Acta Historiae Artium 24. (1978)
1978 / 1-4. szám - G. Galavics: Ein Reynolds-Blatt als politisches Symbol in Ungarn am Ende des 18. Jahrhunderts
326 G. GALAVICS sischcs Beispiel der »heroischen«, der die Tradition bewahrenden Stilrichtung des englischen Porträts vom 18. Jahrhundert zu betrachten. Der Hauptrepräsentant dieser Stilrichtung war eben Reynolds, demgegenüber Th. Gainsborough die zur natürlichen Unmittelbarkeit strebende Auffassung vertrat. Das Originalgemälde von Reynolds in Husarenuniform konnte aber nicht im Hause des ungarischen Magnaten hängen, da es in England verblieb und heute in der Sammlung des Buckingham Palastes zu finden ist.8 Ebenso verhält es sich mit der Kopie des Gemäldes in Frankreich, die jetzt in der Sammlung des Musée Condé in Chantilly aufbewahrt wird.7 Der bekannte englische Stecher J. R. Smith veröffentlichte aber am 23. III. 1786 (als Louis Philippe Joseph schon als duc d’Orleans betitelt war), eine graphische Wiederholung des Gemäldes; dies ausgezeichnete Mezzotinto war ebenfalls dem Husarcnregiment-Inhaber Prinzen von Wales gewidmet. Nur dieser Stich konnte jenes Kunstwerk sein, das im Rauchzimmer des László Orczy hing und das dieser seinen Gästen zeigte.8 D as Bild wurde außer dem denunzierenden General auch noch von anderen gesehen. Dies ist durch die Erwähnung in einem anderen, dem ersteren gewissermaßen ähnlichen Aktenstück bewiesen. Ignác Martinovich, der später hingerichtete Anführer der ungarischen Jakobinerbewegung, hat nach seiner Verhaftung am 21. IX. 1794 folgendes Geständnis abgelegt: ». . . alle ungarische Hauptfreymaurer und Lärmemacher des letzten Landtages [im Mai und Juni des Jahres 1792 — d. Verf.] wurden in Paris bekannt; ein Forgats, Orczy, Alois Batyani, Stephan Illésházy, Fekete, Szily, Spissics etc. etc. wurden bey den Pariser Jakobiner verrechnet, und da zu dieser Zeit das Haupt der Pariser Jakobiner der Herzog V. Orléans war, der durch die Démocratie auf den Thron Kommen wollte, so liess dieser sein Portrait an die obbennante Pohlen [Martinovich hatte in der ersten Hälfte seines Geständnisses fünfzehn Namen der mit der französischen Revolution sympatisierenden Polen genannt — d. Verf.] in der pohlnischen Kleidung und an die Ungarn in der ungarischen Kleidung versenden, um hiedurch seine Philantropie einer jeden Nazion zu zeigen. Der Baron Ladislaus Orczy hat dieses Portrait noch in seinem Zimmer, ohngeachtet er es nie gestehen wird, dass er selbes von Pariser Klubbisten erhalten habe.«9 Die Frage, wie das Bildnis zum Anführer der ungarischen adeligen Bewegung geraten ist, könnte scheinbar durch das Geständnis von Martinovich beantwortet werden. Außer der Tatsache aber, daß das Porträt des Prinzen von Orleans wirklich in Orczys Zimmer hing, ist das Geständnis von Martinovich anhand der Forschungsergebnisse als unrichtig zu betrachten. Die ungarische adelige Bewegung hatte keine unmittelbaren Beziehungen zur französischen Revolution, ja nicht einmal die sich mit den Zielsetzungen der französischen Revolution gleichstellende ungarische Jakobinerbewegung. Die von Martinovich erwähnte Geschichte über die Philanthropie des Prinzen ist ebenfalls nicht richtig, und das zitierte Geständnis von Martinovich war ein Teil seiner Manipulationsversuche zur Vergrößerung der Bedeutung der von ihm geleiteten Bewegung. Er wollte diese als drohende Gefahr für das Habsburgerregime vorführen.10 Wie das Bildnis nach Ungarn kam, ist nicht festzustellen; aber die Frage hat auch keine besondere Bedeutung. Das Porträt konnte entweder durch große Wiener Kunsthändler durch deren Kommissionäre in Ungarn oder durch ungarische Aristokraten, die England besuchten, nach Ungarn gelangen. Auch Habsburgerherrscher ließen sich Bildnisse in ungarischer Tracht anschaffen. Unter den sich zur Revolution bekennenden französischen Aristokraten gab es auch, verglichen mit dem Prinzen von Orleans, erfolgsreichere, z. B. den Marquis von Lafayette.11 László von Orczy hatte trotzdem das Bildnis des Orleans gewählt, und diese Geste beweist seine politische Sympathie. Worin bestand diese Sympathie? Zur Beantwortung dieser Frage wäre der Zeitpunkt, zu dem das Bild in der Wohnung des ungarischen Aristokraten hing, wichtig. Es ist nämlich nicht gleichbedeutend, ob man sich von dem konstitutionellen Prinzen Orleans der Opposition von 1790/91 oder von dem für die Hinrichtung des Königs votierenden (16—17. I. 1793) Jakobiner »Philippe Égalité« angezogen fühlt. Der General Barco hatte zwar im Februar des Jahres 1793, also bereits nach dem Todesurteil von Ludwig XVI. László Orczy angezeigt, er sah aber das Bild nicht erst Anfang 1793 bei ihm, sondern noch »vor geräumiger Zeit«, als Orczy seine Wohnung noch in Buda hielt.12 Den genauen Zeitpunkt können wir nicht feststellen, jedoch müssen wir eine längere Zeitspanne vermuten, da sich selbst der anzeigende General nicht mehr genau erinnern konnte. Je Acta Hist. Art Hung Tornvs 24, 1973