Pester Lloyd - esti kiadás, 1939. június (86. évfolyam, 123-146. szám)

1939-06-01 / 123. szám

2 kels 16 der Völkcrbundsatzungen und dadurch eine In­gangsetzung der hureaukratischen Maschinerie des Völker­bundes gar nicht beabsichtigt sei. Um die Bedenken Sowjetrußlands zu zerstreuen, verweisen die Times auf die Vertragsverhandlungen zwischen Moskau und Paris im Jahre 1036. Auch damals habe Artikel 16 eine Rolle gespielt, unter dem der Völkerbund automatisch wirt­schaftliche Sanktionen gegen den Angreiferstaat verhängt, und der einen Ratsbeschluß über zu ergreifende militäri­sche Maßnahmen erforderlich macht. Die Times wollen Moskau den englischen Standpunkt dadurch schmackhaft machen, daß sie erklären, der französisch-russische Pakt vom Jahre 1936 enthalte ebenfalls die Bestimmung, daß der Völkerbundrat zu befragen sei. Es sei jedoch im gleichen Vertragswerk Vorsorge getroffen worden, damit der Rat keine Verzögerung verursachen könne. Es sei nicht die Absicht, den alten Völkerbund zu erneuern, sondern die internationale Zusammenarbeit wieder auf die Füße zu stellen. Das Blatt befaßt sich zum Schlüsse mit Molotoffs Seitenhieben gegen die englische Außen­politik. Es erklärt in diesem Zusammenhang, England sei, jails notwendig, auch heute zu militärischen Aktionen bereit. „Es war eine enttäuschende Erklärung,“ — mit dieser Feststellung des Daily Mail ist im großen und ganzen die Reaktion der Londoner Presse auf die Aus­führungen Molotoffs umrissen. Selbst der liberale News Chronicle, der sich seit längerer Zeit als eines der sowjetfreundlichsten Organe erwiesen hat, rafft sich. zur Erklärung auf, die Rede Molotoffs habe die Präzision vermissen lassen. Sonst sind aber in sämtlichen Blättern optimistische 'Äußerungen in die Kommentare eiingeflochten, um den Eindruck, den die Zurückhaltung der Sowjets in Lon­don gemacht hat, etwas zu- mildern. Daily Telegraph schreibt z. B.: „Der allgemeine Eindruck der Erklärung des Außenkommissärs Molotoff geht, dahin, daß die Sowjetregierung ehrlich eine Vereinbarung wünscht und daß sie sich in der Tat auf die Nichtangriffsfront fest­gelegt hat.“ Dieser Optimismus dürfte,auch eine Inspira­tion des Auswärtigen Amtes zurückgehen, das in Ab­wesenheit Lord Halifax’ sich bemüht, den Optimismus aufrechtzuerhalten und den eingetretenen Stillstand als einen sowjetrussischen Schachzug hinzustellen, der aber nur eine Verzögerung bringen werde. Allerdings trifft der Daily Telegraph an anderer Stelle .seines,Leitartikels die Feststellung, aus dem Ton der Rede Molotoffs gehe hervor, daß noch eine beträchtliche Lücke zu schließen sei. Diese sieht das Blatt im Wunsche der Sowjets nach Garantierung der baltischen Grenze durch Einbeziehung Lettlands und Estlands ins Sächerheitsnetz.- Da. nun diese beiden Länder keine Neigung zur Annahme von Ga­­rantie Versicherungen gezeigt hätten, so erklärt Daily Telegraph, könne man ihnen kaum solche aufzwingen. Eine Reihe Blätter zieht aus der völlig überraschend gekommenen und unerwarteten Haltung der Sowjet­sequenzen eines Verzichts sind auch innenpolitisch kaum abzusehen. Diese Lage trachtet also die Regierung der Sowjelunion auszunützen, wobei sie es auch nicht unerwähnt läßt, daß sie noch gewisse Möglichkeiten vorrätig hält — die feine Anspielung Molotoffs auf die Wiederaufnahme von Wirtschaftsbesprechung-n mit Deutschland ist sozusagen eine Warnungstafel gewesen. Wie Chamberlain, Lord Halifax, Daladier und Bonnet aus dieser sich selbst gestellten Falle frei­­werden, ob sie schließlich gezwungen sein werden, statt wie bisher 50 Prozent, nunmehr gartze 100 Stalin und Molotoff nachzugeben, das bleibt freilich abzuwarten. Rumänien vor den Urnen liinimdeinviertel Jahr sind verstrichen, seitdem in Rumänien das parlamentarische Lehen vollkom­men ruht, und heute ziehen die rumänischen Wähler wieder vor die Urnen, um 6ich ein Parla­ment zu geben. Doch wird das neue Parlament keine Rückkehr zum alten politischen Regime be­deuten, vielmehr ist es als Krönung jenes neuen Staatssystems gedacht, das nach den Wirren der Regierungsperiode Goga begründet wurde. Das neue Staatissystem steht in weitgehendem Maße im Zei­chen der unmittelbar-politischen Einflußnahme der Krone, es arbeitet mit Regierungsdekreten und will das Land auf ständischer Grundlage durch­organisieren. Für ein Parlament allen Stils, das dem Volkswillen gesetzesgebende Kraft verleihen will, bleibt hier kein Raum, und das neue rumäni­sche Parlament soll denn auch keine politischen und gesetzgebenden Funktionen haben. Wohl soll es eine Volksvertretung, aber auch dies auf ständi­scher Grundlage sein, und alle Bedingungen, die die Regierung für die Wahlen ausgearbeitet hatte, deu­ten darauf bin, daß auch in diesem Rahmen Mäßi­gung geübt werden soll. Die Originalität ist dabei in mancher Hinsicht dem neuen rumänischen Wahlsystem nicht abzu­sprechen. Wahlberechtigt sind die über 30 Jahre alten, lese- und schreibkundigen Staatsbürger, die beweisen können, daß sie einer der großen Berufs­­gruppem angehören. Bisher war Analphabetismus kein Hindernis für die Ausübung des Wahlrechts, und man hatte schon mit 21 Jahren ein Votum. Ins­gesamt figurieren in den Wählerlisten 2 Millionen Personen, was 12 Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht. Kandidieren konnten nur Mitglieder der Front der Nationalen Wiedergeburt, der gesellschaft­lich-politischen monopolistischen Massenorganisa­tion des neuen Regimes, und auch diese nur mit be­sonderer Genehmigung der Front. Dabei können als Abgeordnete für Gewerbetreibende nur Gewerbetrei­bende, für Intellektuelle nur Intellektuelle usw. kan­didieren, und zwar nur am Zuständigkeitsort, so daß hauptstädtische Bewohner sich in der Provinz über­haupt nicht bewerben können. Die Kammer wird 86 Arbeiter-, 86 Gewerbetreibenden- und 86 Intel­­tektuellenabgeordneten umfassen, wobei die Grund­besitzer in die Gruppe der Arbeiter (landwirtschaft­lichen Arbeiter) gerechnet werden. Um die Wahl­agitation einzudämmen (es gab wirklich noch nie einen so störungsfreien Wahlkampf in Rumänien wie diesmal), wurde die interessante Verfügung ge­troffen, daß jeder Kandidat sein parlamentarisches Arbeitsprogramm in einer Proklamation bekannt­geben darf: diese „Programmrede“ kann höchstens 100 Worte umfassen und wird (ebenso wie die Wahlzetteln) mit einer Photographie des Kandidaten versehen. Jede andere und darüber hinausgehende Wahlpropaganda war gänzlich untersagt. Ein besonderes Kapitel bilden die Senatswah­len, die morgen stattfmden werden. Der Senat wird aus 88 gewählten und 88 vom König ernannten Mit­gliedern bestehen; von Amts wegen gehören dem Senat die Mitglieder des königlichen Hauses, sämt­liche rumänische Erzbischöfe und Bischöfe, je ein Vertreter der übrigen Glaubensgemeinschaften, so­fern sie mindestens 200.000 Gläubigen zählen, so­wie die „lebenslänglichen Senatoren“, d. h. jene Par­lamentarier an, die mindestens zehnmal nach­einander zu Mitgliedern des Parlaments gewählt wor­den waren. Kraft dieser in der neuen Verfassung verankerten Verfügung werden zahlreiche alte Poli­tiker, wie Dinu Bratianu, Julius Maniu, Michalache, Lupu, Iorga, Anghelescu und Tatarescu, auch im ständisch-autoritativen Staatsgebäude wieder zu Par­lamentariern. Ob diese nun von ihrem Senatssitz auch Gebrauch machen und insbesondere die Gele­genheit wahrnehmen werden, um sich etwá eine Plattform für eine offen oppositionelle Tätigkeit zu schaffen, ist indes noch unbekannt; ein günstiges Feld für eine hochpolitische Betätigung dürften sie im neuen rumänischen Parlament kaum vorfinden. Was uns besonders angeht, ist schließlich, daß die nationalen Minderheiten, d. h. Ungarn, Deutsche und Bulgaren, die der Front der Nationalen Wieder­geburt beigetreten waren, gleichfalls im Rahmen der Front-Kandidatur eine gewisse Beteiligung am neuen s t ä n d epa r 1 a men 1 a r i sc hen Leben des autori­tären Rumäniens erlangen dürften. PESTER LLOYD Donnerstag, 1. Juni 1939! ruísen den Schluß, daß noch, lange hin und hergefeilscht werden müsse und daß die Sowjets ihren Preis hinauf­­schrauben wollten, vielleicht sogar eine Ausdehnung des Paktes auf den Fernen Osten wünschten. Paris hofft dennoch auf Einigung Telegramm des Pestet Lloyd Pans, 1. Juni In zuständigen politischen Kreisen in Paris wird auf Grund einer eingehenden Prüfung der Rede Molotoffs bestätigt, daß die Hcmptschwierigkeiten in den Verhandlungen um den Abschluß des Paktes mit Sowjetrußland in der Einbeziehung der balti­schen Staaten in dieses Paktsystem Hegen, die jetzt von Moskau sehr energisch gefordert wird. In den erwähnten Kreisen erklärt man, der Satz in der Rede des Außenkommissärs, daß England und Frankreich ihre Garantie auf alle Nachbarn Sowjet­rußlands ausdehnen müssen, lasse keinen Zweifel über die Haltung Moskaus. Die Sowjets fordern, wie die halbamtliche Agence Radio schreibt, daß diese Garantie auf die baltischen Staaten in der gleichen Weise wie auf Polen, Rumänien, Griechenland und die Türkei An­wendung finde, und daß daher Artikel 4 des fran­zösisch-englischen Paktvorschlages, der lediglich eine Konsultation im Falle einer Bedrohung oder eines Angriffs auf die baltischen Staaten vorsieht, fallen­­qélassen und durch eine unzweideutige Garantie­erklärung im Text des Paktes ersetzt werde. Auch Journal schreibt, daß dies der empfind­liche Punkt in den Russenpaktverhandlungen sei, da man kaum hoffen könne, die baltischen Staaten zu zwingen, das Risiko einer, wenn auch bedingten Garantie zu übernehmen, die diese Staaten für viel gefährlicher als wirksam hielten. Es scheint, daß man in Paris mit einem Nach­geben Frankreichs und Englands in dieser Beziehung rechnet, denn die Agence-Radio erklärt, man könne annehmen, daß diese Schwierigkeit leicht über­­brückt werden könne. Die englische und die franzö­sische Diplomatie würden sich kommende Woche eifrig darum bemühen, und selbst, wenn, die Ver­handlungen noch acht oder zehn Tage dauern soll­ten, so sei die Einigung sicher, und das zu erwar­tende Abkommen könne dadurch an Wirksamkeit und Bedeutung nicht verringert werden. Journal schreibt an anderer Stelle, in Moskau sei man überzeugt, mit dem letzten Widerstand Eng­lands fertig zu werden. Der neue Leiter der Sowjet­­diplomatie habe öffentlich die Antwort auf die letz­ten englisch-französischen Gegenvorschläge gegeben, bevor sie noch London davon offiziell unterrichtet hätte. Als Ablehnung könne aber die Rede Molotoffs nicht betrachtet werden. Die Pariser Zuversicht in den erfolgreichen Ab­schluß der Verhandlungen wird auch damit begrün­det, daß Paris und London, wie die Blätter erkennen lassen, auf die sowjetrussische Forderung eingehen würden, Artikel 16 des Völkerbundpaktes bezüglich der Konsultation und eines Beschlusses des Völker­bundes in den geplanten Pakt nicht zu übernehmen. Agence-Radio schreibt in dieser Beziehung, die­ses Mißverständnis könne leicht zerstreut werden, denn Frankreich und England hatten nur auf den Geist und die Grundsätze des Völkerbundpaktes, nicht aber auf seinen Mechanismus bezug nehmen wollen. Uneinheitliche Beurteilung in der französischen Presse Telegramm des Pester Lloyd Paris, 1. Juni Durch die Rede Molotoffs, die in den Pariser Mor­genblättern vom Donnerstag sehr ausführlich wiederge­geben wird, treten die Meinungsverschiedenheiten in der französischen Presse über die Zweckmäßigkeit e:ner allzu engen Einschaltung der Sowjets in (däs englisch-franzö­sische Sicherheitssystem völlig in Erscheinung. Für die Gegner einer solchen Allianz liefert die Bede Molotoffs wieder neue Argumente, Während die sowjetfreundlichen Kreise die noch bestehenden Differenzen zwischen Paris, London und Moskau als unbedeutend betrachten, oder, wie die kommunistische Humanilc, gegen die englische und französische Diplomatie scharfe Angriffe richten. Der sowjetfeindliche Jour erklärt, daß die Verhand­lungen zum Abschluß gebracht werden müßten, aber nicht um jeden Preis. Gerade das wolle jedoch Stalin, während Frankreich nur zuviel Gründe habe, darauf nicht einzugehon. Glaube Molotoff, däß Frankreich bereit sei, Millionen seiner Männer für die bairischen Staaten töten zu lassen, die nur einen unbedeutenden Widerstand leisten können? Und dies, um e’nem Lande von 160 Millionen Einwohnern eine fortlaufende Kette von Puffer­staaten zwischen sich und dem Reich zu sichern? Wenn Sowjetrußland die baltischen Staaten garantieren lassen wolle, um Framkre’ch selbst auf Grund eines belanglosen Zwischenfalles in einen Krieg hineinzuziehen, und wenn dadurch Sowjetrußland über den Kriegsbeg'nn bestim­men könnte, dann dürfe Frankreich noch weniger nach* geben. Selbst die sowjetfreundliche Oeuvre ist skeptisch. Es bedürfe der genauen Überlegung von Seiten Londons und Paris’, bis man einen möglichen deutsch-litauischen oder deutsch-lettischen Zwischenfall mit demselben Blick betrachte, wie einen etwaigen deutsch-polnischen oder, deutsch-rumänischen Zwischenfall. Oeuvre behauptet weiter, man sei der Ansicht, daß in der baltischen Frage die englische Regierung Moskau nachgeben werde. Die Rede Molotoffs werde als Bestätigung dafür aufgefaßt, daß die Sowjets in der grundsätzliche Frage der Einigung entschlossen seien, und die Verhandlungen bis zu ihrem Abschluß fortsetzen würden. Die kommunistische Humanité glaubt, der Abschluß der Verhandlungen mit den Sowjets sei erneut infolge der Hemmungen und Hintergedanken der französischen und der englischen Regierung aufgeschoben worden. Molotoff habe sehr energisch darauf himgewiesen, daß der englische Plan ungenügend sei. Man w;sse in Paris und London, daß ein anständiger Dreierpakt nicht Zustande­kommen könne, wenn die beiden westlichen Reg'erungen nicht auf ihre bisherigen Methoden verzichteten. Abgesehen von diesen prinzipiellen Fragen wurde besondters ein Satz in der Rede Molotoffs in Paris stark vermerkt, in dem dieser von der Möglichkeit der Wieder­aufnahme der wirtschaftlichen Verhandlungen mit Deutschland sprach. Matin hebt diie Bedeutung dieses Satzes durch wörtliche Anführung als Untertitel auf der. ersten Seite hervor. Der Jour schreibt, es handle sich um einen „kleinen Erpressungsversuch, über den man die Achsel zucken“ könne. Es sei nicht neu, daß Sowjetruß* land manches an Deutschland liefere. Neu würde sein, wenn Sowjetrußland darauf verzichten würde. Aber man habe in Frankreich weder d’ese Hoffnung, noch diesen Wunsch. Epoque schreibt dagegen, es handle sich um eine ganz klare Wendung. Ohne sich mit Sowjetrußland allzu eng zu verbinden, was zu Abenteuern führen könnte, sei es dennoch offensichtlich, daß man die größte Gefahr liefe, wenn man sich Moskau Berlin nähern und die Rapallo-Politik wiederaufnehmen lassen würde. Der offiz'öse Petit Párisién schreibt, die Anspielungen Molotoffs auf die Möglichkeit der Wiederaufnahme von Wirtschaftsverhandlungen mit Deutschland sei „ziemlich deplaciert“. Das sei nicht seriös gewesen, wo es sich um solch seriöse Angelegenheiten handle, wie die Organisa­tion der Sicherheit von Europa. Im übrigen wünsche man anscheinend in Moskau, auf London und Paris einen Druck auszuüben — die Gegensätze seien aber nicht sehr tief. • Keine Kommentare in Berlin Telegramm des Pester Lloyd Berlin, 1. Juni Die Rede Molotoffs tritt in der Berliner Presse Donnerstag morgen nicht sehr in den Vordergrund. Im allgemeinen beschränken sich die Blätter darauf, einen kurzen Auszug aus der Rede in der Fassung des amt­lichen Nachrichtenbureaus zu veröffentlichen, der zudem an möglichst unauffälliger Stelle gebracht wird. Auch die Aufmachung der Rede ist durchaus neutral. Kommentare fehlen vollkommen. Als einziges Blatt gibt die Deutsche Allgemeine Zeitung jene Stelle der Molotoff-Rede wieder, in der dieser davon sprach, daß sich Sowjetrußland,

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