkeit des Wafd zu untergraben. Inzwischen haben dann die Studenten in weit schärferer Form als im Dezember ihre Kundgebungen für die ägyptische Unabhängig­keit wieder aufgenommen. Die jetzige Entwicklung, bei der sich die für den ägyptischen Nationalismus nach außen hin ver­antwortlichen Persönlichkeiten scheuen, die ver­fassungsmäßige Verantwortlichkeit zu übernehmen, hat offensichtlich zu einer erheblichen Stärkung des Hofes und der hinter ihr wirkenden Kamarilla ge­führt. In dieser Kamarilla ist eine der mächtigsten Persönlichkeiten der Kabinettechef des Königs Fuad, Ali Mäher Pascha, der jetzt Ministerpräsident wird. Daß der frühere Ministerpräsident Sidky Pascha, der in früheren Jahren eine unumschränkte Diktatur ausgeübt und im wesentlichen die Außerkraftsetzung der Verfassung von 1923 durchgeführt hat, im Ka­binett Maher Pascha den Posten des Kriegsministers Übernimmt, ist ein interessantes Symptom für den Kurs, den man von dem Kabinett Maher Pascha zu erwarten hat. Ob es noch im Frühling zur Abhaltung der ur­sprünglich in Aussicht genommenen Parlaments­wahlen kommt, ist unter diesen Umständen fraglich. Die Rolle, die der englische Oberkommissar bei der jüngsten Entwicklung der Dinge in Ägypten gespielt hat, tritt zunächst nicht klar hervor. Es ist aber be­kannt, daß die Ratschläge des Oberkommissars beim Königshof sehr beachtet werden, und daß England kein besonders großes Interesse an einem Zuwachs der ägyptischen Unabhängigkeit hat. Im Anschluß an die Bildung der neuen Regie­rung sind Gerüchte über den Beginn der ägyptisch­englischen Verhandlungen am 15. Februar ver­breitet. In ganz Ägypten herrscht wieder Ruhe. Die in Zusammenhang mit den studentischen Ausschrei­tungen geschlossenen Behörden und Schulen wer­den voraussichtlich Anfang nächster Woche wieder geöffnet werden. Der mit der Führung der Verhand­lungen beauftragte Führer der Wafd-Partei Nahas Pascha bat in einer Unterredung betont, daß er überzeugt sei, daß die englische Regierung den ehr­lichen Willen zur Verständigung habe. Die Kehrseite des deutschen Antisemitismus. Statistische Daten; die in der Berliner Klini- i sehen Wochenschrift veröffentlicht wurden und auf offiziell deutschen Erhebungen beruhen, zeigen eine sehr wesentliche Erhöhung der Sterblichkeitsziffer in den deutschen Großstädten im Laufe des letzten Jahres. Die Statistik stellte fest, daß die Sterblich­keit 1935 in den Städten um beinahe 20.000, also 12.5 Prozent größer geworden ist, als in der ent­sprechenden Zeit des Vorjahres und um 25.000, also 16 Prozent, größer als 1933. Wenn man für die Landbevölkerung, deren Gesundheitsverhältnisse sich anscheinend nicht besser gestaltet haben, das gleiche Verhältnis annimmt, so gelangt man zu einer Schätzung von 75.000 Menschen, die in einem ein­zigen Jahre mehr starben als früher. Der Korrespondent des Berner Bund sucht in seinem Blatte diese auffallende Erscheinung zu er­klären. Wirtschaftliche^ Gründe können nicht maß­gebend sein, weil, obwohl das Existenzniveau der großen Massen infolge der merklichen und einseiti­gen Erhöhung der Lebenshaltungskosten und ge­wisser Nahrungsmittelschwierigkeiten einen Rück­gang zeigt, die Verminderung der Arbeitslosigkeit auf der anderen Seite den Kreis der extreme Not leiden­den Schichten wesentlich einengte. Also müsse eine andere Erklärung für die Erhöhung der Sterbeziffer gesucht werden. Der schweizerische Berichterstatter meint, sie sei eine Folge davon, daß Deutschland sich von den Fortschritten der Wissenschaft ab­sperrt und zum Teil durch den konsequenten Anti­semitismus dazu gelangt ist. Es scheine, daß der Ausspruch der bedeutendsten amerikanischen Fach­zeitschrift. des Journal of American Medical Associa­tion, zur Wahrheit werde, die sagt, es werde nicht lange dauern und man werde die Wirkung dieser Rückkehr der deutschen Medizin von der modernen Wissenschaft zu den Verfahren der „natürlichen Heilmethoden“ am Gesundheitszustand des deut­schen Volkes feststellen. Von 10.000 Großstadt­­bewohnern fielen im ersten Halbjahr der beiden letzten Jahre den einzelnen Krankheiten folgende Prozente mehr als früher zum Opfer: Diphtherie: Zunahme der Sterblichkeit 52:7 Prozent, Scharlach 44.2 Prozent, Kinderlähmung 36.8 Prozent, Para­typhus 15 Prozent, Unterleibstyphus 1.9 Prozent, Ruhr 30.8 Prozent, Kindbettfieber 23 Prozent. Mit der „Rückkehr zu den natürlichen Heil­methoden“ hates eine eigene Bewandtnis. Die deut­sche medizinische Wissenschaft selbst steht heute auf einem fast ebenso hohen Niveau wie früher. Die Ausschaltung jüdischer Professoren aus der Ärzte­bildung und vieler jüdischer Ärzte aus der öffent­lichen Wohlfahrtpflege hat zwar fühlbare Verluste verursacht, sie kann aber unmöglich eine so greif­bare Erhöhung der Sterblichkeitsziffer begründen, wie sie aus der Statistik hervorgeht. Die antisemiti­sche Einstellung zu Fragen der medizinischen Wis­senschaft wirkt sich vielmehr indirekt aus. Es ist bekannt, daß der Nürnberger Antisemitenführer Streicher seit Jahren eine erbitterte Propaganda gegen die ganze moderne medizinische Wissenschaft, gegen die Bazillentheorie und Serumtherapie führt, mit der Begründung, daß die Begründer dieser Wis­senschaft, Koch, Behring, Virchow, Ehrlich usw., Juden oder Judenfreunde waren. Folglich sei diese ganze Wissenschaft nur darauf angelegt, die deut­sche Rasse zu untergraben. Um dem sicheren Ver­derben zu entgehen, müsse die deutsche Rasse zur j Naturheilkunde, Homöopathie, Wasserheilkunde und ähnlichen „echt deutschen“ Heilmethoden, zurück­kehren. Die Folgen dieser auch offiziell unterstützten Propaganda sind es, die vielfach die deutsche medi­zinische Wissenschaft behindern und um ihre Früchte bringen. Eine andere charakteristische Zeiterscheinung beleuchtet ebenfalls die Kehrseite des deutschen Antisemitismus. Nach englischen Zeitungsberichten werden jetzt mit Rücksicht auf die ausländischen Besucher der Winterolympiade in Garmisch-Parten­kirchen in München und in den Ortschaften zwi­schen München und Garmisch die antisemitischen Inschriften aus Gastwirtschaften und von den Straßen entfernt. Eis ist begreiflich, daß man den üblen Eindruck, den diese Tafeln auf die Besucher aus dem Westen machen, gern vermeiden möchte. Die Tatsache jedoch, daß diese sichtbaren Symbole des Antisemitismus über Nacht verschwinden konn­ten, ohne daß die Bewilkerung irgendwo protestiert hätte, beweist, daß diese ganze Hetzpropaganda eine bewußt von den Parteistellen organisierte Angele­genheit war, die nichts mit den spontanen Gefühlen der Bevölkerung zu tun hatte. Es handelt sich also um einem lenkbaren Antisemitismus, dessen Aus­brüche sich je nach den innerpolitischen Partei­absichten und den finanziellen und moralischen Fremden verkehrsrücksiohten regulieren lassen. 1

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