Deutsche Tageszeitung, Januar 1935 (Jahrgang 2, nr. 76-100)
1935-01-01 / nr. 76
wi " Seite 2 _ Deutsche Tageszeitung Siebenbürgen . Wir wollen Kämpfer sein! Seit dem Ausbruch des Weltkrieges war noch sein Jahr mit ähnlich schweren Erschütterungen für unser Bolt verbusden, wie dageben abgelaufene. Die leidenschaftlichen Auseinanderlegungen mit den sich daraus ergebenden, besonders in Siebenbürgen in ihrer Erbitterung ganz neuartigen innerwelfischen Kämpfen, die zu diesen Erschütterungen führten, werden in den einzelnen Lagern unseres Volkes verschieden beurteilt. Wir Jungen bejahen sie! Denn, wenn der Kampf — wie das nicht anders zu erwarten war — auch, manches Häßliche im Gefolge hatte, so mußten wir ihn der Ruhe des Friedhofes, die lähmend über unserem Bolte lag, Doch vorziehen. Im Kampfeslamm ist unser Bolt erwacht. Bis auf die wenigen hoffnungslos Unbelehrbaren weiß man es heute in dem entlegensten Dörfern, worum es geht, — zumal in den Kreisen der Jugend! Dabei ist es gar nicht wahr, daß der Kampf, den wir durch unsere Siedlungen trugen, nur Häßliches gezeitigt hätte. Aus ihm heraus erwuchs über alle Standesunterschiede Hinweg eine beispiellose Kameradschaft, in ihm erhärteten sich die schönsten deutschen Tisgenden. Mut, Einjagbereitschaft bis zur völligen Hingabe und bedingungslose Treue sind heute in unserem Rolfe keine leeren Worte mehr. Darüber hinaus ward der Bruderkampf manchem von uns zum freiwilligen Opfergang. Gewiß, wir haben feine Hunderttausende gespendet, denn wir hatten sie nicht. Wir gabdben mehr! Wir nahmen die gesellschaftliche, Die wirtschaftliche Acht auf uns und sind bereit, unserem Bolte selbst Die bürgerliche Existenz zum Opfer zu bringen. Denn wir willen: Aus seiner Spende — und sei sie noch logrog —, aus dem Opfer allein wächst neues zukunftsstarkes eben! Zum Opfer aber ist nur der Kämpfer bereit, und gleich dem Einzelnen erprobt sich auch ein Bolt erst im Kampfe. Deshalb braucht unser Bolt Kämpfer. Wer aber nicht bereit ist, für die Erreichung eines innervölfischen Zieles sein fettes herzugeben, wird sein Bolt auch nach außen niemals mutig und erfolgreich verteidigen. Indem wir unser Bolt in diesem Geiste zu Kämpfern erziehen, schaffen wir die Grundherausgebung für seinen inneren und äusseren Bestand! Wohl willen wir, daß unsere Kräfte erst dann frei werden für einen wirksamen Einsat um die entsprechende Geltung nach außen, wenn Die inneren Auseinanderlegungen bis zu einem gewissen Grade abgeschlossen sind. Tragen wir also alle dazu bei, daß wir bald als einiges kämpferisches Bolt dastehen ! Weil aber auch die Entscheidung im Inneren nur im Kampfe und niemals an dem Verhandlungstische fallen kann, so wollen wir über die Schwelle des neue Jahres treten mit dem erneuerten heiligen Schwur auf den Lippen: Wir wollen Kämpfer sein! Herwart Scheiner Nachbild und Ausbii (co) Der moderne Mensch fühlt sich zu sehr verstrickt in ein Nebtausendfach durcheinanderlaufender, durch ihre Fülle und Geseßlichkeit beängstigend wirkender Geschehnisse, die durch die Errungenschaften der modernen Technik, Brefje und andte an ihn herangetragen weden, um die tiefe Berechtigung des gri hischen Weisen, daß alles fließe, in Frage stellen zu wollen. Umso dringender jedoch auch sein Bedürfnis, dann und wann innezuhalten, um gleichsam durch eine Statur den Rhythmus des fließenden Geschehens zu unterbrechen und einen Blik nach rühmwärts und vorwärts zu werfen. Am Tage, da ein Jahr sich ansdikt in den Abgrund der Vergangenheit zu finken und ein neues Jahr an die Tore der Menschheit klopft und Einlaß besehrt, is es wohl angebracht, auch dem weltpolitischen Geschehen gegenüber für den Augenblick einen Standpunkt der Rundschau und Ausschau zu beziehen. . Das Jahr 1934 war durch eine Fülle dr bewegter weltpolitischer Erergie gekennzeichnet, sodaß man bei „erflählicher Beobachtung wohl die Reinung gewinnen mochte, es sei ein ahr der Entscheidungen gemesen. Diese Ansicht kann jedoch, einer ernsten Kritik nicht standhalten. Bei schärferem Zusehen entpuppen sich die meisten Ber ‚we,ungen auf den diplomatischen Schachbrettern, so dramatisch sie auch aufgeschutzt war emals vorbereitende Maßnahmen,als ein Ordnen und Gruppieren der Kräfte für zukünftige Entscheidungen. · Die Entscheidung im Donauraum Einen Augenblik schien es, als ob die Entscheidung im Donauraum schon im Jahre 1934 fallen sollte. Das war damals, als König Alexander von Südslawien und der französische Außenminister Barthou auf so kragische Weise ermordet wurden. Die kleine Entente war auch offensichtlich bereit, aus der gewaltsam herbeigeführten Lage die Folgerungen zu ziehen und die Entscheidung zu erzwingen. In den Kabinetten der Weltmächte urteilte man anders. Weder Baris noch Rom fand die Seit reif zur Entscheidung, zumal die Haltung Englands und Deutschlands täglich undurchsichtiger wurde. Die Entscheidung wurde aufgez ihoben, freilich nicht aufgehoben. Zähe zieht der diplomatische Zweikampf Paris— Rom dahin. Ein Feilchen übelster Art um afrikanische Gebiete, Konzessionen und dgl. mehr hat angehoben, wobei Italien als der um den Giegerpreis geprellte, Fordernde, Frankreic als der geizige Geber auftreten. Die legten Ereignisse im Donauraum und in Genf haben gezeigt, daß die Kleine Entente fest in den Händen des Auai d’Orsay liegt. Dafür ist die Art und Weise, wie sie auf die Hereinnahmen Rußlands in den Völkerbund reagierte ein schlagender Beweis. Hiedurc iht die Stellung Frankreichs Italien gegenüber, das sich die Hilfe Deutschlands leichtsinnig verscherzt hat und außer bei England nirgend auf Unterfrügung rechnen kann, sehr vorsteilhaft geworden. Mussolini gedachte Deutschland gegen Franke reich auszuspielen um es seinen Wünschen willfährig zu machen, ja er schäßte die diplomatischen Fähigkeiten der Führung des Dritten Reiches so gering ein, daß er glaubte ihr ohne weiteres die Gewaltpolitik dem Deutschtum in Südtirol und in Delfterreich gegenüber zumuten zu können. Deutschland ließ sich nit nur nich mißbrauchen, sondern zögerte nicht die — es sei hier besonders betont — ab: Salutlegitimen und in den fast hunder 'enzentigen Mehrheitsverhältnissen an der Ostküste der Adria fest begürteten Interessen Südslawiens anzuerkennen, denen Italien weder einen völkischen noch auch nur einen wirtschaftlichen Anspruch, sondern nur einen naaten Machtanspruch entgegenzuhalten vermag. Siezu kommt noch, daß sic in Frankreich sehr starke Kräfte für einen Ausgleich mit Deutschland einzufeßen beginnen und da das Reich durch den Mund seiner Führer wiederholt seine Breitwilligkeit dazu gezeigt hat, tauchen Möglichkeiten auf, die die Berechnungen Mussolinis empfindlich zu stören ‚geeignet wären. Der allzusehr zu Scau getragene "sacro egvismo" erweist sich immer mehr als eine Eigenschaft mit der man wohl displomatische Schacten schlagen, aber nicht gewinnen kann. 1. Januar 1935 Deutschlande Kampf um sein Necht wirft man demgegenüber einen Blick auf die Außenpolitik Deutschlands, so wird man ihr die Anerkennung ja Bewunderung nicht verjagen können ! Deutschlandst nach innen und nach außen wieder geachtet und stark, ja gefürchtet geworden, obwohl runde herum eine Welt von Feinden stand, die alles aufbot, es zu verhindern. Mehrere Male stand alles auf des Meslers Schneide! Immer wieder vermochte der Führer des Reis das Neb zu zerreißen und seinem Bolk und der Welt den Stieden zu erhalten. Jo mehr die Seit fortschreitet, desto weniger Aussicht auf Erfolg eröffnet sich den feindlichen Kräften, die Deutschland gegenüber Gewalt anwenden wollen. Wir willen es aus dem Munde des Reichsministers Heß, daß dem deutschen Igel die Borsten wiedergewachen sind und manchem be= gehrlichen Maul den Hunger gründlich vertrieben haben. So ficht denn Deutschland im stolzen Bemwußtsein seines Rechtes zäh und kompromißlos seinen Kampf gegen den Bankott und gegen andere Wirtschaftsmächte.. Nach dem Einvernehmen mit Bolen, das von Tag zu Tag an Beichtigkeit gewinnt, wird ihm im Januar 1935 auch die Saar als reife Frucht einer weilen, folgerichtigen und geradlinigen Politik in die mütterlichen Arme zurückkehren. Im Memelgebiet und in Delferreich weilerleuchtet es noch, X’fauen und die rombörigen Gewaltsherrscher Wiens gebärden sich wie Menschen, denen ihr böses Gewilsen jagt, daß die Bergeltung naht. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Bereinigung der Prombleme im Westen auch auf den Dsten rücktrahlen wird uddak das mächfig erstarkende Deutschland weit davon entfernt ist, im Osten und Südosten dem Schisal der Millionen angrenzenden Stammesgenosten in gleichgültiger Haltung freien Lauf zulassen Während einzelne Ränder, wie etwa die skandinavischen Staaten, die Niederlande und England im Jahre 1934 kaum aus ihrem staatlichen Gleichgewicht gerückt zu sein scheinen, holte der Pendel gegenmäßlicher Kräfte in Oesterreich, Spanien und Griechenland öfter weit aus, ohne freilich eine Entscheidung herbeigeführt zu haben. Desterreichs innerpolitische Rage gleicht einer Pyramide, die von außen in Kopfstellung gehalten wird. Außer Rpm, bemüht sch Prag besonders um die Stabilisierung dieser unnatürlichen Rage, die nur durch vollständige Ausüh“ung des Volkswillens erhalten weren kann. Der Zustand wird erst sein Ende finden, wenn das Muttervolk sich anschicken wird, ents icheidend in den Lauf des widerlichen Spiels einzugreifen. Daß dabei auf den förmlichen Anschluß kein besonderer Wert gelegt wird, versteht sich von selbst. Auch dieses Problem dürfte erst 1935 in das Stadium der Entscheidung gesangen. Inwieweit Prag, daß sich, fett Bolen und Berlin sich kennen und verstehen gelernt haben, als Insel im umbrandeten Meere besonders unbehaglich fühlt, seine Interessen wird durch jeßen können, läßt fid, kaum voraussagen. Doch eines lükt fid jet schon feststellen, die Geiffer, die Prag in den Jahren 1917 und 1918 gerufen hat, lassen sich nicht mehr in Märchenflaschen ziehen und verschließen. Sie fahren fort zu wirken, selbst wenn es ihren Schoßungen von ehedem so recht wider den Siridy geht. Um neue Formen In Spanien und Griechenland ringen starke Kräfte um die Entscheidung. Blutig hat das Leer Spaniens die marrisfische Revokation zerschlagen. Allein es fehlt die rettende große Idee, die als leuchtendes Kanal dem Bolke vorangetragen, zu einer Sammlung und Versöhnung aller schaffenden Volkskräfte führen könnte, Anstelle des zerschlagenen Irrwahns it gähbnende keere und die Unsicherheit der Führenden gefreten. Den emporstrebenden klerikalen und konservativen Kräften dürfte der Wurf kaum gelingen. Dem Lande, das eine starke Zentralisierung über sich ergehen lassen muß, steht wenig Gutes bevor. Frankreichs vorbereitende Einkreisungspolitik, die durch den Tod ihres stärksten Exponenten Bartihbou aus der Bahn geschleudert schien, hat seit‚Stalten aus günstiger Position heraus her unter Zaval die alte Sielltiebigkeit zwar nicht mehr wiedergefunden, aber die Aufnahme Rußlands in Rätehund und Diefertig zu werden, zeigen deutlich, daß man in Haris offiziell noch an ihre Möglichkeit glaubt. Praktisch zeigt jedoch die Verständigung über die Saar, daß man der Volksstimmung, die immer mehr dem Frieden zuneigt, Rechnung fragen muß. Man kann es sich heute in granks rete und gtít mehr leiten, einen unpopulären Krieg zu en feffeln, die wirksamen Schlagworte sind alle stumpf geworden, seit in Berlin ein Mann am Mikrophon steht, der es sich erlauben kann, ohne Phrasen, einfach und sclch! den Völkern, seine und seines Volkes Meinung zuzurufen. Der zyerne Diten obwohl inzwischen Die Baktomanie, die im sogenannten Of und Mittelmeerpakt kulminiert, noch ein Sechsmächtepakt aufgetauch ist, darf als Leichen der Schwäche gelten. Es wird dem Reich nicht schwer fallen, sie bis zur Anerkennung der Gleichberechtigung herausz aubellen. Vieles spricht dafür, daßs das Jahr 1935 auch in dieser Frage die Entscheidung bringt. So wichtig mit europäischen Augen gesehen, die angedeuteten Probleme auch sind, verblaffen sie doc vor der Größe der Fragen im Lernen Osten die, weil sie weltumfassende Bedeutung besißen, auch im abgelaufenen Jahr nur etappenweise weiterbewegt wurden und wohl auch 1935 nur in das Stadium der Entscheidung freien durften. Japan bat durch den Austritt aus dem Völkerbund, durch die Eroberung und Aufstellung des Mandschurischen Bajallenstaates und endlih durch die Kündigung des Washingtoner Flottenvertrages unmißverständlich kundgegeben, daß es rüksichtslos auf sein Siel loszugehen entschlossen ist. Dieses Siel heißt: Verdrängung Rußlands vom Stillen Ozean, Regelung der chinesischen Belange unter japanischer Führung und Besestigung des weißen Einflusses in Ostasien. Nur über die Frage Australiens und Indochinas schweigt sich das offizielle Japan aus, offenbar um England, das die längste Zeit zwischen Amerika und Japan schwankt, nicht in die Arme der Union treiben. Das entsclossene Vorgehenapans, zwingt Amerika und England zur Entscheidung. Lebteres wird durch Amerika stark ummworben, das sogar bereit sein soll, seine Motivedoktrin England zu Liebe abzuändern, es fragt sie dennoch, ob England die wohl begründete Ab[heit vor Rußland dem Mitspieler Amerikas überwinden kann und das jahrzehntelange Geschäft mit Japan aufgibt. Die großen Entfernungen laffen der Entscheidung mit Massengewalt wenig Raum, ums o erbitterter wogt der diplomatische Kampf. Zondon steht vor einem Entschluß voll weltgeschichlicher Verantwortung. Entscheidet sich England für Japan, dürfte das Schiksat Ostsibiriens und Chinas wohl in japanischem Sinne entschieden sein. Geht England endgiltig mit der Union und dadurch, indirkte auch mit der Sowjetunion, wird im Osfen ein Kampf kommen, dessen Ausmaße und Auswirkungen unübersehbar sind.