Hermannstädter Zeitung, 1971. január-június (4. évfolyam, 158-183. szám)

1971-03-05 / 166. szám

Hermannstädter Zeitung Nr. 166 / 5. März 1971 Ein Kunstwerk — drei Anwärter? Besprechung des Herbstsalons in erweitertem Rahmen / Umfassendes Programm der Hermannstädter bildenden Künstler Dass eine Ausstellung der Her­mannstädter bildenden Künstler öffentlich besprochen und einge­schätzt wird, ist neu — neu für Hermannstadt, denn in Bukarest ist dieses schon gang und gäbe. Der Grundstein dazu wurde nun auch hier in Hermannstadt gelegt: Beim Sitz der Filiale der bilden­den Künstler fand in erweitertem Rahmen eine Besprechung des Herbstsalons sowie eine Erörte­rung verschiedener Belange der Künstler statt. Zukünftig wollen die Künstler keine Ausstellung ohne anschliessende Diskussion zwischen Künstlern, Kunstkritikern und Publikum verpassen. Zwar hatte man die Ausstellungsräume des Herbslsalons — die Barock­säle des Brukenthalmuseums — zum Ort des Meinungsaustausches gewählt, da anhand der Exponate konkreter und wirksamer geur­teilt werden kann als ohne sie, doch verhinderte das frühzeitige Schliessen der Ausstellung diesen Plan. „Der Herbstsalon bewies, dass sich hier ein sehr wertvolles Kol­lektiv behauptet. Man findet ein Gleichgewicht der Kräfte vor, eine Vielfalt von Kunstgattungen und -formen. Es kristallisieren sich keine Künstlergruppen her­aus, hingegen zeichnet sich eine individuelle Profilierung ab." So schätzte der Kunstkritiker Horia Horşia den Herbstsalon ein und erwähnte anerkennend die vorjährigen Ausstellungen der Hermannstädter Künstler im Bu­­karester Dalles, und Apollo-Saal. Es wurde auch über den diesmal äusserst ungünstigen Rahmen der Ausstellung gesprochen, über den Kontrast zwischen den modernen Gemälden einerseits und den Sei­dentapeten und antiken Sekretä­ren der Barocksäle andererseits. Da der Ausstellungssaal im „Haus der Künste" aber besetzt war, gab es keine andere Lösung. Dass die Ausstellung aber trotzdem al­lerseits — von Kritikern und Pu­blikum — anerkannt wurde, ist nicht zuletzt der Jury zu verdan­ken. Bei ihrer Zusammensetzung wagte man sich an eine neue Form: zwei junge Künstler, Sieglinde Bottesch und Constantin Ilea, die noch nicht zu den stän­digen Mitgliedern des Verbandes zählen, wurden in die Jury mit­bezogen: sie sollten daraus rnen, aber auch das Urteil der jungen Generation dazusteuern. Beides wurde erreicht, und dem­zufolge will man auch weiterhin — abwechselnd —• junge Künst­ler als Jurymitglieder verpflich­ten. Im April des vorigen Jahres wurde auf einer Zusammenkunft der Künstler und verschiedener Kunden beschlossen, künftig Kauf­verträge abzuschliessen, damit die bildenden Künstler nicht mehr ohne genaue Vorstellung von den Wünschen ihrer Kunstkonsumen­ten „produzieren": Kunst hat näm­lich nicht nur schön, sondern auch nützlich zu sein, war der Grundsatz, von dem man aus­ging. Auf dem Herbstsalon sollte es sich erstmalig zeigen, ob sich das neueingeführte System der Kaufverträge bewährt hat. Und nun ist man so weit, urteilen zu können: Die Kaufverträge waren von Erfolg gekrönt, ia. einige Kunstwerke hatten sogar drei An­wärter. „Selten kommt es vor, dass solche Verträge so rasch an­­laufen, dass 90 Prozent der Kunst­werke angekauft werden", stellte Horia Horşia fest und beglück­wünschte die Hermannstädter Künstler dazu. Natürlich will man auch weiterhin so Vorgehen und die Kaufverträge ausbauen. Der Herbstsalon liess weitere Schlüsse zu: Einstimmig stellte man fest, dass die Graphik sich zu einem interessan­ten Niveau aufgeschwungen hat und einstimmig ist man damit ein­verstanden, von nun an Graphik, Malerei und Bildhauerei, dekora­tive Kunst getrennt auszustellen, in verschiedenen Sälen oder auch mit zeitlichem Abstand, wie es beispielsweise in Kronstadt üblich ist. Auch die jungen Künstler möchten zu Wort kommen und ihre künstlerische Konzeption mit­­teilen. Es wurde vorgeschlagen, ihnen einen Raum im Haus der Künste für Ausstellungen mit Ar­beitscharakter bereitzustellen, zu denen auch die mittlere und äl-tere Künstlergeneration Zutritt ha­ben soll. Sollte sich eine dieser Ausstellungen als besonders ge­lungen erweisen, könnte sie auch dem breiten Publikum zugänglich gemacht werden. Das Jahresprogramm der bilden­den Künstler ist heuer äusserst umfassend. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht die Ausstel­lung zu Ehren der Fünfzigjahr­feier der RKP, für die alles vor­bereitet wurde: die zur Auswahl stehenden Themen wurden an die Künstler verteilt, 19 Künstler schrieben sich bereits ein. Die weiteren grossen Ausstellungen dieses Jahres: drei Retrospektiv­ausstellungen — Ferdinand Maza­­nek, Trude Schullerus, Rhea Sil­via Radu — und die Beteiligung an der Cibinium-Festwoche. Die Pläne sind kühn, die Zahl der an einer Ausstellung mitwirkenden bildenden Künstler ist inzwischen auf 35 bis 40 angestiegen — die materiellen Mittel aber, die dem Kreiskoniitee für Kultur und Kunst heuer zustehen, um Kunst­werke anzukaufen, sind geringer als im Vorjahr. Nicht nur aus diesem Engpass muss ein Aus­weg gefunden werden, sondern auch der Wunschtraum der Her­mannstädter bildenden Künstler, einen Atelierkomplex zu besitzen (nur acht Künstler verfügen über Ateliers), wartet darauf, erfüllt zu werden. Zwar spricht man beim Verband der bildenden Künstler lobend über die Hermannstädter Maler, Graphiker und Bildhauer, doch das Lob allein tut es nicht. Monumentalarbeiten — selbst solche in Hermannstadt — wer­den ihnen meist vorenthalten und den Bukarester Kollegen zugeteilt. Mit Wandmalereien, Mosaikwän­den und Skulpturen sollen die beiden neuen Gebäude, das „Haus der Armee" und das „Haus der Gewerkschaften", ausgestattet werden. Wem vertraut man diese Arbeiten an? Wie die Dinge jetzt liegen, werden die Hermannstäd­ter bildenden Künstler wieder das Nachsehen haben. Und das ist nicht in Ordnung. Zwar hatte man schon im Vor­jahr darüber gesprochen, doch wurde wahrscheinlich darauf ver­gessen: Gemeinsam mit den Her­mannstädter Architekten wollte man einen Rundgang durch die Stadt, die Schulen und Institutio­nen unternehmen, um die soge­nannten Kunstwerke zu entfernen. Vielleicht wird es diesmal — nach erneuter Aufforderung — doch noch geschehen. Wenn der Herbstsalon, das ei­gentliche Thema dieser Bespre­chung, auch nicht Mittelpunkt der Diskussionen war, so wurden doch, wie Genossin Prof. Maria Fanache, Vorsitzende des Kreisko­mitees für Kultur und Kunst, es formulierte, „am Rande eines kaum berührten Kernes sehr wichtige Probleme zur Sprache gebracht und damit kamen wir einen Schritt vorwärts". Elke SIGERUS TRUDE SCHULLERUS Plingstrosen (Öl) (Die Retrospektivausstellung der Hermannstädter Künstlerin ist für Juni 1971 geplant) Mathematisches Theater Franz Keller über seine DDR-Reiseeindrücke tfang Februar kehrte der Schau­­tpielerf Franz Keller von ei­fern Erfahrungsaustausch aus der )DR zurück. Während seines hreimonatigen Aufenthaltes in Ber DDR bereiste Keller die fctädte Berlin, Magdeburg, Halle, Leipzig, Gera, Weimar, Dresden, gesuchte Theateraufführungen, ihrte Gespräche mit Regisseu­­und Schauspielern und in­­srmierte sich über die Theater­­|rbeit in diesem Land. HZ: Franz Keller, welche Aui- Jihrungen sind Ihnen besonders |emerkenswerf erschienen? Franz Keller: Ich habe fast kden Abend während meines IdR-Aufenthalts Aufführungen Besucht bzw. bei Proben hospi­­lert. Vor allen Dingen möchte |;h Benno Bessons Inszenierung les Moliereschen Stücks „Arzt lider Willen" an der „Berliner ■olksbühne" erwähnen: Wenn Ich der Vorhang hebt, spielt Ine Jazz-Kapelle, zwischen den Jnzelnen Szenen spielt eine an­­tre kleine Formation — Viola, löte und Fagott —, und gleich jach der Pause treten die Schauspieler in moderner Klei­dung auf und singen schöne, adäquate Lieder, die sich wun­derbar in den historischen Rah­men des Stücks einfügen. Eine sehr interessante Verquickung von Klassik und Moderne. Das wohl faszinierendste Experiment aber, das ich gesehen habe, war die Aufführung von Bertolt Brechts „Im Dickicht der Städte" durch Ruth Berghaus mit dem „Berliner Ensemble". Die Schau­spieler vollführten Bewegungen wie Clowns, es wurde gehetzt, unnatürlich gesprochen, in hoher Stimmlage, monoton. Die Gestik befand sich in Diskordanz zum gesprochenen Wort Ruth Berg­haus sagte, es sei zu langweilig, wenn Geste und gesprochenes ^ort in Einklang stünden. Das marj zwar interessant sein, letz­ten Endes aber wirkte es störend, unverständlich, so dass manche Leute den Saal während der Vorstellung verhessen. HZ: 'Wodurch unterscheidet sich die Theaterarbeit in der DDR von unserer hier? Franz Ke w e I: jn puncto Re­pertoire stellte wjr etwas gün-1 ^ stiger in Rumänien, vor allem was die Aufführung zeitgenössi­scher westlicher Autoren anbe­langt. Andererseits werden in der DDR sehr viele einheimische Au­toren gespielt: Paul Gratzig, Horst Angermüller, Siegfried Pfaff u. a. Was die Arbeit mit den Schauspielern betrifft, wird meiner Meinung nach bei der Erarbeitung einer Rolle zuviel gespalten, zuviel diskutiert, man geht zu sehr ins Detail. In der DDR wird ein sehr exaktes Thea­ter gemacht, und es besteht die Gefahr, dass das Theater zu ei­ner mathematischen Formel er­starrt, dass das Leben, die Im­provisation — ohne die das Theater nicht bestehen kann — entschwindet. HZ: Welche Anregungen ha­ben Sie emplangen, was könnte man den Theaterleuten der DDR abgucken? Franz Keller: Erstens: Die Arbeit mit den Schauspielern müsste präziser werden. Das ist möglich, denn unsere Kollegen hier sind rezeptiv, arbeiten be­wusst an ihrer Rolle. Zweitens sollte man in Hermannstadt die sogenannten Foyer-Gespräche nach den Vorstellungen ein­führen. Es wäre gut, sogar zu den Generalproben Freunde un­seres Theaters, Studenten und Schüler einzuladen. Einladen, fragen, sprechen — in der DDR ist das gang und gäbe. Dadurch kann der Zuschauerkreis des Theaters vergrössert werden. Drittens habe ich einige Theater­stücke mitgebracht, von denen man das eine oder andere auch bei uns aufführen könnte, z. B. „Ich bin einem Mädchen be­gegnet" und „Der Schatten eines Mädchens", beide von Rainer Kerndl, eine französische Boule­vardkomödie „Wo warst du heute nacht, Caroline?", dann „In Sachen Adam und Eva" von Rudi Strahl. Letzteres hat Hans Pomarius in Temesvár inszeniert, doch wäre es zu Vergleichs­zwecken angebracht, das Stück auch in Hermannstadt aufzu­führen, verbunden eventuell mit einem Schauspielertausch. Ich wäre natürlich gerne bereit, Re­gie zu führen, und ich denke, Hanns Schuschnig wird damit einverstanden sein. HZ: Wir danken iür das Ge­spräch. Horst WEBER Sorescu-Stück in der Schweiz inszeniert Marin Sorescus Theaterstück „Iona" wurde nun — nach einer Inszenierung vor zwei Jahren auf einer Pariser Bühne und im französischen Rundfunk — auch in der Schweiz vom „Theater an der Winkelwiese1' aufgeführt. Die Rolle hat Herbert Padleschat inne, Regie führt die Leiterin dieses Ensembles, Maria von Ost­­felden. Ein Chronist der „Zürcher Abendzeitung" bezeichnete die Premiere als ein Ereignis und verglich das Stück mit Dürren­matts früher Prosa. )) Sieh jene Kraniche in grossem Bogen“ Alwin Zweier (37) lebt als Journalist in Kronstadt. Er ist dem literarisch interessierten Leserpublikum auch als Dichter bekannt. A. Zweier veröffentlichte zum erstenmal Gedichte in der „Neuen Literatur", dann in der „Karpaten- Rundschau", im „Neuen Weg" und in „Volk und Kultur". Seine Gedichte zeichnen sich durch eine besonders starke Bildhaftigkeit und Gefühlsbetontheit aus. ALWIN ZWEIER Der leere Krug Der Wirt hat heute eingeschenkt in irdnen Krügen Salz und Wein. Er hält vor seinem runden Schrein die Arme wie ein Rebenkranz verschränkt. Die Leute heben Krüge nur zum Schein und sehen pralle Fässer eingezwängt. Der Wirt hat heute ausgeschenkt und legt den Tisch von Tränen rein. Der Holzfäller Draussen vor beschneitem Fenster schnitt ein alter Mann ins Feuer eine breite Kerbe. Trug die weichen Späne vor den leuchtenden Kamin, und aus irischgeschlagnen Wunden Helen Tropien dünn und zäh. Wie es schneit und tanzt im Ziegelglanz! Doch dann brach verkohlt der Haken; schwarzgold stürzt der Kessel schwer. Ausverkäufe Häuser in Hermannstadt und auf Gast­spielreisen hat das Hermannstädter deutsche Schauspieler­­kollektiv immer wieder mit der Komödie „Bunbury“ von Oscar Wilde. Im Bild: Szene mit Ursula Armbruster (Miss Prism) und Kurt Conradt (Jack) Foto: Otto SCHMIDT Kultur Die Uhr Bleibe nochl Meine Sonne steigt und sucht die letzte Sprosse im alten Uhrzeigergerüst. Wir tasten hinterdrein zwöli goidne Stuien ab — uns blendet noch der Schein. Mein Schatten niemals kürzer wird; der Zeiger flieht. Wenn er verhärmt nach unten blickt, beginn von neuem ich das Spiel und lass die Sonne bei der Hand. _ Kultur geschehen kurz gefasst Zwei polnische Gäsfe hatte das letzte Dienstagkonzert: den Dirigenten Josef Wilkomirsky und die Solistin Liliana Osses. Im Programm standen eine Sin­­foniette von Wilkomirsky, ein Konzert für Harfe und Orchester von Blanco, zwei Tänze für Harfe und Orchester von Debussy und Brahms' IV. Sinfonie. Vorlristig wurde die Retro­spektivausstellung Ferdinand Ma­­zanek, die am 21. Februar zu Ehren des 70. Geburtstages des Künstlers eröffnet wurde und vom ersten Tag an einen gro­ssen Publikumszustrom zu ver­zeichnen hatte, am Dienstag ge­schlossen. Die Ausstellung über die „Systematisierung Hermann­stadts" musste auf den 5. März vorverlegt werden. Theaterrepertoire und -publikum sowie finanzielle Schwierigkeiten der deutschen Abteilung des Her­mannstädter Staatstheaters bilde­ten den Fragenkomplex des Rundtischgesprächs, das in Heft 1/1971 der „Neuen Literatur" er­schienen ist. An der Aussprache beteiligten sich Theaterleute — Hanns Schuschnig (Leiter der Ab­teilung), Christian Maurer, Hilde Fischer-Untermans, Mircea Brea­­zu (Schauspieler), Wolfgang We­ber (Tonmeister) — und von Sei­ten der NL-Redaktion Paul Schuster (als Gesprächsleiter) und Helga Reiter. Seite 9

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