Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1938. április (85. évfolyam, 73-96. szám)

1938-04-01 / 73. szám

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Blau, Boros, Braun, Josef En S, Harsány!, Haasensteln A Vogler, el L .eopol Julius Leopold, Magyar Hir­det Iroda, Rudolf Mossa A.-B., Julius Tenzer. Vn 'erlangte Manuskripte werden we '.er aUfbewahrt,noch xurückgestellt Briefe ohne Rückporto nicht I beantwortet• Offerten sind Dokumente nur In Ab­­seb ift beizulegen. Für Beilagen lehnt die Administration jede Verantwortung ab. ledaktlon, Administration und Druckerei VL, Eötvös-ucca 12. Telephon: 112—350. 85. Jahrgang. Budapest, Freitag, 1, April 1938. Nr. 73 Kein Dorf ohne Fürsorge! Budapest, 31. Marz. In sechs Jahren wird es kein ungarisches Dorf mehr ohne sozialhygienische Fürsorge gehen, — er­klärte dcT Staatssekretär für Inneres Dr. Béla Jolhan in seiner Szegeder Rede. In dieser haßentbrannten Zeit lohnt es sich, für einen Augenblick bei diesem Versprechen zu verweilen. Der Mann, der dies sagte, gehört nicht zu den professionellen Versprechern unseres politischen Lebens. Überhaupt ist er kein politischer Typ, sondern der 6tille und wortkarge Wissenschaftler, der nur bei außerordentlichen An­lässen das Wort ergreift und stets nur, um das öffentliche Interesse auf irgendein großes Problem der sozialen Fürsorge oder der öffentlichen Hygiene zu lenken. Auch der Anlaß, ans dem er seine er­wähnte Rede hielt, war ein außerordentlicher: die Eröffnung der Hochschule der Fürsorgerinnen des Grünen Kreuzes in Szeged, die nach Jahren zähen und unermüdlichen Kampfes endlich unter Dach und Faoh gebracht werden konnte. Wahrlich, es gehört zu den lichtvollsten Momenten dieser trüben und brutalen Zeit, daß in ihr auch still und unbe­merkt, aber dennoch unaufhaltsam und uinverdräng­­bar auch so edle und. positive Bewegungen gedeihen können, wie die Idee des Grünen Kreuzes. Nicht ohne berechtigten Stolz hat Staatssekretär Johan auf die Tatsache hingewiesen, daß die ungarische Regierung erst vor vier Jahren die systematische Arbeit auf diesem Gebiete begonnen hatte und die Früchte dieser Arbeit bereits darin zur Erscheinung kommen, daß heute schon 700 Dörfer von 200 Für sorgerinnen betreut werden. Es wird eint? harte und mühsame Aufgabe sein, in sechs Jahren ganz Ungarn mit einem Netz der sozialen Fürsorge zu umspannen und die Institution des Grünen Kreuzes in eine organische Einheit mit dem Volk zu verschmelzen. Die Aufgabe ist außer­ordentlich groß, aber auch die Energien, die da an­gespannt werden und die Seelen, die sich hier dem ungarischen Volke zuwenden, sind vom Feuer des lautersten Idealismus getrieben. Es gibt heute zweierlei Arten ungarischer Jugend: die einen möch­ten sich in fertige Positionen, die aber andere ge­schaffen haben, hineinsetzen und sich darin breit­machen, die anderen wollen sich die Positionen schaffen, sie im ungarischen Volke verankern, ihr eigenes Schicksal mit dem Schicksal der leidenden Dorfaimut verknüpfen, damit durch den eigenen Aufstieg auch das ungarische Dorf auf eine höhere Stufe gebracht werden könne. Was für Aufgaben da noch zu bewältigen sind, davon zeugen einige rohe Zahlen unserer sozial­­hygienisohen Statist'k. An erster Stelle unserer Volkskrankheiten können wir de Säuglingssterb­lichkeit erwähnen, die zum großen Teil auf die man­gelnde hygienische Aufklärung und Betreuung der Frauen auf dem flachen Lande zurückgeführt wer­den kann. Vierzigtausend Säuglinge jährlich, sterben bei uns dab’n, fast soviel, wie wir Tote im großen Weltkrieg jährlich hatten. In dem westlichen Staaten bewegt sich die Säuglingssterblichkeit bereits um die 5—7 Promille, während die entsprechende Ver­hältniszahl bei uns noch immer fast dreimal so hoch ist. Schon aus diesen rohen Zahlen ist ersicht­lich, daß man auf diesem Geb ete durch Erhöhung der öffentlichen Hygiene und der Volksaufklärung noch sehr viel tun könnte, und es ist keineswegs ein übertriebener Optimismus, zu behaupten, daß man durch den entsprechenden Ausbau der soz'alen Für­sorge jährlich Zehntausenden ungarischer Säuglinge das Leben retten könnte, ln einem Menschenalter allein könnten so eine Million Ungarn gerettet wer­den, die heute, kaum geboren, dem Tode preisgege­ben sind. Frelich hängt auch der Kampf gegen die Ge­schlechtskrankheiten und die Tuberkulose zum Teil mit der Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit zu­sammen, kann doch ein nicht unwesentlicher Teil der Säuglingssterblichkeit oder des Ausfalls der Ge­burten auf die letztgenannten Knuikhe'ten zurück­gefühlt werden. Besonders die Bekämpfung der Tuberkulose wird hier ein ungelieuer schwer zu bo­­wälhgi ödes Problem aein, da sie bekanntlich eine Elendskrankhcit ist. die in erster Linie dadurch be­hoben werden könnte, daß man ihre Hauptgründe: die Unterernährung und die schlechten Wohnungen behebt. Gegen solche Krankheitserreger wird frei­lich auch das Grüne Kreuz nichts ausriohten kön­nen, seine Fürsorgerinnen werden höchstens dem Volk die mannigfachen Arten der Verhütung der Infektion, die vernünftige und gesunde Art der Lüf­tung usw. beibrvmgen können. Hiezu wird es frei­lich einer zähen Aufklärungsarbeit bedürfen, in der es vor allem darauf ankommen wird, ob die Für­sorgerinnen das Vertrauen der Dorfarmen gewinnen können. Es wäre von diesem Gesichtspunkt von ganzes Verteidigungssystem erschüttert. Vermeidest du aber mit Sorgfalt offenkundige Schnitzer, so bleibt die Ouvertüre recht harmlos, und du mußt diclh nur entscheiden, welche der unzähligen An­fangsmethoden du wählen willst: das gemütliche Spiel, genannt giuco piano, oder das stürmisch drängende Gambit, die Sizilianische Verteidigung oder das Spiel des Ruy Lopez, oder — ich breche ab, denn welcher Laie kann überhaupt die Fülle der Kombinationen ermessen, die Ihier erprobt und er­örtert werden, in diesem wundervollen Spiel, das zugleich ein Stück Wissenschaft darstellt; das trotz aller Analytik und aller Lehrsätze genau so ver­läuft wie unser Dasein als ganzes: nämlich rhapso­disch, ungezügelt, mit unendlichen Mischungen von Glück und Unglück.* So sind schon seit tausend und tausend Jahren die Gläubigen bei ihrer Andacht gesessen, ob nun das Schachspiel aus Persien stammt — wie der Name andeutet — oder aus China, aus Babylon, aus Indien, aus Griechenland oder gar aus Irland. Dieses königliche Spiel war auch immer ein Spiel der. Könige. Manche meinen, es rühre von Semiramis her, der Herrscherin der hängenden Gär­ten. Manche schreiben es dem König Salomo zu, dem Weisen und Reichen, dem bekanntlich die Sprache der Vögel enthüllt war und der das- „Hohe Lied“ gedichtet hat. So viel ist sicher, erst das Mittelalter gibt ver­briefte Kunde über Verbreitung und Ausübung des Schach. Karl der Große empfängt ein sitberleuchten­­des, prächtiges Schachbrett von Saladin, dem Schach­spieler im „Nathan der Weise“, Friedrich II., der Stauffer, erringt die Gunst des Padischah in Palä­stina durch seine Literaturkenntnis und durch seine Geschicklichkeit im Handhaben der Schachfiguren. Sehr stark muß auch die Lust am Schachspielen in England gwesen sein. Denn bereits von Wilhelm, dem Eroberer, wird erzählt, daß er es liebte und von an­eminenter Bedeutung, daß je mehr Fürsorgerinnen aus dem Dorf selbst stammen, daß bei ihrer Selek­tion von vornherein intelligente und begabte Mäd­chen bäuerlicher Herkunft bevorzugt werden und gegebenenfalls auch staatliche Stipendien genießen. Vergessen wir niemals: die beste Art der Sozialpoli­tik ist diejenige, die ihre Organe auf die Selbsthilfe der Klassen aufbauen kann. Solange dies beim Bauerntum und den Dorfarmen aus finanziellen Gründen nicht möglich ist, sollte jedenfalls die psychologische Möglichkeit und das Bewußtsein der Selbsthilfe gegeben werden. Diese Art des Selbst­bewußtseins kann einen Idealismus des Dorfes er­zeugen, einen Willen der Höherentwicklung, dessen das ungarische Dorf heute mehr bedarf denn jemals. Denn das Ein- und Keinkindsystem, das an vielen unserer Gegenden zehrt, ist in erster Linie keine materielle, sondern eine seelische Gefahr. Wie bei den höheren Klassen dies das erste Zeichen einer beginnenden Ermüdung und Erschlaffung ist, so be­deutet es bei unserer Bauernschaft in noch gesteiger­tem Maße einen falschen Verzicht und eine falsche Gier: den Verzicht auf die höchsten Freuden des Lebens und die Gier nach seinen niedrigsten, den egozentrischen Genüssen. Die Hochschule des Grünen Kreuzes in Szeged wird daher die Fürsorgerinnen nicht allein in hygienischer, sondern auch in seelischer Hinsicht auf ihre große Aufgabe vorzubereilen haben. Wäre es nicht angebracht, im Rahmen dieser Hochschule außer dem vorgeschriebenen streng wissenschaft­liehen Lehrstoff aurh hervorragende Kenner des un­garischen Lebens, Geistliche, Schriftsteller, Ärzte und vor allem große ungarische Frauen, in freren Vor­trägen und Diskussionen sprechen zu lassen? Das Auge der Fürsorgerin sollte schon durch solche un­mittelbare Schilderungen der Problematik des un­garischen Dorfes eine Blickrichtung erhalten, damit sie sich dann im Dickicht der moralischen, wirt­schaftlichen und hygienischen Fragen, die zum Ein­­und Keinkindsystem führten, leichter zurechtfinde. Doch dies ist bereits eine Aufgabe der späteren Entwicklung. Die Hauptsache ist, daß die Sache des Grünen Kreuzes von Jahr zu Jahr fortschreitet, daß bereits die gesamte Nation mit wachsamen Augen und mit inniger Liebe auf die Entwicklung dieser Institution „blickt lind daß die edlen und selbstlosen Bemühungen der Männer, die sie ins Leben gerufen deren englischen Regenten nicht minder. Unter Richard Löwenherz tragen sechs Grafen und Barone ein Schachbrett mit den königlichen Insignien als Wappen. Und das erste Buch über das Schachspiel, um das Jahr 1200 von einem Dominikaner verfaßt, wird sehr bald ins Englische übersetzt. Engländer und Amerikaner sind Pate gestan­den bei der Entwicklung des Schachspiels bis zur Gegenwart. Blackburne und Pillsbury, Mackenzie und Murphy sind nur ein paar herausgegriffene Beispiele, und besonders der Letztgenannte verdient einige Aufmerksamkeit. Ein wahres Wunderkind, ist er schon mit zwölf Jahren den amerikanischen Mei­stern weit voran, mit dreizehn Jahren anerkannt in aller Herren Ländern und zwanzig ein Vollendeter, der alle Konkurrenten in England und in Frankreich „erledigt“. Würde er heute noch seine Glorie bewah­ren; wäre er den ungeheuren Anforderungen gewach­sen, die heute gestellt werden? Sehr zweifelhaft. Noch Philidor — Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — hielt es für eine Spitzenleistung, drei Blindpartien simultan zu absolvieren. Schon Paulsen und Zucker­tort halben vierzehn und fünfzehn Feinde bezwun­gen, und Capabianca, der Paganini des Schachspiels, bewältigt bis dreißig Gegner. Seltsam, daß ein anscheinend so rationales Spiel, mit so vielen begrifflich fixierten Elementen fast ebenso der Mode unterworfen ist, wie die Frauenkleidung. Gestern gab es Theorien, gab es Allhandlungen über das Evans Gambit, als der be­sten Taktik. Aber plötzlich findet Lasker eine an­dere Verteidigung, und dieses Gambit verschwindet. Lasker schreibt ein Buch „Der gesunde Menschen­verstand im Schach“ und schildert die grandiose Errungenschaft der Ruy Lopez-Partie. Aber in Paris und Nürnberg wird „Der gesunde Menschenver­stand“ schlüss'g widerlegt, und die älteren Formen der Verteidigung leben wieder auf. Allein, nicht nur im einzelnen, in der Gesamttechnik hat sich in den letzten hundert Jahren sehr viel geändert. Die Feuilleton« Schach. Von Dr. ERNST BENEDIKT. Schubert hat gesungen: „Du holde Kunst, in wie viel dunklen Stunden—“ und er ließ diesen Dankgesang ertönein der Musik zu Ehren, die ihn gestärkt, die sein Leid gestillt und ihn beruhigt hatte in der wirren Trübe der Erscheinungen. Nicht so (hoch erklingt das Lied zum Ruhme dies Schach­spiels, da nicht Liebe es geschaffen, sondern Ver­stand, da nicht Schöpferkraft die Steine regiert, sondern nur Talent und Berechnung. Trotzdem, es gibt für mich wenigstens und wdhl auch für Zehn­tausende keime bessere Trost - E i nsamk eit. Kein probateres Mittel des Selbstvergessens ist gefunden als das Brett mit den viemndseclhzig Feldern. Eben noch war man in Streit geraten mit Gott und der Welt, die Frau, die Kinder hatten wider­sprochen, im Geschäft gab es Verluste, eine Haus­gehilfin hatte Teller und Schüsseln abgeräumt, da ein Adagio von Bruckner erbebte. Da wird das Schach­brett auf den Tisclh geschoben, rasch lost man, man stellt die Figuren auf, und schon ist man, wenn nicht in time „bessere“, so doch in eine andere Welt entrückt. Und mag es jetzt Bomben hageln auf Madrid oder auf Nanking, mögen sie sich zu Tausen­dem die Schädel einschlagen, jetzt gibt es mur eines, was mich angeht, und das ist eine richtige und kluge Eröffnung. Wie Archimedes den eindringen­den Römern, so würde man jetzt einem Störenfried zurufen: Tu, was du willst, aber laß mir meine Quadrate in Ruhe!... Denn oft ist schon die Eröffnung schicksalhaft. Eh’ er sich’s versieht, ist mancher Dilettant bereits miedergerungen, seine Bauernkette ist durchbrochen, sein Turm verloren, seine Rochade ruiniert und sein

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