Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1938. december (85. évfolyam, 273-297. szám)

1938-12-01 / 273. szám

* / . ' •• -l & Jß$ 2 PESTER LLOYD Donnerstag, 1. Dezember 1938 Die Festsitzung der faschistischen Kämmer Umfassendes Referat Graf Ciános Begeisterte Sympathiekundgebungen für- Ungarn Rom, 30. November (ütefani) In besonders feierlicher Stimmung ist heute die faschistische Kammer wieder zusammenge­­treten. Es waren der Duce und die Mitglieder der Re­gierung zugegen, die ebenso wie die Abgeordneten die Winteruniform der faschistischen Partei trugen; auf den Tribünen batte sich ein überaus zahlreiches Publikum ein gefunden. Alles erwartete mit gespann­­tem Interesse die für heute angekündigte Rede des Außenministers Grafen Ciano. 1 Mussolini wurde, als er den Sitzungssaal betrat, mit nichtendenwollendem begeisterten Beifall und Ewiva-Rufen empfangen; auch dem Grafen Ciano wurden lebhafte Ovationen dargebracht. Graf Ciano teilt neue Momente zur . tschechischen Krise mit Außenminister Graf Ciano hielt eine große Rede, in der er die Ursachen und Umstände darlegte, die die tschechoslowakische Krise hervorgerufen hatte und daibei auch Einzelheiten mitteilte, die bisher un­bekannt waren und gewichtige historische Momente jener Stellungnahme und Tätigkeit sind, die mit der Rolle Italiens und insbesondere des Duce im Zu­sammenhang gestanden haben. Graf Ciano begann seine Rede damit, daß er seit dem 18. Dezember 1937 auf die damals zum erstenmal gestellten lind später wiederholten Fragen des damaligen tsohecho-slowakischen Gesandten in Rom Dr. Chvalkovskg, was die Haltung Italiens im Falle einer tschechisch-deutschen Krise sein würde, der Tschecho-Slowakei immer den Rat gegeben habe, dringend und in voller Freiheit ein Abkommen mit Berlin, Budapest und Warschau zu treffen, da dies vom unerbittlichen Zwang der Entwicklung der Er­eignisse vorgeschrieben werde. Er habe dem tsche­­c ho - s Iowa ki sehen Gesandten auseinandergesetzt, daß cs ein schwerer Fehler wäre, tier realen Lage mul den Tatsachen gegenüber die Augen zu schließen und sich weiterhin dein Selbstbetrug von Hoffnungen auf die kollektive Sicherheit oder die praktische Nützlichkeit von geographisch entfernt liegenden Freundschaften hinzugeben. Die Wichtigkeit dieser Erklärungen habe Dr. Chvalkovsky nicht verkannt. Graf Ciano ging dann auf die Geschichte der in Versailles geschaffenen Tschecho-Slowakei, insbe­sondere auf deren deutsch- und ungarnfeindliehe. Tätigkeit ein, die es vollständig unmöglich gemacht habe, daß die betreffenden Minderheiten mit dem tschechoslowakischen Staat Zusammenleben und Zu­sammenarbeiten. *— «Das im Frühjahr 1935 geschlossene tschechisch-sowjetrussische Abkommen, fuhr Graf Ciano dann fort, hat die Tschecho-Slowakei zum bolschewistischen Brückenkopf Donau-Europas ge­macht und ist dadurch zum Ausgangspunkt der ent­scheidenden Krise geworden. rachs in die Brüche. Und das Volk hat die Bedeu­tung dieser Veränderungen wohl erfaßt. Als außenpolitische Demonstration gegen die Viennädtitepolitfik von München war der General­streik ebenso vergeblich, wie als eine Maßnahme zur .Verhinderung des Reynaud-Plans. f ' * * Die weiteren Aussichten? Nun, eines kann mit Bestimmtheit gesagt wer­den: große Gesten, wie etwa auch Generalstreik­parolen, können am Stand der Dinge nichts ändern. Nicht eine einmalige prinzipielle Entscheidung, sondern hundert alltägliche praktische Beschlüsse und Maßnahmen müssen getroffen werden, um an kleinen Erfolgen die große Sicherheit wiederzuge­winnen, die das Lebenselement des Franzosen ist. Daß Selbsterkenntnis gleichbedeutend mit Selbstbescheidung ist, mag für ein so selbstbewußtes Volk eine bittere Lehre sein, doch gst sie die zurzeit einzig mögliche. Denn es möge ja Frankreich erspart werden, daß erst die äußerste. Not. eine Einigkeit gebieterisch erzwingt. Ein Prozeß der Läuterung und der Klärung muß in Frankreich nach dem SC. November ein­­setzen — nach dem Tag, der die Vergeblichkeit und Urisinnigkeit auch* der innenpolitischen Prestige­politik zeigte, nachdem sich die der außenpoliti­schen schon längst erwiesen hatte. Die Ernüchterung, die* Wiedergewinnung der Nüchternheit muß endlich vollzogen werden.. Es muß jene Leidenschaft zur Vernunft siegen, die dem Volk der Gloire stets zu eigen war. Anpassung und konstruktive Einordnung in die neue europäische. Zusammenarbeit — dies ist das Ziel, das Paladier im Auge hat und von dem er sich, wie er heute zeigte, durch keine Drohungen und Demonstratio­nen abbringen läßt. Die Parole „Zurück zur Arbeit!“ hat heute für 'die Franzosen mehr als eine bloß tagespolitische Bedeutung, je Zwischenereignisse Der Außenminister besprach sodann die inzwi­schen eingetretenen Ereignisse, so die Eroberung Abessiniens, die Italien den Rang eines Imperiums und die Geburt eines neuen Europa sicherte, das Verlassen Genfs durch das faschistische Italien nach den Sanktionen, die Wiedergeburt Deutschlands un­ter dean Nationalsozialismus und den Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich. Dann charak­terisierte er die unqublifizierbar gewaltsame Behand­lung, die Prag den Sudetendeutschen zuteil werden ließ, und weiter die Unzugänglichkeit und tätige Böswilligkeit Prags gegenüber den Forderungen Henleins, obwohl es eine Zeit gab, da der Übergang zu einer kantonalen Organisation auch die Sudeten­­deutschcn zufriedengestellt hätte. Die sudetendeutsche Frage Graf Ciapo schilderte hierauf die im Monat Mai erfolgte Zuspitzung des .sudetendeutschen Konflikts und jene tschechischen Umtriebe mit Ge­rüchten über eine angebliche deutsche Mobilisierung, die letzten Endes Deutschland zum Schaden gereichen sollte. Unter solchen Umständen war das Experiment mit der Mission Lord Runcimans zu einem Miß­erfolg verurteilt und so kam es, daß der Ducc am 30, August, indem er die bevorstehende unvermeid­liche Zuspitzung der Krise vorausgesehen hatte, ihm (Ciano) die Weisung erteilte, mit der deutschen Regierung in Berührung zu treten und von dieser Auf 'Schlüsse zu verlangen, weil Mussolini von diesem Zeitpunkte ab zum Schutze der Grenzen Vorsichts­maßnahmen zu treffen beabsichtigte. Entscheidung Italiens Graf Ciano erwähnte hierauf den im Popolo d ttalia vom 15. September mit der Überschrift ,,Brief an Rund man“ erschienenen Artikel, der in der Reihe der bis dahin erschienenen das einzige Do­kument aufbauenden Charakters sei. — Der Brief Rímeim ans gab den gemeinsamen diplomatischen Verhandlungen eine reale Grund­lage. Dieser Brief deutete bereits die Möglichkeiten der konkreten Lösung an. Der Brief ermahnte die sich in ihrem Schrecken vergeßlich zeigende Welt, zu bedenken, daß es nicht nur eine deutsch-tsche­chische, sondern auch eine ungarisch-tschechische krage gibt. (Die Worte des Außenministers wurden durch Rufe von allen Seiten des Hauses ,JIoch Un­garn!" unterbrochen.) Es gibt nicht nur eine deutsch-tschechische, sondern auch eine polqjsch­­tsehechisehe Frage. Eine einzige dieser Fragen wäre allein imstande, die Lunte des Pulverfasses zu ent­zünden. Die Mission Runimans hat eigentlich am nächsten Tag praktisch schon aufgehört und wurde ergebnislos abgebrochen. Die Frage kam aber aufs Tapet, und inan konnte nicht mehr den Schleier der Verschwiegenheit auf die Probleme breiten, Prag hat aber auch weiterhin keinerlei Ver­ständnis bewiesen, fuhr Graf Ciano fort, sondern legte eine immer steifere Haltung an den Tag, wo­durch die Lage sodann weiter verschärft wurde. Es folgte die Reise Chamberlains am 22. September nach Berchtesgaden und zu diesem Zeitpunkte nahm auch der Duce namens Italiens endgültig Stellung, indem er mich anwies, hievon auch Berlin zu unter­­richten. In seiner Triest er Rede hatte der Duce Italiens Entschlüsse fixiert. Ich hatte den Vertretern der Auslandstaaten, die sich um diese Zeit im Palazzo Chigi erkundigten, bestätigt, in welchem Sinne Italien Stellung nahm. Am intensivsten wurde die Fühlungnahme mit den Ländern, mit denen Italien besondere Verträge und Freundschaften hatte, so mit Japan, Jugoslawien, Polen, Spanien und Albanien. Am 25. September ist ein Sonder­beauftragter des Führers und Reichskanzlers Hitler auf dem Luftweg in Rom eingetroffen und hat dem Duce bis in die Einzelheiten gehende vertrauliche Informationen gegeben und den Ausdruck der Dankbarkeit der deutschen Regierung und des deut­schen Volkes erneuert. Am 26. September hat der Führer und Reichskanzler Hitler unter dem Ein­druck der Tatsache, daß die Tschecho slowakei nicht bereit war, die deutschen Forderungen zu er­füllen, beschlossep, an Prag ein neues Ultimatum zu riethen, das nach 14 Stunden, am 28., ablaufen sollte. Das ist ein geheimer Entschluß gewesen, von dem ich jedoch noch am selben Abend durch den Botschafter Italiens informiert, worden bin. Ich habe sofort Mussolini Bericht erstattet. Der Duce hat die schwerwiegende Nachricht in unerschütter­licher Rühe aufgenommen und die Mobilisierung für den nächsten Tag beschlossen. Mobilisierung — Unsere Mobilisierung, fuhr Graf Ciano fort, begann unter der persönlichen Leitung des Duce am 27. September. Im Gefolge der Maßnahmen, die die Einberufung von 300.000 Mann bedeutet hat, hat sieh die bewaffnete Macht innerhalb weniger Stun­den von 250.000 Mann auf 550.000 Mann erhöht. Gegebenenfalls wäre die Organisierung ..der allge­meinen Mobilisierung mit der gleichen Vollständig-* keif und Rphe vor sich gegangen. — Die Luftwaffe teilte sich dem vorgefaßten Plan gemäß in vier Hauptluflgcsehwader, liir die die Kommandanten und die Aufgaben bereits bestimmt waren, Es war festgesetzt, wo bei Kriegsausbruch die Ralliierung .stattfindet, wo sich die Stationen be­finden. Auch an die gewissen Gruppen der Lult­­reserve angehörenden Personen waren Einberufun­gen ergangen. Hier waren übrigens gsj' keine großen Vorbereitungen nötig, da die Luftwaffe kampfbereit dastand. — Die Leitung der Kriegsmarine ergänzte die bewaffnete Kraft der Kriegsschiffe, Torpedoboot­einheiten und Unterseeboote und netzte die Reser­ven in Bereitschaft. — Am frühen Morgen des 28. September sind 22 Linienschiffseinbeiten und Kreuzer, 114 Torpedo­bootzerstörer und Torpedoboote, 91 • Unterseeboote, 337 Todesboote vom Typus „Mas“, ferner weitere Einheiten von geringerer Bedeutung, wie Minenleger, zum Handeln bereitgestanden. An Bord der erwähn­ten Einheiten standen 5123 Offiziere und 84.731 Unteroffiziere und Matrosen kampfbereit. —- Alle diese Zahlen führen eine genug beredte Sprache, so daß dein kaum etwas hinzugefügt zu werden braucht. Die Mobilisierung ging übrigens in voller Ordnung und vollständiger Ruhe vor sieh, so daß ihre wahren Ausmaße vom schärfsten Beobach­ter nicht ermessen werden konnten, Der italienische Heeresmechanismus, den der Duce durch sechzehn­jährige ununterbrochene Arbeit schrittweise aus­­baute, hat in der Stunde der höchsten Pflicht den Beweis des höchsten Standes seiner Wirksamkeit ge­liefert. Das ganze italienische Volk ist stets bereit, in der Richtung zu marschieren, die ihm sein Führer bezeichnet. Die Grundlagen cler politischen Freund­schaft zu Berlin — Nach dem Mobilisierungsbefehl, fuhr Gráf Giano fort, hielt es der Duce fiir wichtig, die Grund­lagen der Freundschaft zu Berlin mit der größten Umsicht niederzulegen und militärische Verbin­­dungsorgane zu schaffen. Die großen westlichen De­mokratien haben das bereits getan oder sind im Be­griffe, es zu tun. —* Im folgenden wurde am Vormittag des 29. Oktobers bei der Begegnung in München eine Verein­barung getroffen. Bei der Vereinbarung waren /?//>­­bentrop und ich, frrncr der deutsche Generalstabs­chef, General v. Reitet, General Pariani und General Volle zugegen. Sodann legte Graf Ciano dar, wie sich Europa an dem großen Ereignis beteiligte. Die Vorgeschichte war, daß Mussolini der durch Lord Perth übermit­telten Aufforderung Chamberlains am Vormittag dos 28. Oktober zuslimmte. Er wies den Berliner Botschafter Attolico telephonisch an, Schritte bei Hitler zu Unternehmen, worauf es gelang, einige Stunden vor Ablauf des Ultimatums die Ablaufzeit, bezw. den Zeitpunkt des Auftretens um 24 Stunden zu verlängern. Graf Ciano erklärte, daß diese Bitte Hitler ohne Zweifel ausgeschlagen hätte, wenn sic von einer an­dern Persönlichkeit gekommen wäre. Sodann erörterte der Minister die neuen Verfü­gungen, die Mussolini einige Stunden später Atto­lico in dem Sinne gab, daß Hitler die neuen 'Vor­schläge. Chamberlains tmnehmen möge, die er an Hitler und Mussolini gerichtet hatte und die dahin lautete, cs solle eine Konferenz zusammentreten, die das Problem .spätestens in einer Woche liquidiere. Etwas später, in den frühen Nuchmitlag:.stunden, berichtete Attoüeo in einem Telephongespräch, daß Hitler den Vorschlag mit der grundlegenden Bedin­gung angenommen habe, daß der Erfolg nur durch die persönliche Anwesenheit Mussolinis gesichert werden könne, und bot die freie Wahl an, oh der Ort der Konferenz München oder Frankfurt a. M. sein sollte. Der Duce entschied sich für München. Am gleichen Tag um 18 Uhr fuhr der Duce ab, um am nächsten Tag um 11 Uhr bei der Konferenz zu erscheinen. Die beiden Führer trafen sich in Kuf­stein und führten unterwegs im Eisenbahnzug eine lange politische und militärische Unterredung. Bei dieser Gelegenheit wurde ein Übereinkommen ge­troffen, daß man sich sofort entscheiden müßte und daß nicht zugela-sen werde, daß die Konferenz sieh in ein Labyrinth der Dialektik verirre. Sodann stellte Graf Ciano fest, daß ilic Münchner Konferenz, von raschem Erfolg begleitet war, und betonte die hervorragende Rolle, die Mussolini bei der endgültigen Feststellung der Be­schlüsse der Konferenz gespielt hatte. Die Achse Rom—-Berlin für den Frieden Graf Ciano sagte weiter, daß die Achse Rom— Berlin ein sicheres und mächtiges Mittel sei, das bei. der Gestaltung der Wege der Geschichte in sehr ent­scheidender Weise in die Waagschale falle, habe nicht nur die Lösung einer h"g.;;e,7ie:i I’v' g bedeutet, sondern sei von viel umfangreich m po­litischen Wert, doch wäre es noch verfrüht, Fest­stellungen in dieser Beziehung zu formulieren. — In München, fuhr der Minister fort, kamen nicht nur die nationalen Rechte Deutschlands in be­zug auf die sudetendeutschen Gebiete zur Geltung, nicht nur das Ansehen Italiens wuchs dank dem

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