Glatz Ferenc (ed.): Etudes Historiques Hongroises 1990 - 3. Environment and Society in Hungary (Budapest, 1990)

Péter GUNST: Die Mechanisierung der ungarischen Landwirtschaft bis 1945

Péter GUNST Die Mechanisierung dér ungarischen Landwirtschaft bis 1945 Die Mechanisierung dér ungarischen Landwirtschaft1 ist den gleichen Gesetzmállig­­keiten unterworfen wie überall auf dér Welt, ganz gleich ob in den entwickelten Indu­­strielándern oder in den weniger entwickelten. Die Maschinen und andere moderné Ar­­beitsgeráte erscheinen dann und dórt in dér landwirtschaftlichen Produktion und finden Verbreitung wo und wann sie fúr die Betriebe rentabel sind. Natürlich können auch an­dere Gesichtspunkte die Verbreitung dér verschiedenen technischen Neuerungen moti­­vieren, im Grube genommen aber sind diese Faktorén bestimmend. Wenn wir hiervon ausgehen, dann kann mán sich nicht darüber wundem, dali die mo­dernen Arbeitsgeráte und Maschinen in dér ungarischen Landwirtschaft nur langsam Verbreitung fenden. Bis zum Jahre 1945 behinderte die schwache Industrialisierung in Ungarn, die nur teilweise Entwicklung des Kapitalismus auch die Mechanisierung dér Landwirtschaft. In den entwickelten Industrielándern ging die Umschichtung dér Be­­völkerung schneller vor sich als die Bevölkerungszunahme, als Folge wanderte ein im­­mer grölierer Teil dér Arbeitskráfte aus dér Landwirtschaft ab und wurde in anderen Sektoren dér Wirtschaft, in dér Industrie oder im Dienstleistungsgewerbe bescháftigt. Dieser Prozcíl fíihrte zum Arbeitskráftemangel in dér Landwirtschaft, die steigenden Löhne aber machten die Verwendung von modernen Arbeitsgeráten und Maschinen rentabel. In Ungarn war das nicht so. Die Industrialisierung des Landes genügte nicht, um durch Veránderung dér Struktur dér Bevölkerung eben diese Situation herbeizuflihren. Zwar zeigten sich auch hier die Folgen dér Beschleunigung dér Industrialisierung, vor allém zwischen 1850 und 1914, teilweise auch in dér Zwischenkriegszeit, aber diese In­dustrialisierung reichte nicht aus, um die Menschen aus dér Landwirtschaft in dieübri­­gen Sektoren dér Wirtschaft hinüberzuziehen. Es sank zwar in den fest hundert Jahren zwischen 1850 und 1941 dér Anteil dér in dér Landwirtschaft Bescháftigten (von insge­­samt 80—85% auf 48,7% im Jahre 1941), trotzdem aber stieg im Verlaufe des Jahrhun­­derts die absolute Zahl dér in dér Landwirtschaft bescháftigten Bevölkerung!2 Das An­­steigen dér Zahl dér landwirtschaftlichen Bevölkerung bedeutet aber, dali im ganzen Jahrhundert dér kapitalistischen Entwicklung die Zahl dér für die Landwirtschaft ver­­fügbaren Arbeitskráfte gestiegen war. Das alles hattezum Ergebnis, dali die Arbeitskraft in dér Landwirtschaft relatív biliig blieb. Die biliige und reichlich vorhandene Arbeitskraft (zwischen den beiden Weltkrie­­gen muílte mán damit rechnen, dali die in dér Landwirtschaft zűr Verfugung stehende Arbeitskraft zu 32% nicht genutzt wurde,3 das heiilt, mit einer so grollen latenten und nur zum Teil offenen Arbeitslosigkeit) machte die Mechanisierung dér landwirtschaftli­chen Produktion unnötig, zum Teil auch unmöglich. Die biliige Arbeitskraft war viel billiger als die Maschine, aullerdem wáre die Bescháftigung dér durch die Mechanisie­rung frei werdenden Arbeitskraft nicht zu lösen gewesen. Das ist die Erklárung dafiir, dali die Behörden in den zwei Jahrhzehnten vor dem ersten Weltkrieg auf den Gross­­grundbesitzen die Benutzung von Erntemaschinen geradezu untersagten, denn fúr viele

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