Die neue Zeitung, Oktober-Dezember 1940 (Jahrgang 11, nr. 1533-1545)
1940-10-06 / nr. 1533
- 48 N Eingetragen in das Register der Veröffentlichungen beim Hermannstädter Gerichtshof unter Zahl 51/1938 Nr. 1533 Sibiu-Hermannstadt, Sonntag, den 6. Oktober 1940 Sr III . 4 Eigentümer und Direktor: Wilhelm v. Hannenheim Verantwortlicher Schriftleiter: Edmund Holly im 11. Jahrgang Die Baukunst Die deutsche Buchausstellung in Bukarest gibt die Möglichkeit, einen umfassenden Ueberblick zu gewinnen über das neue deutsche Schrifttum. Dabei ist auffallend, ein wie grosser Raum innerhalb der deutschen Buchproduktion den Werken über die Baukunst zugewiesen ist. Der Deutsche legt grossen Wert nicht nur auf eine eingehende theoretische Beschäftigung mit allen technischen Fragen, die das Gebiet der Architektur betreffen, sondern beschäftigt sich vor allem auch gern vom rein ästhetischen künstlerischen Standpunkt mit den Bauformen und der Stilgeschichte. Von den älteren grundlegenden deutschen Werken, die in keiner grösseren Bibliothek auch des Auslandes fehlen, müssen wir von dem mehrere 100 reich illustrierte Bände umfassenden „Deut‘ schen Denkmäler-Archiv” ausgehen. In diesem unerschöpflichen Quellenwerk sind, nach Provinzen und Kreisen geordnet, alle Bauten in Stadt- und Landgemeinden eingehend beschrieben und gewürdigt. Dieses an Gründlichkeit kaum zu übertreffende Werk, an dem im Laufe von Jahrzehnten viele deutsche Kunstgelehrte und Architekten mitgeschaffen haben, kennt in dem Schrifttum aller Völker nicht seinesgleichen und hat als Quellenbuch für alle Neuerscheinungen die grösste Bedeutung. Daneben sind das 10-bändige „Handbuch der Architektur“, das 24 Bände umfassende „Handbuch der Kunstwissenschaft“ (Athenaion- Verlag) zu nennen, beides Werke, die in Einzeldarstellungen übersichtlich die Entwicklungsgeschichte der gesamten Baukunst, nicht nur Deutschlands, darstellen. Wer sich über einzelne Bauwerke, Stilepochen, Fachausdrücke kurz orientieren will, findet in dem 5=-bändigen „Lexikon der Baukunst“ (Wasmuth= Verlag), das alphabetisch geordnet ist, nicht nur alles Wissenwerte, sondern auch Quellenangaben über Werke, in denen er sich dann eingehend zu informieren vermag. An deutschen Spezialwerken kommt der „Kirchlichen Baukunst des Abendlandes“ von Georg Dehio und G. v. Bezold, 2 Texte und 5 Tafelbände, die grösste internationale Bedeutung zu. Die sehr grossen Tafelbände enthalten eine lückenlose Zusammenstellung von Grundrissen, Schnitten und Ansichten aller Kirchenbauten Europas, von den ersten Anfängen im Orient über Italien, Deutschland, Frankreich, England und Spanien. Dehio ist auch der Verfasser der „Geschichte der deutschen Kunst“, einem 6-bändigen Werk im Verlag de Gruyter, welches in meisterhafter Sprache einen einfachen und klaren Ueberblick über das gesamte deutsche Kunstschaffen von den ersten Anfängen bis zum Abschluss der Barock-Epoche gibt. Daneben dürfte die „Geschichte der Baukunst“ von Franz Kugler, 6 Bände, nicht vergessen werden, an der auch Jacob Burckhardt mitgearbeitet hat, der klassische Schriften über die italienische Renaissance und den bekannten „Cicerone" versöffentlicht hat. Vorstehende Werke, die an sich schon älteren Datums sind, erscheinen laufend in Neuauflagen und sind von grundlegender Bedeutung als Nachschlagewerke für jeden Fachmann, Architekten und Baumeister auch ausserhalb Deutschlands. Daneben gibt es eine unübersehbare Zahl von Einzelschriften über jedes Teilgebiet nach Ländern und Zeiten getrennt, über die nur ein eingehender Katalog Aufklärung geben könnte. Erstaunlich ist aber auch die Fülle allgemeinverständlicher im deutschen Veröffentlichungen im deutschen Schrifttum, die das Bauschaffen zum Gegenstand haben und mehr für den Gebrauch von Nichtfachleuten geschrieben wurden. Hier wetteifern grossartig ausgestattete Werke für ästhetisch Anspruchsvolle mit wohlsteilen Volks= und Bildbüchern aller Art. Gerade in den letzten Jahren hat sich die Technik der Fotographie und Reproduktion so vervollkommnet, dass ältere Werke schneller als auf allen anderen Gebieten veralten. So sind die früher sehr verbreiteten historischen Städtebilder von Cornelius Curlitt durch neue Veröffentlichungen verdrängt, behalten aber bei ihrer grossartigen Ausstattung noch immer ihren Wert. Darstellungen wie Erfurt, Würzburg, Breslau, Danzig,Ilm, Tangermünde, Brügge usw. sind in ihrer Art aber doch bis heute kaum übertroffen. Wesentlich moderner ist die im Verlage Julius Hoffmann, Stuttgart erschienene „Bauformen- Bibliothek”, wertvolle Bände, die in Einzeldarstellungen die romanische Baukunst in Frankreich und in Italien, die Baukunst und dekorative Skulptur der Früh-, Hoch- und Spätrenaissance sowie der Barockzeit in Italien, die Backsteinbauten in Norddeutschland und Dänemark, die Architektur des Barock und der Rokokozeit in Deutschland sowie die neue Baukunst in Europa und Amerika behandeln. Die letzten Bände der „Bau= formen"Bibliothek" umfassen in prächtiger Ausstattung die farbige Baukunst der Vergangenheit und Gegenwart, Werke, wie sie in vorbildlicher Aufmachung kaum zu übertreffen sind. Gleichwertig in Ausstattung sind die vom Deutschen Kunstverlag separat herausgegebenen Einzelveröffentlichungen über die grossen deutschen Dome, mit Aufnahmen von Walter Hege und beschrieben von Wilhelm Pinder, "Der Naumburger Dom" und "Der Bamberger Dom", von Eberhard Lutze die Kirchen "St. Sebald und St. Lorenz in Nürnberg" mit Aufnahmen der staatlichen Bildstelle, sowie von Walter Hege und Gustav Barthel die „Barockkirchen in Altbayern und Schwaben“. Dieser zuletzt genannte Band ist deshalb bemerkenswert, weil hier erstmalig der Versuch gemacht ist, die grossartige Farbentwicklung der süddeutschen Barockkirchen nach farbigen Fotografien im Buntdruck wiederzugeben. Daneben sind noch die „Kaiserdome an Mittelrhein“, die „Norddeutschen Backsteindome“, die „Westfälischen Dome“ „Das Strassburger Münster“ zu nennen. Im Atlantis- Verlag sind von Walter Gretschel „Der Magdeburger Dom" und nach Aufnahmen von Helga Glasner „10 deutsche Dome“ erschienen, im Rembrandt-Verlag die Kirchen „Vierzehnheiligen“, „Die Wiese-Kirche“ sowie „Melk“ und die „Wachau“. Alle diese Werke sind in gleicher Weise vorbildlich in Ausstattung und enthalten auf ausgezeichnetem Kunstdruck= papierprachtvolle Wiedergaben nach künstlerisch wertvollen Fotografien sowie eingehende Beschreibungen der Bauwerke und der im engeren Zusammenhang mit der Architektur an Portalen, Lettnern, Chorschranken usw. geschaffenen Bildwerke. und Die Sammlung "Orbis terrarum" umfasst hervorragende illustrierte Einzelwerke, welche die Baukunst in Verbindung mit der Landschaft in Italien, Spanien, Frankreich, Griechenland, Japan, China und Mexiko nach Bildern von Hürlimann und Hielscher zeigen. Werke, die ebenfalls Eingang in alle grossen Bibliotheken des Auslandes gefunden haben. Neben diesen grossartigen, besonders gut ausgestatteten Werken vermitteln Werke von gesringerem Umfange, die aber deshalb nicht schlechter illustriert sind, eine eingehende Kenntnis der deutschen Baukunst. Solche Werke sind im Deutschen Kunstverlag in der Sammlung „Deutsche Lande deutsche Kunst“ erschienen und behandeln im einzelnen Städte wie Braunschweig, Breslau, Danzig, Halberstadt, Hildesheim, Lübeck, Mainz, Münster, Nürnberg, Potsdam, Rostok, Soest, Wien und Würzburg, sowie einzelne Gegenden wie das Gebiet der Donau, der Mosel, den Harz, Mecklenburg und Pommern. Noch wohlfeiler und deshalb noch weiteren Kreisen zugänglich sind die Blauen Bücher des Verlages Langewiesche. Diese behandeln die deutschen Dome des Mittelalters, das deutsche Barock, deutsche Burgen und feste Schlösser, deutsche Bauernhäuser und Dorfkircher, alte deutsche Städte, grosse Bürgerbauten, sowie Tore, Türme und Brunnen aus deutscher Vergangenheit. Vorstehende Werke kommen dem Bedürfnis eines grossen Publikums entgegen, das sich in erste klassigen Aufnahmen über bestimmte Themen orientieren will, und haben meist als Einleitung vor dem Bilderteil einen kurz gefassten Text, der alles Wissenswerte über Stilzugehörigkeit, Entwicklungsgeschichte und Zustand der Bauten bringt. Wieder einen erheblichen Schritt weiter, um in leicht fasslicher Form einem grossen Publikum über die Entwicklung der Baukunst einenanschaulichen Ueberblick zu geben, gehen die Veröffentlichungen des Safari-Verlages „Deutsche Kunst im Wandel der Zeiten“ und „Europäische Kunst“ von Wilhelm Müseler. Ueber die Baukunst der letzten Jahre geben Werke wie „Deutschland baut“ im Verlag Hoffmann, Stuttgart, oder „Bauen im Dritten Reich“, Gauverlag Bayerische Ostmark, Aufschluss, sowie das Werk „Die Reichskanzlei" im Eher-Verlag. Nicht vergessen werden dürfen dabei die monatlich unter dem Titel „Die Kunst im Dritten Reich“, Ausgabe B, erscheinenden Hefte des Eherverlages, die das gesamte Bauschaffen der letzten Jahre behandeln. Diese Werke sind vielleicht deshalb ganz besonders aufschlussreich, weil sie zeigen, wie unter einer autoritären Regierungsform die in den letzten Jahrzehnten scheinbar völlige Auflösung des Baustils wieder zu einer neuen Stilform gefunden hat. Theoretiker hatten schon beim Ausgang des Mittelalters der italienischen Bauweise mit der Bezeichnung Renaissance den Stempel des Nichtursprünglichen ausdrücken wollen, wie schon durch den Namen des Stils zum Ausdruck gebracht wurde, dass eine Wiedererweckung antiker Stilelemente als das Wesentliche von ihnen empfunden wurde. Aber die ganze italienische Renaissance wäre eine unkünstlerische Kopiererei geblieben, was sie in Wirklichkeit keineswegs ist, wenn nicht Künstler von grossem Format doch neue Ausdrucksformen gefunden hätten, die eine Verwechslung der italienischen Renaissancebauten mit denen der Antike unmöglich erscheinen lässt. In ähnlicher Weise könnten Kritiker die neuzeitliche Bauweise im Dritten Reich sowohl zu Bauten der Antike wie der italienischen Renaissance in Beziehung bringen, aber auch hier ist ganz offenbar ein neuer Bau- und Formwille am Werk, da keine der neueren Bauten sich an Vergangenes derart anlehnt, dass sich der neue Stilwille und Zeitgeschmack nicht deutlich empfinden lässt. Einfachheit, grosse Linien und Flächen kennzeichnen diesen neuen Baustil, der in Bauten der Partei, des Luftfahrtministeriums uns des grossen Geist der neuen Zeit eindrucksvoll empfinden lässt. Wilhelm Moseler Schrifttum