Deutsche Tageszeitung, März 1935 (Jahrgang 2, nr. 124-150)

1935-03-01 / nr. 124

" Seite 2 die meisten Chancen zugebilligt werden wssen. Dies vor allen Dingen deshalb, weil er, oft im schroffen Gegensaß zu seinen Unterführern, von der einseitig faschistischen iite abweicht und zu Kon­zessionen an den Sklerikalismus bereit it. Denn ihm geht es weniger um ein Programm, als um die Macht als solche. Um sie zu erringen, stößt er sich an Stalten, ohne dabei aber die klerikale Hilfe gänzlich außerhalb seiner Ber­­ehnungen zu lassen.­­ Andererseits besteht unzweifelhaft in den legitimistischen Kret­sen das Konzept, ihren Thronprätendenten Otto über den Umweg einer Wahl zum Bundespräsi­­denten, der übrigens auf Grund der neuen Verfassung die Vorrechte eines absoluten Sterrchers genießt, auf den Thron seiner Väter zu fegen. Wenn auch der Legitimismus im­ Volke fast keine Anhängerschaft hat, so ist er des­­wegen so mächtig, weil seine Förderer nicht nur im klerikalen Lager, sondern auch in der Heimwehr führend sind. Man kann also für die Zukunft eine Auseinanderlegung zwischen Starhem­­berg und Otto erwarten, da sie heute­ die einzigen sind, die wirklich­ als Bun­­despräsident in Betracht kommen. Ob Starhemberg bereit ist, für Otto ledig­­lich einen Reichsvermieter abzugeben, um später zurückzutreten, kann sehr bezwei­­felt werden. Alle diese Auseinander­­segungen werden nicht an der Oeffent­­lichkeit, sondern in den Salons vor fi­­ehen und das österreichische Volk wird vor vollzogene Tatsachen gestellt werden. Allerdings darf ein Moment nicht außer Augen gelassen werden, daß froß aller Bereicherungen, die österreichische Regier­­ung dadurch, daß sie im Volke keinen Rückhalt befigt, ganz unter den Einfluß des Auslandes gekommen it. Die lebte Entscheidung über die Frage, ob der Anwärter auf den österreichischen und­ ungarischen Thron oder der Exponent der italienischen Expansionsbestrebungen S Bundespräsident wird, hat also das Ausland; das Ausland aber hätte auf die Macht, darauf zu dringen, daß ein wirklicher Vertreter des österreichischen Volkswillens und dadurch auch ein Garant der österreichischen Unabhängig­­keit für dieses Amt bestimmt werde. . Kammer und Senat Bukarest, 28. Februar (fernmündt.). In der Kammer antwortet Minister Lapedatu auf einige Anfragen, so auf jene von Vufatescu bezüglich der Pensionierung von Geistlichen, wei­­ter auf die Anfrage Marcel Adams, der darauf hinge­wiesen hatte, daß ein Jude Kirchen ausmalt. Lapedatu versprach, daß in Zukunft solche Unzuf­lässigkeiten nicht mehr vorkommen werden. Auf die Anfrage Urficeanus teilt er mit, daß Unterhaltungslokalen in der Nähe von Airden keine Be­willigungen mehr erteilt‘ wird. Die Kammer nimmt einen Geiäßentwurf an, durch den die Stadt Skitchineff er­­mäctigt wird, ein Darlehen von z­wei hundert Millionen aufzunehmen. Darauf wird zur Tagesordnung und zur Aussprache über das Genossenschafts­­gefäß übergegangen. S­iezu spricht der Nationalzaraniff Moldovan und weist auf die Bedeutung der Genossenschafts­­bewegung hin. Er spricht dann über die geschichtliche Entwickelung seit der Zeit vor dem Ariege bis zur Gegenwart und weist darauf hin, daß alle Staats»­männer sie bewußt waren, daß dem Genossenschaftswesen besondere Aufmerksamkeit zugewendet wer­­den müsse. Er verurteilt die Absicht der Regierung, die alten Zentral­­kassen, die immer mit Verlusten ab­­geschlossen haben, neu zu errichten. Im Senat verlangt der ge­wesene Minister Dimitriu die Abschaffung der Finanzwache, die ein Ueber­ bleibsel aus der nationalzaranistischen Regierungszeit sei und nur eine Be­lastung des Staatshaushaltes bedeute. Sie sei gleichzeitig eine­ Erinnerung an die ungarische Verwaltung, die in die Ordnung des rumänischen Staates nicht passe. Nach einigen unwesentl­­ichen Mitteilungen wird die Aussprache zum Strafgesäß fortgefeßt. — — Deutsche Tageszeitung Neue Schwächung der N­ationalzaraniiten Borsigender Der Zentralgenossenschaftsbant tritt aus der Partei aus — Bernein ended in der Nationalzaranisten als rm­ Bukarest, 28. Februar (fernmündtl.). e Cezar Parteniu, der Borfikende der Zent­ralgenossenschafts­­bank, hat geifern seinen Austritt aus der nationalzaranistischen Par­­tei angemeldet. In seinem an Miha­­lade gerichteten Austrittsschreiben führt er aus, daß den Belangen des Genos­­senschaftswesens durch die ausschließlich vernehi­end bemängelnde Haltung der nationalzaranistischen Partei nicht ge­­dient sei, wie sie die Partei während der mit der Regierung geführten Ver­­handlungen um das Genossenschaftsgesäß bewiesen habe. Angesichts der von der Regierung gemachten und nicht an­­nehmbaren Vorschläge sei er denn noch der Meinung gewesen, daß die Verhandlungen nicht hätten abgebro­­chen werden dürfen, sondern daß man vielmehr Gegenvorschläge hätte machen müssen, um zu einem aufbauen­den Ergebnis zu gelangen. Troßdem habe Mihalade gestattet, daß seine Vertreter die Verhandlungen mit der Regierung abbrachen. Sein Pflichtgefühl schreibe ihm daher vor, in dem Augen­blik, da über das Gec­­jal des Ge­nossenschaftsgeseßes in den Gefeßgeben­­den S Körperschaften verhandelt werde, offen und rechtmäßig zur Auf­findung der besten geseßlichen Lösungen beizutragen. Er sehe sich somit veran­­laßt, aus der Partei auszufreien und betrachtet sich der Parteidisziplin und der Parteiverpflichtungen enthoben. Heftige Szenen in Mavjeille Zusammenstöße zwischen Dem Anwalt des Angeklagten und Simonowitsch — Das Geheimnis der blonden Frau Marseille, 28. Februar. Der Unter­­suchungsrichter de Saintpaul hat die Bernehmungen in der Angelegenheit des Marseiller Anschlages fort­gesegt. Der Rechtsanwalt Desbons richtete an den Keifer der Belgrader S Sicherheitspolizei Simonowitsch mehrere Fragen. So wollte er vor allem wissen, worin das Wesen der „Ultajdiya“=Organisation bestehe, die die Rechtsanwälte der südslawischen Königinwitwe als terroristischen Verband bezeichnet haben. Die Ange­­klagten erhoben durch ihren Verteidiger Einspruch gegen diese Behauptung. Nach den Angeklagten sei die „Ultasha“ ein nationaler Ver­band, der den Freiheitsgedan­­ken der Volksmassen zum Ausdruck bringe. Die Organisation könne keine­s­­wegs als terroristisch bezeichnet wer­­den. Desbons wies darauf hin, daß nach der Anklage Ante Pawelitsch in Sofia ein Abkommen mit den maze­­donischen Terroristen getroffen habe. Im Gegensaß zu dieser Behauptung habe Pawelitich das Abkommen nicht mit den Terroristen, sondern mit den nationalen­­ Organisationen Maze­­doniens abgeschlossen. Desbons er­­suhte Simonowitsch, sr üher die Rolle zu äußern, die er selbst bei der Vorbereitung der Fahrt des Adnigs Alexander nach Frankreich gespielt habe. Simonowitsch antwortete darauf, daß der um diese Zeit sich in Wien aufgehalten und an einer zwis­chenstaatlichen Polizeitagung teilgenom­­men habe. Im Laufe des Verhörs kam es zu h­eftigen Szenen zwischen Des­­bons und Simonomwitsch. Desbons stellte an Simonowitich folgende Frage: „Gibt es denn in Südslawien im amtlichen Rahmen keine terroristischen Organi­­sationen, die auch ihre amtlich beglau­­bigten Sagungen besißen ?" Simonomwitsch erhob entschieden Einspruch gegen diese Annahme. D­e 3­ bons lenzte schließlich die Aufmerksam­­keit des Untersuchungsrichters auf die Beschwerde der südslawischen Regierung an den Völkerbund, die den Akten des Prozesses angeschlossen wurde. Er for­­dert, daß auch die Antwort der un­­garischen Regierung den Pro­­zeßaften beigeschlossen werde. Nach den vorliegenden Berichten geht aus dem Berher hervor, daß die Angeklagten, ihre vorherigen Geständnisse richtig­­stellen­d, nachzuweisen bestrebt sind, daß sie keine vorherige Kenntnis vom Anschlagsplan hatten und in seiner­­lei Zusammenhang mit Ante Ba­welitsch standen. Die Anwälte der Königinwitwe legen auch weiterhin großes Gewicht auf die Feststellung der Identität der geheimnisvollen blonden Frau und ihre­­ Reisebegleiter?. Man hält es für wahrscheinlich, daß dieser Ante Pawelitsch war. Pawelitsch befindet sich indessen in Stalien in Sicherheit, das sich weigert ihn auszuliefern, sodach die Frage nach der blonden Frau und ihrem Begleiter wohl nicht so leicht zu klären sein wird. Es ist aber immerhin bemerkenswert, daß froß eifrigster Suche bis noch keine Spur dieser geheimnisvollen Frau ges­tunden werden konnte. Das Schidsal Der Deutsche rumänischen Verhandlungen Bukarest, 28. Februar (fernmündl.). In der Frage der Verhandlungen mit Deutschland erwartet der Industrie- und Handelsminister im Laufe der nächsten Tage eine über das Schicksal der Bei­­träge entscheidende Mitteilung. Außer der Frage freier Deponien sind noch weitere Erschwerungen hinzu­­gekommen, welche durch angebliche neue „Forderungen des Reiches“ her­­beigeführt wurden. Man scheint also in Bukarest no) immer nicht einge­­sehen zu haben, daß das deutsche Ab­­faßgebiet für Rumänien eine Notwen­­dz, der it, sonst würde man sich wohl e­utschland gegenüber entgegenkommen­­der zeigen. 1. März 1935 Neuaufstellung der direkten Steuern Bukarest, 28. Februar (fernmündt.). Zur Beratung der Einbringung eines Geiäßentwurfes für eine Neuauf­­stellung der direkten Steuern wird heute nachmittag im Finanzmini­­­sterium unter dem Bereuß des Unter­­staatssekretärs MitiBa Konstan­­tinescu eine Besprechung stattfinden, an der auch zahlreiche Parlamentarier und Rechtsanwälte teilnehmen werden. Bürdel zur Nadhgliederung der Saar Gegen Denunziantentum und Beamtenentlassungen — Ge=­schloffener Einmarsch der Deutschen Polizei Bürdel zur N­üd­­gliederung der Saar Berlin, 28. Februar. Der Reichskom­­missar für die Rückgliederung des Saar­­gebietes, Gauleiter Bürcel, hat drei Bekanntmachungen erlassen, in­ denen er sich u. a. gegen das Lenunzian­­tentum wendet und besonders gegen die angedrohten oder­­ bereits durchge­führten Beamtenentlassungen, die ohne Willen der Deutschen Front oder fünfziger zuständiger Stellen geschehen. Der Reichskommissar wendet sich auch gegen andere politische Elemente, die durch unberechtigtes Vorgehen gegen un­liebsame Elemente Unruhe in das Land fragen. Bei der Rückgliederungsfeier am 1. März wird auch die deutsche Polizei durch ihre Formationen vertreten sein. Die Landespolizei entsendet nach Saar« brüken vier­­ Hundertihaften, darunter eine Hundertihaft „Seneral Göring". Ende der Sensation um Tihirsky Wien, 28. Februar. Der Regations­­sekretär der Deutschen Gesandtschaft, von Tihirsky, ist vorgesfern von seinem Urlaub aus Oberitalien nach Wien zurückgekehrt und wird nunmehr um seine Entlassung aus dem diplomatischen Dienst anjuden. Austrem­ast­a und Unsere Wettervorhersage : Abschwächende Winde, an einigen Orten, besonders im Offen, noch Regen­­schauer oder plößliche Schneefälle. Heute trocken und heiter. Die nächtliche Ab­­kühlung steigt, aber heute, tagsüber, wird auch Erwärmung stärker sein. Bestmarken für Horia, Elosca und Crijan Gelegentlich des 150. Jahrestages der großen nationalen Revolution der Ru­mänen in Siebenbürgen unter Soria, Elosca und Crijan werden von der Restgeneraldirektion Erinnerungspost­­marken ausgegeben. Sie behalten für den­ ganzen Monat März ihre Gülfig­­eit. Ein neuer Gewaltakt Die aus Solca im Buchenland be­richtet wird, hat das­­ Revisionsgericht in Czernowiß über Antrag einiger hiesiger Rumänen die vor einigen Wochen durch­geführten Gemeindewahlen von Golca annulliert und die Präfektur beauftragt, bis zur Durchführung neuer Wahlen eine neue Interimarkommission einzu­­feßen. (Bekanntlich­ hat bei diesen Wahlen eine rein deutsche Kiste, die gesondert in den Wahlkampf zog, die relative Mehr­­heit vor allen rumänischen Kisten davon« getragen. Anm. d. Schr.) Brünn — in Afrika Der ehemalige Offizial des Landesh­ausschusses in Brünn, Alois Mikes, er­­hielt kürzlich von einer großen Londo­­ner Firma einen Brief mit der Auf­­schrift: Alois Mikes, Landeshaus Brünn, ESR — Afrika. Der Brief war aber nicht nach Afrika, sondern nach der Tsche­­cho=-Slowakei bestimmt. So kennt man in London die tschecho-slowakische Republik. Bolschewistische Zerlegungkunft von einer merkwürdigen „Aufbau“ Fähigkeit der bolschewistischen Kunst zeugt die Nachricht, daß der Reiter der Mos­­kauer Kammerspiele Tairoff ein „neues“ Stück herausbringen will, das aus drei Stücken der Weltliteratur zusammenge­­schweißt sein soll und das Kleopatra-Mo­­tiv behandelt ... Es soll zusammengee ffoppelt werden aus „Antonius und Kleopatra“ von Shakespeare, „Cäsar und Kleopatra“ von Shaw und „Ägypt the Nächte“ von Busdkin. Die Musik soll der russische Komponist Sergei Pro­­kochef schreiben.

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