Kaschauer Zeitung, Oktober-Dezember 1887 (Jahrgang 49, nr. 113-151)

1887-11-22 / nr. 135

Nr. 135. XLIX, Jahrgang 1887. Kalchauer ganzjährig fl. 5.—, halbjähr. fl. 456 vierteljähr. 3 “Für Laschau : Mit Postversendung 3 ganzj. fl. 6.60, „fl. 7 M "Bei Inser­aten wird die sechsmal gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 5 kr. berechnet. — Inseratenstempel 30 kr. für jede Anzeige. 1.25 und Samstag. 1.65 Redaction und Expeditions-Bureau Kaschau, Hauptgasse Nr. 60. 3e Kaschau, Dienstag 22. November. lu KASSA-EPERJESI ERTESITO. "Pränumerationspreis ohne „Zluftr. Unterhaltungsblatt“ Erscheint jeden Dienstag, Donnerstag Mit dem „Zllufte. Unterhaltungsblatt ganzjährig fl. 7.—, halbjähr. fl. 3.50, vierteljähr. Fa­s Für Kaschan : Mit Postversendung : ganzi.. fl. 8.60,­­ fl. 4.30. Bei Inseraten, welche größeren Raum einneh­men und öfter eingeschaltet werden wird ein entsprechender Nachlaß gewährt.­­ Reneste Nachrichten. Ungarn. Budapest. Das Amtsblatt "die Ernennung des Graner Domherrn Herrn Julius publizirt Me­ß­­lényi zum Bischof von Szathmár. (Diese Ernennung ist insoferne von Interesse, als Meßtenyi zum­ar des Kardinals Fürstprimas Simor gehört, welcher bei den­­ Bischofsernennungen der legten Jahre übergangen wurde. Meßlenyi ist, von­ bei einer früheren Gelegenheit bemerkt, ein Retter Ludwig RO­ß Oesterreich. Wien. Im demokratischen Verein des IX Bezirkes kam es am 18. zu einem argen durch Pseudodemo­­keraten und Antisemiten angezettelten Crawalle, ehe noch eine­­ Proposition in Verhandlung gekommen war und wurden auch mehrere Fenster eingeschlagen. Graz. Die hiesige Advokatenkammer beschloß, die “Petition der Advocatur3-Concipienten um Nichtanstel­­lung jüdischer Concipienten, sämmtlichen Advocaten des Landes zur persönlichen Würdigung zuzu­­wenden.­­ Dänemark. Kopenhagen. In hiesigen politi­­schen Kreisen wird die demnächstige Auflösung des Folkething für sehr wahrscheinlich gehalten und treffen bereit, die beiden politischen Parteien des Landes ihre Vor­­bereitungen für den Wahlkampf. Großbritannien. London. Von Amerika aus werden Thaten der Dynamitverschwörer gegen die englische Regierung befürchtet ; der Anarchismus hat furchtbares Ter­­rain in den Arbeiterkreiien Englands genommen. Belgien. Brüssel. Die offiziellen Kreise Bel­­­giens sind in Folge der Pariser Vorgänge sehr beunruhigt. Man befürchtet allgemein eine Dictatur Boulan­­gers Prinz Victor Napoleon will eine neue Proclamation land­­en, worin die Errichtung eines Starken Kaiserreichs als die einzige Rettung Frankreichs erklärt wird. Zahlreiche bonapartistische Abgeord­­nete sind hier eingetroffen. Frankreich. Paris. Die Kammer gab am 18. nahezu ohne Diskussion, mit 527 gegen 3 Stimmen die Er­m­ä­ch­tigung zur gerichtlichen Verfolgung Bil­jo­n’3 und vertagte sich bis Samstag. Nach­ der Kammerfisung versammelten sich die Minister­­ zur Berathung über die Lage und begaben sich Hierauf zu Grévy. Der Just­iz­minister kündigte den Entschluß an, ich definitiv zurückzuziehen Fallieres 38 wird „alsdann mit der interimistischen Leitung des Justizministeri­­ums betraut werden. Der Minister des Innern forderte den Polizei-Präfecten Gragnon auf, seine Entlassung zu nehmen; nachdem derselbe sich weigerte, dies zu thun, ernannte der­­ Minister den Director im Ministerium des Innern, Mr. Bourgeois, zum Polizei-Präfecten. Die Kammer lehnte am 19. den Vertagungsantrag Rouvier, betreffe Verhandlung der Rentenconversion mit 323 gegen 242 Stimmen ab, worauf Ministerpräsident Rouvier die Demission des Cabinetes anmeldete. Gr 6vy Hingegen erklärte positiv, bleiben zu wollen. Italien. R­o­m. Die Kammer wählte Biancheri mit 268 von 303 Stimmen zum Präsidenten wieder. Serbien. Belgrad. Der König unterschrieb einen Ukas, durch drei Bischöfe welchen der Metropolit Michael und pensionirt werden. Die Subkommission der Ber­affungsrevisions-Kommission hat die drei wichtigsten Abschnitte des Grundgeseßes, betreffend das Staatsgebiet und dessen administrative Eintheilung, die konstitutionellen Freiheiten und Rechte der Staatsbürger und die Staatsgewalten, in den Einzelheiten berathen und nach eingehenden Debatten einstimmig angenommen. Die Präroga­­tive der Krone, welche der lezte Abschnitt definirt und fest­­stellt, sind im bisherigen Umfange erhalten geblieben. Rumänien. Bukarest. Der Kriegsmini­­st­er hat seine Demission gegeben. Bratianu wird interimistis das Portefeuille des Krieges übernehmen. Bulgarien. Sophia. Die bulgarische Regierung ordnete eine Haussuchung bei dem serbischen Vertreter an, verhaftete denselben und ran­b­te dessen Papiere .Scheint uns nicht ganz wahr zu sein. Das Betreten Sophia ist jedem Ausländer verboten. Südamerika. Rio de Janeiro. Die großen südamerikanischen Staaten arbeiten gegenwärtig mit besonde­­rem Eifer an der Vervollständigung ihrer Rüstungen, insbe­­sondere Brasilien und die Argentinische Re­publik, zwischen denen eine Rivalität besteht. Die brasili­­anischen Kammern votirten 5 Millionen Milieis für die Vermehrung der Kriegsmarine, während in Argentinien 8 Millionen Pesos für die Verstärkung der Armee votirt wurden. x j ' Lokal-Nachrichten. — Die Consekration unseres hochw. Herrn Diö­­zesanbischofs Herrn Dr. Sigismund Bubics8 wurde am 20. d. Sonntags in Großwardein vollzogen. Se. Hoch­­würden langte am 19. dort an und wurde von mehreren Mitgliedern des Domkapitels am Bahnhofe begrüßt. Die Conservation vollzog der dortige Bischof Schlauch unter Assistenz der griech -kath. Bischofs Pavel und des Weih­­bischofs Dr. No­ga­ll. Zu der seltenen Feier hatten sich zahlreiche Freunde und Verehrer des zu konsekrirenden Bischofs eingefunden. Offiziell waren die Deputation des Kaschauer Domkapitels, die dortige weltliche und Regulargeistlichkeit beider Riten, die Spitzen der staatlichen und munizipalen Behörden, Vertreter des Militärs, die Schulen, Vereine u.­­. w. erschienen. Nach der Consekration, welche mit großem Pompe vor sich ging und welche wir demnächst beschreiben werden, gab Bischof S Hl­an­d, ein glänzendes Gala-Diner, zu welchem Staatssekretär Bela Lukács8, die Bischöfe Pavel, Bubics und Nogatl, die Domherrn Szinyey und Dessewffy, Obergespan D­o­r­y und Vicegespan Beöthy, Bürgermeister S­a I, sämmtliche Mitglieder des Domkapitels, die Soigen der Zivil- und Militärbehörden, sowie zahlreiche Notabilitäten theilnahmen. Vor dem Banket nahm Bischof Bu­bic­h herz­­lichen Abschied von dem Großwardeiner Kapitel und wurde seitens des Kaschauer Kapitels durch die Domherrn Def­fenffy und Singey begrüßt. Das Banket war um 4 Uhr zu Ende. 164558 Bischof Bubic begab sich gestern nach Budapest, von wo er sich zu der am 29. in Kaschau stattfindenden feier­­lichen Installation begibt. Zur Theilnahme an Pe begeben sich von Großwardein Obergespan Baron Döry, Bizegespan Beöthy, Bürgermeister Sal und Graf Karl Haller nach Kaschau. — Sitzung des Communalschulstuhles. Diese fand unter Leitung des Präses Leopold Szikay am 19.­­l. M. statt. Außer mehreren bereits ex praesidio erledigten kurrenten Sachen, was der Schulstuhl zur Kenntniß nahm, wurde — und dieß war der wichtigste Gegenstand der Ver­­handlung, — dem Schulstuhle der Bauplan bezüglich des neu zu errichten beabsichtigten Schulhauses vorgelegt. Der Sculstuhl beschloß sich dahin auszusprechen, daß gegen den Bau in didaktischer Hinsicht, gar keine Erwendungen obwalten, und der Schulstuhl wünsche, daß der Plan je eher ausgeführt werden möge ! In diesem Sinne wird an den Bürgermeister ein Bericht erstattet werden. — Der israelitische Frauenverein nimmt auch heuer wieder die im Vorjahre übernommene edle Missionen auf, den hungernden Armen gesunde Mittagskost zu verab­­reichen ; der Verein wird vom 1. Dezember an wieder eine Volksküche eröffnen und damit sein im Vorjahre begonnenes Werk fortsetzen ; er hält es für seine unabweisliche Pflicht, die so nothwendige und so große Wohlthaten spendende An­­stalt weiter zu führen. Er wendet sich daher vertrauensvoll an die mildthätigen Einwohner dieser Stadt, sie dringend bittend, dur, milde Gaben, seien es Naturalien oder Geld, die projektivte Wiedereröffnung der Wolfsküche zu ermöglichen. Der Verein erlaubt sich zugleich bekannt zu geben, daß die Vollküche jedem Armen, ohne Unter­­schied des Glaubensbekenntnisses­, für nur 10 fr. — den gänzlich Unbemittelten unentgeltlich — ein aus drei Speisen bestehendes Mittagsmahl und Brod verabreicht. Das Hauptaugenmerk auf die Linderung der Noth­eimer Schulkinder gerichtet, werden diese, über Attest des Leiters dieser humanitären Anstalt, die Mahlzeit umsonst erhalten. Hoffentlich werden die Spenden diesem edlen wohlthäti­­gen Vereine auch dies Jahr ebenso reichlich zufließen, wie im Vorjahr und sind solche an die Präsidentin Frau Antonia Brody zu richten. Möchten alle unsere Reichen diesem Samaritaner-Werke nur recht ausgiebige Unterstüzung angez­­eihen lassen !­­ — Berichtigung. Herr Professor Géza M­y 3= forßsky wurde­­ nicht, wie irrig berichtet, zum Ehrenbür­­­o ca == en = - === == =<“ © mit emo­­­m­ - Sevilleton. Kritik über Kritik. Der Kritiker Merk hat Goethe unschäßbare­­ Dienste geleistet und man kann sich keinen interessantern Um­­gang denken als zwischen Goethe und Merk , wie denn auch die Gespräche zwischen Faust und Mephisto die geistvollsten, tiefsten und philosophischesten des großen Werkes bilden. Wie der König mit dem Dichter, so soll der Dichter mit dem K­tifer umgehen. In der modernen Literatur und Kunstwelt betrachten sich Beide als Feinde und statt wie Freunde, leben sie wie Hund und Kae. Der Kritiker sieht in jedem neuen Buche, in jeder neuen Leistung ein Attentat auf seine Freiheit, in jedem Poeten und Künstler eine Mittelmäßigkeit, die gerne ein Genie sein möchte. Der Produzent wieder erblickt in dem Rezensenten einen Verkleinerer seiner Verdienste, einen Verken­­ner seines Talents. Welchen Einfluß hat nun die falsche Kritik auf ein­­ Genie und welchen auf das bloße Talent ? Auf das wahre Genie hat die falsche Kritik keinen Einfluß, denn dieses gelangt selbst auch nach einem­­ Abweg wieder auf seine richtige Bahn. Für das bloße T­a­­lent ist aber eine falsche Kritik gefährlich. Da jedoch an Talenten sein Mangel ist, so ist auch das Zugrundegehen eines solchen sein absolutes Unglück. An dem Baum reifen auch nicht alle Blüthen aus. Alles kämpft eben seinen Kampf ern Dasein und bei jedem ordentlichen Kampf gibt es Todte. Manchmal ist aber auch der Kritiker verhindert, eine wahre Kritik auszuüben , was natürlich für einen echten b. h. wahren Kritiker immer eine Qual ist. Ich kenne so ein kleines Erlebnis eines Kritikers. Man gab eine neue Oper. Es war der erste Versuch eines jungen Dichters und eines jungen Tonfekers, das wußte Der Kritiker und hatte sich mit Geduld und Nachsicht gerüstet. Er trat zur Cassa, um sich den Operntext zu kaufen, da flüsterte ihm einer seiner Freunde ins Ohr: „Ich empfehle „Ihnen den Dichter, es ist ein junger anspruchsloser Mann; seine Oper ist zwar sein Meisterwerk, im Gegentheil, sie steht auf etwas schwachen Füßen, aber er verdient Aufmunterung, seine Jugend entschuldigt ihn und ich habe ihm meinen Schuß zugesagt. Warten Sie seinen zweiten Versuch ab und Sie werden sehen, daß er Talent hat, also behandeln Sie ihn s<onend, ich verlange es als einen Freund­­schaftsdienst, den Sie mir erweisen. Der Kritiker drückte sei­­nem Freunde fopfindend die Hand und ging, aber nach weni­­gen Schritten versperrte ihm ein naher Verwandter den Weg und erklärte, daß er sich warm für den Compositeur der Oper interessive „es ist ein junger Mann,“ sagte er, „der zu den größten Hoffnungen berechtigt, der die besten Anlagen beu­gt, aber noch in der Entwickelung begriffen ist. Mederjeben Sie die Fehler des Anfängers und heben Sie die Schönheiten gehörig heraus. Mit einem Wort, sprechen Sie von ihm, wie er es verdient d.h. — loben Sie sein Werk.“ „Ihnen zu Gefallen will ich ein Auge zudrücken,“ gab der Kritiker zur Antwort und nahm sich vor, wenigstens mit den Sängern nach seiner Ueberzeugung zu verfahren, da es ihm bei dem Dichter und Tonfeger schon verboten war, aber kaum trat er ins Parterre, als ihm einer seiner Collegen bei Seite nahm und ihm vertraute, der erst B­assist habe ihn ersagt, um seine, des Kritikers, Nachsicht zu bitten, indem er erst kurz von einer Krankheit genesen und noch nicht in vollem Besig seiner Stimme sei. Kaum hatte den armen Rezensenten der College verlassen, so faßte ihn ein Freund der Prima-Donna am Arm und erzählte, daß die Aermste wie Espenlaub zittre, weil ihre heutige Rolle nicht für ihre Stimmlage geseßt sei und sie selbe nur aus Ge­­fälligkeit übernommen habe. Gleich darauf kam der Vater des ersten Tenors, drückte ihm gerührt die Hand und konnte nicht aufhören, von der kindlichen Liebe seines guten Sohnes zu sprechen, der die einzige Stüße seines Alters sei und schloß mit der Versicherung, daß von dem Erfolge der heutigen Rolle das fernere Engagement seines geliebten Sohnes abhinge. Mit vieler Mühe hatte der gequälte Kritiker endlich seinen Sperrfiß erreicht , hörte eine sc­hülerhafte Oper von mittelmäßigen Sängern mit­­telmäßig vorgetragen und sollte loben, obwohl das Publikum größtentheils zischte. Zum Unglück fiel er am Ausgange dem Director des Theaters in die Hände, der über die schlechten Einnahmen und über die Unge­­rechtigkeit des Publikums klagte, und meinte, es wäre Pflicht, leiterem die Augen zu öffnen. Was sollte nun der Rezensent machen ? In einer Art von he 57 Auth lobte er Alles; — und was war die Folge? — Die Gelobten nann­­ten ihn parteiis< und das Publikum meinte, die Kritiken wären nicht mehr zu lesen! Der Kritiker hatte sich nicht nur lächerlich gemacht, hatte auch das Vertrauen und den Glauben seiner Leser ver­­er­loren und selbst die Gelobten wußten ihn seinen Dank für sein Lob, wodurch sie eigentlich Alle mehr blamirt wurden, als durch eine wahre Kritik. Wahr und unbestechlich muß ein vollkom­­mener Kritiker bleiben, dann wird er immer Glauben finden ; auf jeden Fall muß aber ein vollkommener Kritiker gewisse vorweg unerläßliche Eigenschaften besizen. Er muß vor Allem mit den Gegenständen bekannt sein, die er bespricht. Er muß ferner die Literaturgeschichte seiner Zeit kennen und von leb­­hafter Theilnahme für die Leistungen derselben beseelt sein. So mancher Kritiker steht dem Werke, welches er beurtheilt, zurück und macht sich troß der ernsten Richtermine lächerlich. Aufrichtigkeit und Wahrheitsliebe sind die schönsten Eigenschaf­­ten der Kritik. M. Der Kunstrichter muß nicht gleich jedes Produkt in den Schmelztiegel werfen, er darf es aber auch nicht so hin­­gehen lassen, als ob er sich fürchte, es anzurühren. Satyren und Basquille verlieren mit der Zeit ihren Werth eben so gut, als die Lobreden. Der echte Kritiker muß den Verführungen seiner eigenen Feder widerstehen können, wie auch der Anmaßung, eine Ab­­handlung über den Gegenstand, statt über das zu be­­urtheilende Werk zu schreiben, stolz darauf, in einigen Blät­­tern das zu liefern, was der Autor selbst nicht in einigen Bänden oder Aufzügen darzustellen vermochte. Erschmug­­gelt er sich das öffentliche Vertrauen durch populäres Blend­­wert oder duch unwürdige Behandlung der Schriftsteller und Künstler, so erwartet ihn die Schmach, daß diese ihn ganz negiren, das Publikum aber an seiner Der echte Kritiker soll sich immer =­ Begabung zweifelt. als­ Nebenbuhler des Produzenten betrachten. ee - |

Next