Kaschauer Zeitung, Januar-März 1874 (Jahrgang 36, nr. 1-25)

1874-01-14 / nr. 4

. — Kaschau, Mittwoch 14. Jänner. XXXVI. Jahrgang 1874. Erscheint jeden Mittwoch und Samstag. Pränumeration für Kaschau vierteljährig 1 fl. 25 ff., mit Postver­­sendung 1 fl. 50­­ „Pränumeration wird jeden Tag angenom­­men bei der Administration der Kaschauer Zeitung, Hauptgasse Nr. 60, bei al­­len Postanstalten u. Buch­­ Megjelen minden Szerdán és Szombaton, unfrankirte Briefe an die Redaktion werden nicht angenommen. Vokalblatt für Volks-, Haus: und Landwirthschaft, Industrie und geselliges Leben. Inserate, 5 kr. für eine fünfmal gespaltene Petit­­zeile. — J Inseratenstempel 80 tr. für jede Anzeige. Bei größeren Ankündigun­­gen und öfterer Einschaltung entsprechender Nachlaß. In Wien übernehmen Inserate für uns die Her­­ren A. Oppelik, Wollreife Nr. 22, Haassenstein , Vogler, Neuer­ Markt. Nr. 11 und Rudolf Messe Annoncen - Expedition. Inserate übernimmt für ung die Inter­ nationale Annoncen - Expedition von’ Lang. & Schwarz. Pest, Badgasse und Wien, Wollzeile 6. — In Berlin. fr. handlungen. Kaschauer Zeitung Kundschaftsblatt für Kasdan und Spezies. Anonyme Briefe werden nicht berü>­­figtigt und Manuskripte nicht zur­ück­­gegeben. (KASSA-EPERJESI ERTESITÖ) S. Kornik. In Stuttgart E. Stöck­­hardt. In Paris Bullier & Comp: Havas ' Laffitte if Kaschau, 13. Jänner. — Unsere Regierung hat sich, als sie es unternahm die Ostbahngese­lhaft zu retten, eine überaus schwierige Aufgabe gestellt und fühlt sich selber nicht sicher, ob die­­selbe nit über ihre Kräfte gehen werde. Wir müssen die Absicht der Regierung, die Ostbahn-Angelegenheit auf die Tagesordnung zu setzen, sobald der Reichstag eröffnet ist, ohne weiters billigen. Die Angelegenheit muß jedenfalls, muß um jeden Preis ins Klare gebracht werden. Die Ter­­mine sind sämmtlich abgelaufen, jede neuerliche Intervention der Regierung macht die Verwirrung ärger und die Gefahr für den Staat größer , jede neue Wendung kann eine neuer­­liche Zwangslage für die Regierung sowohl, als für das Land schaffen und unserer leeren Staatskasse Millionen ko­­sten. Das Dunkel und ein unsicheres Vorgehen kann die Situation nur verschlimm­ern, das Urtheil beirren und das Ansehen der Regierung in den Augen der auswärtigen Ban­­quiers sowohl, als vor dem Parlamente schädigen ; die ganze Angelegenheit hängt einem Damoklesschwerte gleich über dem Bestande des Cabinets. Solche­ Zustände müssen ehe möglichst geklärt werden, weil Niemand mehr länger warten­­ kann, weder die Gesellschaft, noch das Vorschuß- Consortium, noch die Rothschild-Gruppe, noch die Regierung. Wenn aber das Haus die Angelegenheit schon einmal in die Hand nimmt und sich den Monat Jänner­ über mit weiter nichts befaßt, so sollte die Frage dann auch gänzlich erledigt werden. Man muß sämmtliche Angelegenheiten der Ostbahn vornehmen, damit wir einmal zu Ende kommen. Die Lade soll nicht provisorisch, sondern muß definitiv er­­ledigt, es soll nu­ blos über die Auslösung und Plack­ung der Sekondeprioritäten, sondern über das Soi>sal der Eisenbahngesellschaft entschieden werden. Das Haus möge sich auf in keine halben Maßregeln einlassen, denn solche führen gefährliche Bahnen. Es möge prinzipiellen Beschluß darüber fassen, was der Staat der Ostbahn schuldig ist und was nicht, und dann erst die praktischen Normen schaffen. — Das russische Blatt „Golos" und die andern in St. Petersburg, Moskau, in Kiew, Riga erscheinenden Zeitungen erhielten, offenbar aus und Warschau der officiösen Hofquelle des russischen Preßbureau­s den Wink, den Czechen in Böhmen und Mähren, den Slowenen, Dalmatinern, wie„ nicht minder“ ber. staatsrechtlichen Opposition in Tirol und Oberösterreich den Rath verfassungstreuer Aufrichtigkeit zu“ ertheilen, mit österreichisch die Wiener April-Gehege an­­zuerkennen, und Pater peccavi zu rufen. Zu Folge dieser auf­ die Reise, des Kaisers Franz­­ Joseph nach St. Peters­­burg,­­ berechneten­­ Aufforderung haben die Czechen, den Russen die­­ Freundschaft gekündigt, und ihnen rein heraus gesagt, daß die Moskowiten eigentlich nur ein tartarisches, fein- slavisches Bolt seien, daß sie in St. Petersburg nur deutsche­ Politik treiben; und eigentlich nach Asien gehören, in Oesterreich und in der Türkei, besonders in Böhmen- Mähren und in Serbien, nichts zu thun haben. Wie die Beziehungen­ Rußlands zu den Czechen und den Slowenen (kein­ Wiener­ Russe darf nämlich mehr Mitglied­ eines sla­­vischen­ Vereins, nicht einmal eines einfachen Leseclubs sein) gestalten sich auch die Beziehungen zu dem Fürstenthum Serbien als sehr getrübt. — Der Fürst Milan erhielt zu den Hochzeitsfestlichkeiten nach St. Petersburg keine Ein­­ladung. Dem Cousin des Hospodars von Montenegro und dem Senatspräsidenten Boro Petrowitsc, welche auf der Reise von Cetinje nach der russischen Hauptstadt den serbischen Fürsten in Kragujewacz begrüßten, wurde ein sehr kalter Empfang zutheil, und der russische Consul in Belgrad nimmt eine sehr reservirte Haltung ein. — Die Absicht: Gold- und Silbermünzen mit dem serbischen Wappen . Im vorarlbergischen Landtag war ein Antrag eingebracht worden, der neben einem Protest gegen die Gefeg gewordene Wahlreform, die nach den angefügten prägen zu lassen, soll der Fürst auf Anrab­en einiger her­­vorragenden Mitglieder der Skupschtina vorderhand fallen gelassen­­ haben. — Auf Antrag dieser Abgeordneten wurde, der­ gewesene Kriegsminister Beli­ Markovits wegen Defraudationen in den militärischen Magazinen verhaftet. In­­ diese­ saubere Geschichte sind angeblich auch einige Wiener Handelshäuser verwikkelt.>­­. 135 Motiven „im Widerspruch mit dem durch die Landesordnung verbürgten Recht und mit dem Wohle des Landes Vorarl­­berg“ stehen, sowie „den Rechtssinn des Volkes“ beirren, und seine politische und sociale Entwicklung, seinen freien patriotischen Sinn­ und seinem damastisch treuen biederen Character tief zu schädigen drohen“ soll, Wiederaufnahme der Ausgleichsverhandlungen die­ Bitte um an die Krone richtete. Die Regierung hat der Fortlegung der Komödie, eines gelehrigen Abklatsches der Action der Grechen, "ein schnelles Ende bereitet, unmittelbar vorher, als der Antrag zur Verhandlung gelangen sollte, wurde die Schließung des Landtags ausgesprochen. — Ob­ dieser Schließung die Aufs­lösung folgt, wird abzuwarten fest. In Paris macht sich gegenwärtig eine Art Ab­­spannung geltend. Die Discussionen in der Nationalver­­sammlung und in der Presse, der Ton der Polemik sind zwar noch immer sehr heftig und theilweise bitter, bei dem Publikum dagegen bricht das Bedürfniß der Ruhe und Be­­schäftigung mit eigenen Angelegenheiten mehr und mehr durt. Man wünscht, daß sich die siebenjährige Präsident­­schaft als eine Wirklichkeit erweise, und wenn das sekige Cabinet einigen Boden­ gewonnen,­­ verdankt es dieß dem Umstande, daß es die Stellung Mac-Mahons ernst auffaßt. Wenn diese Tendenz zur Beruhigung rund zum Abwiegeln sich schon deutlich in der innern Politik zeigt, so­ ist­ dies um so eher noch in der auswärtigen "ber. Fall. Zeit und Bernunft haben hier gut vorgearbeitet ; die­ Welterdigung hat nachgelassen und vielfach besserer Einsicht Plan gemacht. Die Franzosen fangen an zu verstehen, warum sie unter­­legen, , und daß sie, nicht durc Abenteuer, sondern durch ernstliche Arbeit, Ordnung und­ gute Verwaltung die Scharte wieder ausweßen können, die ihnen die Ereignisse geschlagen. Auswärtig Frieden, im­ Innern Ordnung­­ und Sicherheit, dies­ sind die unentbehrlichen Bedingungen der "Erholung des Landes, das man weniger nach den Declamationen gewisser Blätter, als nach der Haltung der Regierung und­­ der großen Mehrheit seiner Bürger, beurtheilen sollte. Der Re­­gierung ist es heiligster Ernst, bei der­ Sorgfalt, mit der sie allen auswärtigen Verwidlungen die Spitze abzubrechen sucht. Sie will das Vertrauen befestigen und, wenn man ihr auch lange nicht alles als Verdienst anrechnen“ darf, so ist es doch eine Thatsache, daß Frankreich die jetzige Ge­schäfts- und Finanzkrisis besser übersteht, als­­ die meisten andern Länder. Troß zehn Milliarden neuer Schulden steht die Rente sehr hoch, überall in Handel und Industrie macht sich die Tendenz geltend, in normale Verhältnisse zurückkehren. Daß ein Schlag wie­der von 1870 bald wieder ein­treten könnte, daran denkt niemand, Un Gegentheil. Frank­­reich will keine solchen Abenteuer mehr. . Im andern Fall würde es über Hals und Kopf sich auf kriegerische Ereig­­­nisse „vorbereitet haben.. So aber­ widersteht­­ die­ Regierung dem Drängen einiger Higköpfe, denen die Vergrößerung des Heeres nicht schnell­ genug vor sich geht. Die Armeeorga­­nisation ist so angelegt, daß sie erst in längeren Jahren ihre Wirkungen äußern kann; das Festungssystem, sowie die Ausrüstung mit neuen Waffen unterliegen einer längeren sorgfältigen Prüfung, die noch nicht einmal zu einem defi­­nitiven Ergebniß gekommen, und mit der Ausführung der­cießfälligen Beschlüsse wird es ebenfalls nicht schneller gehen. — Garcia­ Ruiz, der neue Minister» des Innern in­ Spanien und ein Angehöriger der­ Partei der­­ Ein­­heits-Republikaner- hat ein Circular am;die Provinz-Gou­­verneure ‚von­ sich gegeben, welches „den Verfasser zu einem­ sehr­ Furiosen „republikanischen Heiligen stempelt. Ruiz­ bes­zeichnet den Gewaltstreich Pavia's als einen aus „patriotischer Energie“­ hervorgegangenen­ Stelle des Circulars folgen. Wir lassen­­ probeweise folgende ú: „Die Regierung ist sich gewiß, keinerlei gesetmäßiges­­ Recht verletzt zu haben, indem sie sich zum Dolmetsch der öffentlichen Stimmung machte. Die von einer National­­versammlung decretirte Zersezung des Landes kann niemals ein Werk der Gesetmäßigkeit sein. Wer in ähnlichen Fällen sie an die Seite des Ersten stellt, der dieselbe zu hindern­­ wagt, vertritt weit mehr den Willen der Nation, selbst wenn er sie nicht im Vorhinein zu Rathe zieht". (III) Zur Lage unseres Beamten- und Lehrer­­standes. Erwägen wir die Verhältnisse unter­­ welchen der Beamte und Lehrer bei den­ stetig steigenden Preisen der Lebensmittel, Kleidung, Beschuhung, Miethzins u. s. w.,: ferner den in ähnlichem Maße erhöhten Anforderungen im Familienkreise, gegenwärtig mit demselben Gehalte wie vor einer Reihe von Jahren, — in wel­­chen günstigere Umstände den Geldwerh, viel höher, den“ Einkauf der Producte bedeutend niedriger gestalteten — zu leben, ja sogar Standesgemäß zu leben gezwungen sind, so drängt sich uns die Frage auf, wohin es führen wird, wenn diese beiden Stände "in peronärer Beziehung nicht baldigst auf jene Stufe gestellt werden, welche sie vermöge ihres Berufes zu beanspruchen berechtigt sind; wenn sie, wie gegenwärtig einen Standpunkt einnehmen, auf dem sie jedwedem Geschäftsmanne oder Handwerker, ja selbst dem Arbeiter nachstehen ? !­­ Wir wollen diesen Umstand zu allgemeinen Betrach­­tungen bewußen, in denen wir der Ziffer das Wort gönnen und auch sie allein irgend­weinen kategorischen Ausspruch verantworten lassen. Es handelt sich hier in erster Linie darum, die Markt­­preise verschiedener Epochen und die Hilfsquellen kennen zu lernen, welche einer Bevölkerung zur Befriedigung ihrer Lebensbedürfnisse jederzeit offen standen , dann aber aufzu­­spüren wie das fixe beschränkte Einkommen gegenüber den Fluctuationen der Marktpreise bestehen könne , wie weit die Möglichkeit dieses Bestehens gehe, und ob darauf von maß­­gebender Seite jederzeit Aussicht genommen worden sei. Das „primum est vivere“ hat nun immer seine unbestreitbare Geltung. Der Sat. „Der Mensch ist, was er ißt“,­­ enthält mehr als einen frivolen Mig; wo die physischen Bedingungen des Seins nicht erfüllt werden, können das Menschthum und die Cultur nicht beginnen, und wenn es wahr ist, daß die Noth die Mutter großer Thaten, so darf dies nicht so verstanden werden, als wäre sie ein wünschenswerther Zustand, die eigentliche unmittelbare Quelle des Großen, sondern es kann sich nur auf das Resultat der Anstrengungen, aus der Nothlage herauszukommen, beziehen — Anstrengungen, die einen Kampf gegen Feindliches bedeuten: ein Resultat auf dem das Ank­limmen zu Thaten erst begonnen werden kann. Wir wissen nichts von jenen Tausenden begabter Menschen, die in diesem Kampf un­ das Dasein im blutigen, von keinem­ Sieg gekrönten Ringen mit dem Mangel fort­an fort verkümmern und verderben.­­ Die öffentlichen Verwaltungen und der Privatwohl­­thätigkeitssinn bemühen sich ununterbrochen dem Pauperismus, zu Leibe zu gehen. Vergebens. Keine Macht und kein Gefühl kann die, millionenfach, sich­ durchkreuzenden volks­­wirthschaftlichen Fäden zu einem beliebigen Gewebe legen,­­ kein Gesetz den Gesetzen­ des­ Marktes entgegentreten, denn in jedem Augenbli> kann das Gift Brod sein, das Brod zu Gift werden. Es wird ungeachtet aller Anstrengungen immerwährend nicht nur Menschen geben, die nicht menschen­­würdig­­ leben, sondern auch solche, die gar nicht leben können, "ohne daß man irgendwo“ eine Vera­ntwortlichkeit aufzufinden, vermöchte. Und so­ stünden "wir vor der grau­­samen Nothwendigkeit die Dinge gehen zu lassen wie sie eben gehen? „Da. nein, so trostlos steht es­ nicht. Wir wollen sehen. Es ist ausgemacht, daß kein Mensch das Geld, heute das einzige Mittel zum Leben, auf der Straße findet; er erwirbt­ sich's durch“ Arbeit,­­ er­ vermehrt es durch Arbeit. Diese ist der erste volkswirthschaftliche Factor. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, theilt sich uns die ganze Menschheit in zwei Gruppen, „nämlich Arbeitgeber und Ar­­beitnehm­er. Zwischen ihnen liegt das­ Bedürfniß und der das Bedürfniß befriedigende Markt. Diese beiden regeln ihren gegenseitigen Verkehr, und aus diesem Verkehr wieder entspringt "die­ Macht, welche einzig und allein dem Despor­tischen Zwang jener beiden Momente die Spitze bieten kann. Es­ ist der Lohn. Da haben wir das Rettungsmittel : 1 _ | -

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