HELIKON - IRODALOMTUDOMÁNYI SZEMLE 48. ÉVFOLYAM (2002)

2002 / 1- 2. sz.

Re-reading Aristotle's Poetics As is well known, Aristotle's Poetics is a fundamental work of European literary criticism. If you borrow a notion from it, you can expect that your audience will recognize both its meaning and its Aristotelian origin. Specialists reading the Poetics, however, often have to realize that some "Aristo­telian" notions evident and well known in modem critical discourse can be inadequate or even misleading for a more careful analysis of the treatise. On the other hand, an interpretation that would be completely independent of these deeply rooted modem notions is theoretically impossible. Nonetheless one should start understanding Aristotle's text with the supposition that notions so familiar to us might need thorough re-interpretation in the wider context of the Poetics or the Aristo­telian philosophy. The purpose of such a re-interpretation is, of course, not a "truer" or "the true" understanding of the text; it might make us realize how limited validity some ideas, which we tend to regard as being evident, have. These ideas can seem self-evident and eternal because of the illu­sion that they go back to Aristotle, i.e. that they continuously exist from the very beginning of Euro­pean literary criticism. It can be useful to undermine this authority based on a false view of history. In the present situation we can see a kind of gap between the use of references to Aristotle's Po­etics in literary discourse and the achievement of specialist readings of the treatise. This volume contains studies which on the basis of some special notions or ideas try to confront modem usage with conclusions of a close reading of the Poetics. This issue of Helikon was edited by GÁBOR BOLONYAI and PÉTER HAJDÚ. THE EDITORIAL BOARD Wie soll Aristoteles' Poetik heute gelesen werden? Aristoteles' Poetik ist so grundlegend für das europäische literaturwissenschaftliche Denken, dass man im Umgang mit den ihr entnommenen Begriffen beim Hörer- und Leserpublikum doch wohl zu Recht ein sofortiges Gewahren deren genauer Bedeutungen wie Aristotelischer Herkunft voraussetzt. Und doch kommen zuständige Fachphilologen immer wieder zu dem Schluss, der Ge­brauch gewisser im modernen literaturwissenschaftlichen Diskurs für evident geltenden „aristoteli­schen" Termini könne für ein sorgfältigeres Lesen der Poetik unter Umständen leicht inadäquat oder gar irreführend sein. Nun ließe sich andererseits aber auch unmöglich eine Interpretation denken, die von den heute geltenden Bedeutungen einfach keine Kenntnis nähme. Also muss man, will man sich an die Poetik wagen, zwar mit den uns geläufigen Begriffsinhalten operieren, doch im voraus darauf gefasst sein, dass etwelche von ihnen im breiteren Kontext der Poetik oder der Philosophie des Aristoteles eventuell gar nicht funktionieren, folglich entsprechend umgedeutet werden müssen. Freilich dient eine solche Umdeutung dann nicht zur „korrekteren" Interpretation des Aristoteles, vielmehr, wenn alles gut geht, dazu, uns an die beschränkte Anwendbarkeit unserer als evident angesehenen literaturwissenschaftlichen Begriffe zu gemahnen. Warum uns aber unsere Begriffe oft so selbstverständlich und ein für allemal evident dünken? Weil sie den Anschein haben, als ob sie bis Aristoteles zurückzuführen währen und also über eine von den Anfängen des europäischen litera­turwissenschaftlichen Denkens bis in unsere Gegenwart reichende Kontinuität verfügten. Solche auf eine falsche Geschichtlichkeit aufgebauten Autoritätsargumente ins Schwanken zu bringen, wäre zweifellos von Nutzen. Wenn man heute den allgemeinen wissenschaftlichen Diskurs auf seine Bezugnahmen auf Aristo­teles hin untersucht, stößt man auf eine ziemliche Diskrepanz derselben zu den Befunden der Fach­philologie. Die Texte unserer vorliegenden Auswahl konfrontieren die für den heutigen Wortgebrauch üblichen Sinnesinhalte einzelner Begriffe mit ihren aus einer genaueren Lektüre des Aristoteles zu folgernden Bedeutungen. Herausgeber der vorliegenden Sondernummer unserer Zeitschrift waren GÁBOR BOLONYAI und PÉTER HAJDU. DAS REDAKTIONSKOLLEGIUM

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