Kaschauer Zeitung, Oktober-Dezember 1873 (Jahrgang 35, nr. 79-105)

1873-11-22 / nr. 94

4 „Jahrgang 1873. “ Erscheint jeden Sn. Mittwoch und Samstag. für „ Pränumeration Kaschau“ vierteljährig 1 fl. 25 kr., mit Postver­­­­sendung 1:fl. 50 fl. Pränumeration wird jeden Tag angenom­­men bei der Administration der Kaschauer Zeitung, Hauptgasse Nr. 60, bei al­­len Postanstalten u. Buch­­handlungen. "Nr. 94. Kaschau, Samstag 22. November. Kaschauer Zeitung Inserate, 5 kr. für eine fünfmal gespaltene Petit­­zeile. — Inseratenstempe 80 kr. für jede Anzeige. Bei größeren Anfilndigun­­gen und öfterer Einschaltung entsprechender Nachlaß. In Wien übernehmen Inserate für uns die Here­ren A. Oppelik, Wollzeile Nr. 22, Haassenstein , Vogler, Neuer-Marit Nr. 11 und Rudolf Mosve Annoncen - Expedition. Megjelen minden Szerdän 68 Szombaton, unfrankirte Briefe an die Redaktion werden nicht angenommen. Vokalblatt für Volks-, Haus- und Landwirthschaft, Industrie und geselliges Leben, Inserate übernimmt für ung die Inter­­nationale Annoncen - Expedition. von Lang , Schwarz Pest, Badgasse und Wien, Wollzeile 6. =­ In Berlin S. Kornik. In Stuttgart E. Stöcke­hardt. In Paris Havas Laffitt« Bullier & Comp; Kundschaftsblatt für Kaschau und Spezies. Anonyme Briefe werden nicht berüc­­sichtigt und Manuskripte nicht zurück­­­­gegeben. (KASSA-EPERJESI ERTESITÖ) - - j N es 42 De nem Kaschau, 21. November. Die Bankffrage gelangte zwar durch Simonyi's Aus­trag am 18. d. vor das Abgeordnetenhaus, aber die Form, in welcher­selbe von Seite des Finanzministers vorgebracht wurde, gestaltete diese wichtige Angelegenheit mehr zu einer Vertrauensfrage gegenüber dem Ministerium, als, wie man erwartet hatte, zur Discussion, wie dieselbe ihre Lösung im Wege der Gesetzgebung finden werde. In Wirklichkeit stand die Frage so: „Vertraut das Abgeordnetenhaus gierung und speciell dem Finanzminister soweit, daß der Re­­es nicht nöthig erachtet, durch einen neuerlichen Beschluß eine Pression auf die Regierung zu üben ?" Das, und nicht der Wort­­laut des Simonyi's<en Antrages war es, worüber abge­­stimmt wurde; es handelte sich darum, zu constativen, ob die Majorität des Hauses dem gegenwärtigen Ministerium die Fähigkeit und den energischen Willen zutraue, die Bank­­frage in allernächster Zeit und in befriedigender Weise zu lösen. Darauf hat nun das Abgeordnetenhaus mit einer Majorität von einundvierzig Stimmen bejahend geantwortet und dem Ministerium zum Siege verholfen. Es liegt hierin eine Genugthuung für den Finanz­­minister, aber allerdings auch die ernste Mahnung, das durch diese Abstimmung kundgegebene Vertrauen in vollem Umfange zu rechtfertigen, die Bankfrage mit aller Energie ihrer Lösung entgegenzuführen und so rasch als möglich den Beweis zu liefern, daß die Majorität des Abgeordneten­­hauses sich nicht getäuscht hat, als sie der Versicherung des Ministers gegenüber auf eine Erörterung der wichtigen An­­gelegenheit in diesem Momente verzichtete. Das Sendschreiben Ghiczy's wird auf die Partei­­verhältnisse ebenso wie auf den Stand der Regierung einen mächtigen Einfluß ausüben. Das Bild, welches uns Ghiczy über unsere finanziellen Verhältnisse gibt, ist schwarz, aber nicht übertrieben. Wir benöt­igen, um der Lage abhelfen zu können, eine starke Regierung und diese eine starke, fragende Partei. Heute haben wir weder das Eine noch das Andere. Nicht die jetzige Regierung trägt Schuld daran, daß die Verhältnisse so besorgnißerregend sind, denn sie hat unter dem Parteikader am meisten zu leiden, das Unnatürliche der Parteiverhältnisse hinderte auch das Mini­­sterium an einer erfolgreichen Thätigkeit ; die Männer des­­selben werden aber bis zum letzten Augenblicke ihren Platz ausfüllen, bis in den parlamentarischen Parteien jene Aenderungen eintreten werden, die auch im Schofe der Re­­gierung nochgedrungen eine bestimmte Veränderung nach sich ziehen werden. Wann­­ dies geschehen werde, ist heute schwer zu bestimmen, so viel ist aber gewiß, daß Ghiczy's Brief viel zur Lösung dieser Frage beigetragen hat, und daß die Hoffnung nicht unbegründet ist, Ghiczy neben Deát als Führer der Majorität sehen zu können; daß es je eher gestehe, wünscht gewiß jeder Patriot. In Wien erfolgte vor einigen Tagen die Ordens­­verleihung an Ausländer anläßlich der Weltausstellung. . — Das Kaiser-Jubiläum wird hier durch ein Hochamt in der Stephanskirche, sowie­ in sämmtlichen Pfarrkirchen gefeiert. — Der Wiener Gemeinderath hat am 14. b. M., als ein conservatives Mitglied „Petroleum witterte“, einen der wüthendsten Stürme gesehen, die je ein Glas Wasser peitschten. Der Bürgermeister versuchte vergebens, freilich auch nicht mit großem Geschir, mit seinem Dreirad die hochgehenden Wogen moralischer und anderer Aufregung zu glätten; es blieb ihm nichts übrig als die Sikung zu schließen. — Am Feste des heiligen Leopold, des Schuh­­patrons von Niederösterreich ist Wien, alter frommer Sitte gemäß, nach Klosterneuburg beten und vor allen Dingen trinken gegangen. Die Eröffnung des italienischen Parlaments in Rom bot am 15. d. M. ein sehr animirtes Bild. Die Straßen prangten in reichem Flaggenschmus.­ Auf dem Platze Monte Citorio, wo das Parlamentsgebäude steht, und in den benachbarten Straßen hatte sich eine unabsehbare Men­­schenmenge eingefunden. Die Tribünen waren dicht gefüllt. Die Zahl der anwesenden­ Senatoren war indessen am Der König und die Prinzen wurden auf der ganzen länglich größer als die der Deputirten, da alle Eisenbahn­­züge des Morgens verspätet eintrafen, Fahrt mit enthusiastischen Lebehoc­hs begrüßt. Insbesondere zeichnete das Publikum den ehemaligen König Spaniens, den Prinzen Amadeus aus, welcher seit seiner Rückkehr aus Madrid zum erstenmale die neue Hauptstadt Italiens besuchte. In der Thronrede erinnerte der König daran, daß er bei Eröffnung der letzten Session in Rom vor Allem empfahl sich mit der inneren Organisation des Staates zu befassen, drückt die Hoffnung­ aus, daß dieses Werk in der jetzigen Session fortgesezt werde und der Wohlstand des Landes durch Aufrechthaltung der Ordnung und öffent­­lichen Sicherheit, dieser beiden unerläßlichen Elemente der Arbeit und des Fortschrittes der Nation, fortfahren werde, sich zu erhöhen. Die Thronrede sagt weiter : „Italien hat gezeigt, daß Rom die Hauptstadt des Königreiches werden konnte, ohne irgend­welche Verringerung der Unabhängigkeit des Papstes in Ausübung seiner geistlichen Functionen und seiner Beziehungen zur katholischen Welt. Obwohl wir entschlossen sind, das religiöse Gefühl und die religiöse Freiheit zu achten, werden wir dennoch keinen Eingriff in die Gesetze und nationalen Institutionen gestatten. „Ich bin glücklich, ihnen die Versicherung geben zu können, sagt der König, daß unsere Beziehungen mit allen Mächten freundschaftliche sind; diese guten Beziehungen haben durch die Besuche, welche ich dem Kaiser von Oester­­reich-Ungarn und dem deutschen Kaiser abstattete, ihre Bes­cräftigung erhalten. Die Sympathie-Beweise, die ich von diesen Souveränen und ihren Völkern erhielt, waren an Italien gerichtet, welches sich unter den Nationen den Plat zu erringen wußte, der ihm gebührt. Oesterreich und Italien waren Feinde auf dem Schlachtfelde , da die Ursache dieses langen Kampfes endlich verschwunden ist, so erübrigt in Hinkunft nichts Anderes, als das Vertrauen in die gemein­­samen Interessen und in die Vortheile einer sicheren Freund­­schaft. Diese Freundschaft ist um so werthvoller, als sie mit Familiengefühlen im Einklange ist, die zwar eine noch höhere und mehr gebieterische Pflicht bemeistern, aber in meinen Herzen nicht auslöschen konnte. „Italien und Deutschland haben sich beide im Namen des Nationalitäts-Principes constituirt ; sie haben beide libe­­rale Verfassungen auf Grundlage einer Monarchie zu be­­gründen gewußt, die durch Jahrhunderte ebenso mit den nationalen Unglücksfällen, wie mit ihren Ruhme­sepochen verknüpft gewesen ist. Die Beziehungen zwischen den beiden Regierungen entsprechen den Sympathien zwischen den beiden Völkern und sind eine Garantie für die Erhaltung des Friedens. Unser Wunsch ist es, mit allen Nationen­­ in guter Eintracht zu leben ; ich werde aber nichtsdestoweniger Nachdem ich die zwei mächtigsten Factoren, deren Ein­­fluß auf die Bildung und Wohlhabenheit des Volkes in jedem Staate der maßgebendste ist, in großen Zügen ffizzirt, die Nation heute wie ehedem Vertrauen in ihren König hat“, brochen. Die Rede würde häufig von lebhaftem Beifall unter­­jé der kräftige Hüter der Rec­hte und der Würde der Nation sein“. Der König empfiehlt hierauf dem Parlamente die Gesetze, die den­ Zwei haben, die Organisation der Armee, welcher er Lob spendet, sowie diejenige der Marine, die des alten Andenkens der italienischen­ Seeleute würdig sein wird, zu beendigen. Er verweist hierauf vorzugsweise­ auf die dringliche Nothwendigkeit, für die Finanzen vorzusorgen, und verheißt ein Geset zur Regelung des Papiergeld-Um­­laufes. Er schließt die Rede, indem er sagt: „Im Frieden, dessen Dauer ich hoffe, und bei geordneten Zuständen und Einigkeit der Staatsgewalten werden sich die freien I Insti­­tutionen nebst dem Fortschritte und dem Wohlstande der Bevölkerung entwickln können. Nur so werden wir be­­haupten können , unsere Aufgaben beendigt, und unseren Kindern mit Hilfe Gottes das Vaterland gesichert zu haben, dem wir inmitten der Prüfungen der Vergangenheit einen unerschütterlichen Glauben bewahrt haben. Heute wie ehedem habe ich Vertrauen in die Nation ; ich weiß, daß wäre es nur ungerecht von mir, wenn ich nicht auch jener kleineren Factoren gedenken würde, welche nicht minder zur Verarmung, und in­­ Folge dessen zur Verkümmernnß des Volkes in ehrlicher Weise ihr Schärflein beitragen, und welche, zwar nicht durch ihren Beruf, sondern durch die Art und Weise wie sie diesen Beruf erfüllen, stets und emsige Mitarbeiter der in erster Linie genannten zwei Factoren waren, ihr Name ist: „Der gewissenlose Advokat" und "Der Jöraelite als Wucherer". Auch hier will ich es besonders betonen, daß ich weit entfernt bin, den auch bei diesen Ständen, in bedeutender Anzahl befindlichen Ausnahmen, nicht etwa die vollste Ge­­richtigkeit widerfahren zu lassen, — doch derjenige, der in der Provinz mit diesen beiden Ständen verkehrt, der den sein Hab und Gut durch die Trommel verl­eib­­enden Landmann des Genaueren austrägt, wieso er ins Unglück gekommen ? und erfährt, daß der Prozeß-Gegenstand bloß ein, vor Jahr und Tag von einem Israeliten mit 100% entlehnter unbedeutender Betrag ist, den er in Folge ein­­getretener Mißernte noch nicht bezahlen konnte, daß heute dieser Betrag zu dreifacher Höhe angewachsen, nunmehr sein Haus, Hof und Vieh um einen bagatellen Betrag gerichtlich lizitirt wird, und daß sein Gläubiger und dessen Advokat in Ermanglung anderer Mitbewerber auch noch Ersteher bleiben, und den vor einem Jahre noc wohlhabenden Landmann nunmehr mit seiner Familie als Landesbettler vor das Dorf setzen, ihn zum verzweifelten Existenzkampfe treiben, dann habe ich leider nichts Neues gesagt, und höchstens das Traurige unserer socialen Zustände in seinem Gedächtnisse mit einem neuen Bilde bereichert. Jahren Die leichte Art und Weise wie man noch vor einigen in Ungarn Advokat werden konnte, ohne etwas Tüchtiges gelernt zu haben, der Mangel jener Bildung, welche nicht den Sinn für Egoismus und Herzlosigkeit, sondern die Empfänglichkeit für christliche Humanität in sich begreifen muß, machte es im Vereine mit der zwingenden Noth der Existenz- Sicherung dieses Standes möglich, — daß wir leider auch bei diesem Stande Mitbürger besitzen, deren gesetzliche Thätigkeit, wenn auch auf Grundlage unserer fast heillos verwirrten Gesetze geübt, — zu ihrem eigenem Nuß und Fromm, — doch nicht zu des Volkes Wohle gereichen. Hiezu kommt noch die notorisch bekannte Prozeßsucht unseres Volkes, der Mangel an concreten Gesetzen und die verschiedenen Lücken bei den in Rechtskraft bestehenden Ges­etzen , welche Umstände nicht wenig dazu beitragen, daß sowohl die Herzlosigkeit als auch die Unfähigkeit des be­­treffenden Advokaten vollkomm­en genügt, um das Loos des zum Credit gedrängten wohlhabenden Landmanns, in Fällen momentaner Zahlungsunfähigkeit und bei voller Anwendung der dem Gläubiger und­ dessen Advokaten zur Disposition stehen­­den Proceduren in kürzester Zeit aus Glück und Wohlhaben­­heit in Elend und Armuth umzugestalten. Den größten Vorschub leisten diesem Stande unstreitig unsere israelitischen Mitbürger. Die­ in Folge des ihnen angebotenen Geschäftstriebes, ohne alle Rücsichten stets nur das sich ausgestellte Ziel der eigenen Bereicherung ver­­folgen, und zur Erreichung dieses Zieles kein Mittel, keine Waffe zu schlecht oder unbrauchbar finden. Der Landmann,­ bei gesegneten Ernten ein­ Cavalier, sonst aber leichtgläubig, unvorsichtig und sehr oft leichtsinnig, ist nicht gewachsen jener Geschäfts-Raffinerie, durch welche er, wenn nur einmal auf die Hilfe seines israelitischen Mit­­bürgers angewiesen, nunmehr dessen permanenter Schuldner wird, den auf Credit genommenen Branntwein mit Frucht, die Frucht mit Hausvieh, das Hausvieh aber schon mit einem großen Stück Gelde, oder aber mit Haus und Hof bezahlen muß. Der confessionelle Unterschied trägt nicht wenig dazu bei, daß der Landmann, in die Hände des Israeliten ge­­rathen, sehr oft kein Herz und kein Erbarmen zu hoffen hat, und daß seine letzte Hoffnung durch den Egoismus oder die Unwissenheit des, seinen Gläubiger vertretenden Advokaten erbarmungslos vernichtet wird. Nicht der Umstand, daß jemand nach ehrlicher Arbeit in einer gewissen Zeit zur Wohlhabenheit gelangt, sondern der Umstand, daß wir sahen, wie in kürzester Zeit is8xgelitisch he 3 més aus der Provinz. Von Alexander Mihök. (Fortsezung und Schuß.) ]

Next