Acta Litteraria Academiae Scientiarum Hungaricae 2. (1959)

Turóczy-Trostler József: Zu Petőfis weltliterarischer Bedeutung

Zu Petőfis weltliterarischer Bedeutung Von József Turóczi-Trostler (Budapest) Einleitung Wir kennen keine europäische Literatur, die sich von den Anfängen bis zum heutigen Tag isoliert, gegen jedweden Einfluß verschlossen, entwickelt hätte. Denn nur in unablässigem Zusammenwirken mit den anderen Literatu­ren vermochte und vermag jede einzelne ihre geschichtliche Sendung im Leben unseres Kontinents zu erfüllen. Doch die unabdingbare Voraussetzung solchen Zusammenwirkens, das stets den Charakter einer dialektischen Auseinander­setzung trägt, ist und hleibt, daß die eine Literatur nicht bloß geschichtlich, sondern auch ideologisch im Verhältnis der Gleichzeitigkeit zu den anderen steht. Das gilt im allgemeinen für die Literaturen jener Nationen, die aus dem Feudalismus in den Kapitalismus, aus dem Mittelalter in die Neuzeit recht­zeitig, ohne Verspätung hinüberwuchsen, der Vormundschaft der Theologie ledig, dem Siegeszug der mündig gewordenen Vernunft folgend, den Weg vom Humanismus zur Aufklärung und zur Französischen Revolution ohne größere Hemmungen, beinahe gleichzeitig zurücklegten. Die Schöpfungen ihrer Dichter widerspiegeln nicht nur die Wandlungen des europäischen Weltbildes, die sie übrigens selbst vorbereiten helfen, sondern greifen auch stets mit umgestal­tender, oft revolutionierender Kraft in das Bewußtsein des europäischen Men­schen ein. Indem diese Dichter aus den Bedürfnissen, Nöten, Krisen und Klas­senkämpfen ihres Zeitalters und ihrer Völker heraus eine für alle Zeiten gültige Terminologie, Typen und Symbole schufen, die niemals wieder aus unserem Gedächtnis schwinden, vermögen sie auch noch heute unsere ideologischen und ästhetischen Bedürfnisse zu befriedigen. Sie taten und tun das stets in Über­einstimmung mit den fortschrittlichen, humanistischen Tendenzen des unge­teilten Europa und zwar ohne Schädigung und Verdunkelung ihrer nationalen Besonderheiten, behauptete und behauptet doch jede Literatur gerade unter Wahrung dieser Besonderheiten ihren Platz in der Gemeinschaft der euro­päischen Literaturen, die wir seit Goethe Weltliteratur nennen. Die größte Leistung des ungarischen Volkes ist seine Geschichte. Sie beanspruchte seine besten Schaffenskräfte, indem sie zugleich immer wieder neue Kräfte freisetzte. Das begann nach dem verhältnismäßig späten Eintritt des ungarischen Volkes in den europäischen Raum, mit dem Christianisierungs­

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