Der Nachbar, 1912 (Jahrgang 64, nr. 1-52)

1912-01-07 / nr. 1

2 Lüfte, daß du sie erkennst, was sie sind, verderben deiner Seele, Brandflecken an deinem Herzen und umkehrst zum Licht. Es scheint in deine Sünden, die auf deinem Ge­­missen liegen und dich ängsten mit Ewigkeit und Gericht und zeigt Dir den, der sie getragen hat und der dich retten will und kann, komm zu dem Heiland, komme noch heut. E s scheint in dei­ Haus, in deine Arbeit, auf deine Mühe und will sie verklären zum Gottesdienste, dem Herrn getan, und nicht dem Menschen oder dir selbst, will sie umwandeln zu Hütten Gottes bei den Menschen, zu Bethanienhäusern, in die der Herr einkehrt, sie zu segnen. D,­es scheint in alle Nächte der Erde, Krankenzimmer, Sorgenkammern, Trübsallstunden, bis in die legte Nacht des Scheidens und will sie heil machen, hell von Trost und der Hilfe des Heilandes. Dein Licht kommt, deines, weil du es brauchst, weil du ohne dasselbe zeitlebens ein trauriger, armer Mensch bleibst, deines, m weil es dir gehört, du durch deine Taufe ein Recht darauf hast, weil es Gott seinem Volke verheißen hat, mache dich auf, werde licht! Die Nacht ist vergangen, der Tag leuchtet, werde licht! Eigentlich, lieben Freunde, sollten wir es groß schreiben, werde Licht. Der Prophet hat es so geschrieben, und nur dann begreifen wir die Mahnung ganz. Nicht um uns und in uns nur soll es hell sein, wir fallen selbst Lichter sein Gottes in der Welt, welche die Finsternis vertreiben. Ruht sie nicht noch ü­ber Millionen von armen Heiden? Ist die Erde schon etwas viel anderes, als Bethlehems Feld, auf dem das Licht über die Hirten strahlte, welche die frohe Botschaft vernahmen, und ringsumber ist noch Finsternis ? Smwei Gebote hat der Heiland ausdrücklich den Seinen gegeben: folget mir nach) und prediget das Evangelium aller Kreatur, wer das erste erlernt und im Herzen trägt, vergeftet ihr auch das andere nicht? Das ist die Herrlichkeit des Herrn, daß seine Gnade und Wahrheit, wie sie erschienen ist, leuchten soll dem ganzen Erdkreis. Ihre Vollendung malt Paulus, daß alle Kniee sich in seinem Namen beugen und alle Zungen bekennen sollen, daß Jesus Christus der Herr sei zur Ehre Gottes des Vaters — mas stehet ihr den ganzen Tag müßig, ihr Knechte des Herrn, die ihr sein Werk treiben sollt ? Der Heiden Weihnacht! Die Weisen des Morgenlandes kommen und bringen Geschenke dar. Sie sind die Erstlinge geneten einer großen Schar aus allen Völkern und Ländern, unsere Vorväter gehören zu ihnen auch. Liebe Gemeinde, das Feld der Mission ist weiß zur Ernte und es kann viel Frucht eingebracht werden. Laßt es den Segen dieses Tages sein, daß ihr den Herrn der Ernte um Arbeiter bittet, das­ ihr Mitarbeiter werdet, denn die Herrlichkeit des Herrn scheinet über uns und will über alle Welt scheinen bis an die Enden der Erde und der Zeit. Amen.­­ Die Frau des Flußwirts. Bon W. Lind. Sa, Nebers, nun haben Sie ja auch wohl bald MAR Ihren Friedrich wieder hier? Der bleibt er bei den Soldaten?“ „I wo, Herr Amtmann, den kann ich nicht missen, der soll mir den Kellner erregen und nebenbei an den Vormittagen das Land bestellen, hab' genug am Garten. Meine Knochen werden alt und haben von Jugend auf gut herhalten müssen. Na, der Herr Amtmann mitsen ja selbst, wie das hier aussah, als ich die Karre anfaßte — und — mie es nun geworden ist.“ schmungzelte der Wirt. Der behäbige alte Herr sah sich wohlgefällig um. „Sa, Nebers, Sie haben Ihren Kram fein im Gange, das mit man Ihnen laffen.“ „Wollt ich man meinen, Herr Amtmann,“ lachte der Sturmwirt und eilte weiter, um neue Gärste zu bedienen. „Wenn Friedrich erst da ist“ — „wenn Friedrich kommt“ — „das kann Friedrich tun,“ hörte man Vater und Mutter Nebers in den nächsten Wochen immer wieder jagen. Es waren für die beiden Alten auch saure Wochen, denn es war Sommer und jeder schöne Nachmittag brachte mit den kleinen Dampfern eine Flut von Gärten aus der Stadt. Dann waren die vielen Lauben und schattigen Bläße des weiten Kaffeegartens dicht beseßt. Luftige Kinder rollten in den Wegen. Jauchzend flogen sie in der großen Schaukel zu zweien oder dreien durch die Luft. Kreischend vor Beranik­en saßen sie zu rechten auf der mächtigen Wipp, und unermüdlich beobachteten sie im Fluß die eilig dahin­­brichenden Fischlein. Lachend und schwagend jagen die Alten bei Kaffee und Bier und neckend oder kofend gingen hier und da junge Pärchen am Ufer hin. Es war hier auch g­ar ein liebliches Fleckchen Erde. Drüben bildete der Fluß eine tiefe Bucht, die in einen großen See (Nachbruch verboten­) überging. Mächtiger Hochwald stand zwingend wie eine undurchdringliche Mauer dicht am Wasser. Rechts­­ bog der Fluß eilig dahin, als könne er nicht schnell genug mit feinen­ Wasser zu den saftigen Wiesen kommen, um sie zu tränken. Weithin sah das Auge über die grünende Fläche. Bunte Kuhherden grasten friedlich zu beiden Seiten des glngernden Bandes und am Horizont sahen rote Dächer aus dunklem Tannengrün. Kein Wunder, daß die Städter hier Lieber saßen, als in ihren heißen Stadtwohnungen. Goldener Septembersonnenfch ein Tag über der Land­­schaft. Weiße Narrenfäden flatterten von den Büsschen. Über dem Wasserspiegel spielten noch die Mücken und der Weg war schon dicht bestreut mit braunen Kastanien. Ein­­zelne Gäste lagen nur noch hier draußen, denn die Wasser­­fahrt war am Abend schon empfindlich kühl und es dunkelte früh. Bater Nebers Tief Heute besonders eilig hin -und her und immer­­ wieder flogen seine Blicke hinüber nach der Brücke, welche hoch den Fluß überspannte. Gebt schallte ein lauter Jauchzer von dort her, noch einer und wieder einer. Nebers stellte sein Servierbrett auf den Tisch. „Be­­dienen sie sich, meine Herrfegarten,“ bat er hastig. „Mein Friedrich kommt heim,“ rief er im Davoneisen.­­ Gerade als er mit feier Frau aus der Küiche auf­ den Flur trat, wurde vorne die Haustür aufgerissen. „Vater! Mitrtter! da bin ich wieder.“ „Mein Jung!“ — „Frißing!“ Der untragte die kleine, rundliche Mutter und streckte dem Vater die Hand hin. Leuchtend hingen die Blicke der Eltern an dem statt­­lichen Sohn. Wie kamen sie nu­r zu einem solchen Ausbund vor, Kraft und Schön­heit? Ja, der. Friedrich war eine imponierende Erscheinung! Wie groß und stark ! wie stolz trug

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