Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1937. július (84. évfolyam, 146-172. szám)

1937-07-01 / 146. szám

PREIS 16 FILLÉR Bezugspreise. Inland s Morgen- und Abendblatt: Vierteljährlich 18 P, monatlich 6.40 P. Nur Morgen­blatt i Viert el)ährlich 11P, monatlich 4 P. Nur Abendblatt: Vierteljährlich 8 P, monatlich 3 P. Ausland: in Österreich bei direkter Kreuzband­zusendung vierteljährlich 30 ö. Sch., in allen übrigen Staaten 30 P. Das Blatt kann durch sämtliche ausländischen Postämter bezogen werden; in Wien auch durch Morawa & Co. I. wollzeile 1L Einzelnummer t ln Budapest und in der Provinz: Morgen­blatt an Wochentagen 16 fillér, an Sonn­tagen 32 fillér; Abendblatt IO fillér. In Österreich : Morgenblatt an Wochen­tagen 30 Gr., an Sonntagen 40 OM Abendblatt 20 Gr.PESTER LLOYD MORGENBLATT C^llHn Anzeigenannahme. fn Budanest in der Administration des Pester Lloyd und in den Anzeigevermitt­lungen Ala A.-G.f Alaxander Balogh, J. Blookner, 1. Blau, Boros, Braun, Josef Er­dős, Harsány), Haasenstein <5 Vogler, Cornel Leopold, Julius Leopold, IRagyar Hir­­detöiroda, Rudolf Mossd A.-G., Julius Tenzer Unverlangte Manuskripte werden weder aufbewahrt, noch zurückgestellt, Briefe ohne Rückporto nicht beantwortet. Offerten sind Dokumente nur in Ab­schrift beizulegen. Für Beilagen lehnt die Administration jede Verantwortung ab. Redaktion und AdministrationN Budapest, V., Mária Valéria-ucca ÍZ Telephone: Redaktion: 1-848-20, nach Mitternacht 1-848-26. Administration: 1-849-09. 84. Jahrgang. Budapest, Donnerstag, 1. Juli 1937. Nr. 146 Ein Gesetz der nationalen Eintracht. Budapest, 30. Juni. Der staatsrechtliche Ausschuß des Abgeordne­tenhauses hat heute vormittag nach einer dreistün­digen, politisch bedeutsamen Aussprehe den Entwurf des neuen Reichsverwesergesetzes verabschiedet und der Bericht des Ausschusses konnte noch knapp vor 2 Uhr dem Abgeordnetenhause unterbreitet wer­den, so daß diese historisch hochwichtige Vorlage in der morgigen Sitzung des Abgeordnetenhauses verhandelt und verabschiedet werden kann. Die De­batte im Ausschuß hatte in diesem Falle eine er­höhte politische und kodifikatorische Bedeutung, denn die Verabschiedung im Abgeordnetenhause er­folgt unter feierlichen Äußerlichkeiten und ohne Debatte, demnach steht bei der künftigen Auslegung dieses Staatsgesetzes zur genauen Feststellung des gesetzgeberischen Willens nuir die Aussprache im Ausschuß zur Verfügung. Das Gesetz enthält keine taxative Aufzählung aller bei der Neubesetzung der Reichsverweserwürde möglichen Fälle, es enthält keine bis in die kleinsten Einzelheiten gehende Re­gelung des in das ungarische Verfassungssystem neu eingeführten Regentschaftsrates, es überläßt, wie Justizminister Dr. Lázár besonders betonte, die Ent­scheidung strittiger Fragen mit möglichster Aus­schaltung jeglicher Kasuistik der weisen Ent­schließung der künftigen Lenker der Geschicke die­ses Landes, und aus diesem Grunde war es von außerordentlicher Wichtigkeit, daß die Führer der größeren oppositionellen Parteien und im Namen der Regierung der Justizminister den bereits beste­henden Konsensus der Gesamtheit des Abgeordne­tenhauses in allen Einzelheiten bereinigten und be­festigten. Der Verlauf dieser Ausschußsitzung muß in der gesamten öffentlichen Meinung nicht bloß Ungarns, sondern auch des Auslandes die Überzeugung be­kräftigt haben, daß der ungarische Parlamentaris­mus auf unerschütterlich festen Grundlagen beruht und mit dem gesamten politischen Körper des Lan­des unzerreißbar verwoben ist, denn nur in einem Lande und in einer Gesellschaft, in denen das par­lamentarische Regierungssystem, die freie Willens­äußerung der Volksvertretung und die Ablehnung jedes auf brutaler Gewalt gebauten Systems als Selbstverständlichkeiten gelten, kann ein Gesetz von so überragender Wichtigkeit, wie es das neue Reichs-verwesergesetz ist, auf eine so würdige und edle Art Zustandekommen. Weder in der Gesetzgebung, noch in der Presse waren während der langen Wochen, die die Vorbereitung dieses Gesétzes in Anspruch nahm, Stimmen laut geworden, die die vorsichtige, wohlerwogene und schrittweise Formulierung des neuen Gesetzes gestört hätten. Das mystische, unfaß­bare, geheimnisvolle Fluidum, das eine mehr als tausendjährige historische Verfassung ausstrahlt, hat die Gesamtheit der ungarischen Öffentlichkeit wie­der einmal durchdrungen. Wieder einmal hat es sich erwiesen, daß die uralte Theorie der Heiligen Krone kein verrostetes Requisit der Rechtsgeschichte ist, kein Spielzeug von Kathederjuristen, sondern eine lebendige Kraft, die unter veränderten Verhält­nissen, unter völlig verändertem seelischen und po­litischen Klima sich immer wieder bewährt, alle so­zialen und Parteigegensätze überbrücken hilft und mit einer wunderbaren Spontaneität die Nation in eine innere Einheit schmiedet, die duirch bloße Machtmittel niemals erreicht werden könnte. Der Verlauf der Ausschußsitzung, über die wir heute berichten, mag jeden, der unter den Wirren und Wogen der Gegenwart seinen Glauben an die Zukunft des ungarischen Parlamentarismus verloren haben mochte, vollauf beruhigt haben. Kein einziger Redner erhob aiich nur ein Wort gegen die Prin­zipien, die im Entwürfe niediergclegt worden sind, im Gegenteil, alle Redner ohne Ausnahme traten für die Festigung der avitiseihen Grundsätze unserer Ver­fassung ein und alle stilarischen, am Motivenberiehl durohgeführten Änderungen verfolgten den Zweck, den Willen des Gesetzgebers, nicht um einen Schritt von der althergebrachten staatsrechtlichen Entwick­lungslinie abzuweichen, «och plastischer zum Aus­druck zu bringen. Aber auch darin herrschte volle Einmütigkeit, daß Reichs Verweser (Nikolaus v. Horthy sich durch «eine Verdienste um Staat und Nation das historische Recht erworben habe, einen größeren ReohtskreLs als den bisherigen zu erhalten. Die Entschließung aller Parteien, den Entwurf des Reichsverwesergesetzes in der morgigen Sitzung des Reichstages ohne Debatte zu verabschieden, verkündet vor aller Welt, daß Folk, Parlament und Slaa lsoberhau.pt in Ungarn eine unzerreißbare, organische Einheit bilden, in die keiete Macht auf Erden einen Keil treiben kann. Feuilleton* Von JOSEF DARVAS. In einem kleinen Wirtshaus der äußeren Josef­­-stadt sitzen wir zu zweit beisammen. Es war kein .vorher besprochenes Zusammentreffen. Wir waren zufällig im Menschendickicht der Großstadt auf­­einader gestoßen. An einem schmutzig-feuchten, grauen, nebelverhängten Herbstvormittag hatten wir uns getroffen. Hungrig, bettelmüde durchzog ich die .Straßen, mich langsam wie eine kranke Raupe vor­wärtsschlängelnd. Auf dem Franziskanerplatz blieb ich stehen und sah zu, wie schöne Seelen von alten Weiblein den Tauben Brotkrumen streuten. Ein zer­lumpter alter Mann kauerte sich zwischen den Vögeln nieder und begann die größeren Stücke herauszuklauben. Er scherte sich nicht um das ent­rüstete Schelten der Umstehenden, daß er sie den armen Tieren wegnehroe. Durch meinen Magen hin­durch fühlte ich mich mit ihm sehr solidarisch und verteidigte ihn. — Was soll er machen, wenn er hungrig ist? Gebt ihm zu essen!... Einen Augenblick lang dachte ich daran, mich neben ihn hinzukauern, um zu essen, dann aber ver­scheuchte ich schleunigst die versuchenden Gelüste. Warum nicht gar: ein diplomierter Lehrer... Soweit kann ich unserer Kulturüberlegenheit wirk­lich nicht zu nahe treten! Ich wollte weitergehen, — da erblickten wir einander. Auch er betrachtete die Krumen. Und die Tauben. — Servus! sagte ich zu ihm. Wir reichten uns die Hand. Ein wenig fremd. Es ist schon lange her, daß wir zusammen in die Schule gegangen sind. Drei Jahre hatten sich zwi­schen uns gedrängt. Auch dort hatten wir still neben- I einander gelebt, höchstens, daß wir manchmal über I gleichgültige Dinge plauderten. Aber jetzt, dá wir schäbig, mager und niedergebrochen sind, können wir nicht gleichgültig aneinander Vorbeigehen. Wir müssen in unser gegenseitiges Leben Einblick nehmen. Und das ist unbequem. Schweigend schlendern wir eine Weile. Die Flut der uns Entgegenkommenden reißt uns immer wieder voneinander. Das ist gut. Wir finden ohne­hin gegenseitig schwer Worte. Der Nebel beginnt immer diesiger zu werden. Langsam wird er zu Re­gen und verdeckt Häuser und Menschen mit dich­ten Vorhängen. Keiner von uns hat einen Mantel an. Wir schlüpfen unter ein Tor, um nicht ganz durchnäßt zu werden. — Was ist mit dir?— frage ich ihn. — Hast du keine Stellung? — Schau mich nur ordentlich an! ... und du? — Ich habe auch keine. Aber doch, was machst du? — Ich hänge herum. Ich wohne bei meinem Onkel, Mittagessen bekomme ich in der Volksküche und täglich gehe ich ins Ministerium. Doch riehts... — Ich gehe nicht einmal mehr hin. Schade um die Mühe. — Du, Zajtár hat eine Stelle bekommen! — packt er meinen Arni. — Irgendwo auf dem Lande. — Seine Mutter ist im Ministerium. Nicht ein­mal der sollte eine bekommen? ... — Das stimmt... — Was ist mit den übrigen? Von wem weißt du was? — Von wenigen. Der Sanyi Fekete geht als Taglöhner, zu Maurern. Bognár ist, habe ich gehört, Schneiderlehrling geworden. Was daran Wahres ist, weiß ich nicht. Aber was meinst du, wen ich vergangene Woche getroffen habe? Dezsö Nagy! ... — Den Dezső? Was ist mit dem? — Kellner in der RomanellLGasse. Ich war auch schon einmal bei ihm. Wenn du willst, kön­nen wir auch zusammen hingehen. Wann? — Meinetwegen jetzt gleich. Hier sitzen wir, wortlos über unseren Gläsern brütend. Unser Freund, der mit „Vorzüglich“ ab­solvierte Diplomlehrer, der einstige Präsident des Selbstbildungsvereins, rennt in schmutzig-weißer Jacke von Tisch zu Tisch. Kleine und große Ge­spritzte trägt er den wegen des Regens hereinge­­kommenen Kutschern, Arbeitern zu. Ist er einen Augenblick frei, dann läuft er zu uns, setzt sich aber nicht. Auch so blickt ihn der Chef mit schee­len Augen an, warum er sich denn so viel mit uns beschäftigt. Wegen zwei kleiner Gespritzter lohnt es sich wirklich nicht. Dezső lauscht unserem Ge­spräch mit dienstbereitem Lächeln. Manchmal wirft er eine Bemerkung dazwischen. — Habt Ihr, bittschön, gehört, daß Feri Mező Selbstmörder geworden ist? — fragt er und ver­neigt sich ein wenig, so wie er einem Gast irgend­eine erfreuliche Mitteilung oder ein liebenswürdiges Kompliment macht. — Einen kleinen Riesling-Ge­spritzten, jawohl, bittschön! — Und schon rennt er davon. Wir reißen den Kopf hoch, wie ein vor dem Hindernis stutzendes Pferd, und starren einander betroffen an. Vöglein, der sanfte stille Junge, ist Selbstmörder geworden. Es klingt so unglaublich, beinahe möchte man sagen komisch, daß es viel­leicht am besten wäre, zu lachen ... — Er hat sich mit einem Rasiermesser die Kehle durchschnitten — ruft uns Dezső zu, als er mit einem Verkehrt-Gespritzen bei uns vorüber­schießt. — Und wie schön er doch gesungen hat — sagt mein Freund leise. In dem rauchgeschwängerten Vorstadtwirts­haus öffnen sich in mir, wie bitterduftende Blumen, die Erinnerungen an die Studentenjahre. Ich denke an die Abende unter der alten Platane im Hofe der Alma Mater. An berauschenden Frühlingsabenden pflegten wir dort zu sitzen, über Mädchen und Dummheiten zu schwatzen. Und .Vöglein sang. Er Frankreichs neue Krise. (K—ny.) In Frankreich beginnt eine neue Phase des Kampfes gegen die Finanzkrise, Chau­­temps und Rönnet versuchen mit neuen Methoden, der Zerrüttung von Währung und Staatsfinanzeil entgegenzuwirken, nachdem der Kurs Blum und Vincent Auriol versagt hat. Angesichts der ununter­brochenen Kette von Finanzkrisen, durch die in Frankreich das wirtschaftliche und das politische Leben seit Jahren beherrscht wird, werfen die Leute, die den gesunden Menschenverstand reprä­sentieren, immer wieder die Frage auf, wie es denn möglich sei, daß einem mit so viel Reichtümern ge­segneten Lande die Überwindung der Krise versagt bleibt, während gleichzeitig so viele andere Länder die Depression abschütteln und eine Periode der Prosperität und der finanziellen Konsolidierung er­reichen konnten. Aber gerade Frankreichs Beispiel lehrt, daß das Vorhandensein eines hochentwickel­ten Produktionsapparats allein noch nicht genügt, wenn die Bereitschaft des Unternehmertums fehlt, von den Möglichkeiten, die ein solcher Apparat reichlich bietet, Gebrauch zu machen. Nicht minder wichtig sind natürlich die psychologischen Voraus­setzungen für die Valutaposition. Gewaltige finan­zielle Reserven bedeuten selbstverständlich eine gün­stige Voraussetzung für die Fundiertheit des Wäh­rungssystems. Wenn und solange aber die Kapi­talien eine Tendenz zur Abwanderung in die Fremde zeigen, so nützt die theoretische Möglichkeit einer festen Valutaposition, die in einem reichen Lande an sich vorhanden ist, herzlich wenig gegenüber der rauhen praktischen Tatsache des dauernden Druk­­kes der abwandernden Kapitalien auf den Devisen­markt. Der wesentliche Zweck des Kampfes der sich ablösenden Regierungen von Doumergue, Flandin, Laval, Léon Blum war, die Kapitalbewegung zur Umkehr zu bringen, die ins Ausland geflüchteten, wie die gehorteten Mittel in den Kreislauf der Wirt­schaft wieder zurückzuführen, um derart mittels einer Steigerung der Produktionstätigkeit und natur­gemäß mit Hilfe steuerpolitischer Maßnahmen das Gleichgewicht im Staatshaushalt zu sichern und durch Stärkung des Staatskredits dem Wirtschafts­­anstieg neuen Antrieb zu geben. Doumergue und namentlich Laval versuchten, mit der konservativen Finanzmethode das Ziel zu

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