Bukarester Gemeindeblatt, 1924 (Jahrgang 16, nr. 1-52)

1924-05-04 / nr. 18

Jahrgang XVI Sonniag, den 4. CDai 1924 Buharester Gemeindeblaít Schriftleitung: R. Honigberger Geschäftsstelle: Gemeindekanzlei, Str. Lutherana 10 Do. 18 fiantroorte. Zum Gedächtnis des 200 sten Geburtstags Imma­nuel Kants, (geh. 22. April 1721) »Es ist überall nichts in der Welt, ja über­haupt auch ausserhalb derselben zu denken möglich* was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden, als allein ein guter Wille. Ver­stand, Witz, Urteilskraft und wie die Talente des Geistes sonst heissen mögen, oder Mut, Ent­schlossenheit, Beharrlichkeit im Vorsatz ais Eigenschaften des Temperaments sind ohne Zweifel in mancher Abs:cht gut und wünschens­wert ; aber sie können auch äusserst böse und schädlich werden, wenn der Wille, der von die­sen Naturgaben Gebrauch machen soll, und des­sen eigentümliche Beschaffenheit darum Charakter heisst, nicht gut ist. Mit den Glücksgaben ist es ebenso bewandt. Macht, Reichtum, Ehre, selbst Gesundheit und das ganze Wohlbefinden und Zufriedenheit mit seinem Zustande unter dem Namen der Glückseligkeit machen Mut und hier­durch öfters auch Uebermut, wo nicht ein guter Wille da ist, der den Einfluss derselben aufs Gemüt und hiermit auch das ganze Prinzip zu handeln berichtige und allgemein zweckmässig mache. Der gute Wille ist nicht durch das, was er bewirkt oder ausrichtet, nicht durch seine Taug­lichkeit zur Erreichung irgend eines Vorgesetzten Zweckes, sondern allein durch das Wollen, d. b. an sich gut, für "sich selbst betrachtet, ohne Ver­gleich weit höher zu schätzen als alles, was durch ihn zu Gunsten irgend einer Neigung, ja wenn man will, der Summe aller Neigungen nur immer zustande gebracht werden könnte. Wenn gleich durch eine besondere Ungunst des Schicksals oder durch kärgliche Ausstattung einer stiefmütterlichen Natur es diesem Willen gänz­lich an Vermögen fehlte, seine Absicht durch­zusetzen ; wenn bei seiner giössten Bes'rebung dennoch nichts von ihm ausgerichtet würde und nur der gute Wille (freilich nicht etwa ein blosser Wunsch, sondern als die Aufbietung aller Mittet, soweit sie in unserer Gewalt sind,) übrigbliebe; so würde er wie ein Juwel doch für sich selb,st glänzen, als etwas, das seinen vollen Wert in sich selbst hat. Was ich zu tun habe, damit mein Wollen sittlich gut sei, dazu brauche ich gar keine weit­­ausholcude Scharfsinnigkeit. Unerfahren in An­sehung des Weltlaufs, unfähig, auf alle sich er­eignenden Vorfälle desselben gefasst zu sein, frage ich mich nur: kannst du auch wollen, dass deine Maxime ein allgemeines Gesetz werde ? wo nicht, so ist sie verwerflich, und das zwar nicht um eines dir oder anderen daraus bevor­stehenden Nachteils willen, sondern weil sie nicht aus Prinzip in eine mögliche allgemeine Gesetz­gebung passen kann; für diese iber zwingt mir die Vernunft unmittelbare Achtung ab, von der ich zwar jetzt noch nicht einsehe, worauf sie sich gründe (welches der Philosoph untersuchen mag), wenigstens aber doch soviel verstehe, dass es eine Schätzung des Wertes sei, welcher allen Wert dessen, was durch Neigung angeprie­sen wird, weit überwiegt, und dass die Not­wendigkeit meiner Handlungen aus reiner Ach­tung fürs praktische Gesetz dasjenige sej, was die Pflicht ausmacht, der jeder andere Beve* gungsgrund weichen muss, weil sie die Bedingung eines an sich guten Willens ist, dessen Wert .über alles geht.« (Aus der Grundlegung zur Me­taphysik der Sitten.) »Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehr­furcht. je öfter und anhaltender sich das Nach­denken damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und öas morälisehe Gesetz in mir. Der erstere Anblick einer zahllosen Welten­­menge vernichtet gleichsam meine Wichtigkeit, als eines tierischen Geschöpfes, das die Materie, daraus es ward, dem Planeten (einem blossen Punkt im Weltall) wieder zurückgeben muss, nachdem es eine kurze Zeit (man weiss rieht wie) mit Lebenskraft versehen gewesen. Der zweite erhebt dagegen meinen Wert, als einer Intelligenz, unendlich, durch meine Persönlich­keit, in welcher das moralische Gesetz mir ein von der Tierheit und seihst von der ganzen Sinn#swelt unabhängiges Leben offenbart, wenig­stens soviel sich aus der zweckmässigen Bestim­mung meines Daseins durch dieses Gesetz, welche nicht auf Bedingungen und Grenzen dieses Le­bens eingeschränkt ist, sondern ins Unendliche geht, abnehmen lässt«. Pflicht! Du erhabener, grosser Name, der du nichts Beliebtes, was Einschmeichelung bei sich führt, in dir fassest, sondern Unterwerfung verlangst, dech auch nicht drohest, was natür­liche Abneigung im Gemiite erregte und schreckte, um den Willen zu bewegen, sondern bloss ein Gesetz aufstellst, welches von selbst im Gemüte Eingang findet und doch sich selbst wider Willen

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