HUNGARIAN STUDIES 14. No. 1. Nemzetközi Magyar Filológiai Társaság. Akadémiai Kiadó Budapest [2000]

Mirko Dombrowsky: Zu Péter Lengyels Cobblestone

ZU PÉTER LENGYELS COBBLESTONE Gegenwartshandlung, und setzt sich dabei grundsäztlich mit den Problemen des Romanschreibens auseinander: In seiner langen Tradition wurde der Roman immer wieder als Abbild des Le­bens in seiner ganzen Komplexität definiert. Für Friedrich Schlegel sollte der Roman die „Enzyklopädie eines gesamten Lebens" darstellen, also bei A anfan­gen und bei Z aufhören. Aber was ist das A und was das Z im Leben, und was kommt in der Mitte? „Well then, what are you going to put into your book" wird der Schriftsteller von seiner Tochter gefragt. Seine zutreffende Antwort lautet: „That is what we're going to have to sort out. [...] Perhaps the whole book is going to be about that." {Cobblestone: S. 155f ) So lauten die Leitfragen dieses metafiktionalen Diskurses, den der Erzähler zwischen den Klammern fuhrt „what to include in our story?" und „at what point to begin?" {Cobblestone: S. 192). Wie beantwortet er sie? Lawrence Sterne geht schon recht weit zurück und fängt nicht bei der Geburt, sondern bei der Zeugung Tristam Shandys an. Der Erzähler von Cobblestone treibt es auf die Spitze und beginnt mit dem Urknall. Parallel zum narrativen Strang der Haupterzählung beginnt er eine zweite Erzählung und über­fliegt die gesamte Menschheitsgeschichte. Er zeigt uns, wie er unter Einsatz sei­nes wichtigsten Instruments, „the zoom lens" {Cobblestone: S. 301), die Einstel­lung verkleinert, bis er Budapest im 1896 im Sucher hat und der Stand der Dinge dort eingeholt ist. Dies weckt den Eindruck, daß Fokussierung stets nur ein Zu­fallsprodukt ist. Man hätte ebenso gut jeden anderen Ort zu jeder anderen Zeit heranzoomen können. Die Motivation, so lernen wir, bleibt hingegen immer gleich: „to arrest the unstoppable flow of time, to recall a piece of it, to tear it out and store it away for all of us..." {Cobblestone: S. 32). Informationsselektion ist aber nicht nur ein poetologisches Problem des Ro­mans. In Cobblestone taucht es auf allen Ebenen auf. Der Kriminologe Dajka muß entscheiden, was für den Fall relevant ist und dann die Teile des Mosaiks zusammenfügen, „as one continuous narrative" {Cobblestone: S. 427). Die Ge­schichte, die er sich zusammenreimt, muß stimmig und glaubhaft sein. So ist sein Problem tatsächlich ein narratologisches. „Detective work is like writing fiction." {Cobblestone: S. 395) Der zentrale Unterschied besteht darin, daß der Autor „in advance", der Ermittler jedoch „in hindsight" {Cobblestone: S. 453) weiß, was passiert. Was anderes tut aber ein Vater, der versucht, seinem Kind die Welt zu erklären (die er nicht versteht)? Sein übertriebener Versuch, alles in eine groß Erzählung der Menschheitsgeschichte zu integrieren und auch wirklich mit dem Anfang anzufangen, wird konterkariert durch seine zerstreuten Notizen über den Alltag, die angesichts von Themen wie Aids, Obdachlosigkeit, Alkoholismus, Jugendgewalt, Zensur, die also angesichts einer „horrendous new world" {Cobblestone: S. 211). Ausdruck seiner Orientierungslosigkeit sind. Mit Hayden White ließe sich sagen, daß Geschichten und Geschichtsschreibung wohl dem

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