Kaschauer Zeitung, Oktober-Dezember 1888 (Jahrgang 50, nr. 112-149)

1888-11-22 / nr. 134

Er Er Fünfzigster Jahrgang 1888. E­r jährt Mit ee eat „ N : „ Bei Inseraten wird die sechsmal gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 5 kr. berechnet. — Inser­atenstempel 30 kr. für jede Anzeige. — . 6.60, 3.30 . 1.65 Nr. 134. Kaschauer Zeitung. KASSA-EPERJESI ERTESITO. Pränumerationspreis ohne „Illustr. Unterhaltungsblatt" 3­5.“, halbjähr. fl. 2.50, vierteljähr.­­ 1.25 Erscheint jeden Di­e D Er a nn Redaction und Expeditions-Burean Kasehau, Hauptgasse Nr. 60. Kaschau, Donnerstag 22. November. Mit dem „Illustr. Unterhaltun Pau. i iu KK KK wird ein­e Nachlaß gewährt. Bei Inseraten, welche größeren Raum einneh­men und öfter­s eingeschaltet werden­­tsprechender r Kaschan­­­it Postverseundung : Neueste Nachrichten. Ungarn. Der Landesverein für öffentl. Gesundheits­­pflege hat gegen die Ueberbürdung der studie­­renden J­ugend Fronte gemacht und Vorschläge zur Beseitigung der aus selber entspringenden vielen Uebel gethan. Oesterreich. Am 30. oder 31. November soll in Brünn ein sozialdemokratischer Kongreß “tagen. 7 Im Wehrausschusse erklärte der Unterrichtsminister Gautsch übereinstimmend mit dem bekannten Ministerialerlaß, die Regierung werde die thunlichsten Erleichte­­rungen für die Freiwilligen befürworten. Deutschland. Der Berliner städtischen Behörde ist zu Handen des Oberbürgermeisters ein kaiserliches Schreiben zugegangen, welches in verbindlichen Worten den Dank für die Huldigungsadresse und das damit verbundene Geschenk des monumentalen Brun­­nens ausspricht. Es soll dieß als Versüßung der beim Empfänge­­­ z­ erhaltenen bitteren Pille gelten und von Minister Goßler und dem Bildhauer des Brunnens, Vegas, erbeten worden sein. Frankreich. Ueber den Scandalprozeß Gibly-Audrieux siehe Heimath und Fremde. Die Ausweisung des französischen Journalisten Pi € aus Berlin veranlaßt einen Theil der Presse, die Regie­­rung neuerdings zu Repressalien gegen die deutschen Korrespondenten­ aufzufordern. Der „National“ verlangt hingegen, daß man vorerst alle ö­st­e­r­­reichischen Korrespondenten abschiebe, weil diese nu­r gefährlicher sind, als die deutschen. Italien. Das Königspaar ist am 20. von Monza Ro­m eingetroffen. Türkei. Der außerordentlich freundliche Empfang, den der Sultan am sechten Dienstag den Abgesand­­ten des Königs von Griechenland, die ihm die Insignien des Erlöser-Ordens brachten, bereitet hat, spricht dafür, daß zwischen Athen und Konstantinopel gegenwärtig wieder ein vollständig freundschaftliches Einver­­nehmen hergestellt Serbien­ ist. Im Amtsblatt „Srps­ke Novine" werden die Beschwerden der Wähler gegen die Behör­­den, aber auch die Rechtfertigungs­berichte der Kreisvorstände an den Minister veröffentlicht Daraus geht hervor, daß ein gefäh­rlicher Parteiterrorismus der Opposition bestehe, der mit Mühe von weiteren Aus­­schreitungen zurüczuhalten ist und Leben und Eigenthum nichtoppositioneller Wähler bedroht. Besonders groß ist die Aufregung in den Kreisen von Cacak, Bo­­sloga, Ivaniga, Leskovac, Rumänien. Ihre Majestäten Mittwoch nach Bukarest von Sinaia zurückgekehrt, sind gestern Bulgarien. Zwischen der bulgarischen Regierung und dem Baron Hirsch wurde ein Arrangement abgeschlossen, wonach die Verwaltung der bulgarischen Eisen­­bahnen den Betrieb der Linie bis Saram­beg über­­nimmt. Der bulgarische Agent in Konstantinopel, Dr V­u­l­­fovics, ist in Familienangelegenheiten in Sophia eine getroffen. Zanzibar. Generalkonsul Ceci, der außerordentliche Abgesandte Italiens, vereinbarte mit dem Sultan vor Zanzibar die moralische Genugthuung, welche Italien für die Verzögerung der Entgegennahme des Handschreibens des Königs Humbert gebührt. Die Genug­­thuung erfolgte am 19. durch Salutirung einer jeden auf­­gehißten italienischen Flagge mit 21 Kanonenschüssen, der Anlegung der großen Flaggengala von Seite aller Schiffe des Sulland und durch ein an den König gerichtetes, die lebhaftesten Entschuldigungen des Sultans enthaltendes Schrei­­maz = an Sultan ist seit einigen Tagen ertrankt. GET „ Aus dem Reichstage. “ Die Regalien-Vorlage gelangte im Abgeord­­netenhause am 17. b. zur Verhandlung. Neue Gesichtspunkte wurden in der Debatte weder von den Rednern der Regie­­rungspartei, noch von denen der Opposition mehr vorgebracht. Geza Pol­ónyi meint, man hätte dem Entwurfe einen anderen Titel geben sollen u. zw. „Von der Expropri­­irung des Staafrechtes — von der Erwerbung von zwölf Millionen durch eine Anleihe — und von der neueren Erhöhung der Konsumsteuern han­­delnde Gelegentwürfe". Das Princip der Vorlage sei das Monopol des Staates. Das 12 Millionen Staatseigenthum betragende Regale, welches der Staat von sich selbst ablöst, wird nun eine Basis zu neuen Staats­­sculden bilden. In dem heutigen Zeitalter der Protektion und Korteschbelohnungen würde dieser Gesezentwurf zur Folge haben, daß der Finanzminister der Oberwirth wäre, welcher nach Belieben zur Belohnung von Kortesc­­diensten das Schankrecht vertheilen könnte. Redner fragt sodann, ob die Schanfsteuer als direkte Steuer betrachtet werde, was er nicht billigen könnte, da in diesem Falle alle Korteschwirthe der Regierung Virilisten werden würden. Hierauf entspann sich ein lebhafter Streit zwischen Apponyi, Tipa und dem Präsidenten, ob nicht die De­­batte abgebrochen und darüber hin und her gestritten, ob nicht zuerst über den Antrag abgestimmt werden solle, den Entwurf von der Tagesordnung abzusehen. Nachdem dies nicht geschieht, geht Apponyi wurfes ein und kritisirt hauptsächlich auf Einzelheiten der Ent­­die Benachtheilung der Städte und Gemeinden, welche durch die Vorlage aufs tiefste geschädigt würden. Ministerpräsident Ti­p­a plaidirt endlich für die unveränderte Annahme des Konmisse­on Zentwurfes­, worauf Schluß der Debatte folgt. — Indemnität­ per Gesetzentwürfe ein. Minister-Präsident Tipa reichte am 19. den einen wegen der Indemnität für as erste Quartal des Jahres 1889, da die Regalien- und die Wehrvorlage die Budgetverhandlung heuer unmöglich machen, den zweiten behufs Bedeckung der außerordentlichen Militärkredite und zwar sollen 9.325.800 durch die Delegationen votirten 29,700.000 fl. von den bereits fl. sogleich flüssig gemacht werden ; ferner wird der Finanzminister ermächtigt, fals jene weiteren 17,600.000 fl., welche für den im Einvernehmen mit der gemeinsamen sowie mit der öster­­reichischen Regierung festzustellenden Fall der Noth bewilligt wurden, im Ganzen oder zum Theile in Anspruch genommen­­ werden, den hievon auf Ungarn entfallenden Theil bis zu 5.526.400 fl. dem gemeinsamen Finanzminister gleichfalls auszahlen zu dürfen. Im Motivenberichte heißt es, es sei zwar die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß die Finanz­­verwaltung im Stande sein­ werde, den Bedarf wenigstens zum Theile auch ohne Inanspruchnahme einer Kreditoperation zu decken, nichtödestoweniger erachte es der Finanzminister für korrekt, damit das Staatsärar jeder Eventualität gegen­­über gesichert sei, daß der Regierung die Ermächtigung zur Beschaffung des ganzen Betrages ertheilt werde. ie Freiwilligen-Debatte im Wehrausschusse des Reichstages war dem guten Willen der Volksvertreter, für die ungarische Jugend das Beste zu erlangen, zu Folge, eine wohl erregte, aber keinesfalls heftige. Ende will doch jeder Patriot, daß die Landeskinder ihr Fort Am­kommen auch beim Militär finden. Was die deutsche Sprache betrifft, meint Br. Fejörváry, so muß im Prinzipe in dieser die Prüfung abge­­legt werden, schon deshalb, damit die Prüfungskommission sich überzeuge, daß der Betreffende so viel Deutsch weiß, als der Dienst unbedingt erheischt ; allein es ist erlaubt, daß der Betreffende, insoferne er sie nicht gehörig ausdrücken kann, die Prüfung auch in seiner Muttersprache ablegen könne. Das zweite Jahr ist schon kein Freiwilligenjahr mehr. Doch ist ausgesprochen, daß die Betreffenden rein nur zum Dienst verwendet werden, von kleineren Dienstleistungen befreit sind und wenn sie wollen, auch während diese zweiten Jahres auf eigene Kosten dienen und die Prüfung alle nach dem zweiten Jahre ablegen dürfen. Wenn jemand ohne seine Schuld 3. B krankheitshalber wegbleibt, so kann er auf Grund eines militärärztlichen Zeugnisses die Prüfung nachträglich ablegen. Die Aermeren werden auf Staatskosten aufgenommen ; sie werden gerade so behandelt wie die übrigen, nur müssen est Lee Ai­ feuilleton, Gestorben — im Fiaker. Es war eine kalte und klare Januar-Nacht, als ein spät heimkehrender Spaziergänger die Hände in dem­ Seiten­­taschen seines Pelzpaletots versenkt, raschen Schrittes über den Boulevard Haußmann daherschritt. Sein rhythmischer Schritt widerhallte in der zu so später Stunde menschenleeren und einsamen Avenue. Auf den Türmen der Kirche St. Augustin zeigten die transparenten Zifferblätter der Uhren, daß 11 Uhr bereits vorüber war. Nur selten begegnete man einem Mensc­hen, höchstens rumpelte ein Pferdebahn­wagen über die Schienen, dessen Pferde in einen weißen Dunst gehüllt wa­­ren. Hie und da flog wohl auch einmal ein Cabriolet vor­­über, dessen Eigentümer sich beeilte nach Hause zu kommen und die Laternen des Wagens verbreiteten momentan einen blendenden Schein . =­ Alles schien anzudeuten, daß die Nacht noch viel kälter werden würde. Der Mond stand glän­­zend am wolkenlosen Himmel, und warf seinen Silberschein auf die Gebäude der einen Straßenseite, während er die schwarzen Schlagschatten der gegenüberliegenden Häuserreihe als scharfe Silhouetten auf das Asphalt-Pflaster hinzeichnete. Der späte Wanderer, dessen wir soeben erwähnten, wien sich weder durch den Frost, noch durch die stille Ein­­amkeit aus seiner guten Laune bringen zu lassen, und in einem Kopfe zog eine Reihe freundlicher und glänzender Ge­­danken, wie ein Wandel-Panorama, vorüber. Nun, der Dok­­tor Rascal Borsier — denn dieser war der Wan­­derer — hätte auch sehr Unrecht gehabt, sich über sein Ge­­schi> zu beklagen. Erst 35 Jahre alt, und schon Oberarzt an den großen Hospitälern, korrespondirendes Mitglied der Akademie der Medizin und ganz gewiß bald wirkliches Mit­­glied mit Siß und Stimme. Dozent der Heilkunde am College de France, in dessen weiten Räumen er auch sein Labora­­torium hatte, hatte sich der junge Arzt in einem Alter, wo seine Genossen sich noch mühselig über die schweren Anfänge hinwegkämpften, bereits in wissenschaftlichen­­ Kreisen eine ausnahmsweise Stellung errungen. Er war wohlhabend ge­­nug, um die medizinische Praxis nur nach Auswahl und in beschränktem Maßstabe auszuüben, dagegen widmete er den größten Teil seiner Zeit wissenschaftlichen Forschungen und Studien. Er gehörte zu der Schule der Entdecker, die immer Neues zu finden trachten, welche die ausgetretenen Fußwege verschmähen, und ihren Stolz darein fegen, neue unbekannte Gebiete auf dem unbegrenzten Raume der Wissenschaft zu betreten, in das Innere zu bringen und Licht über so man­­ches dunkle Gebiet zu verbreiten, von dem man heute kaum erst die äußersten Grenzen kennt. Er war einer der Ersten gewesen, der in dem Streben, die Geheimnisse der Natur zu entdecken, diese zu zwingen, ihre Mysterien zu enthüllen, zum Mikroskope, zur cemischen Analyse griff; — er war ein Schüler des berühmten Phy­­siologen Brown-Sequard, jenes hochverdienten Mannes, der die großen Arbeiten Claude Bernard's fortsette; er hatte sich vorzüglich auf die Nerven, jene geheimnisvollen Werkzeuge im menschlichen Organismus, geworfen, welche die Befehle des Gehirns den Gliedern des Körpers zusenden und alle inneren Beziehungen vermitteln. Einige Denkschriften über den Einfluß der Gifte auf das Nervensystem und ihre minimale Verwendung als Heilmittel, um gerade die Unordnungen im Nervensystem zu beseitigen, waren der Akademie der Medizin von ihm vorgelegt und von dieser gelehrten Körperschaft mit ehrenvoller Anerkennung des Verfassers entgegengenommen worden. Jeßt wieder hatte er einen neuen Kreis von For­­schungen abgeschlossen und die Resultate derselben in einem Berichte an die Akademie niedergelegt, den er in diesen Tagen vorlegen zu können hoffte. Diese gründliche Arbeit sollte, wie er dachte und hoffte, die Aufmerksamkeit der Wien Gefilden Welt in besonderer Weise auf ihn lenken und da er weit davon war, unempfindlich zu sein gegen die Genüsse, welche die befriedigte Eigenliebe gewährt, indem sie in ihnen die natürliche und rechtmäßige Belohnung schwerer Arbeiten sieht, war er Alles das überdenkend und großen Erfolgen entgegenz­iehend, in der gehobensten Stimmung. Aber je mehr er sich in seinem raschen Gange der Rue Lamennais, wo er wohnte, näherte, nahmen seine Gedanken allmählig eine andere Richtung. Man hätte Unrecht, zu glau­­ben, daß Dr. Borsier, so sehr und so ganz von seinen For­­schungen und Studien eingenommen war, um gleichgiltig allen übrigen Dingen gegenüber zu bleiben. Die Wissenschaft, so eifrig er sich auch ihrem Dienste widmete, hatte doch nur den Heinen Theil seiner Zuneigung: — er hatte der Wissen­­schaft eine Nebenbuhlerin gegeben, die eigentlich sein Herz fast ausschließlich beherrschte. Dr. Pascal Borsier hatte sich vor einigen Jahren verheiratet ; seine Frau war die Tochter eines höheren Beamten im Ministerium des Innern und er war ursprünglich zu dem Manne berufen worden, schwer erkrankt an einem jener Leiden darniederlag, als dieser bei mel­chen die We ug wohl den peinlichen Ausgang hinaus­­zuschieben, die sie aber nicht zu heilen vermag. Bei jedem seiner Besuche fand er am Bette ber Kranken ein schöness und anmutiges Mädchen, das während er die verderblichen Fortschritte der Krankheit beobachtete, seine fra­­genden Blicke auf den Arzt richtete, um daraus Hoffnung oder neue Besorgniß zu schöpfen. In diesen stummen fragen­­den Blicken, die beständig auf ihn gerichtet waren, uld woll­­ten sie seine Eindrücke erforschen, las er zu gleicher Zeit auch eine herzliche Dankbarkeit, für die Mühe, die er sich gab, den Vater dem Tode abzustreiten. Die unschuldige und be­­leidene Anmut des jungen Mädchens hatte gleich von An­­ang an einen tiefen Eindrug auf ihn gemacht, der sich im­­mer mehr steigerte, als er nach und nach den hohen Ver­­stand, das richtige Urtheil und die Aufrichtigkeit der Gefühle kennen lernte, die sich in Christine Dumarais vereinigten, um aus ihr ein vollkommenes, weibliches Wesen zu machen. Als der Vater Groß aller seiner Bemühungen gestorben war, hielt er bei der Witwe Dumarais um die Hand ihrer Tochter an und erhielt diese auch zugesagt. Madame Dumarais war ohne Vermögen und bezog nur eine kleine Pension. Sie hatte nur zwei Kinder : Christine und deren älteren Bruder, einen verdienstvollen Ingenieur,­­ der sich vorzüglich mit dem Baue von Eisenbahnen im Aus­­lande beschäftigte, fast immer abwesend war und in seiner Familie nur selten und dann kurz seine Erscheinung machte. So war denn die Witwe glücklich, einen Sedigersohn in Paris zu finden, der sie dem traurigen Loose enthob, im Alter ganz vereinsamt dazustehen, eben in dem Alter, in wel­­chem sie liebevoller Sorgfalt am meisten bedurfte. Vom Tage seiner Verheiratung mit Christine erfreute sich Borsier des vollständigsten Glückes ohne jegliche Trübung ; er war seit vier Jahre verheirathet, und liebte seine Frau so heiß und innig wie am Hochzeittage. Er liebte, ist zu wenig gesagt, er betete sie an. Schluß folgt.

Next