Apponyi Albert: Bilder aus der ungarischen Verfassungs-Geschichte (Budapest, 1917)

I.

τ. Dem Zwecke dieser Vereinigung entsprechend ist es unser Be­streben, den deutschen Waffenbrüdern das Eindringen in die Kennt­nis des ungarischen Volkes und damit das volle Erkennen der natürlichen Kraftquellen und Kraftbedingungen des Bündnisses, soweit sie in Ungarn liegen, zu erleichtern. Mein Anteil an dieser Arbeit soll es sein, Ihnen in kurzen charak­teristischen Zügen die staatsbildende Tätigkeit unseres Volkes vor­­zuführen. Es ist dies vielleicht die wichtigste, gewiß die eigentüm­lichste Seite des Gesamtbildes, das aus der Summe unserer Dar­bietungen enstehen soll. Der Ungar ist in ganz vorzüglicher Weise das ξόων ρολιτΐ'/Ar. das politische Lebewesen, als welchen Aristoteles den Menschen bezeichnet, wohl weil er Grieche war, der typische Nationalphilosoph eines Volkes, in welchem — sowie später bei den Römern — der Mensch ganz im Staatsbürger aufging. Der Germane ist es nicht, wenigstens in diesem Maße nicht; Geltung der Per­sönlichkeit ist sein hervorstehender Charakterzug. Sein Auftreten als maßgebendes Element der westeuropäischen Völker- und Staatenbildung bedeutet daher einerseits Erlösung von der Staats­knechtschaft der gräko-italieschen Epoche, anderseits Erschwe­rung des Zusammenschlusses größerer Maßen zu wirklichen politi­schen Einheiten, zu Staaten im heutigen Sinne. Es geht ein privat­rechtlicher Zug durch die Einrichtung der öffentlichen Gewalten, der stufenweise im Gefolgschaftswesen, im Lehnwesen, in der patrimo­­nalien Auffassung der Fürstengewalt zutage tritt; der Inhaber obrig­keitlicher Rechte betrachtet dieselben als sein persönliches Eigentum und, tritt auch die Rücksicht auf das Gemeinwohl als Zweck nicht ganz in den Hintergrund, so besorgt er dies — um mich eines, wie ich glaube, zutreffenden Vergleiches zu bedienen — als Unternehmer auf eigene Rechnung, nicht als Angestellter der Gesamtheit. Der Untergebene bezieht seine Rechte und Pflichten weit mehr auf ein

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