HUNGARIAN STUDIES 16. No. 1. Nemzetközi Magyar Filológiai Társaság. Akadémiai Kiadó Budapest [2002]

Balázs Mesterházy: Temporalität und ästhetische Totalität (Identitätsbildung bei Gyula Krúdy)

TEMPORALITÄT UND ÄSTHETISCHE TOTALITÄT (IDENTITÄTSBILDUNG BEI GYULA KRÚDY) BALÁZS MESTERHÁZY Eötvös-Loránd-Univeisitat, Budapest, Ungarn Aus individualitätsgeschichtlicher Sicht liefert uns die Geschichte der Moderne eine Erfahrung, wonach das konstitutive Merkmal des Individuums nicht mehr die Iden­tität, sondern viel Eher die Inadäquanz ist. Dieses Ereignis zeigt sich in der ungari­schen Epik wahrscheinlich in Krúdys Texten am besten, in denen die Verschiebun­gen zwischen den früheren und späteren Texten diejenige Formen und Strategien bezeugen, die zur Voraussetzung der Ausbildung und der Aneignung der Vergan­genheit und damit der Persönlichkeit werden. Schlüsselwörter: Identität, Inadäquanz, Aneignung, Erinnerung, Wiederherstellung, Disgregation, Tropen des Vergessens, Dispersität, Zitiertheit, Disfiguration Wenn man die von den programmartigen Ankündigungen der ästhetisierenden Projekte der Moderne so oft zitierte Aussage des frühen Nietzsche, wonach „das Dasein und die Welt nur als ästhetisches Phänomen ewig gerechtfertigt werden kann"1, der - ansonsten von Nietzsche angeregten und durch Nietzsche-Interpre­tationen zustande gekommenen - individualitätshistorischen Wende gegenüber­stellt, wonach das konstitutive Merkmal des Individuums nicht mehr die Identität, sondern viel eher die Inadäquanz wird, also wenn wir den Gedanken des frühen Nietzsche dieser Wende gegenüberstellen, wird es klar, dass sogar innerhalb der Gestalt von Nietzsche die von der klassischen Moderne bishin zur Spätmoderne reichenden Prozesse positioniert werden können. Einerseits bleibt nämlich die noch von Fichte propagierte Bestimmung der Individualität ganz bis zu Nietzsche maßgebend, wonach Individualität „etwas Konkretes wäre, das in kontinuierli­cher Ableitung aus dem Konzept eines schlechthin Allgemeinen durch fortlaufen­de Bestimmung hervorgeht" und das heißt, dass sie als Endprodukt eines kontinu­ierlichen Bestimmungprozesses, als eine Spezifikation des Allgemeinen betrach­tet werden kann.2 Andererseits sieht eine Studie von Werner Hamacher die Be­deutung Nietzsches gerade darin, dass er mit der Selbstsetzung und Selbstbestim­mung des Individuums durch die Identität abrechnet und die Ergebnisse der früh­romantischen Bewusstseinsphilosophien radikalisierend die Individualität als fort-Hungarian Studies 16/1 (2002) 0236-6568/2002/$5.00 © 2002 Akadémiai Kiadó, Budapest

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