Filológiai Közlöny – VLII. évfolyam – 2001.

1–2. szám - Tanulmányok - Miklós Györffy: Ignoranz, Wahnsinn und Künstlertum

TANULMÁNYOK Ignoranz, Wahnsinn und Künstlertum (Ein Daseinsmodell von Thomas Bernhard) MIKLÓS GYÖRFFY Die Figuren von Thomas Bernhard sind immer Leidende, meistens sogar Todeskranke. Sie wollen ihr Dasein meistern, die Welt verstehen und erklären, das Licht irgendwelchen Sinns in ihrem Leben entdecken, sind aber ihrem unausweichlichen Scheitern und der endgültigen Seinsverfinsterung von vornherein ausgeliefert. Die Texte stellen Versuche der Ablenkung dar, meist verbale, die aber sich nur einstweilig, eben auf die Dauer des Textes, durchsetzen können. „Hätten wir nicht die Fähigkeit uns abzulenken / geehrter Herr / müßten wir zugeben / daß wir überhaupt nicht mehr existieren / die Existenz ist wohlgemerkt immer / Ablenkung von der Existenz."1 Am Ende folgt dann immer die Erschöpfung, die Absage, das Verstummen, die Verfinsterung, der Tod. Im Stück Der Ignorant und der Wahnsinnige (1972), das an den Anfängen des dra­matischen Werks von Bernhard steht, treten drei Figuren auf, die ein jeweils unterschied­liches Verhältnis zu ihrem Leiden am Dasein haben. Der erste Teil spielt in der Opern­garderobe der Königin der Nacht aus der Zauberflöte von Mozart, wo der blinde und seit dem ersten Auftreten seiner Tochter der Trunksucht verfallene Vater zusammen mit dem Doktor, einem kunstsinnigen Freund in angespannter Ungeduld auf das Kommen der Sängerin wartet, die immer im letzten Moment in der Oper eintrifft. Der Doktor, der eine weltbekannte Kapazität im Bereich der Anatomie sein soll, erklärt detailliert die Sektion einer menschlichen Leiche dem immer nervös werdenden Vater. Als die Ouvertüre schon begonnen hat, kommt die Tochter, die größte Koloratursängerin der Welt doch an, und wird von Frau Vargo zu ihrem Auftritt schnell gekleidet und weiß geschminkt („das unter­streicht die Künstlichkeit"). Der zweite Teil spielt nach der Aufführung im Restaurant Drei Husaren. Die drei Figuren, während sie soupieren und Champagner trinken, setzen ihre absurde Unter­haltung fort, wobei der Doktor mit seinen Erläuterungen zur Obduktion und verallge­meinernden Sentenzen über Kunst und Medizin tonangebend ist. In einer plötzlichen Laune entscheidet sich die Königin, ihre nächsten Auftritte abzusagen. Sie hustet immer mehr, als Zeichen einer bald ausbrechenden, tödlichen Erkrankung, die eben ihre Sprachorgane und dadurch ihre Stimme angegriffen hat. Langsam erlöschen die Lichter bis zur totalen Finsternis. 1 Thomas BERNHARD, Der Ignorant und der Wahnsinnige, Suhlkamp, Frankfurt/Main 1972, S. 22-23.

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