Textil, 1924 (4. évfolyam, 1-24. szám)

1924-01-01 / 1. szám

Seite 2. Durchaus rosige Verhältnisse sind weder in dem einen, noch in dem anderen Falle zu erwarten. So oder so, wird der einzelne Kaufmann oder Industrielle mit schwierigeren Verhält­nissen zu rechnen haben, als sie die vorige Generation gekannt hat und wahrscheinlich auch mit schwierigeren, als im vorigen Jahre zu überwinden waren. Aber es zeigt sich, dass die im Wirtschaftsleben stehenden Personen zu den grösseren Aufga­ben, vor welche die Entwicklung sie stellt, emporwachsen. Und die ernste und sachkundige Arbeit wird nie erfolglos sein, wie sich auch die Verhältnisse gestalten mögen. 1. Januar 1924 Die Zukunft der mitteleuropäischen Textilindustrie Von Chefredakteur Otto Aczél, Budapest Die gewaltigen Verschiebungen nach dem Weltkriege haben auch auf dem Gebiete der Textilindustrie eine vollständig neue Lage geschaffen. Alte Produktionsstätten verloren mit der Zer­­reissung des Wirtschaftsterritoriums Österreich-Ungarns ikre Absatzgebiete und in den neuen Staaten entstand auf de)m Ge­biete der Textilindustrie ein Griindungstieber. Wenn auch in den meisten Fällen es sich nur um eine Verschiebung des Standortes alter Fabriken handelt, indem tschechoslovakisches und österreichisches Kapital eine günstige Plazierung in den neuen Staaten mit ihrem grossen Bedarf an Textilwaren suchte und hiebei zumeist eine einfache Verlegung der maschinellen Einrichtung erfolgte, ist der Umschwung doch so rasch und un­systematisch erfolgt, dass sich bereits Anzeichen einer Über­spekulation zeigen. Namentlich gilt dies für textile Betriebe, deren Gründung auf keinen günstigen Voraussetzungen beruht, wo die Produktion mit der Auslandskonkurrenz hart zu kämpfen hat und der Bedarf zu gering ist, um eine volle Beschäftigung zu sichern. In Imanchen Produktionszweigen der Textilindustrie sind soviele Neuunternehmungen geschaffen worden, dass sie bereits Absatzschwierigkeiten haben. Ein einheitlicher Plan müsste bei der textilen Industrialisierung der Nachfolgestaaten vorherrschen, der dem nötigen Bedarf entsprechende Neugrün­dungen umfasst und überflüssige, weil nicht im Rahmen der wirtschaftlichen Notwendigkeit stehende Versuche der Verpflan zung von textilen Betrieben verhindert. Auch verschiedene andere Fragen erheischen, dass zwischen den Textilindustriellen Mitteleuropas eine Verständigung her­beigeführt werde. Es wird vielleicht möglich sein, ein gemein­sames Arbeitsprogramm festzustellen, um in der Produktion Ersparnisse und in dem Absatz Erleichterungen zu erzielen. Man Imuss nur daran denken, von welchem Werte es wäre, wenn die Textilindustriellen Mitteleuropas durch eine gemein­same Organisation als Käufer auf dem Baumwolt- und Schaf­­wollmarkte auftreten, oder die Beschaffung von Maschinen zen­tralisieren. Es kommen weiter Lohnfragen, gleiche Bedingun­gen des Verkaufes, Errichtung einer gemeinsamen Kredit­schutzinstitution und im allgemeinen Organisationen in Be­tracht, die die mitteleuropäische Textilindustrie zum Aufblühen bringen und ihr eine dominierende Stellung im nahen Osten si­chern. Es sind dies jedoch Probleme, deren Heranreifung noch viel Zeit und gegenseitiges Verständnis erfordert. Es musS aber doch einmal dazu kommen, dass der grosse Drang nach Zusam­menfassung, der in den Weststaaten und in Amerika herrscht, auch hier Platz greife. Vorerst ist es notwendig, dass über die Ausschaltung der politischen Gegensätze hinweg zwischen den eim zelnen Staaten Mitteleuropas eine wirtschaftliche Verständigung herbeigeführt werde. Den zwischenstaatlichen Vereinbarungen wird unbedingt auch das Zusammenarbeiten der Wirtschafts­kreise folgen. Die Redaktion des „TextiV, die sich Ziele 'über den Tagesanforderungen hinaus setzt, hält es daher für ange­bracht, die Textilindustriellen und den Textithandel Mitteleuro­pas zum Worte kommen zu lassen, dalmit sie ihren Standpunkt zu Problemen, die in Verbindung mit dem Aufschwung des Wirtschaftsverkehres stehen, darlegen und so vor die Öffentlich­keit tretend, den Weg der Zukunft bahnen. Wir haben daher eine Enquete eingeleitet, in deren Rah­men die Wünsche und Forderungen der Textilindustriellen und des Textilhandels der einzelnen Nachfolgestaaten aneinander ge­reiht werden sollen. Ob hiedurch schon sofort eine Verständi­gung ermöglicht wird, sei dahingestellt. Die Hindernisse sind zu gross, als dass sie auf einmal hinweggeschaft werden könn­ten. Immerhin glauben wir einer guten Sache zu dienen, wenn wir uns der Aufgabe unterziehen, wenigstens die Einladung zur Zusammenarbeit zu versenden. Ob inan sich auch dann zum Verhandlungstische setzen und zu einem gegenseitigen Übereinkommen gelangen wird, das hängt von der Mentalität der Vertreter des Wirtschaftslebens ab: überwiegt das Poli­tikum, dann kann die nüchterne Vernunft noch nicht zum Siege kommen. Wir ersuchen alle beteiligten Kreise, an der Enquete teilzunehmen, denn je vielseitiger die Probleme sind, umso ein­gehender müssen sie behandelt werden. Von den Antworten lassen wir nun folgen: Robert v. Szurday, Generaldirektor der Ungarischen Baumwollindustrie A. G. Vizepräsident des Landesvereines der ungarischen Textilfabrikanten: Ein Zusammenarbeiten der Textilindustrie der Donaustaa­ten ist gewiss möglich. Als Vorbedingung muss der Abschluss von Handelsverträgen mit dem Balkan gelten, die Ungarn gleiche Vorteile wie den übrigen Donaustaaten bieten. Die Waren, die aus Ungarn kommen, dürfen nicht anders behan­delt werden, wie solche aus der Tschechoslovakei oder aus Deutschösterreich. Ist diese Vorbedingung gegeben, so können die ungarischen Tetxilindustriellen den Export aufnehmen. Wir haben auch vor dem Kriege Erzeugnisse der Textilindustrie ausgeführt. Die geographisch günstige Lage gibt uns sogar einen Vorsprung. Der einzige Wunsch der ungarischen Tex­tilindustrie ist, die Meistbegünstigung zu erhalten. Die valu­tarischen Verhältnisse spielen bei den Handelsbeziehungen zu dem Auslande keine Rolle, da auch die übrigen Donaustaaten in Edelvaluta fakturieren. Der Transitoverkehr ist für Ungarns Handelswelt von grösster Wichtigkeit. Da der ungarische Handel über Fähig­keiten der Verlmittlung und des Absatzes von Waren verfügt, die kaum überboten werden können, so besitzt er in seinen Relationen mit dem Auslande auch für die übrigen Donau­staaten eine Bedeutung, die man nicht unterschätzen soll. Die günstige geographische Lage Budapest, von wo aus man be­kanntlich den ganzen Balkan aut dem Donauwege oder mit­tels Donauumschlag bis tief nach Kleinasien hinein beschicken kann, prädestiniert den Budapester Kaufmann, seine guten Dienste nicht nur der heimischen Produktion, sondern auch der Industrie der übrigen Nachfolgestaaten zur Verfügung zu stellen. Es ist auch in Betracht zu ziehen, dass die Kaufmann­schaft der von Ungarn abgetrennten Gebiete nach Budapest gravitiert und sie, wenn einmal Handelsverträge bestehen, die alten Bezugsquellen aufsuchen wird. Der neue ungarische Zolltarif darf keine zu hohen Sätze enthalten. Doch muss er so gestaltet werden, dass er die hei­mische Industrie davor bewahrt, dass aus den Staaten, wo jeweilig Produktionskrisen bestehen und daher nicht auf Ba­sis der normalen Berechnung mit einem angemessenen Gewinn kalkuliert wird, eine Einfuhr von Dumpingwaren stattfinde. Be­steht da kein hemmendes Tor, werden wir durch die Krisen anderer Länder selbst stets in Krisen geraten. Der Zolltarif muss ferner dem ausländischen Kapital einen Anreiz bieten, an der Förderung der ungarischen Industrie teilzunehmen, damit die inländische Produktion qualitativ und quantitativ derart gehoben werde, dass sie mit einander konkurrierend, den Zollschutz gar nicht auszunützen in der Lage wäre. Die Zölle haben sich in ihrer Höhe denen der Nachbarstaaten anzupas­sen, denn es ist unmöglich, dass das kleine Ungarn eine eigene Zollpolitik verfolgt. Wir sind überzeugt, dass !man in diesem Belange, den richtigen Mittelweg einschlagen wird. Dann wird auch die ungarische Textilindustrie, die in den letzten Jahren so riesige Fortschritte gemacht hat, sich zum Wohle des Lan­des _ und der Unternehmer weiter entwickeln. Um all dies durchzuführen, benötigen wir. ein freund­schaftliches Verhältnis zu unseren Nachbarn. Wir wünschen, mit ihnen zusammen das Problem des zerrütteten Mittel­europas lösen zu können.

Next