Deutsche Tageszeitung, November 1935 (Jahrgang 2, nr. 323-348)

1935-11-01 / nr. 323

------­­ Seite 2 b) Durchführung und Befolgung der im Volksprogramm festlge­legten Aufgaben und Pflichten“. f) „Begutachtung der von den Kreisausf­üllen beantrag­ten Renderungen des Volkspro­­gramms... für Den Sachsentag“. k) „Stellung feldständiger An­­träge für den Sachsentag“. Punkt 8 dieser Bestimmungen aber lautet: „Der Sachsentag ist berechtigt, den Volksrat aufzulöisen und die Abhaltung von Neuwahlen zu verfügen“. Nachdem aber die Volksprogramme der deutschen Gebiete unseres Landes, die sich welche schaffen konnten, mit dem siebenbürgischen als dem zuerst geschaf­­fenen grundsäßlich übereinfla­mmen, kann auch die Hauptversammlung­ des Ver­­bandes nu­­r­olksprogramme schaffen, sondern nur Entwürfe dem deutschen Volkstag Rumäniens vorlegen. Vorher aber müssen diejenigen Siedlungsgrup­­pen, die heute noch keine ordnungsge­­maben Volksräte haben, diese erst wäh­­len, denn wer soll den Volkstagen die­­ser Gruppen das Programm sonst vor­­legen ? Zu den „DObliegenheiten“ des Volks­ rates gehört auch unter Punkt h) die „Ausschließung von Volksgenose jen aus der Gemeinschaft, die sich gegen die Grundräte und ge­gen die Vorschriften der Volksfaßung vergangen haben. Der­­Bolksrat hat sich, wie man es immer dreht, gegen die Grundfäße und gegen die Vorfchriften vergangen. Und wenn Dr. Wolff es rührend findet, mit welchem Fleiß ich das Volksprogramm gelesen habe, so muß man feststellen, daß es beschämend is, mit welcher Geschwindigkeit der Volksratvorsißende über die klaren Ber ftimmungen des­ Volksprogramms hinüber hüpft und sich nun plößlich Hinter Be­stimmungen der Verbandjaßungen aus dem Jahre 1931 verkriechen will. 30 bin ihm aber dankbar dafür, daß er dies tut, denn so wie im Jahre 1931 im Verband der Deutschern Rumäniens und in den einzelnen V­olksräten in die­sem Jahre keine Spur einer Deutschen Meltanschauung zu finden ist, so wenig ist sie, groß eifriger Betonung, heute bei ihm zu finden, denn sonst hätte er nicht die Labungen gerade aus diesem Jahr hervorgeholt und sich zu ihnen bekannt. Dies aber ist der springende Punkt. Wie es damals wider­recht und Ord­­nung ging, so soll es, nach Wolff, in alle Ewigkeit bleiben. Wenn er anführt, daß das Bollsprogramm von der Ge­samtheit aller Deutschen Rumäniens spricht, so steht darin auch,‘ daß wir uns zur Einheit aller Deutschen der Welt benennen, mit denen wir ein einziges ‚großes Bolt bilden. Und nun frage ich, wie vereinbart sich damit die Ausschliegung Millanich ® aus dem BVBollsrat? Warum Hört da­ßlöglich die Vollsgemeinschaft auf? Im Bollsprogramm stehen keine H­indernden Bestimmungen. Auf Unrecht läßt si­e ein Necht bauen. Wo aber das primi­­tivste Rechtsgefühl fehlt, Herrscht orien­­talische Tyrannei. Der Sultanismus aber fürchtet die Volksbefragung. Nun wollen wir aber eine Deutsche Vollsgemein­­schaft schaffen, nicht aber eine orienta­­tische. Solange aber solche Methoden Anwendung finden — der Burzenländer Kreisausschuß erhielt den Entwurf des Volksprogramms einen Tag bei der Bolfsratfigung — so lange kann auch seine „Gemeinschaft“ geschaffen werden. Die verdächtige Haft, mit der­­­ieses Programm durchgepeitscht wurde, zeugt nicht von einem reinen Gewissen, weder bezüglich der Weltanschauung des deut. Sozialismus, noch dem Bolte gegen er. Der deutsche Sozialismus gründet sich weder auf Tyrannei, noch auf Diktatur, sondern auf das Vertrauen, das zwischen Führer und Gefolgschaft besteht. Aber auch der deutsche Führer legt dem Bolt alle wichtigen Maßnahmen vor und läßt sie vom Bolt sein Handeln bestätigen. Warum fürchtet der Volfsrat und der Verband das Bolt? Weil beide mit schlechtem Gewissen das sterben, weil beide wider Necht und Ordnung gehandelt haben. Nunmehr hat allein der Volkstag zu sprechen, Deutsche Tageszeitung De­eves Tatarescu will alle Schwierigkeiten überwinden: Optimismus bei dem­ Liberalen Bukarest, 31. Oktober (fernmündt.). In der Regierung nahestehenden Kreifen werden nähere Einzelheiten über den entscheidenden Ministerrat von Montag­abend bekannt, Tat­ar­­escu prüfte dort genau die Rage und muß sie feststellen, daß der Regierung zahlreiche Schwierigkeiten im Wege stehen u. zw. sowohl außenpoli­­tische Schwierigkeiten, als auch solche in innerpolitischer Hinsicht. Das entschiedene Vorgehen der Opposition und schließlich finanzielle Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Speeresaus­­rüstung. Der Ministerpräsident erklärte jedoch entschlossen zu sein, alle diese Schwierig­­keiten zu beseitigen, jedoch müßte jeder Minister si verpflichten, sich Be­schneidungen seines Haushaltes gefallen zu lassen. In dieser Einsicht scheint es nur mit Unterrichtsminister Ang­he­l­escu zu Schwierigkeiten gekommen zu sein. Nach dem Ausgang dieses Mi­nisterrates und der legten Unterredung mehrerer Regierungsmitglieder mit dem Herrscher mache sich in Regierungskrei­­sen ein starker Optimismus geltend. Averesen appelliert gegen den Belage­­rungszustand an Die Krone Bujarest, 31. Oktober (fernmündl.). Der gewesene Abgeordnete BPapacosten reichte gestern in Sinai beim Hofmar­­schallamt die Entschließung der Bolt­s­partei ein. In dieser Entschließung, die leithin die Leitung der Volkspartei unter dem Bereit des Marschalle Av­e­­rescu beschlossen hat, wird gegen die weitere unbegründete Anwendung des Belagerungszustandes und der Zensur Einspruch erhoben. Die Entschließung schließt mit den Worten: Die Volfspartei macht Die Krone aufmerksam, daß die Regierung für die Aufrechterhaltung dieser Maß­­nahmen verantwortlich ist. Die Bolfspartei erwartet, daß die Krone die Regierung zur richtigen Beurteilung der Wirklichkeit bringt und damit dies der ein verfassungsmäßiger Zustand eintritt, Malypetr zurückgetreten. R­egierungswechsel in Prag Dodja der neue Mann Prag, 31. Oktober. Ministerpräsident Malipetr hat geffern nachmittag beim Präsidenten der Republik Masaryk um seinen Rücktritt angefucht. In Regierungs­­kreisen glaubt man 31 willen, daßs Masaryk bereits Donnerstag die neue Regierung ernennen werde. Die Ernennung Dodjas ist als sicher anzunehmen, da die Zusammenschluß­­parteien dagegen nichts einzuwenden haben. Die neue Regierung wird si am 5. November dem Parlament vor­stellen und die Sikung mit einer Er­klärung Dodjas einleiten. Nach der Er­­klärung Dodjas wird Benejd seine außenpolitische Rede halten, Malypetr wird Kammervorligender Prag. 31. Oktober. Wie in parlamen­­tarischen Kreisen verlautet, hat die stärkste Parlamentspartei, die Partei der republikanischen Agrarier beschlossen, für den durch das Aussscheiden des Ab­­geordneten Radobt freige­wordenen Kammervorsig den gegenwärtigen Mi­­nisterpräsidenten Malypetr Korzíte schlagen. Der Minister für Landwirt­­schaft Dr. Dodja ist als Ministerprä­­sident in Aussicht genommen, während der Abgeordnete Zabina das Land­­­wirtschaftsministerium übernehmen wird, Frankreich lässt nicht locker: Jene Friedensvortschläge Sühnemaßnahmen gehen während der Verhandlungen weiter Zonden. 31. Oktober. Der schein­bare Stillstand der Friedensbesprechun­­gen Frankreichs und Englands, der vor einiger Zeit eingetreten ist, diente an­­scheinend bloß zur gründlichen Vor­­bereitung eines umfassenden Gedankenaustausches über die Lösungs­­möglichkeiten der abelfinischen Frage. Die neue englische französische Anregung zur Lösung des italienisch-abelfinischen Streitfalles soll nach einer Meldung des Londoner Vertreters des „Petit Sournal, die von dem Berichter­­statter selbst als unverbürgt bezeich­­net wird, im allgemeinen die Vorschläge des Fünferausschusses wieder aufgreifen, aber in einer für Italien günstigen Meile auslegen. Ueber den Inhalt der Vorschläge die zur Beilegung des abessinischen Streite­nalles ausgearbeitet worden sein sollen, will „Petit Journal“ aus einer nicht genannten ausländischen Quelle folgendes erfahren: Man wird eine Unterscheidung zwischen dem amharischen und dem nicht amharischen Gebiet machen. Das erstere wird unter die Gebers­prüfung des V­ölkerbundes gestellt. Dar­nach ergeben sich folgende Punkte: 1. Verwaltung: Italienische Berater beim Negus, italienische Ortsverwalter oder italienische Berater in den Rand gebieten, besonders westlich von Ad­dis Abeba. 2. Armee: Einrichtung eines Fremdenlegionsverfahrens, das die Einstellung italienischer Einheiten und italienischen Truppenteile gestattet. 3. Gebietsbestimmungen: Harrar bleibt bei Abessinien, Ogaden wird Italien zuges­­­prochen. In Tigre, Danakil werden Grenzberichtigungen vorgenom­­men, die wahrsceinlich darauf hinzielen, die von Italien gemachten Eroberungen 1. November 1935 zu bestätigen. 4 Abejitiniens Zu­­gang zum Meer: Man wird vom Freihafenverfahren absehen zugunsten eines Korridors. Csídheint aber noch nicht entschieden zu sein, ob dieser durch traftenisches, französisches oder englisches Gebiet gehen soll. Nach englischer Auffassung soll die An­­wendung von Sühnemaßnahmen in aller Eile erfolgen. Man i­ also in London nicht geneigt, für die Dauer der neuen Friedensverhandlungen eine Bande in den Arbeiten der Sühneausschüse des Völkerbundes eintreten zu lassen. Nach englischer Auffassung fühnte man mit der tatsächlichen Durchführung der wirt­­schaftlichen Sühnemaßnahmen um den 10. oder 15. November beginnen. Während die Haltung Englands in dieser Frage einstweilen ganz starr ist, könnte man vielleicht auf Grund einer französischen Mitteilung, die bereits bor 4 Tagen an London gerichtet wurde, mit einer Verminderung der englischen Flottenbereitschaft im Mittelmeer rechnen, da nämlich die französische Regierung, wie „Echo de Baris“ meldet, Eng­­land in der erwähnten Note der vollen Unterstügung seitens der französischen See-, Luft und Landstreitkräfte im Falle eines italienischen Angriffes versichert habe. Das Blatt meint, man künnte mit der Zurückziehung einiger englischer Frachtschiffe und Kreuzer aus dem Mit­telmeer rechnen. Eine solche Maßnahme würde, nachdem Italien mit der Zurück­­ziehung einer Division aus Libyen ber­­eits den Anfang gemacht habe, erheb­­lich zur Entstehung einer für Friedens­­besprechungen günstigen Atmosphäre bei­­tragen. Neuer Konflikt zwischen Japan und China Tokio, 31. Oktober. Im Zusammen­­hang mit einem S Zwischenfall an der nordchinesischen Grenze, wo Miner l­ische Banditen Angehörige der japani­­schen Sicherheitspolizei ermordet haben, beschuldigen die japanischen Mit­­­­hörden den chinesischen Militärrat in Beiping, die Ermordung angestiftet zu haben. Zu den verschiedenen Einspruchsschrit­­ten diplomatischer und militärischer Ver­­treter Japans bei der chinesischen Mer gierung, erklärt die gesamte japanische P­resse, daß Japan die strenge Einhal­­tung aller Verträge und Abmachungen in Nordchina durchlegen werde. Die japanische Breite fordert vom chinesischen Marshhall Tieciang-Kai-Sched eine klare Entscheidung, wie er sich zu den japanis­­chen Vorschlägen auf Zusammenarbeit gegen den Bolschewismus stelle. Austleinat und Polen gegen Tschechen Der polnische Gesandte in Prag, Grzybowski wurde abberufen. Ein Nach­folger wird nicht ernannt, Polen viel­­mehr vorläufig nur durch einen Ge­­schäftsträger vertreten sein. Dies wird als Antwort Polens auf die Unter­­drückung der Polen in Tschechisch-Schle­­sien angesehen. Bernichtungsfeldug gegen deutsche Bauern Laut Nachrichten, die aus Sowjet­­rußland eintreffen, ist seit zwei Mona­ten ein großer bolscheiwistiicher V­ernich­­tungsfeldzug gegen die in Aserbeid­­igan anfälligen deutschen Kolonisten in Gang.­­3 Handelt sich Hauptsächlich um die vor mehr als einem Jahrhun­­dert eingewanderten Schwaben, die in Helenendorf bei Gandicha eine blühende deutsche Kolonie von etwa 16.000 Einwohnern geschaffen haben und als Kulturträger dem Land un­­shätbare Dienste geleistet haben. Massen­­­­weise werden die Deutschstämmigen in Aserbeidschan in die Bergwerke des Ural transportiert. Das Blut i­ maßgebend! Bor einiger Zeit verheiratete sich eine Krakauer Jüdin mit einem tschechoslo­­wakischen Staatsangehörigen und verl­or dadurch ihre polnische Staatsange­­hörigkeit. Sie hat sich neuerdings um die Wiedererlangung ihrer polnischen Staatsbürgerrechte beworben, erhielt aber auf ihr Gesuch von der Wojewods­chaft Krakau den Bescheid, daß sie als Polin nicht anerkannt werden könne. Pole sei nur derjenige, in dessen Adern polnisches Blut fließe. Als Lüdin habe sie kein Unrecht auf die Wiedererlan­­gung der Rechte einer polnischen Staats­­angehörigen. Diese Angelegenheit hat in den jü­­­dischen Kreisen Polens starkes Aufsehen erregt, und die jüdische Fraktion im polnischen Sejm will beim Minister des Innern vorstellig werden. _

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