Gutenberg, 1927 (Jahrgang 9, nr. 1-52)

1927-01-07 / nr. 1

GUTENBERG Erscheint jeden Donnerstag mit dem Datum des nächstfolgenden Tages. — Einzelnummer SO h. — Zuschriften werden nur frankiert angenommen. Nichtversiegelte Reklama­tionen sind portofrei und sind an die Expedition zu richten. Manuskripte werden nicht retourniert. IX. JAHRGANG. ZEITSCHRIFT FÜR BUCHDRUCKE­R* UND VERWANDTE INTERESSEN IN DER CECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK Redaktion: Prag II., Smecky 27 n. — Admi­­nistration: O. Kinsky, Prag II., Smecky 27 n. Expedition: Grafia, Arbeiterdruckerei, Prag II., Myslikova 15 n. — Annoncen werden bei der Administration angenommen und mit Kc 2'— pro Petitzeile berechnet. Bei öfterer Insertion Rabatt. DB ——WBHB—BMMÉ——W-»‘^gaK.g^wnau■ranawa— —“"TBTWTB—^MT—!■ ■■ PRAG, 7. JÄNNER 1927. f/yy/ ~ 3 5 ? 1 9 NUMMER I. 1927 Mag uns ein Jahr auch Übles bringen: Uns schrecken seine Schrecken nicht. Wir schwingen uns mit jungen Schwingen Ins neue Jahr, ins neue Licht. Mag uns ein Jahr ein Bollwerk nehmen: Wir ruhen nicht in stiller Bucht. Ein Sturz kann unsre Kraft nicht lähmen. Denn wir verdoppeln ihre Wucht. Mag uns ein Jahr Errungnes rauben: Wir holen es mit Zins zurück, Denn nichts erschüttert unsern Glauben an ein gerechteres Geschick. Der Beginn eines neuen Jahres ist für jeden fortschrittlichen Menschen Anlaß, auf das vergangene Jahr rückzublicken und Be­trachtungen über die Summe der in diesem geleisteten Arbeit, der Erfolge und Fort­schritte anzustellen. Dabei wird sich von selbst auch ergeben, daß nicht immer Fort­schritte, sondern auch Rückschritte sich er­gaben, woraus ersichtlich ist, daß sich die Verhältnisse eben als stärker erwiesen haben, als der vorhandene gute Wille. Oder der ein­geschlagene Weg war nicht der richtige und es muß ein anderer gesucht werden, um zu dem gesetzten Ziele zu gelangen. Blicken wir Buchdrucker auf das ver­gangene Jahr zurück, so tun wir dies mit Genugtuung, war es doch ein Jahr der ruhigen Arbeit, gewidmet den Fragen, die der letzte Verbandstag zur Lösung auf­gegeben hat. Eine starke Belastungsprobe bildete für die in unserem Verbände ver­einigten Organisationen die wirtschaft­liche Lage im Buchdruckgewerbe, die sich in einer sehr großen Arbeitslosig­keit äußerte. Wir mußten dafür sorgen, daß diese Arbeitslosen nicht nur unterstützt werden, sondern daß auch dafür gesorgt werde, die Zahl zu vermindern, also um Arbeit besorgt zu sein. Es wurden daher gemeinsam mit den Unternehmern bei der Regierung Schritte unternommen, um durch geeignete Maßnahmen die Auftragsstagnation zu beheben. Die große Arbeitslosigkeit liegt bei lins aber nicht bloß in dem Mangel an Aufträgen, was durch die allgemeine Krise in der Wirtschaft des vergangenen Jahres ihre Begründung hatte, sondern auch darin, daß im Buchdruckgewerbe eine Überproduk­tion des Nachwuchses vorhanden ist, die sich für uns zu einem Problem ausge­bildet hat, welches uns auch jetzt noch weiter beschäftigen wird. Schritte, die wir in dieser für uns so wichtigen Sache bei den Buchdruckunternehmern unternommen haben, fanden nicht den erhofften Widerhall, so daß wir uns mit anderen, nachdrückliche­ren Mitteln dafür einsetzen werden müssen, den Nachfluß an qualifizierten Arbeitskräften mit dem tatsächlichen Bedarf in Einklang zu bringen. Der Nachwuchs bildet überhaupt für uns eine Sorge steter Aufmerksamkeit. Der Ver­bandstag hat unserer Organisation in dieser Frage die Richtlinien vorgeschrieben und der Verbandsvorstand hat sich im vergangenen Jahre sehr ernsthaft mit dieser Frage be­faßt. Die Ausarbeitung einer Lehrlings­­o­r­d­n­u­n­g ist die Frucht dieser Mühe und Mag uns ein Jahr zu Boden schlagen: Wir springen federnd wieder auf Und sammeln ohne Furcht und Zagen­­ Uns zu erneutem Siegeslauf. Mag uns ein Jahr die Tage dunkeln: Das Morgenrot ist uns gewiß, Denn unsre Siegessterne funkeln Auch in der tiefsten Finsternis. Mag uns ein Jahr des Drangs mißglücken: Wir meistern Angriff und Gefahr Und schreiten über Hoffnungsbrücken Vom alten in das neue Jahr. V. K. es wird nun die weitere Sorge sein müssen, diese in die Tat umzusetzen. Das vergangene Jahr war ein Jahr der großen Wirtschaftskrise, die auch unser Gewerbe erfaßt hatte. Leider muß gesagt werden, daß diese Krise auch ihre Schatten in das neue Jahr wirft. Schließlich ist dies auch kein Wunder, wenn man die Taten der bürgerlichen deutsch - tschechischen Koali­tionsregierung betrachtet der wir das zu verdanken haben. Die Erhöhung der Ge­treidezölle brachte eine Teuerungs­welle mit sich, die imm­­er mehr ansteigt. Überhaupt werden wir u i im neuen Jahre mit der allergrößten AuA. ‘.'UQ11lk.eP mup den Taten der Regierung befassen müssen, die sich immer mehr als offen reaktionär und arbeiterfeindlich entpuppt. Nach der Er­höhung der Zölle im vergangenen Jahre lassen es sich die Regierung und die Koali­tionsparteien sehr angelegen sein, den be­gonnenen Angriff gegen die sozial­politischen Errungenschaften der Arbeiter fortzusetzen. Die erst im Juli des Vorjahres eingeführte Sozialversicherung der Arbeiter ist das Ziel dieser Angriffe und die Arbeiterschaft wird die größte Mühe haben, diesen Angriffen in der geeigneten Weise zu begegnen. Wir hören auch jetzt wieder, daß der Zuckerpreis neuerlich erhöht werden soll, und wir können daran ermessen, was uns im neuen Jahre noch alles Unver­hoffte von den Regierungsparteien beschert werden wird. Die politische Lage und auch die Wirt­schaftskrise nötigt die Arbeiterschaft in ihrer Gesamtheit in die Abwehrstellung. Politisch hat sie die sozialpolitischen Er­rungenschaften zu verteidigen, was ganz sicher große Kämpfe verursachen wird. Die wirtschaftliche Krise mit der steigenden Teuerung aller Lebensnotwendigkeiten, die Steuerreform und noch so manches andere ruft nach Abwehrmaßnahmen, die wohl auch nicht ohne scharfe Mittel durchgeführt werden können. Daraus ergibt sich, daß es mehr denn je notwendig sein wird, die i­n­­nere Geschlossenheit der Organisa­tionen zu wahren, an deren Festigung zu arbeiten und vor allem die finanzielle Kraft derselben zu erhöhen. Alles das bringt es aber auch mit sich, auf dem Wege der Einigung der Arbeiterschaft fortzuschreiten und die heutige Zerklüftung der Arbeiterschaft zu beseitigen. 1927 wird ein Kampfjahr werden. Ist es aber ein solches, dann muß es auch ein Jahr der Einigung der Arbeiterschaft sein. Wenzel Némecek: Der Kampf um die Offsetmaschine — ein Kampf ums Brot. I. Unseren kollegialen Kreisen ist es sattsam bekannt, daß zwischen uns und unseren Schwägern vom Stein seit längerer Zeit eine gewisse Spannung besteht, welche ihre Ur­sachen darin hat, daß wir die Arbeit an den Offset- und Tiefdruckmaschinen, welche in Buchdruckereien aufgestellt werden, für un­sere Maschinenmeisterkollegen reklamieren. Dieses gespannte Verhältnis besteht nicht nur bei uns, sondern fast restlos in sämt­lichen europäischen Staaten, tritt jedoch nicht überall gleich stark in den Vorder­grund. Das Wesen unseres Streites ist bekannt. Der technische Fortschritt ließ Offsetmaschinen entstehen und brachte uns vollkommene Tiefdruckmaschinen, welche infolge ihrer Leistungsfähigkeit von den Unternehmern bevorzugt und in einem immer größeren Maßstäbe in den Buch­druck­e­r­e­i­e­n eingeführt werden. Die bis­her auf den Buchdruckschnellpressen herge­­stellten Arbeiten übergehen auf diese neuen Maschinen, unsere Schnellpressen, bei wel­chen unsere Kollegen Maschinenmeister jahr­zehntelang ihr Brot fanden, werden abge­schafft und unsere Kollegen wegen Arbeits­mangel gekündigt. In Deutschland, wo der Offsetmaschinen-Bau sehr entwickelt ist, wo es sich die Betriebe leisten können, mit dem Geiste der Zeit vorwärts zu marschieren und die technischen Errungenschaften auszu­nützen, sind in den verflossenen Jahren etwa 1060 Offsetmaschinen in Buchdruc­­kereien aufgestellt worden, was die Demon­tierung von etwa 4200 Buchdruckschnell­pressen zur Folge hatte. Daß hier die Arbeits­losigkeit der Buchdruckmaschinenmeister nicht ausgeblieben ist, versteht sich von selbst, sowie auch, daß die Maschinenmeister naturgemäß schon aus Existenzrücksichten nicht ruhig und still all dem zuschauen konn­ten, was sich vor ihren Augen vollzog. Auch in der Schweiz, in Holland, Schweden, Bel­gien und anderwärts entwickeln sich die Ver­hältnisse ähnlich. Der Ausblick für die Buch­drucker ist um­so unerfreulicher, als neben den vollkommenen Offsetpressen auch die Aufstellung von Tiefdruckmaschinen in Buch­druckereien immer mehr an Boden gewinnt. Nach Ansicht maßgebender Fachkreise wer­den diese Tiefdruckmaschinen bald auch die Offsetpressen verdrängen, da der Druck von Tiefdruckmaschinen viel plastischer und voll­kommener ist und sich namentlich bei dem Drucke von Bildern alle Feinheiten von Licht und Schatten erzielen lassen, was bei dem Offsetdrucke nicht der Fall ist. Infolge der durch die Einführung dieser Maschinen ge­schaffenen Lage entstand die Forderung, daß neben den Steindruckern auch unsere Kolle­gen Maschinenmeister das Recht auf die Be­dienung dieser Maschinen haben sollen. Dies um so mehr, als auf diesen fast vorwiegend illustrierte Zeitungen und Revuen, wie auch andere Arbeiten hergestellt werden, die frü­her im Buchdruck hergestellt wurden. Gegen diese Forderung der Buchdrucker wehren

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