Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1936. június (83. évfolyam, 126-147. szám)

1936-06-03 / 126. szám

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Blau, Boros, Braun, Josef Erdős, Üyőrl A Nagy, Harsány!, Haasenstein A Vogler, Cornet Leopold, Julius Leopold, Kagy. hirdető- Iroda, Mosse Rudolf A.-8, Julius Tensor. Einzelnummer für Budapest und für die Provinz: Morgenblatt an Wochentagen 16 Heller, an Sonntagen 33 Heller, Abendblatt io Heller. Fflr Oesterreich: Morgenblatt an Wochen­tagen 30 Or., an Sonntagen 40 Qr. und Abendblatt 20 Or. Redaktion u. Administration» ▼., MÁRIA VALÉR IA-UCCA. 1* Telephone: Redaktion: 848—20. Naoh Mltternaohb 848—36. Administration 849—09 83« Jahrgang. Budapest, Mittwoch, 3a Juni 1936. Nr. 126 Ungarischer Büchertag 1936. Budapest, 2. Juni. (—ti) Überall auf dem Budapester Asphalt, an allen belebten Verkehr spunkten der Großstadt er­blüht ein froher Jahrmarkt des ungarischen Geistes. In Verkaufszeiten, die an die Lebkuchenhuden der wirklichen Jahrmärkte erinnern, wird die edelste Ware feilgebotem das ungarische Buch. Dichtung, Erzählungskunst, Wissenschaft häuft sich in bunter Reihe an. Und die Menschen kaufen. Auf den aus­ländischen Gast, der diese spröden Frühsommertage bei uns verbringt, mag dieses farbige Treiben etwas seltsam wirken. Das Buch auf der Straße? Vielleicht ist sich der Freunde im ersten Augenblick nicht klar, ob es sich (hier um eine Entwürdigung oder einte un­gewöhnliche Ehrung des Buches handelt. Wir kön­nen unsererseits in dieser rasch populär gewordenen Idee, für drei Tage im Jahre das Buch in IStraßen­­zeltem feilzubieten, nichts Absonderliches erblicken. Sie ist keine allzu große Ehre und beileibe keine Ent­ehrung des Buchs. Aber sie ist nur zu begreifen, wenn man die vielleicht in ganz Europa einzigartige Stellung der Literatur in Ungarn kennt. Die unga­rische Literatur ijyefmdet sich in einer besonderen Lage in ihrem Verhältnis zum Publikum, zum Volk, zur Nation. Literatur und Publikum. In Ungarn wurde nicht die Literatur durch das vorhandene Publikum ins Leben gerufen, sondern die Literatur hat erst das Publikum geschaffen. Wenn heute das ungarische Buch auf der Straße um die Lesei- wirbt, so ist diese Sitte ein später Nachklang jener Anstrengungen, die die großen Erwecker des ungarischen literarischen Bewußtseins, ein Kazinczy, ein Kisfaludy und so viele andere machen mußten, um das ungarische Buch auch als Ware zu Ehren komimén zu lassen. Das ungarische Lesepublikum war am Ausgang des achtzehnten Jahrhunderts noch kaum vorhanden, nur die aufopferndste persönliche Propaganda konnte für ein Buch oder eine Zeitschrift . einige hundert Käufer auftreiben. Der lateinisch, deutsch und fran­zösisch gebildete Adel sah auf die Literaturerzeug­­misse der Aschenb rödelsp rache des Volkes von der Höhe einer arrivierten Kultur herab, der Bürgerstand r las deutsch oder gar nicht, und das Bauernvolk kam gar nicht in Betracht. Es ist begreiflich, daß unter solchen Umständen fast um jeden Leser einzeln ge­kämpft werden mußte. Damals war die Pflege der, ungarischen Literatur eine Mission. Später ist sie auch zum Broterwerb geworden. Aber das kleine und arme Land sicherte seinen Dichtern ein karges Brot. Noch zu Ende des neun­zehnten Jahrhunderts hören wir die Dichterklage, daß man in Ungarn wohl Bücher lese, sie aber nicht kaufe, sondern auf andere Weise zu erwerben trachte; und im zwanzigsten Jahrhundert entsteht ein wahrer literarischer Hochbetrieb, eine Fülle der glänzendsten Begabungen verwirklicht — im Gefolge einiger Genies — die wahrhaft* große und euro­päische ungarische Literatur. Aber die Fülle der Ta­lente, dlie Hochflut der Werke läßt sich auf der anderen Seite teuer bezahlen. Selbst Vorkriegsungarn bot nur ein zahlenmäßig beschränktes Lesepublikum, das die große Dichterschar der Hauptstadt nicht er­nähren konnte. Noch schlimmer wurde es, als große und gebildete Teile des ungarischen Publikums unter fremde Staatshoheit gelangten, wobei die neuen Ob­rigkeiten nocli alles unternahmen, um die geistigen Beziehungen zwischen dem Mutterstamm und den abgeschnittenen Zweigen zu zerreißen. 'Der unga­rische Dichter sucht sich in nur zu vielen Fällen einen Broterwerb — als Journalist, als Übersetzer, als Bureaubeamter; und die neuen Erwerbsquellen bei Film und Radio bieten eher Ablenkungs- als Schaffensmöglichkeiten. Das Publikum, das in den Zeitungen viel erstklassiges literarisches Material zu lesen bekommt (verhältnismäßig viel mehr, als in der anders ausgezeichneten Presse der westlichen Länder), gibt bei uns immer zu wenig Geld für Bücher aus. Vielleicht waren die ungarischen Bücher in früheren Zeiten auch teuer — die kleinen Auflagen ließen keine billigen Preise zu —, heute' ist dies auch nicht mehr der Fall, das ungarische Buch ist ausge­sprochen billig im Vergleich mit dem deutschen und englischen, aber die Leser haben sich zu sehr ans Bücherleihen anstatt des Bücherkaufs gewöhnt, man muß sie mit ganz besonderen Propagandamitteln an das Kaufen gewöhnen. So läßt sich die Institution des Büchertags leicht aus dem Verhältnis von Buch und Publikum erklären. Literatur und Volk. Das Verhältnis zwischen ungarischer Literatur und ungarischem Volk ist viel komplizierter,.'als das zwischen Literatur und Publi­kum. Ohne es zu begreifen, würden wir indessen wenig über die Lage der Literatur in unserem Lande wissen. Die ungarische Dichtung wendet sich seit ihrer Erneuerung mit einer isohst in Europa uner­hörten Intensität dem Phänomen des Volkes zu. Was in den meisten europäischen Literaturen eine Episode der Vor- und Spätromantik war, der literaiüsche Kult des Bauernvolks, ist für die ungarische Literatur die große Schicksalsfrage gewoi-den. Und hier stellt sich auch das Problem des Volkes anders. Die großen Fragen der nationalen und sozialen Existenz drän­gen sich alle in diesen Aspekt zusammen. Petőfi spricht das schickalhafte Wort vom Volke aus, das man in der Literatur zur Herrschaft erheben müsse, um es auch in der Politik herrschend zu machen. „Volk“ in diesem Sinne ist Stand und Klasse zu­gleich: reinste Verkörperung der ungarischen Lebens­form und zugleich Träger und Opfer einer großen historischen Ungerechtigkeit. Das Volkserlebnis der großen ungarischen Dichter, eines Petőfi, eines Adv, hat sich nicht auf die ornamentalen Elemente der Volkskunst beschränkt, es war himmelweit davon entfernt, das „Volkstümliche“ zu niedlichem, senti­mentalem Kunstersatz zu versüßen. Diese wahren und großen Dichter wußten, daß die Sendung der Dichtkunst nicht darin besteht, das lebende unga­rische Volk als musealen Gegenstand zu bewundern, sondern darin, die Verantwortung der Gesamtnation an seinem Schicksal zu erwecken. Auch heute sehen wir, daß die junge Schrift­stellergeneration sich dem Volke zuwendet. Auch falsche Vorstellungen einer überlebten Romantik laufen dabei mit unter, die Auffassung, daß das Volk als schöpferisches Kollektivum, als echteres und tieferes Gegenbild der „gebildeten“ Kunst und Litera­tur zu verstehen sej. Über die verständnislose Ver­herrlichung der Volkskunst und Volksdichtung — deren herrliche Werte in Wirklichkeit nichts dadurch gewinnen, wenn man sie der zivilisierten Kunst als höheres Prinzip gegenüberstellt —, vergißt man dann nur zu Oft das wahre, lebende und leidende Volk, dessen hartes Dasein dem Beobachter, der einseitig auf folkloristische Schönheiten ausgeht, ewig ver­borgen bleiben muß. Einige Veröffentlichungen, die zum gegenwärtigen Büchertag herausgekommen sind, beweisen zum Glück, daß diese einseitige Anschauung schon zum größten Teil überwunden ist. Einige er­schütternde und wahre Berichte über die unbekannte Existenz des ungarischen Volkes legen davon Zeugnis ab, daß die echte „volkstümliche“ Tradition der un­garischen Literatur weiter lebt und ihre unserer Zeit angemessenen neuen Formen entfaltet. Die jungen Dichter und Schriftsteller, die sich heute mit echtem Blick dem Problem des Volkes zuwenden, zeigen wieder, daß wahrhafte Volkstümlichkeit keine Ku­riosität und kein folkloristischer Leckerbissen, son­dern harter Dienst und erweckender Ruf ist. Literatur und Nation. So wird die Literatur zur wahren Mission, ziir Trägerin eines har ten Schicksal­gedankens. Sie schafft zugleich das Bewußtsein der gemeinsamen Verantwortung, das die Nation nicht in verschiedene Interessengruppen zerbröckeln läßt. In der kampferfüllten und gefährdeten Existenz der un­garischen Nation war diese Mission besonders wich­tig. Es mag dem Ausländer auffällen, daß das na­tionale Moment in unserer Literatur einen verhältnis­mäßig breiteren Rum einnimmt, als in den aus ge­sichertem Boden, emporblühenden europäischen Lite­raturen. Das gefährdete ungarische Dasein errichtete sich auch im Buch, im geschriebenen Wort eine Feuilleton» Julie Szendrey. Von HUGO IGNOTUS. Mit dem Sprung von der Bühne des Burgtheaters hinab in das breite Publikiunsinteresse, in welchem dem Kontinent London und New York auf dem Fuß nachzufolgen pflegen, zeigt die Gestalt Julie Szen­­dreys das Talent, eine Legendenheldin gleich einer Gräfin d’AgouIt, einer Julie d’Espinasse zu werden. Im Vergleich zu diesen Weltdamen freilich nur ein bescheidenstes Eckchen Provinz. Doch damit aber noch tragischer als jene gefahren. Welche Tragik die Dichter bei uns schon immer angezogen hat. Obwohl dafür die Ärzte beiweitem zuständiger wären. Denn die Figur Julie Szendreys stellt für den Arzt, besonders den Seefenarzt, einen beinahe ge­rn ein plätzü ich-en, sozusagen typischen Fall dar. Zum ersten als das ewige Kind, das nie er­wachsen wird, auch wenn es zu Jahren kommt und selbst Kinder bat. Das Mädchen, das, ständig auf der Flucht vor dem strengen Vater, diesem ständig nach­jagt, um, von ihm niedergehalten oder beschützt, in beiden Fällen' der Mühe enthoben zu sein selbst zu beschließen, auf eigenen Beinen zu stehen, im Leben die Erfahrung der Folgen, die nach keiner Handlung ausbleiiben, machen1 zu müssen. Zum zweiten als narzißtische Seele, die sich nicht zu verlieben vermag, da sie nur sich liebt, sich aber auch nicht, kennt, da sie, aus sich nie heraus­gekommen, nur die Bäume in ihrem Innern sieht und ein äußerliches Waldbild von sich nicht haben kann. Ohne eigene Persönlichkeit, besser gesagt ohne Empfindung einer solchen, muß sie eine solche im­mer beschließien und .sich geben, wie man nach ihrer — heute würde mau sagen: Ansichtskarten-Vorstel­lung schön, vornehm, bestrickend zu sein hat. Schließlich und drittens als die Frigide, für die körperliche Liebe nur als ewiger Wunsch und ewige Enttäuschung da ist, sie also davon nicht die Vor­stellung irgendeines Erschütlernden, Sittliche Be­rührenden haben kann, darauf aber um so besessener aus ist, als sic von einem jeden neuen Mann die bis­lang unterbliebene Erfüllung erhofft, sich zugleich mit einem jeden neuen Skalp einen neuen Beweis ihrer Unwiderstehlichkeit holen kann. Das Fatum Julie Szuiöreys war George Sand gewesen — was dann noch gefehlt hätte, gab die Revolution von 1848 hinzu. Ein Menschenalter zuvor hätte das hübsche Provinzfräulein sich nicht als Schöngeist geben, nicht mit Versen abquälen müssen. Das Groschenideai, das ihrem Putensinn vorgesehwebt hätte, wäre Marie Antoinette oder Marie Louise gewesen und sie hätte als Modedame nicht die Pflicht empfunden, sich ausgesprochen in einen Dichter zu verlieben. Zu ihrem Unglück ver­schlugen sich in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts mit Bauschröckén und Seidenumwür­­fen auch Revolution, Bürgersinn und Literatur als große Mode von Paris nach dem platten Land. Der Dichter der Nation, der große Vörösmarty, wagte es, vom Parkett des Pester Nationalthcaters den Damen in den Logen zu verübeln, daß ihnen die seesturm­­nächtigen Locken nicht grau ob der Sorgen des Vaterlandes werden.Die Modeblätter brachten, in Stahl gestochen und bunt gefärbt, das Bild der George Sand mit kurzgeschnittenem Haar und in Männerkleidern, im Text aber On-dits über ihre wechselnden Beziehungen zu den Dichtem und Künstlern des damaligen Paris. So sehr es nun bei der kleinen Landadeligen zu einer ländlichen Marie Antoinette gelangt hätte, so wenig hatte sie das Zeug ‘ zu dem mannhaften Arbeiter und Selbsgesetzgeber, als welcher George Sand .so mancher männlichen Größe den Rang abläuft. Wie die kleine Komitats- Tanzsaalpflanze, die Haare kurzgeschnitten, in Hosen, im Mund die Zigarre und sich ausgerechnet Petőfi, Petőfi! als Müsset beigdbogen in Szatmár die George Sand spielte, wär es genau die Art, wie dazumal die kleinen Jungen, den Papierzweispitz auf dem Kopf, Napoleon .spielten. Denkt Euch nun einen solchen Jungen plötzlich vor den 18. Brumaire oder vor Austerlitz gestellt! Denn mit der Ehe geriet der Provinzsohöngeist aus dem immerhin bequemen und versehenem Leben einer herrschaftlichen Gutsverwaltertochter unver­mittelt in die kahle Enge einer möblierten Pester Aftermiete. Boheme mag sich auf dem Papier lustig ausnehmen: als Wirklichkeit ist sie zermürbend, be­sonders an der Seite eines Petőfi, der sie um den ein­zigen Milderer, den Leichtsinn, bringt, hingegen alle Pflichtstrenge kleinbürgerlicher Gediegenheit in sie hineinträgt. Immerhin hätte dies wenigstens Ord­nung und Sicherheit, also Boden unter den Füßen bedeuten können. Doch gerade dieser Boden kippt mit dem Freiheitskrieg nach der Revolution um. Bis dahin konnte man, wenn nicht in Salons, zumindest in Umsturzkaffeehäusern als Freiheitsgöttin, glänzen. Jetzt aber ist der berühmte Gatte verschollen, das Kind ist hingegen da, Freunde aber gibt es nicht, da alles heimatislos umhierirrt. Das Kindweib trifft nicht nur mit der Wirklichkeit, sondern sofort auch mit dean Elend und der Ratlosigkeit zusammen, ohne an­dere Handhabe, als ihr Weibtum. Das war das ein­zig Sichere inmitten quälendster Unsicherheit. Zu­gleich die einzige Quelle für Erfolg und Ablenkung im VerdJürsten nach Genugtuung und Verwöhnung. Sie hätte sich, meint man nachträglich, bei der bra­ven Frau Arany im Hühnerhof verkriechen müssen. Aber auch diesen Hof gab.es nicht ■—■ Aranys waren

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